Senegal, 1917. Als sein 17-jähriger Sohn Thierno von der französischen Armee zwangsrekrutiert wird, meldet sich der Hirte Bakary Diallo freiwillig zum Kriegsdienst. Vater und Sohn werden nach Europa gebracht, wo sie für Frankreich in die Schlacht ziehen sollen. Während Bakary nichts unversucht lässt, um das Überleben seines Sohnes zu sichern, gerät dieser unter den Einfluss des französischen Leutnants Chambreau. Nach und nach beginnt Thierno, sich seinem Vater zu widersetzen.
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Trailer WendecoverFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2023Der Wahnsinn eines Krieges, der nicht ihrer war
Omar Sy spielt in "Mein Sohn, der Soldat" einen Vater, der seinem Sohn auf die Schlachtfelder folgt
Just an dem Tag, an dem "Tirailleurs" Anfang des Jahres in die französischen Kinos kam, ließ eine Nachricht aufhorchen, die sich keine PR-Abteilung schöner hätte ausdenken können: Senegalesische Soldaten, ließ die französische Regierung wissen, die einst von der Armee rekrutiert worden waren, dürften nun dauerhaft in ihre Heimatländer zurückkehren - ohne fürchten zu müssen, dadurch ihre Rentenansprüche zu verlieren. Diese wahnsinnig großzügige Regelung betraf nur rund zwanzig Männer, fast alle im Greisenalter. Aber auch Omar Sy, Hauptdarsteller und Ko-Produzent von "Tirailleurs", freute sich über die Koinzidenz. "Was für ein Zufall!", sagte er anlässlich der Vorstellung seines Films, der sozusagen von den Vätern dieser Männer erzählt. Denn auch sie haben während des Ersten Weltkrieges schon für Frankreich gekämpft.
"Mein Sohn, der Soldat" heißt das Werk in seiner deutschen Version, was fast besser passt als der französische Titel, weil der Regisseur Mathieu Vadepied (der neben Olivier Demangel auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet) entschieden hat, den Figuren nicht in erster Linie als Soldaten, sondern als Mitglieder einer Familie zu begegnen. Der Film ist weit mehr eine Familiengeschichte als ein Historiendrama. Er erzählt von der Liebe eines Vaters zu seinem Sohn. Dieser Sohn wird in der senegalesischen Steppe von Handlangern der französischen Kolonialherren zwangsrekrutiert, woraufhin sich der Vater, um ihn zu retten, ebenfalls verpflichten lässt. Ganz nah bleibt die Kamera von Luis Armando Arteaga fortan bei den beiden. Sie lässt sie weder bei ihrer hastigen Ausbildung noch bei ihrer Ankunft in den novembergrauen Ardennen aus den Augen. Noch auf dem Schlachtfeld, auf dem zweitausend Männer ihr Leben lassen, um einen kleinen Hügel zu erobern. Wie entkommt man diesem Wahnsinn? Das ist die Frage, auf die Vater und Sohn unterschiedliche Antworten geben. Der eine will fliehen, der andere gewinnen - dieser innerfamiliäre Autoritätskampf überlagert bald die historische Ungerechtigkeit, die beide in einen Krieg geführt hat, der nicht ihrer ist.
Die Perspektive erweist sich insofern als klug gewählt, als sie die beiden Figuren aus dem Korsett des "pars pro toto" befreit. Sie stehen nicht exemplarisch für die rund 200.000 Soldaten aus Französisch-Westafrika, die während des Ersten Weltkrieges kämpften und nach dessen Ende auch in Libanon, Syrien und Marokko zum Einsatz kamen. Vater und Sohn, gespielt von Alassane Diong und Omar Sy, erzählen ihre persönliche Geschichte, was in Frankreich als "Vollendung" einer doch soliden Aufarbeitung der historischen Ereignisse gelesen worden ist. Weniger solide ist, was der Film aus seiner Freiheit macht. Nicht nur leidet er unter dem Pathos des archetypisch inszenierten Konkurrenzkampfes. Es fällt ihm auch schwer, sich von seinem Star-Darsteller zu lösen, weil dessen Figur zu unscharf angelegt ist, um Omar Sy die Möglichkeit zu geben, hinter ihr zurückzutreten. Man sieht nicht Bakary Diallo, den Vater. Man sieht immer Omar Sy, der eine zugegeben ungewöhnliche, aber eben eine Rolle spielt. LENA BOPP
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Omar Sy spielt in "Mein Sohn, der Soldat" einen Vater, der seinem Sohn auf die Schlachtfelder folgt
Just an dem Tag, an dem "Tirailleurs" Anfang des Jahres in die französischen Kinos kam, ließ eine Nachricht aufhorchen, die sich keine PR-Abteilung schöner hätte ausdenken können: Senegalesische Soldaten, ließ die französische Regierung wissen, die einst von der Armee rekrutiert worden waren, dürften nun dauerhaft in ihre Heimatländer zurückkehren - ohne fürchten zu müssen, dadurch ihre Rentenansprüche zu verlieren. Diese wahnsinnig großzügige Regelung betraf nur rund zwanzig Männer, fast alle im Greisenalter. Aber auch Omar Sy, Hauptdarsteller und Ko-Produzent von "Tirailleurs", freute sich über die Koinzidenz. "Was für ein Zufall!", sagte er anlässlich der Vorstellung seines Films, der sozusagen von den Vätern dieser Männer erzählt. Denn auch sie haben während des Ersten Weltkrieges schon für Frankreich gekämpft.
"Mein Sohn, der Soldat" heißt das Werk in seiner deutschen Version, was fast besser passt als der französische Titel, weil der Regisseur Mathieu Vadepied (der neben Olivier Demangel auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet) entschieden hat, den Figuren nicht in erster Linie als Soldaten, sondern als Mitglieder einer Familie zu begegnen. Der Film ist weit mehr eine Familiengeschichte als ein Historiendrama. Er erzählt von der Liebe eines Vaters zu seinem Sohn. Dieser Sohn wird in der senegalesischen Steppe von Handlangern der französischen Kolonialherren zwangsrekrutiert, woraufhin sich der Vater, um ihn zu retten, ebenfalls verpflichten lässt. Ganz nah bleibt die Kamera von Luis Armando Arteaga fortan bei den beiden. Sie lässt sie weder bei ihrer hastigen Ausbildung noch bei ihrer Ankunft in den novembergrauen Ardennen aus den Augen. Noch auf dem Schlachtfeld, auf dem zweitausend Männer ihr Leben lassen, um einen kleinen Hügel zu erobern. Wie entkommt man diesem Wahnsinn? Das ist die Frage, auf die Vater und Sohn unterschiedliche Antworten geben. Der eine will fliehen, der andere gewinnen - dieser innerfamiliäre Autoritätskampf überlagert bald die historische Ungerechtigkeit, die beide in einen Krieg geführt hat, der nicht ihrer ist.
Die Perspektive erweist sich insofern als klug gewählt, als sie die beiden Figuren aus dem Korsett des "pars pro toto" befreit. Sie stehen nicht exemplarisch für die rund 200.000 Soldaten aus Französisch-Westafrika, die während des Ersten Weltkrieges kämpften und nach dessen Ende auch in Libanon, Syrien und Marokko zum Einsatz kamen. Vater und Sohn, gespielt von Alassane Diong und Omar Sy, erzählen ihre persönliche Geschichte, was in Frankreich als "Vollendung" einer doch soliden Aufarbeitung der historischen Ereignisse gelesen worden ist. Weniger solide ist, was der Film aus seiner Freiheit macht. Nicht nur leidet er unter dem Pathos des archetypisch inszenierten Konkurrenzkampfes. Es fällt ihm auch schwer, sich von seinem Star-Darsteller zu lösen, weil dessen Figur zu unscharf angelegt ist, um Omar Sy die Möglichkeit zu geben, hinter ihr zurückzutreten. Man sieht nicht Bakary Diallo, den Vater. Man sieht immer Omar Sy, der eine zugegeben ungewöhnliche, aber eben eine Rolle spielt. LENA BOPP
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