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Unter dem streng gehüteten Pseudonym Amanda Gris ist Leo zur Queen der Liebesroman-Autorinnen avanciert. Während ihren Heldinnen jedoch ein Happy-End vom Verlag garantiert wird, steckt die Autorin selbst in einer tiefen Lebenskrise. Ihr Mann weilt lieber bei der NATO-Friedenstruppe in Bosnien als in der heimatlichen, pastellfarbenen Luxuswohnung und betrügt sie außerdem mit ihrer besten Freundin. Um ihrem Frust zu entkommen, bewirbt sie sich bei der renommierten Tageszeitung "El País". Der Ressortleiter der Kulturbeilage ist ein glühender Amanda-Gris-Fan. Nichtsahnend, wen er vor sich hat,…mehr

Produktbeschreibung
Unter dem streng gehüteten Pseudonym Amanda Gris ist Leo zur Queen der Liebesroman-Autorinnen avanciert. Während ihren Heldinnen jedoch ein Happy-End vom Verlag garantiert wird, steckt die Autorin selbst in einer tiefen Lebenskrise. Ihr Mann weilt lieber bei der NATO-Friedenstruppe in Bosnien als in der heimatlichen, pastellfarbenen Luxuswohnung und betrügt sie außerdem mit ihrer besten Freundin. Um ihrem Frust zu entkommen, bewirbt sie sich bei der renommierten Tageszeitung "El País". Der Ressortleiter der Kulturbeilage ist ein glühender Amanda-Gris-Fan. Nichtsahnend, wen er vor sich hat, beauftragt er Leo damit, die gerade erschienene Anthologie der Autorin zu besprechen. Leo bekommt die Chance auf künstlerischen Selbstmord und plant eine vernichtende Kritik ihres eigenen Werkes...

Bonusmaterial

DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Interviews - TV-Spots - Videoclip
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.02.1996

Doña Quijote
Narrative Närrin: Pedro Almodóvars blühendes Film-Geheimnis

Als Serienautorin schwebt Leo im siebten Himmel trivialer Träume, doch auf dem Boden der Tatsachen drückt sie der Schuh. Die zu engen Stiefel sind das letzte, das Ehemann Paco ihr geschenkt hat, bevor er sie in Madrid sitzenließ, um sich als hoher Militär nach Brüssel zur Nato zu verabschieden. Beklemmende Scherze und lächerliche Schmerzen durchziehen die Imaginationen des spanischen Regisseurs Pedro Almodóvar, wie in früheren Filmen so auch jetzt in "Mein blühendes Geheimnis" (La Flor de mi Secreto).

Erst nach groteskem Hindernislauf kann Leo sich von den einmal angezwängten Stiefeln befreien, doch vorschnell streift sie mit diesem unpassenden Geschenk auch weitere Indizien für Pacos Desinteresse ab. Nichts hindert sie dann mehr, ihn zum Traummann zu verklären und dem nächsten Rendezvous mit ihm entgegenzufiebern. Wie Don Quijote, der letzte Ritter der Mancha, einst Scheunen für Burgen und eine grobe Bauernmagd für die zarte Dulcinea hielt, so überzieht auch Leo, ebenfalls aus der Mancha, gerne die Welt mit Wunschvorstellungen.

"Mein blühendes Geheimnis", anders als frühere grelle Filme Almodóvars ein Werk vornehmlich in Pastell, beginnt als Tragikomödie der Projektionen. Wie stets montiert Almodóvar auch hier die Zerreißproben seiner Figuren aus disparatem Stoff, aus simplen trivialen Versatzstücken und komplexen eigenen Beobachtungen. Doch diesmal koppelt er sich mit verkappten Anspielungen auf Cervantes und eingestreuten ländlichen Sinnsprüchen zudem zurück an beste spanische Traditionen. Diese Rückkoppelung gibt dem Film eine für Almodóvar neue Tiefenschärfe. Nicht nur Leo (Marisa Paredes) erliegt hier mancherlei Augentäuschungen, bis ihr die Augen geöffnet werden. Auch ihre Gegenspieler hängen an ihren subjektiven, jeweils verschieden getönten Wahrnehmungsfiltern. Aus diesen Fixierungen erwachsen die Mißverständnisse, denen Almodóvars Situationswitz entspringt.

So bewirbt sich Leo bei einem Engel von Literaturredakteur, der gleich auch Angel heißt (Juan Echanove), um Mitarbeit. Der gibt ihr den Auftrag, die Erfolgsmasche der Serienautorin Amanda Gris zu untersuchen, nicht ahnend, daß es Leo selbst ist, die unter diesem Pseudonym schreibt. Leo ergreift die zweischneidige Chance und zerreißt sich selbst.

Auch den Zuschauer setzt Almodóvar der selektiven Wahrnehmung aus, indem er ihn gleich mit der ersten Einstellung des Films narrt. Zwei Ärzte und eine verzweifelte Frau zeigt er im Gespräch. Die Frau will den Unfalltod ihres Sohnes nicht wahrhaben und nicht in den Vorschlag rascher Organspende einwilligen. Jäh erweist ein Kameraschwenk die ungeheuerliche Situation als trügerischen Ausschnitt: Das Unglück ist simuliert. Der Zuschauer wird Zeuge eines ärztlichen Fortbildungsseminars: "Wie überbringe ich schlechte Nachrichten?" Leos Freundin Betty, Psychologin und Kursleiterin, lobt oder tadelt Einsatz und Gesprächstaktik der Probanden. Verhaltenstraining wie Kitschromane persifliert Almodóvar hier zwar als konträre, aber gleichermaßen zynische Methoden der Realitätsmanipulation.

Die hier Manipulierten sind freilich selbst Närrinnen im Irrgarten der Wirklichkeit. Betty, professionell auf Hiobsbotschaften spezialisiert, schreckt privat davor zurück, sich der Freundin als Pacos Geliebte zu offenbaren. Leo ihrerseits verdrängt Verdachtsmomente. So enden Leos hochgespannte Erwartungen an Pacos Madrider Stippvisite mit einem Tiefschlag, den Almodóvar unterkühlt inszeniert. Groteskes Mißverständnis: Paco ist nur gekommen, um sich Hemden bügeln zu lassen von der Hausangestellten, die Leo extra weggeschickt hat, um jede Minute mit ihm allein auszukosten. Leos Augen hängen an Paco, der an ihr vorbeisieht. Die Kamera, die beider divergierenden Blickrichtungen folgt, zeigt, wie sie in verschiedenen Welten leben.

Marisa Paredes als Leo wandelt sich von der schicken Bestsellerautorin zur verhuschten verlassenen Frau, die ihr Gesicht mit Sonnenbrille und Hutkrempe tarnt. Ihre Einsamkeit illustriert eine melancholische Schlüsselsequenz. Leo, nach beinahe tödlicher Überdosis Schlaftabletten ein Schatten ihrer selbst, taumelt durch die Stadt gegen den Strom demonstrierender Weißkittel, die für bessere Lebensbedingungen auf die Straße gehen. Allein in der Menge wirkt Leo fremd in einer Gesellschaft, die Sozialstatus und Leben verwechselt. Gegen persönliches Unglück hilft keine Demonstration.

Almodóvar, der gerne verschiedene Stile und Erzählmuster koppelt, versucht zum Happy-Ending eine spannende Doppelstrategie. Einerseits treibt er Leo dem Deus ex machina Angel in die Arme, der sie, mit Anspielungen auf Billy Wilders "Apartment", in seiner Wohnung pflegt und insgeheim liebt. Zum anderen verordnet Almodóvar ihr ein Intermezzo in einem Kindheitsdorf, wo die Mutter ihr mit ländlichen Lebensweisheiten zusetzt: Allein sei sie "wie eine Kuh ohne Kuhglocke". Jedenfalls öffnen sich in Totalen der Mancha weite Horizonte. Und in der Stadt entdeckt Leo, endlich frei von Amanda Gris, manche ihr vorher verschlossene Kunstform, beispielsweise in einem eigenen Romanmanuskript, das sie allerdings voreilig in den Müll geworfen hat, und in den Filmklassikern, die Angel gerne zitiert. Kein Leben ohne Fiktion: Wo Don Quijotes Vorbild sich abschwächt, tritt Humphrey Bogart auf den Plan. EVA-MARIA LENZ

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