Bildformat 4:3 (1.37:1) Sprachen / Tonformate: Deutsch, Englisch, Spanisch (Dolby Digital 1.0) Untertitel: Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Französisch, Portugiesisch, Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch für Hörgeschädigte u. a. Ländercode:2 Extras: Cartoon; Kurzfilme
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Dokumentation: "The Milky Way"Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.10.2022Wen hätte Abraham Lincoln am liebsten geküsst?
Lustig, rührend und so noch nie dagewesen: "Bros" von Nicholas Stoller ist die erste schwule romantische Komödie aus Hollywood
Wer in der populären Kultur nicht verloren gehen will, muss zumindest ab und zu ein paar englische Vokabeln pauken. Zum Beispiel den Begriff "bromance". Seit einigen Jahren schon ist die altmodische Männerfreundschaft zur (eigentlichen) Romanze überhöht worden. Männer mögen Beziehungen haben, so richtig schlägt ihr Herz erst schneller, wenn sie mit dem besten Kumpel (dem "bro") etwas tun. Der Unterschied zwischen Homosozialität und Homosexualität wirkt dabei auf den augenzwinkernden Sprachgebrauch zurück, man fragt sich: Kann es auch zwischen schwulen Männern eine bromance geben? Das ist eine von vielen Fragen, die Billy Eichner und Nicholas Stoller sowohl implizit als auch ausdrücklich mit ihrer Komödie "Bros" stellen. Sie probieren dabei etwas aus, was es in dieser Form noch nicht gegeben hat: Sie wollen von einer (sexuellen) Minderheit in einem Idiom des Mainstreams erzählen, in einer mehr oder weniger klassischen romantischen Komödie (die einschlägige englische Vokabel ist wie so oft auch eine Abkürzung: RomCom), die sich nicht in erster Linie an eine Zielgruppe, sondern ans breite Publikum wendet. Das löbliche Unterfangen hat durchaus seine Tücken, wie sich bald erweist.
Der schwule Entertainer Billy Eichner ist die treibende Kraft hinter "Bros". Er spielt auch selbst die Hauptrolle, einen New Yorker namens Bobby Leiber, der mit einem Podcast bekannt geworden ist und mit einer Gruppe von ausgesucht queeren Menschen ein Museum zur Geschichte von LGBTQ-Erfahrungen in Amerika plant. Sein Lieblingsthema in diesem Zusammenhang ist der Präsident Abraham Lincoln, den Bobby unbedingt ex post als Homosexuellen outen möchte, auf Grundlage einiger Briefe. Lincoln war allerdings auch verheiratet und hatte vier Kinder, es bedarf also einer gewissen Verwegenheit, ihn ohne triftigen Beweis nachträglich "aus dem Schrank" zu holen. Eichner macht sich mit dieser Idee über die stark revisionistische Stimmung lustig, die derzeit generell zu verzeichnen ist: Was einmal amerikanische Nationalgeschichte war, eine gemeinsame Mythologie, ist längst als Herrschaftsprojekt durchschaut und wird seither leidenschaftlich zerlegt und umgeschrieben.
Hollywood war immer ein zentraler Faktor in dieser Mythologie. Und in der Auseinandersetzung mit der Ideologie des amerikanischen Kinos findet "Bros" sein zentrales Motiv. Denn wenn man es ganz simpel auf einen Punkt bringen will, dann besteht diese Ideologie aus einem Wort: Liebe. Herr Richtig trifft Frau Richtig, zu jedem Begehren gibt es eine schicksalhafte Erfüllung, auf einen Harry wartet irgendwo eine Sally. Das steht zwar deutlich im Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen im Sozialen, soweit sie durch Scheidungsziffern und andere Befunde ausgewiesen sind. Es war aber gerade das Metier der Komödie, in dem in den vergangenen Jahren die Mär von der romantischen Liebe noch einmal ganz neu in den Blick genommen wurde, nun ausdrücklich als Konvention und Übererfüllung eines Programms, zu dem der Alltag urbaner Menschen geradezu eklatant im Widerspruch steht.
Nicholas Stoller, der heterosexuelle Regisseur von "Bros", zählt mit Filmen wie "Nie wieder Sex mit der Ex" ("Forgetting Sarah Marshall", 2008) oder "Fast verheiratet" ("The Five-Year Engagement", 2012) zu den Meistern der modernen RomCom, gemeinsam mit dem Produzenten Judd Apatow hat er das Feld maßgeblich geprägt. Es stellt also einen dezidierten Schulterschluss dar, dass Eichner sich mit Stoller zusammengetan hat, um zum ersten Mal zwei Männer in den Mittelpunkt einer Geschichte zu stellen, die deutlich auch eine RomCom ist, nur eben eine schwule.
Bobby Leiber trifft auf einer Party, auf der viele Männer sich mit nacktem Oberkörper präsentieren (allesamt mit beeindruckend definierten Brustmuskeln), auf Aaron, von dem er anfangs den Eindruck einer gewissen Oberflächlichkeit gewinnt. Das würde einer Begegnung nicht im Wege stehen, denn die gesamte Kultur, in der Bobby sich bewegt, ist von einem Mangel an Tiefe geprägt. Sexuelle Kontakte sind flüchtig, Verbindliches will niemand, und an den Mangel an Gefühlen scheinen sich alle gewöhnt zu haben.
Eine der ersten Pointen in "Bros" macht den Widerspruch dann gleich überdeutlich, denn zwischen Bobby und Aaron funkt es ein bisschen, sie sehen sich tief in die Augen, und dann macht die Kamera einen Schritt zurück, um offenzulegen, dass sich gleichzeitig zwei weitere Männer gerade oral bei Bobby betätigen. Gruppensex und zweisame Intimität müssen danach erst allmählich zueinander in ein Verhältnis gebracht werden. Das ist zwar keine Herausforderung, vor der nur schwule Männer stehen, aber Eichner macht mit vielen geschickt platzierten Details deutlich, wie stark in einer Stadt wie New York die Promiskuität alles durchwirkt. Bobby und Aaron aber sind nun das designierte Paar in "Bros", und das bedeutet, dass der Film mit ihnen das ganze Programm bis zum Happy End abspulen muss: ein Besuch der Schwiegereltern von Aaron, die aus einer konservativen Gegend kommen und nicht sofort dafür sind, schon Zwölfjährige offensiv über die Vielfalt sexueller Orientierungen aufzuklären; ein Wochenende in Provincetown, einer Traumwelt heutiger Diversität, in der sich Bobby und Aaron ein bisschen fremd fühlen mit ihrem gleichsam "straighten" Traum von einer belastbaren Liebe. Eichner rückt auch den Körperkult ins Bild, unter dem nicht zuletzt Bobby leidet, während Aaron sich unbefangen Testosteron spritzt und man von seinem Darsteller Luke Macfarlane vor allem in halbnahen Einstellungen sieht, wie massiv er in Muskelaufbau investiert hat.
Bei alldem bleibt "Bros" entschieden konventionell angesichts der viel radikaleren sexuellen Diversität, die im Film vor allem (ein bisschen pflichtschuldig) durch den Verwaltungsrat des LGBTQ+- Museums vertreten wird. Bobby und Aaron sind zwei weiße Cis-Männer, die sich nach einer Normalität sehnen, die deutlich wie eine verordnete Aufgabe wirkt; verordnet durch einen Begriff von Kino, der vielleicht gerade zerbricht. In Amerika ist "Bros" gefloppt. Das mag daran liegen, dass das Manöver, den Anschluss an eine bei aller Ironie doch verbürgte allgemeine Genre-Form zu suchen, nicht wirkt, weil die populäre Kultur längst ganz woanders ist. Nämlich bei Differenzen, von denen es sich erst erweisen muss, ob es dafür je einen Mainstream geben kann. BERT REBHANDL
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Lustig, rührend und so noch nie dagewesen: "Bros" von Nicholas Stoller ist die erste schwule romantische Komödie aus Hollywood
Wer in der populären Kultur nicht verloren gehen will, muss zumindest ab und zu ein paar englische Vokabeln pauken. Zum Beispiel den Begriff "bromance". Seit einigen Jahren schon ist die altmodische Männerfreundschaft zur (eigentlichen) Romanze überhöht worden. Männer mögen Beziehungen haben, so richtig schlägt ihr Herz erst schneller, wenn sie mit dem besten Kumpel (dem "bro") etwas tun. Der Unterschied zwischen Homosozialität und Homosexualität wirkt dabei auf den augenzwinkernden Sprachgebrauch zurück, man fragt sich: Kann es auch zwischen schwulen Männern eine bromance geben? Das ist eine von vielen Fragen, die Billy Eichner und Nicholas Stoller sowohl implizit als auch ausdrücklich mit ihrer Komödie "Bros" stellen. Sie probieren dabei etwas aus, was es in dieser Form noch nicht gegeben hat: Sie wollen von einer (sexuellen) Minderheit in einem Idiom des Mainstreams erzählen, in einer mehr oder weniger klassischen romantischen Komödie (die einschlägige englische Vokabel ist wie so oft auch eine Abkürzung: RomCom), die sich nicht in erster Linie an eine Zielgruppe, sondern ans breite Publikum wendet. Das löbliche Unterfangen hat durchaus seine Tücken, wie sich bald erweist.
Der schwule Entertainer Billy Eichner ist die treibende Kraft hinter "Bros". Er spielt auch selbst die Hauptrolle, einen New Yorker namens Bobby Leiber, der mit einem Podcast bekannt geworden ist und mit einer Gruppe von ausgesucht queeren Menschen ein Museum zur Geschichte von LGBTQ-Erfahrungen in Amerika plant. Sein Lieblingsthema in diesem Zusammenhang ist der Präsident Abraham Lincoln, den Bobby unbedingt ex post als Homosexuellen outen möchte, auf Grundlage einiger Briefe. Lincoln war allerdings auch verheiratet und hatte vier Kinder, es bedarf also einer gewissen Verwegenheit, ihn ohne triftigen Beweis nachträglich "aus dem Schrank" zu holen. Eichner macht sich mit dieser Idee über die stark revisionistische Stimmung lustig, die derzeit generell zu verzeichnen ist: Was einmal amerikanische Nationalgeschichte war, eine gemeinsame Mythologie, ist längst als Herrschaftsprojekt durchschaut und wird seither leidenschaftlich zerlegt und umgeschrieben.
Hollywood war immer ein zentraler Faktor in dieser Mythologie. Und in der Auseinandersetzung mit der Ideologie des amerikanischen Kinos findet "Bros" sein zentrales Motiv. Denn wenn man es ganz simpel auf einen Punkt bringen will, dann besteht diese Ideologie aus einem Wort: Liebe. Herr Richtig trifft Frau Richtig, zu jedem Begehren gibt es eine schicksalhafte Erfüllung, auf einen Harry wartet irgendwo eine Sally. Das steht zwar deutlich im Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen im Sozialen, soweit sie durch Scheidungsziffern und andere Befunde ausgewiesen sind. Es war aber gerade das Metier der Komödie, in dem in den vergangenen Jahren die Mär von der romantischen Liebe noch einmal ganz neu in den Blick genommen wurde, nun ausdrücklich als Konvention und Übererfüllung eines Programms, zu dem der Alltag urbaner Menschen geradezu eklatant im Widerspruch steht.
Nicholas Stoller, der heterosexuelle Regisseur von "Bros", zählt mit Filmen wie "Nie wieder Sex mit der Ex" ("Forgetting Sarah Marshall", 2008) oder "Fast verheiratet" ("The Five-Year Engagement", 2012) zu den Meistern der modernen RomCom, gemeinsam mit dem Produzenten Judd Apatow hat er das Feld maßgeblich geprägt. Es stellt also einen dezidierten Schulterschluss dar, dass Eichner sich mit Stoller zusammengetan hat, um zum ersten Mal zwei Männer in den Mittelpunkt einer Geschichte zu stellen, die deutlich auch eine RomCom ist, nur eben eine schwule.
Bobby Leiber trifft auf einer Party, auf der viele Männer sich mit nacktem Oberkörper präsentieren (allesamt mit beeindruckend definierten Brustmuskeln), auf Aaron, von dem er anfangs den Eindruck einer gewissen Oberflächlichkeit gewinnt. Das würde einer Begegnung nicht im Wege stehen, denn die gesamte Kultur, in der Bobby sich bewegt, ist von einem Mangel an Tiefe geprägt. Sexuelle Kontakte sind flüchtig, Verbindliches will niemand, und an den Mangel an Gefühlen scheinen sich alle gewöhnt zu haben.
Eine der ersten Pointen in "Bros" macht den Widerspruch dann gleich überdeutlich, denn zwischen Bobby und Aaron funkt es ein bisschen, sie sehen sich tief in die Augen, und dann macht die Kamera einen Schritt zurück, um offenzulegen, dass sich gleichzeitig zwei weitere Männer gerade oral bei Bobby betätigen. Gruppensex und zweisame Intimität müssen danach erst allmählich zueinander in ein Verhältnis gebracht werden. Das ist zwar keine Herausforderung, vor der nur schwule Männer stehen, aber Eichner macht mit vielen geschickt platzierten Details deutlich, wie stark in einer Stadt wie New York die Promiskuität alles durchwirkt. Bobby und Aaron aber sind nun das designierte Paar in "Bros", und das bedeutet, dass der Film mit ihnen das ganze Programm bis zum Happy End abspulen muss: ein Besuch der Schwiegereltern von Aaron, die aus einer konservativen Gegend kommen und nicht sofort dafür sind, schon Zwölfjährige offensiv über die Vielfalt sexueller Orientierungen aufzuklären; ein Wochenende in Provincetown, einer Traumwelt heutiger Diversität, in der sich Bobby und Aaron ein bisschen fremd fühlen mit ihrem gleichsam "straighten" Traum von einer belastbaren Liebe. Eichner rückt auch den Körperkult ins Bild, unter dem nicht zuletzt Bobby leidet, während Aaron sich unbefangen Testosteron spritzt und man von seinem Darsteller Luke Macfarlane vor allem in halbnahen Einstellungen sieht, wie massiv er in Muskelaufbau investiert hat.
Bei alldem bleibt "Bros" entschieden konventionell angesichts der viel radikaleren sexuellen Diversität, die im Film vor allem (ein bisschen pflichtschuldig) durch den Verwaltungsrat des LGBTQ+- Museums vertreten wird. Bobby und Aaron sind zwei weiße Cis-Männer, die sich nach einer Normalität sehnen, die deutlich wie eine verordnete Aufgabe wirkt; verordnet durch einen Begriff von Kino, der vielleicht gerade zerbricht. In Amerika ist "Bros" gefloppt. Das mag daran liegen, dass das Manöver, den Anschluss an eine bei aller Ironie doch verbürgte allgemeine Genre-Form zu suchen, nicht wirkt, weil die populäre Kultur längst ganz woanders ist. Nämlich bei Differenzen, von denen es sich erst erweisen muss, ob es dafür je einen Mainstream geben kann. BERT REBHANDL
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