Eine faszinierende Dokumentation über das Duo Infernale des deutschen Films. Nachdem er in über 100 Filmen mitgespielt hat, trifft Klaus Kinski auf Werner Herzog. Im Verlauf ihrer Hassliebe schreiben der geniale Regisseur und sein egomanischer Star Filmgeschichte. Aus ihrer Zusammenarbeit entstehen nach immensen Geburtsschwierigkeiten fünf Filme von Weltrang: Zwischen Wutausbrüchen und Mordversuchen schaffen die beiden Pioniere des deutschen Autorenfilms legendäre Werke wie COBRA VERDE und FITZCARRALDO. Acht Jahre nach dem Tod seines "liebsten Feindes" geht der Regisseur dem Mythos Kinski nach, reist zurück an die Drehorte in Peru und präsentiert unglaubliche Szenen zwischen zwei Besessenen...
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DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Trailer von anderen Filmen - Kapitel- / Szenenanwahl - Filmographie Klaus Kinski auf Texttafeln"Mein liebster Feind": Werner Herzogs Film über seinen furiosen Hauptdarsteller Klaus Kinski
Künstlerfreundschaften und Partnerschaften sind allemal heikel, und je weiter sie zurückliegen, umso größer ist die Bereitschaft zur Verklärung, zum Verdrängen der Konflikte. Der Kult um Dioskuren hat fast immer auch sein Verlogenes, die nationale Legendenbildung tat ihr Übriges. Die Freundschaft zwischen Goethe und Schiller dürfte keineswegs so harmonisch gewesen sein, wie es die Weimar-Ideologie gerne hätte. Bei den Gesprächen zwischen Hegel, Hölderlin und Schelling im Tübinger Stift wäre man freilich gerne dabei gewesen.
Beim Zusammenwirken zweier bedeutender Künstler tendiert die Nachwelt dazu, alle Spannungen im gelungenen gemeinsamen Werk aufgehoben zu sehen: Mozart/da Ponte, Verdi/Boito, Strauss/Hofmannsthal, Brecht/Weill und Eisler - stets sieht das postume Harmonieverlangen nur den "Glücksfall". Eklatanter sind die Beziehungsbrüche. Deren berühmtester in der deutschen Geistesgeschichte ist der zwischen Wagner und Nietzsche - wobei noch in dessen Attacken auf den Bayreuther Gott die einstige Liebe und der Trennungsschmerz nachzittern. Zu Recht nannte Thomas Mann Nietzsches Abrechnung mit Wagner einen "Panegyrikus mit umgekehrtem Vorzeichen". Dass innige Verhältnisse ihre (homo-)erotische Unterströmung haben, liegt nahe, ebenso, dass aus solcher Liaison Hassliebe entstehen, im Zerreißfall unerhörte aggressive Energien freigesetzt werden können, bis hin zum Mordversuch. Das Duo infernal Paul Verlaine/Arthur Rimbaud lieferte den spektakulären Beleg.
Tief ins Schattenreich der schwarzen Romantik führt die Alter-Ego-Polarität, am berühmtesten die von Faust und Mephisto, aber auch die Selbstdrittelung Robert Schumanns in die Antagonisten Florestan und Eusebius - mit der Vermittlungsinstanz Raro. Und wenn die These gilt, dass Künstler im emphatischen Sinn auch ein wenig "Kinder" geblieben sind, sich bürgerlicher Rationalität verweigern, dann scheint auch das Verhaltensmuster "Pack schlägt sich, Pack verträgt sich" keineswegs untriftig. Kurios etwa waren die wechselseitigen Überidentifikationen, Zerwürfnisse und Versöhnungen zwischen Sergiu Celibidache und Arturo Benedetti Michelangeli.
Vollends vertrackt sind die Doppelsituationen in den darstellenden Künsten. Regisseure etwa betrachten mitunter ihre Stars als bloßes Medium, Vehikel, Werkzeug, verachten sie gar insgeheim, schmähen sie als "Vieh" - und dennoch sind sie von ihnen abhängig: Was wären die John-Ford-Western ohne John Wayne? Manche Stars wiederum waren hauptsächlich "Geschöpf". Hanna Schygulla etwa erlangte in Fassbinders Theaterstücken und Filmen ihre höchste Authentizität; nach seinem Tod hat sie diese so nicht mehr erreicht.
Doch die brisanteste Kombination im jüngeren deutschen Film war zweifellos die zwischen Werner Herzog und Klaus Kinski, beide getragen vom Verlangen nach dem Extrem. Allerdings: Wo Herzog dies mitunter mystizistisch als Entgrenzung suchte, da ging es Kinski nicht zuletzt um den exhibitionistischen Exzess des rasenden Exzentrikers und Kunst-Tobsüchtigen. Immer wieder vernahm man von wahnwitzigen Wutausbrüchen, Brüllanfällen, Mobiliarzertrümmerungen und selbst physischen Attacken des Schauspielers, der oft auf Nichtigkeiten mit rhetorisch-brachialem Overkill reagierte. Fünf Filme haben sie zwischen 1972 und 1987 gemeinsam produziert: "Aguirre, der Zorn Gottes", "Nosferatu", "Woyzeck", "Fitzcarraldo" und "Cobra Verde". Danach ist Herzog kein großer Spielfilm mehr gelungen. Kinskis Tod 1991 hat ihn seines Hauptschauspielers beraubt. Wie weit ihn der Verlust gelähmt oder aber letztlich sogar erleichtert hat, wird er womöglich selbst nicht genau wissen, nicht mehr wissen wollen.
"Mein liebster Feind" heißt Herzogs jüngster Film, ein dokumentarisches Porträt Kinskis wie der Duo-infernal-Kollaboration von Regisseur und Mime. Der Titel exponiert die Hassliebe zwischen beiden, die intensive Männerfreundschaft, die immer wieder durch Kinskis oft völlig unmotiviert wirkende Explosionen, Raserei mit Schaum vor dem Mund, gefährdet wurde. Zwar heißt es: De mortuis nihil nisi bene, doch hat es Herzog keineswegs darauf angelegt, die Zusammenarbeit mit dem Frenetiker zu beschönigen. Dass sich dieser mit seinen Filmfiguren so identifizierte, dass er Rolle und Realität verwechselte, aus nichtigstem Anlass etwa Statisten schwer verletzte, dass Regisseur und Star sich gegenseitig mit der Waffe bedrohten, die "Fitzcarraldo"-Indios Herzog allen Ernstes anboten, den blonden Unhold zu ermorden - derlei hatte man als Gerücht vernommen. Manches erscheint nun leicht gemildert, anderes als krasser Exzess, Gewaltausbruch und Marathongebrüll bestätigt. Meist steht Herzog als der ruhige Rationalist und Realist da, der den Tobenden zu besänftigen sucht; doch in einigen Momenten spürt man auch bei ihm die latente Gewaltbereitschaft. Freilich sieht man den gealterten Herzog mehrfach an den früheren Drehorten sanft in Reminiszenzen schwelgen, obschon ab und an der höchst reale einstige Schrecken, die Bedrohung durch den Unberechenbaren, gelegentlich allerdings sogar seinen Ausraster Kalkulierenden nachzittern.
Kinski und die Frauen, ein weites Thema, und wahrscheinlich war er der Typ Mann, der die Frauen eher hasste, die er begehrte oder sich gefügig machte. Immerhin legen Eva Mattes wie Claudia Cardinale manch gutes Wort für ihn ein, loben seine absolute Professionalität, seinen Charme und seine zutraulich-warmherzige Gutartigkeit. Auch wenn dieses wiederum dem Klischee von der bösartigen Bestie mit dem im Grunde weichen Herzen entspricht.
Gegen Schluss des Films überwiegt dann doch die leicht sentimentale Verklärung: Erinnerungen an ein freundschaftliches Treffen in Colorado und an Kinskis kindliches Spiel mit einem Schmetterling lassen den Grotesk-Bösewicht als charmanten blonden Unschuldsengel erstrahlen - der Unhold als Lichtfigur. Die gewalttätigen Eruptionen werden da innerhalb des Filmablaufs quasi in die Historie entrückt. Kinskis manischer Aggressionsaktionismus - verbal wie im Zähne-fletschend-Machete-schwingenden Sturmlauf - verliert im Nachhinein an unmittelbar physischer Bedrohlichkeit.
Herzog konnte oder wollte die Ambivalenzspannung nicht durchhalten. Deshalb wird das, was die beiden bei allen Crashs im Innersten zusammenhielt, letztlich doch nicht deutlich. Dazu hätte freilich Herzog mehr von sich preisgeben müssen, statt sich auf den erinnernden Report zu beschränken. Für Kinski-Fans hält der Film sicher einige aufregende Facetten bereit. Über die sadomasochistischen Koppelungen und filmindustriellen Verwertungszwänge erfährt man gleichwohl nicht genug.
GERHARD R. KOCH
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