Im Jahr 2020 landet die NASA das erste bemannte Raumschiff auf dem Mars doch die Mission endet in einem mysteriösen Desaster. Unter großem Zeitdruck wird von der Erde aus eine sofortige Rettungsaktion gestartet, um mögliche Überlebende zu bergen.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Trailer von anderen Filmen - Kapitel- / Szenenanwahl - Making Of - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten - Audiokommentar - Visual Effexts Analyse - Animatics to Scene Comparison - BSB - Best Surround Bites - Fotogalerie - Filmografien - Mars Specials (Das Seti Project; Mars Fakten)Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.05.2000Aber bitte mit Fahne
Geborgte Allmacht: Brian De Palmas Film "Mission to Mars"
Das Weltall im Jahre 2020, einige Kilometer vom Mars entfernt. Ein Raumschiff, majestätisch in sich selbst rotierend, zieht vorbei. Die Kamera, die an dieser gottverlassenen Stelle auf den Gleiter gewartet hat, beschleunigt ein wenig, damit sie mit ihm Schritt halten kann. Sie heftet ihren Blick auf die kreisende Schiffsmitte, bis sie ein beleuchtetes Fenster gefunden hat. Dann schlüpft sie durch die Luke und schaut sich drinnen um. Ein Astronaut hat in der Schwerelosigkeit eine bunte Spirale aus M&Ms gebaut, kleinen flachen Schokoladekugeln mit farbigem Zuckerüberzug. "Das ist die DNS meiner Traumfrau", sagt er zu einem herbeischwebenden Kollegen. Der Kollege pflückt ein paar der Süßigkeiten aus der Luft und isst sie. "Und was ist es jetzt?" - "Ein Frosch."
Der Film "Mission to Mars" strotzt von technischen Kabinettstückchen und erzählerischem Schwachsinn. Beides, der Schwachsinn und die Kabinettstückchen, gehört untrennbar zusammen, denn dies ist ein Film von Brian De Palma. De Palma hat seine Karriere darauf gegründet, Motive großer Regisseure zu wiederholen und in der Reprise zu überbieten, er versteht das Filmedrehen als athletische Disziplin. Zuletzt, in seinem Thriller "Snake Eyes" (1998), hat De Palma eine der längsten Einstellungen der Kinogeschichte gedreht, elf Minuten ohne Schnitt - und ohne tieferen dramaturgischen Sinn.
Was De Palmas Filme in den Beinen haben, fehlt ihnen im Kopf. Allzu oft, wie eben bei "Snake Eyes" oder zuvor bei "Fegefeuer der Eitelkeiten" (1990) und "Die Verdammten des Krieges" (1989), verliert sich dieser "Gigant" (Verleihwerbung) an wirre oder wässrige Sujets. De Palma ist erst dann am richtigen Platz, wenn er seine Kunststücke in den festen Rahmen einer klassischen Genrestory einweben kann. So hat er in "Die Unbestechlichen" Eisenstein, in "Mission: Impossible" Jules Dassin und in einem halben Dutzend anderer Filme Alfred Hitchcock zitiert, ohne größeren Schaden anzurichten. Doch es gibt Denkmäler, die man nicht ungestraft plündert. In "Mission to Mars" bedient sich De Palma, wie man sich denken kann, bei Stanley Kubrick, und das geht übel aus.
Houston, Texas, im Jahr 2020. Ein Astronautenquartett bereitet sich auf die Reise zum Mars vor. Jim (Gary Sinise) ist nicht dabei. Nach der Landung freilich kommen drei der Marsfahrer bei einem mysteriösen Bergsturz ums Leben. Ein Rettungsteam wird zusammengestellt; diesmal darf Jim mitfliegen. Auf der Fahrt zum roten Planeten geht der tapfere Woody (Tim Robbins) verloren, so dass die Insassen der Marsstation wieder zu viert sind, zwei Weiße, ein Schwarzer und eine Frau. Es stellt sich heraus, dass der Rätselberg in Wahrheit eine hohle Skulptur ist, in die man durch Vervollständigung eines DNS-Puzzles - hier kommen für kurze Zeit wieder die M&Ms ins Spiel - hineingelangen kann. Drinnen erfährt man unter anderem, dass alles irdische Leben vom Mars stammt, was Jim auf die Idee bringt, seine wahren Verwandten in der Tiefe des Alls zu suchen. Seine drei Begleiter dagegen fahren brav nach Hause, nicht ohne zuvor die amerikanische Flagge in den Wüstenstaub zu pflanzen.
Das alles klingt ziemlich haarsträubend, und auf der Leinwand wird es nicht plausibler. Jim Thomas, John Thomas und Graham Yost, die Autoren von "Mission to Mars", haben sich ihre Sporen mit Drehbüchern für Actionfilme ("Speed", "Predator", "Broken Arrow") verdient, und so überrascht es nicht, dass sie auch diesen Stoff zum wasserstoffgetriebenen Weltraum-Knaller hochrüsten wollten. Dabei hat realistische Science-fiction in der Nachfolge von Kubricks "2001" mit den Beschleunigungsformeln des Hollywoodkinos nichts gemein. Das All ist, dem Star-Wars-Klischee zum Trotz, ein enger und stickiger Ort, und die Schiffe, die es durchrasen, kommen nur scheinbar vom Fleck; in Wahrheit kleben sie im schwarzen Nichts wie Fliegen in der Marmelade.
Weltallfilme handeln vom Stillstand und vom Eingeschlossensein, und ihr Drama beginnt meistens damit, dass einer der Eingesperrten die Contenance verliert. Bei Kubrick war es ein Computer, bei Ridley Scott ("Alien") ein fremder Parasit. In "Mission to Mars" hingegen wird unaufhörlich geflogen und marschiert, ohne dass sich irgendetwas in der Geschichte bewegte, und wenn endlich ein Außerirdischer ins Bild kommt, ist es bloß ein wie ein Fabergé-Ei glitzernder Riesendäumling, der mit präsidialer Mimik eine Erdkundestunde hält. Von solchen Leuten möchte man lieber nicht abstammen.
De Palmas Inszenierung gibt dem lose geflochtenen Skript den Rest. Dieser Regisseur interessiert sich für Charaktere so wenig wie ein Zahnarzt für Lyrik. Er bohrt seine Figuren aus, bis sie passen. De Palma braucht keine Psychologie, sondern ein Spielfeld, auf dem seine Kamera schweifen kann. Weil aber auch im Kino die Welt aus den Personen entsteht und nicht umgekehrt, bleibt De Palmas szenische Phantasie steril. Was bei ihm glänzt, kommt aus zweiter Hand. Die Anfangssequenz hat er bei Philip Kaufman ("Der Stoff, aus dem die Helden sind"), die Schilderung der Reise bei Ron Howard ("Apollo 13"), die Marsstürme bei Paul Verhoeven ("Total Recall") und fast alles Übrige bei Kubrick geklaut. "Große Künstler machen keine Hommagen, sie stehlen einfach", hat Quentin Tarantino einmal erklärt, aber De Palma stiehlt so ungeschickt, dass man bei ihm nur lauter Hommagen sieht.
Auch eine Raumstation in Form eines rotierenden Rades à la "2001" gibt es in "Mission to Mars", und mitten in dem Riesenrad sitzt mit zentnerschwerer Miene der arme alte Armin Mueller-Stahl. Er spielt den Chef des Raumfahrtprogramms, jenen Mann, der ständig auf seine Bildschirme starren und die Hände ringen muss, wenn auf dem Mars wieder irgend etwas schief geht. Viel mehr als "Ich erwarte Ihren Bericht um nullachthundert Uhr" hat Mueller-Stahl den ganzen Film über nicht zu sagen. Nur einmal darf er leise "Der Teufelskerl!" rufen. Dazu lächelt er so verschmitzt, als hätte er Lust, die Tür hinter sich zuzumachen und fern von De Palmas Kinokolonie ein Tänzchen zu wagen mit dem kalten, schweigenden All.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Geborgte Allmacht: Brian De Palmas Film "Mission to Mars"
Das Weltall im Jahre 2020, einige Kilometer vom Mars entfernt. Ein Raumschiff, majestätisch in sich selbst rotierend, zieht vorbei. Die Kamera, die an dieser gottverlassenen Stelle auf den Gleiter gewartet hat, beschleunigt ein wenig, damit sie mit ihm Schritt halten kann. Sie heftet ihren Blick auf die kreisende Schiffsmitte, bis sie ein beleuchtetes Fenster gefunden hat. Dann schlüpft sie durch die Luke und schaut sich drinnen um. Ein Astronaut hat in der Schwerelosigkeit eine bunte Spirale aus M&Ms gebaut, kleinen flachen Schokoladekugeln mit farbigem Zuckerüberzug. "Das ist die DNS meiner Traumfrau", sagt er zu einem herbeischwebenden Kollegen. Der Kollege pflückt ein paar der Süßigkeiten aus der Luft und isst sie. "Und was ist es jetzt?" - "Ein Frosch."
Der Film "Mission to Mars" strotzt von technischen Kabinettstückchen und erzählerischem Schwachsinn. Beides, der Schwachsinn und die Kabinettstückchen, gehört untrennbar zusammen, denn dies ist ein Film von Brian De Palma. De Palma hat seine Karriere darauf gegründet, Motive großer Regisseure zu wiederholen und in der Reprise zu überbieten, er versteht das Filmedrehen als athletische Disziplin. Zuletzt, in seinem Thriller "Snake Eyes" (1998), hat De Palma eine der längsten Einstellungen der Kinogeschichte gedreht, elf Minuten ohne Schnitt - und ohne tieferen dramaturgischen Sinn.
Was De Palmas Filme in den Beinen haben, fehlt ihnen im Kopf. Allzu oft, wie eben bei "Snake Eyes" oder zuvor bei "Fegefeuer der Eitelkeiten" (1990) und "Die Verdammten des Krieges" (1989), verliert sich dieser "Gigant" (Verleihwerbung) an wirre oder wässrige Sujets. De Palma ist erst dann am richtigen Platz, wenn er seine Kunststücke in den festen Rahmen einer klassischen Genrestory einweben kann. So hat er in "Die Unbestechlichen" Eisenstein, in "Mission: Impossible" Jules Dassin und in einem halben Dutzend anderer Filme Alfred Hitchcock zitiert, ohne größeren Schaden anzurichten. Doch es gibt Denkmäler, die man nicht ungestraft plündert. In "Mission to Mars" bedient sich De Palma, wie man sich denken kann, bei Stanley Kubrick, und das geht übel aus.
Houston, Texas, im Jahr 2020. Ein Astronautenquartett bereitet sich auf die Reise zum Mars vor. Jim (Gary Sinise) ist nicht dabei. Nach der Landung freilich kommen drei der Marsfahrer bei einem mysteriösen Bergsturz ums Leben. Ein Rettungsteam wird zusammengestellt; diesmal darf Jim mitfliegen. Auf der Fahrt zum roten Planeten geht der tapfere Woody (Tim Robbins) verloren, so dass die Insassen der Marsstation wieder zu viert sind, zwei Weiße, ein Schwarzer und eine Frau. Es stellt sich heraus, dass der Rätselberg in Wahrheit eine hohle Skulptur ist, in die man durch Vervollständigung eines DNS-Puzzles - hier kommen für kurze Zeit wieder die M&Ms ins Spiel - hineingelangen kann. Drinnen erfährt man unter anderem, dass alles irdische Leben vom Mars stammt, was Jim auf die Idee bringt, seine wahren Verwandten in der Tiefe des Alls zu suchen. Seine drei Begleiter dagegen fahren brav nach Hause, nicht ohne zuvor die amerikanische Flagge in den Wüstenstaub zu pflanzen.
Das alles klingt ziemlich haarsträubend, und auf der Leinwand wird es nicht plausibler. Jim Thomas, John Thomas und Graham Yost, die Autoren von "Mission to Mars", haben sich ihre Sporen mit Drehbüchern für Actionfilme ("Speed", "Predator", "Broken Arrow") verdient, und so überrascht es nicht, dass sie auch diesen Stoff zum wasserstoffgetriebenen Weltraum-Knaller hochrüsten wollten. Dabei hat realistische Science-fiction in der Nachfolge von Kubricks "2001" mit den Beschleunigungsformeln des Hollywoodkinos nichts gemein. Das All ist, dem Star-Wars-Klischee zum Trotz, ein enger und stickiger Ort, und die Schiffe, die es durchrasen, kommen nur scheinbar vom Fleck; in Wahrheit kleben sie im schwarzen Nichts wie Fliegen in der Marmelade.
Weltallfilme handeln vom Stillstand und vom Eingeschlossensein, und ihr Drama beginnt meistens damit, dass einer der Eingesperrten die Contenance verliert. Bei Kubrick war es ein Computer, bei Ridley Scott ("Alien") ein fremder Parasit. In "Mission to Mars" hingegen wird unaufhörlich geflogen und marschiert, ohne dass sich irgendetwas in der Geschichte bewegte, und wenn endlich ein Außerirdischer ins Bild kommt, ist es bloß ein wie ein Fabergé-Ei glitzernder Riesendäumling, der mit präsidialer Mimik eine Erdkundestunde hält. Von solchen Leuten möchte man lieber nicht abstammen.
De Palmas Inszenierung gibt dem lose geflochtenen Skript den Rest. Dieser Regisseur interessiert sich für Charaktere so wenig wie ein Zahnarzt für Lyrik. Er bohrt seine Figuren aus, bis sie passen. De Palma braucht keine Psychologie, sondern ein Spielfeld, auf dem seine Kamera schweifen kann. Weil aber auch im Kino die Welt aus den Personen entsteht und nicht umgekehrt, bleibt De Palmas szenische Phantasie steril. Was bei ihm glänzt, kommt aus zweiter Hand. Die Anfangssequenz hat er bei Philip Kaufman ("Der Stoff, aus dem die Helden sind"), die Schilderung der Reise bei Ron Howard ("Apollo 13"), die Marsstürme bei Paul Verhoeven ("Total Recall") und fast alles Übrige bei Kubrick geklaut. "Große Künstler machen keine Hommagen, sie stehlen einfach", hat Quentin Tarantino einmal erklärt, aber De Palma stiehlt so ungeschickt, dass man bei ihm nur lauter Hommagen sieht.
Auch eine Raumstation in Form eines rotierenden Rades à la "2001" gibt es in "Mission to Mars", und mitten in dem Riesenrad sitzt mit zentnerschwerer Miene der arme alte Armin Mueller-Stahl. Er spielt den Chef des Raumfahrtprogramms, jenen Mann, der ständig auf seine Bildschirme starren und die Hände ringen muss, wenn auf dem Mars wieder irgend etwas schief geht. Viel mehr als "Ich erwarte Ihren Bericht um nullachthundert Uhr" hat Mueller-Stahl den ganzen Film über nicht zu sagen. Nur einmal darf er leise "Der Teufelskerl!" rufen. Dazu lächelt er so verschmitzt, als hätte er Lust, die Tür hinter sich zuzumachen und fern von De Palmas Kinokolonie ein Tänzchen zu wagen mit dem kalten, schweigenden All.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main