Maggie Fitzgerald ist reinster White Trash, Anfang 30 und Kellnerin. Doch sie will hoch hinaus, als Boxerin. Dank der Unterstützung von "Scrap-Iron" Dupris bringt sie endlich den Boxveteranen Frankie Dunn dazu, sie zu coachen.
In das Boxstudio des gealterten Trainers Frankie Dunn und seiner treuen, rechten Hand, dem ehemaligen Preisboxer Eddie, platzt die 31-jährige White-Trash-Kellnerin Maggie Fitzgerald, die Frankie hartnäckig bedrängt, sie zu trainieren. Unerwartet erweist sich Maggie schließlich tatsächlich als Naturtalent und erlebt zunächst einen kometenhaften Aufstieg. Clint Eastwood erzählt in seinem mit vier Oscars ausgezeichneten Boxerdrama schnörkellos die emotionale und facettenreiche Story vom Werdegang einer eisern entschlossenen Boxerin, gespielt von der zu Höchstform auflaufenden Oscar-Gewinnerin Hilary Swank. Eastwood selbst glänzt in dem bereits als sein größtes Meisterwerk gehandeltem Film als Antiheld mit harter Schale und weichem Kern.
In das Boxstudio des gealterten Trainers Frankie Dunn und seiner treuen, rechten Hand, dem ehemaligen Preisboxer Eddie, platzt die 31-jährige White-Trash-Kellnerin Maggie Fitzgerald, die Frankie hartnäckig bedrängt, sie zu trainieren. Unerwartet erweist sich Maggie schließlich tatsächlich als Naturtalent und erlebt zunächst einen kometenhaften Aufstieg. Clint Eastwood erzählt in seinem mit vier Oscars ausgezeichneten Boxerdrama schnörkellos die emotionale und facettenreiche Story vom Werdegang einer eisern entschlossenen Boxerin, gespielt von der zu Höchstform auflaufenden Oscar-Gewinnerin Hilary Swank. Eastwood selbst glänzt in dem bereits als sein größtes Meisterwerk gehandeltem Film als Antiheld mit harter Schale und weichem Kern.
Bonusmaterial
Kapitel- / Szenenanwahl TrailerFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2005Mit der Faust mitten ins Herz
Clint Eastwoods Film "Million Dollar Baby" erzählt von zwei alten Männern, einer jungen Frau, vom Boxring und dem Glück, zu leben
Es ist noch immer eine der erstaunlichsten Karrieren der Kinogeschichte, selbst für Hollywoods Maßstäbe, und am Ende taugt sie womöglich noch mal zu einem Film, für den man sich keinen besseren Regisseur als ihn selbst vorstellen könnte. Der Mann, der Swimmingpools aushob, bevor er sich selber einen leisten konnte, der Fernsehcowboy, der nach Spanien gehen und dort Italowestern drehen mußte, bevor Don Siegel ihn zu "Dirty Harry" machte und letztlich auch zum Regisseur, weil er bei Siegel lernte, wie klar, wie schnörkellos und lakonisch amerikanische Filme sein können, dieser Mann, der zwischenzeitlich auch mal Bürgermeister des kalifornischen Städtchens Carmel war, hat nun schon zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Jahren die Oscarnacht zu seiner Party gemacht. 1993 mit "Erbarmungslos" und jetzt mit vier Oscars für "Million Dollar Baby".
Es ist Clint Eastwood nicht so leichtgefallen, wie das alles klingt, es ist nicht so glattgelaufen wie in einem Drehbuch, das er vermutlich sofort umschreiben ließe. Auch mit seinem Renommee setzt man nicht jedes Projekt auf Anhieb durch. Schon "Mystic River" war dem Studio Warner Brothers erst viel zu düster, und bei "Million Dollar Baby" hieß es, Boxerfilme wolle keiner sehen. Da half es zunächst nichts, daß er Klinken putzen ging und den Geldgebern zu erklären versuchte, es sei eine Liebesgeschichte und kein Boxerfilm. Es war dann auch nicht viel leichter, als der Film fertig war, weil Katholiken, Konservative und Behindertenverbände gegen ihn zu Felde zogen.
"Million Dollar Baby" sei ein Plädoyer für Sterbehilfe, eine "Vendetta gegen Behinderte", ein "linkes Schmähstück" - als sei der konservative Clint Eastwood der verlängerte Arm des Dr. Kevorkian und ein gefährlicher Radikaler in einer Person. Und natürlich hat das in Deutschland der eine oder andere bereits nachgeplappert, ohne den Film gesehen zu haben, und sich gefreut, daß amerikanische Zeitungen auch schon ausgegraben hatten, daß Eastwood 1997 von Behinderten verklagt worden war, weil er beim Umbau eines Hotels darauf verzichtete, die Badezimmer behindertengerecht auszustatten; und daß er darauf mit den Worten reagiert hatte, skrupellose Anwälte würden Behinderte ausnutzen, indem sie Firmen auf hohe Entschädigungssummen verklagten.
Das ist das übliche Betriebsgeräusch, es fiel nur ein wenig lauter aus diesmal, weil es sich um Eastwood und die Oscars handelte und weil mit Alejandro Amenábars "Das Meer in mir" ein Film den Auslandsoscar gewann, in dem es auch um Sterbehilfe geht. In Amerika ist schon das Nötige dazu gesagt worden. Der Film wird in Geiselhaft genommen, um den je eigenen Interessen ein größeres Forum zu verschaffen, und die Trittbrettfahrer, die ihn instrumentalisieren, sind dieselben, die auch noch nie begreifen wollten, daß Autor und Erzähler eines Romans nicht ein und dieselbe Person sind. Weil sie das Kino insgeheim verachten, überschätzen und unterschätzen sie es zugleich. Sie glauben, ein Film könne wie ein Gesetzbuch normative Handlungsanweisungen geben, und sie können sich einfach nicht vorstellen, daß ein Publikum die moralischen Ambivalenzen aushält, welche ein Film zeigt.
Clint Eastwood muß einem deshalb nicht leid tun. Der bleiche Reiter, der Cop, dem der Revolver so locker saß, der wie sonst nur Charles Bronson die Augen zu Schlitzen verengen und mit einer Verachtung auf seine Feinde schauen kann, daß es selbst seinen Freunden unbehaglich wird, er steckt das mit seinen fast 75 Jahren weg. Er hat sein "Dirty Harry"-Image in Eigenregie demontiert, er hat Filme über Charlie Parker ("Bird") und John Houston ("Weißer Jäger, schwarzes Herz") gemacht, weil er sie machen wollte, auch wenn damit nicht viel Geld zu verdienen war. Er führt seit 36 Jahren Regie, und Understatement ist sein Geschäft - insofern man seine knapp herausgeknurrten Statements wirklich für Understatement hält und nicht für eine unerschütterliche Haltung. "An einem gewissen Punkt bist du, wer du bist", hat er kürzlich der "New York Times" gesagt. Clint Eastwood ist der letzte Überlebende jenes rauhbeinigen Individualismus, für den Hollywoods Helden mal berühmt waren, und sein "Million Dollar Baby" ist auf eine Weise exemplarisch, wie man es von dem "großen amerikanischen Roman" behauptet. Er verläßt sich mit einer Großzügigkeit und Gelassenheit auf die Kraft seiner Geschichte und die Fähigkeiten seiner Schauspieler, die alles andere als selbstverständlich sind. Er hat eine simple, klare Form: Der ehemalige Boxer Scrap (Morgan Freeman) erzählt die Geschichte aus dem Off; sie ist adressiert an Frankies (Eastwood) Tochter, die seit Jahren nichts mehr von ihm wissen will.
Um zu zeigen, was für ein Mann dieser Frankie ist, dafür braucht der Film nur eine Szene. Er kommt abends nach Hause, er hebt den Brief auf, der unter der Tür durchgeschoben wurde, er geht an den Wandschrank, in dem es sehr ordentlich aussieht, er holt einen Karton heraus, nimmt den Deckel ab und steckt den Brief zwischen die vielen Briefe, die seine Tochter ungeöffnet an ihn zurückgeschickt hat. Schöner kann man nicht zeigen, was F. Scott Fitzgerald meinte, als er am Ende des "Letzten Tycoons" schrieb: "Action is character". In einer anderen Szene sehen wir Maggie, die Boxerin, die seit ihrer Jugend kellnert, bei der Arbeit. Sie räumt einen Tisch ab. Sie schaut sich zweimal verstohlen um, dann packt sie das nicht einmal halbgegessene Steak in Alufolie und versteckt es in ihrer Schürze.
Es erscheint alles so einfach und richtig. Die Musik, die Eastwood selbst komponiert hat: eine einsame, sparsame Gitarre. Die Kamera, die mit dem vorhandenen Licht auskommt, weshalb oft nur Gesichtspartien zu sehen sind im nächtlichen Boxstudio, weshalb im Auto ein Gesicht sekundenlang ganz im Dunkeln versinkt; die erdigen Farben, die aus dieser Beleuchtung entstehen, das schmutzige Grün, Ocker und Oliv, Braun und Schwarz, das schäbige Interieur des "Hit Pit", des Boxstudios, das Nachtschwarz, das sich um den Ring ausbreitet, der im Spotlight liegt. Es ist ein gedämpfter Naturalismus, der kein großes Aufhebens von sich macht wie manche anderen Filme, welche die Kargheit eines Milieus ostentativ zur Schau stellen.
Es ist die Welt, in der Maggie (Hilary Swank) aufblüht, Maggie, die aus einem Wohnwagenpark kommt und white trash ist, die im Boxen zum ersten Mal in ihrem Leben etwas gefunden hat, mit 31 Jahren. Voller Starrsinn läßt sie sich nicht abwimmeln von Frank, der keine Frauen trainieren will, nicht beim ersten, zweiten, dritten Mal. Man sieht Hilary Swank arbeiten, sieht sie schwitzen, sich quälen, kämpfen, Zähne zeigen, und man spürt darin immer diese verzweifelte Sehnsucht nach Anerkennung. Langsam wächst sie in die Rolle einer Ersatztochter hinein. Keiner von beiden würde das jemals aussprechen, doch diese Beziehung wird zum emotionalen Kraftzentrum des Films - bis zum bitteren Ende. Muß man da noch mal erklären, daß dies kein Boxerfilm ist? "Boxen ist ein unnatürlicher Akt", sagt Scrap mehrfach aus dem Off, "tough ain't enough" steht als Motto im Büro des "Hit Pit". Die Szenen im Ring sind mehr als nur solide und weniger als spektakulär. Eastwood war schon immer ein ökonomischer Regisseur. Er muß nicht ständig alle Register ziehen, er weiß, auf welche Szenen es ankommt, und dann ist er da, als Regisseur wie als Schauspieler. Der "New York Times" hat er über seine Arbeitsweise bloß mitgeteilt: "Man sollte wissen, was man bei einer Sache sucht, und merken, wenn es passiert. Sonst sollte man es besser lassen."
"Million Dollar Baby" ist klassisch in dem Sinne, in dem die Filme von John Ford klassisch sind. Eastwood weiß, wo die Kamera stehen und wie lange ein Bild stehen muß, um seine volle Wirkung zu entfalten. Deshalb kann Frank auch Yeats lesen und Keltisch lernen, er kann Maggie den Namen "Mo Cuishle" geben, was "mein Blut" oder "mein Schatz" heißt. Man muß nur zusehen, wie er arbeitet. Er geht einfach auf die Straße vor das Boxstudio, im Hintergrund verschwimmt die Skyline von Los Angeles im Abendlicht: ein Bild, in dem andere schwelgen und die Musik aufdrehen würden. Eastwood läßt die Kamera auf die Straße stellen, weil jemand das Studio verläßt und nicht, um ein stimmungsvolles Bild zu produzieren. Und wenn er eine Szene in Zeitlupe ablaufen läßt, hat er gute Gründe. Der Moment, in dem Maggie von hinten getroffen wird, von einem regelwidrigen Schlag ihrer Gegnerin, und mit dem Kopf auf den Hocker aufschlägt, den Eastwood sofort nach dem Gong in den Ring gestellt hat, das ist der emotionale Wendepunkt des ganzen Films, und indem er ihn verlangsamt, macht er den Schmerz mit voller Wucht spürbar.
Aber es sind nicht nur Eastwood und Hilary Swank, die diesen Film tragen. Es sind auch die Szenen zwischen Eastwood und Morgan Freeman. Sie führen ein Gespräch über löchrige weiße Socken, zwei alte Grantler, der eine etwas verkniffener und mürrischer, der andere geringfügig freundlicher; und sie agieren dabei mit einer leisen Selbstironie, wie sie auch Frankies Kirchgänge begleitet. Tag für Tag besucht er die Messe, führt mit dem handfesten Pater seine eigenwilligen theologischen Dialoge - und schlägt sich dabei auf eine Weise mit Fragen von Schuld und Sühne herum, von denen der Katechismus nichts weiß. Wie schon "Mystic River" ist "Million Dollar Baby" ein Film für Erwachsene. Er ist auf der Höhe eines moralischen Konflikts, er interessiert sich mehr für die Aporien als für Lösungen, und er will niemandem eine Meinung aufdrängen, weil er Respekt vor seinen Charakteren und vor der Urteilsfähigkeit seines Publikums hat.
"Ich glaube, ihm war nichts mehr geblieben", sagt Morgan Freemans Stimme am Ende aus dem Off, während die Kamera sich dem schmutzigen Fenster von "Ira's Roadside Diner" nähert, in dem Frank und Maggie einmal eingekehrt sind und Zitronenkuchen gegessen haben. Die 137 Minuten, die bis dahin vergangen sind, waren keine Sekunde zu lang. Es ist die Zeit, welche die Geschichte braucht, um begreiflich zu machen, warum der Trainer und die Boxerin tun, was sie tun; um eine solche emotionale Wucht zu erzeugen, daß einem die Tränen in den Augen stehen, weil hier eben nicht irgendeine lehrreiche Parabel von Aufstieg und Fall konstruiert oder ein sogenanntes relevantes Thema wie Sterbehilfe verhandelt wird.
Es geht einfach um die Geschichte zweier Menschen, um die Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit ihres Handelns, die sich allein daraus ergibt, wie einer diese Geschichte erzählt, aber nicht aus irgendwelchen abstrakten Normen, auf die sich hinterher alle möglichen gesellschaftlichen Gruppen einigen können. "Was für Filme würden wir haben, wenn alle Personen in ihnen so handeln müßten, wie wir es von ihnen erwarten?" hat ein amerikanischer Kritiker gefragt. Das war natürlich eine rhetorische Frage. Es wären sehr, sehr armselige Filme. "Million Dollar Baby" ist ein ganz großer Film.
PETER KÖRTE.
"Million Dollar Baby" kommt am Donnerstag ins Kino.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Clint Eastwoods Film "Million Dollar Baby" erzählt von zwei alten Männern, einer jungen Frau, vom Boxring und dem Glück, zu leben
Es ist noch immer eine der erstaunlichsten Karrieren der Kinogeschichte, selbst für Hollywoods Maßstäbe, und am Ende taugt sie womöglich noch mal zu einem Film, für den man sich keinen besseren Regisseur als ihn selbst vorstellen könnte. Der Mann, der Swimmingpools aushob, bevor er sich selber einen leisten konnte, der Fernsehcowboy, der nach Spanien gehen und dort Italowestern drehen mußte, bevor Don Siegel ihn zu "Dirty Harry" machte und letztlich auch zum Regisseur, weil er bei Siegel lernte, wie klar, wie schnörkellos und lakonisch amerikanische Filme sein können, dieser Mann, der zwischenzeitlich auch mal Bürgermeister des kalifornischen Städtchens Carmel war, hat nun schon zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Jahren die Oscarnacht zu seiner Party gemacht. 1993 mit "Erbarmungslos" und jetzt mit vier Oscars für "Million Dollar Baby".
Es ist Clint Eastwood nicht so leichtgefallen, wie das alles klingt, es ist nicht so glattgelaufen wie in einem Drehbuch, das er vermutlich sofort umschreiben ließe. Auch mit seinem Renommee setzt man nicht jedes Projekt auf Anhieb durch. Schon "Mystic River" war dem Studio Warner Brothers erst viel zu düster, und bei "Million Dollar Baby" hieß es, Boxerfilme wolle keiner sehen. Da half es zunächst nichts, daß er Klinken putzen ging und den Geldgebern zu erklären versuchte, es sei eine Liebesgeschichte und kein Boxerfilm. Es war dann auch nicht viel leichter, als der Film fertig war, weil Katholiken, Konservative und Behindertenverbände gegen ihn zu Felde zogen.
"Million Dollar Baby" sei ein Plädoyer für Sterbehilfe, eine "Vendetta gegen Behinderte", ein "linkes Schmähstück" - als sei der konservative Clint Eastwood der verlängerte Arm des Dr. Kevorkian und ein gefährlicher Radikaler in einer Person. Und natürlich hat das in Deutschland der eine oder andere bereits nachgeplappert, ohne den Film gesehen zu haben, und sich gefreut, daß amerikanische Zeitungen auch schon ausgegraben hatten, daß Eastwood 1997 von Behinderten verklagt worden war, weil er beim Umbau eines Hotels darauf verzichtete, die Badezimmer behindertengerecht auszustatten; und daß er darauf mit den Worten reagiert hatte, skrupellose Anwälte würden Behinderte ausnutzen, indem sie Firmen auf hohe Entschädigungssummen verklagten.
Das ist das übliche Betriebsgeräusch, es fiel nur ein wenig lauter aus diesmal, weil es sich um Eastwood und die Oscars handelte und weil mit Alejandro Amenábars "Das Meer in mir" ein Film den Auslandsoscar gewann, in dem es auch um Sterbehilfe geht. In Amerika ist schon das Nötige dazu gesagt worden. Der Film wird in Geiselhaft genommen, um den je eigenen Interessen ein größeres Forum zu verschaffen, und die Trittbrettfahrer, die ihn instrumentalisieren, sind dieselben, die auch noch nie begreifen wollten, daß Autor und Erzähler eines Romans nicht ein und dieselbe Person sind. Weil sie das Kino insgeheim verachten, überschätzen und unterschätzen sie es zugleich. Sie glauben, ein Film könne wie ein Gesetzbuch normative Handlungsanweisungen geben, und sie können sich einfach nicht vorstellen, daß ein Publikum die moralischen Ambivalenzen aushält, welche ein Film zeigt.
Clint Eastwood muß einem deshalb nicht leid tun. Der bleiche Reiter, der Cop, dem der Revolver so locker saß, der wie sonst nur Charles Bronson die Augen zu Schlitzen verengen und mit einer Verachtung auf seine Feinde schauen kann, daß es selbst seinen Freunden unbehaglich wird, er steckt das mit seinen fast 75 Jahren weg. Er hat sein "Dirty Harry"-Image in Eigenregie demontiert, er hat Filme über Charlie Parker ("Bird") und John Houston ("Weißer Jäger, schwarzes Herz") gemacht, weil er sie machen wollte, auch wenn damit nicht viel Geld zu verdienen war. Er führt seit 36 Jahren Regie, und Understatement ist sein Geschäft - insofern man seine knapp herausgeknurrten Statements wirklich für Understatement hält und nicht für eine unerschütterliche Haltung. "An einem gewissen Punkt bist du, wer du bist", hat er kürzlich der "New York Times" gesagt. Clint Eastwood ist der letzte Überlebende jenes rauhbeinigen Individualismus, für den Hollywoods Helden mal berühmt waren, und sein "Million Dollar Baby" ist auf eine Weise exemplarisch, wie man es von dem "großen amerikanischen Roman" behauptet. Er verläßt sich mit einer Großzügigkeit und Gelassenheit auf die Kraft seiner Geschichte und die Fähigkeiten seiner Schauspieler, die alles andere als selbstverständlich sind. Er hat eine simple, klare Form: Der ehemalige Boxer Scrap (Morgan Freeman) erzählt die Geschichte aus dem Off; sie ist adressiert an Frankies (Eastwood) Tochter, die seit Jahren nichts mehr von ihm wissen will.
Um zu zeigen, was für ein Mann dieser Frankie ist, dafür braucht der Film nur eine Szene. Er kommt abends nach Hause, er hebt den Brief auf, der unter der Tür durchgeschoben wurde, er geht an den Wandschrank, in dem es sehr ordentlich aussieht, er holt einen Karton heraus, nimmt den Deckel ab und steckt den Brief zwischen die vielen Briefe, die seine Tochter ungeöffnet an ihn zurückgeschickt hat. Schöner kann man nicht zeigen, was F. Scott Fitzgerald meinte, als er am Ende des "Letzten Tycoons" schrieb: "Action is character". In einer anderen Szene sehen wir Maggie, die Boxerin, die seit ihrer Jugend kellnert, bei der Arbeit. Sie räumt einen Tisch ab. Sie schaut sich zweimal verstohlen um, dann packt sie das nicht einmal halbgegessene Steak in Alufolie und versteckt es in ihrer Schürze.
Es erscheint alles so einfach und richtig. Die Musik, die Eastwood selbst komponiert hat: eine einsame, sparsame Gitarre. Die Kamera, die mit dem vorhandenen Licht auskommt, weshalb oft nur Gesichtspartien zu sehen sind im nächtlichen Boxstudio, weshalb im Auto ein Gesicht sekundenlang ganz im Dunkeln versinkt; die erdigen Farben, die aus dieser Beleuchtung entstehen, das schmutzige Grün, Ocker und Oliv, Braun und Schwarz, das schäbige Interieur des "Hit Pit", des Boxstudios, das Nachtschwarz, das sich um den Ring ausbreitet, der im Spotlight liegt. Es ist ein gedämpfter Naturalismus, der kein großes Aufhebens von sich macht wie manche anderen Filme, welche die Kargheit eines Milieus ostentativ zur Schau stellen.
Es ist die Welt, in der Maggie (Hilary Swank) aufblüht, Maggie, die aus einem Wohnwagenpark kommt und white trash ist, die im Boxen zum ersten Mal in ihrem Leben etwas gefunden hat, mit 31 Jahren. Voller Starrsinn läßt sie sich nicht abwimmeln von Frank, der keine Frauen trainieren will, nicht beim ersten, zweiten, dritten Mal. Man sieht Hilary Swank arbeiten, sieht sie schwitzen, sich quälen, kämpfen, Zähne zeigen, und man spürt darin immer diese verzweifelte Sehnsucht nach Anerkennung. Langsam wächst sie in die Rolle einer Ersatztochter hinein. Keiner von beiden würde das jemals aussprechen, doch diese Beziehung wird zum emotionalen Kraftzentrum des Films - bis zum bitteren Ende. Muß man da noch mal erklären, daß dies kein Boxerfilm ist? "Boxen ist ein unnatürlicher Akt", sagt Scrap mehrfach aus dem Off, "tough ain't enough" steht als Motto im Büro des "Hit Pit". Die Szenen im Ring sind mehr als nur solide und weniger als spektakulär. Eastwood war schon immer ein ökonomischer Regisseur. Er muß nicht ständig alle Register ziehen, er weiß, auf welche Szenen es ankommt, und dann ist er da, als Regisseur wie als Schauspieler. Der "New York Times" hat er über seine Arbeitsweise bloß mitgeteilt: "Man sollte wissen, was man bei einer Sache sucht, und merken, wenn es passiert. Sonst sollte man es besser lassen."
"Million Dollar Baby" ist klassisch in dem Sinne, in dem die Filme von John Ford klassisch sind. Eastwood weiß, wo die Kamera stehen und wie lange ein Bild stehen muß, um seine volle Wirkung zu entfalten. Deshalb kann Frank auch Yeats lesen und Keltisch lernen, er kann Maggie den Namen "Mo Cuishle" geben, was "mein Blut" oder "mein Schatz" heißt. Man muß nur zusehen, wie er arbeitet. Er geht einfach auf die Straße vor das Boxstudio, im Hintergrund verschwimmt die Skyline von Los Angeles im Abendlicht: ein Bild, in dem andere schwelgen und die Musik aufdrehen würden. Eastwood läßt die Kamera auf die Straße stellen, weil jemand das Studio verläßt und nicht, um ein stimmungsvolles Bild zu produzieren. Und wenn er eine Szene in Zeitlupe ablaufen läßt, hat er gute Gründe. Der Moment, in dem Maggie von hinten getroffen wird, von einem regelwidrigen Schlag ihrer Gegnerin, und mit dem Kopf auf den Hocker aufschlägt, den Eastwood sofort nach dem Gong in den Ring gestellt hat, das ist der emotionale Wendepunkt des ganzen Films, und indem er ihn verlangsamt, macht er den Schmerz mit voller Wucht spürbar.
Aber es sind nicht nur Eastwood und Hilary Swank, die diesen Film tragen. Es sind auch die Szenen zwischen Eastwood und Morgan Freeman. Sie führen ein Gespräch über löchrige weiße Socken, zwei alte Grantler, der eine etwas verkniffener und mürrischer, der andere geringfügig freundlicher; und sie agieren dabei mit einer leisen Selbstironie, wie sie auch Frankies Kirchgänge begleitet. Tag für Tag besucht er die Messe, führt mit dem handfesten Pater seine eigenwilligen theologischen Dialoge - und schlägt sich dabei auf eine Weise mit Fragen von Schuld und Sühne herum, von denen der Katechismus nichts weiß. Wie schon "Mystic River" ist "Million Dollar Baby" ein Film für Erwachsene. Er ist auf der Höhe eines moralischen Konflikts, er interessiert sich mehr für die Aporien als für Lösungen, und er will niemandem eine Meinung aufdrängen, weil er Respekt vor seinen Charakteren und vor der Urteilsfähigkeit seines Publikums hat.
"Ich glaube, ihm war nichts mehr geblieben", sagt Morgan Freemans Stimme am Ende aus dem Off, während die Kamera sich dem schmutzigen Fenster von "Ira's Roadside Diner" nähert, in dem Frank und Maggie einmal eingekehrt sind und Zitronenkuchen gegessen haben. Die 137 Minuten, die bis dahin vergangen sind, waren keine Sekunde zu lang. Es ist die Zeit, welche die Geschichte braucht, um begreiflich zu machen, warum der Trainer und die Boxerin tun, was sie tun; um eine solche emotionale Wucht zu erzeugen, daß einem die Tränen in den Augen stehen, weil hier eben nicht irgendeine lehrreiche Parabel von Aufstieg und Fall konstruiert oder ein sogenanntes relevantes Thema wie Sterbehilfe verhandelt wird.
Es geht einfach um die Geschichte zweier Menschen, um die Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit ihres Handelns, die sich allein daraus ergibt, wie einer diese Geschichte erzählt, aber nicht aus irgendwelchen abstrakten Normen, auf die sich hinterher alle möglichen gesellschaftlichen Gruppen einigen können. "Was für Filme würden wir haben, wenn alle Personen in ihnen so handeln müßten, wie wir es von ihnen erwarten?" hat ein amerikanischer Kritiker gefragt. Das war natürlich eine rhetorische Frage. Es wären sehr, sehr armselige Filme. "Million Dollar Baby" ist ein ganz großer Film.
PETER KÖRTE.
"Million Dollar Baby" kommt am Donnerstag ins Kino.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main