Katsushika Hokusai ist der berühmteste japanische Holzschnittmeister überhaupt und sein Hauptwerk „Die 36 Ansichten des Fuji“ ist selbst im Westen allgemein bekannt. Viel weniger bekannt ist, dass eine seiner vier Töchter, Katsushika Oi, ebenfalls eine sehr talentierte Zeichnerin war, die ihren
Vater bei der Arbeit aktiv unterstützte. Ein wirklich eigenständiges künstlerisches Leben war ihr aber…mehrKatsushika Hokusai ist der berühmteste japanische Holzschnittmeister überhaupt und sein Hauptwerk „Die 36 Ansichten des Fuji“ ist selbst im Westen allgemein bekannt. Viel weniger bekannt ist, dass eine seiner vier Töchter, Katsushika Oi, ebenfalls eine sehr talentierte Zeichnerin war, die ihren Vater bei der Arbeit aktiv unterstützte. Ein wirklich eigenständiges künstlerisches Leben war ihr aber weitgehend versagt.
Der Film basiert auf dem in Japan sehr bekannten Manga „Sarusuberi“, der in drei Bänden zwischen 1983 und 1987 erschien und einzelne Episoden und anekdotisch überlieferte Ereignisse aus Katsushika Ois Leben thematisiert. Wie der Regisseur im Making-of erläutert, war sein Ziel, den Charakter des Manga weitgehend zu erhalten und sich nicht zu viele künstlerische Freiheiten zu nehmen. Der Film bleibt daher episodisch, erzählerisch zusammengehalten von den beiden Protagonisten Oi und Hoskusai, die ein eher schwieriges Verhältnis hatten. Hokusai ist nicht in der Lage, Gefühle anders als in seinen Zeichnungen zum Ausdruck zu bringen (was in der japanischen Gesellschaft allerdings bis heute ein männliches Rollenideal darstellt), während seine Tochter oft impulsiv und (für japanische Verhältnisse) unbeherrscht ist. Aber auch ihr gelingt es letztlich nicht, eine glückliche Familie zu gründen, da sie die Betreuung und Unterstützung ihres Vaters als gesellschaftliche Verpflichtung sieht. Ein wesentlicher Erzählstrang widmet sich dem Verhältnis zu ihrer blinden Halbschwester, die ihr Vater niemals besuchte, aus Angst vor Krankheit und Tod.
Die Bildsprache ist eindrucksvoll und referenziert auch einige bekannte Motive von Hokusais Holzschnitten, die geschickt in die Geschichte integriert werden. Überhaupt lehnen sich die Bilder sehr stark an japanische Holzschnittästhetik an, mit wunderbaren Farbstimmungen und durchdachten Bildausschnitten. Es ist ein visueller Genuss, der durch die langsame Erzählgeschwindigkeit auch Zeit hat zu wirken. Oft ist das, was nicht gesagt wird, wichtiger als das, was gesagt wird, genauso wie das, was man im Ausschnitt nicht sieht, manchmal wichtiger ist als das, was man sieht. Die Geschichte steckt voller magischer Andeutungen und Symbole, von denen die genannten Anspielungen auf berühmte Hokusai Holzschnitte nur ein Aspekt ist.
Das Ende bleibt offen – auch das ist eine japanische Erzähltradition. Nach dem Tod ihres Vaters wanderte Katsushika Oi weiter durch Japan, ihr Verbleib, Sterbeort und -datum sind unbekannt.
Der Film wird hier im Westen gerne als „Emanzipationsdrama“ beworben, was er aber in keiner Weise ist. Er ist fest verankert im japanischen Wertesystem, das die kindliche Pflicht den Eltern gegenüber über jede persönliche Entwicklungsmöglichkeit stellt. Oi gelingt es nicht, sich diesem Zwang zu entziehen und das nicht nur in der dramaturgischen Verdichtung der Geschichte, sondern auch im wahren Leben: Ihre einzige Ehe scheiterte, sie hatte keine Nachkommen, blieb als geschiedene Frau ohne Familie und lebte in prekären Verhältnissen. Ob ihr die Kunst ein echter Ersatz war, bleibt unklar. Ihr Vater haderte bis zu seinem Tod mit 89 Jahren (nach japanischer Rechnung mit 90 Jahren) jedenfalls mit seinem angeblich mangelnden Talent.
(Die Blu-ray wurde mir von Polyband kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)