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Rio, ein Kino, Platzregen. Der junge Carlos wartet auf seine Flamme Julia, die ihn versetzt. Was wird er machen? Dreimal Schnitt auf einen Morgen im Bett fünfzehn Jahre später. Carlos Leben kreist wieder um Julia. Aber jede Julia, jedes Leben ist anders: Einmal ist Carlos ein reicher Anwalt, den Julia nach einem zufälligen Wiedersehen zum Ausbruch aus seiner erstarrten Ehe mit Maria verführen will. Ein andermal lebt Carlos als Schwuler mit seinem festem Freund Pedro und entdeckt plötzlich Gefühle für seine geschiedene Frau Julia, die ihn bei jedem Treffen zur Übergabe des gemeinsamen Sohnes…mehr

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Produktbeschreibung
Rio, ein Kino, Platzregen. Der junge Carlos wartet auf seine Flamme Julia, die ihn versetzt. Was wird er machen? Dreimal Schnitt auf einen Morgen im Bett fünfzehn Jahre später. Carlos Leben kreist wieder um Julia. Aber jede Julia, jedes Leben ist anders: Einmal ist Carlos ein reicher Anwalt, den Julia nach einem zufälligen Wiedersehen zum Ausbruch aus seiner erstarrten Ehe mit Maria verführen will. Ein andermal lebt Carlos als Schwuler mit seinem festem Freund Pedro und entdeckt plötzlich Gefühle für seine geschiedene Frau Julia, die ihn bei jedem Treffen zur Übergabe des gemeinsamen Sohnes vor Verbitterung mit Blicken erdolcht. Schliesslich Carlos als Playboy, der noch immer im Hotel Mama lebt und sich mit Hilfe eines Computer-Datingsdiensts auf die Suche nach der Traumfrau begibt: Ist es die leidenschaftliche Künstlerin Julia, mit der ihn sein Piepser nach all den Jahren wieder zusammenbringt?

Bonusmaterial

DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Biographien Crew - Kapitel- / Szenenanwahl - Making Of - Interviews - Audiokommentar - Produktionsnotizen
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.2003

Der Blick vom Schreibtisch hoch über der Stadt
Neue Eliten und alte Volkskultur in brasilianischen Filmen

Das Leben, möglicherweise, beginnt vor einem Kino in Rio de Janeiro. Carlos wartet auf Julia, die Frau erscheint nicht, eine Liebesgeschichte fällt aus, andere Beziehungen gewinnen an Bedeutung. Fünfzehn Jahre später taucht Julia wieder auf, in einem konjunktivischen Spiel, das die brasilianische Filmemacherin Sandra Werneck mit "Amores possíveis" inszeniert. Sie erzählt von den Verzweigungen, die das Leben nimmt, wenn ein bedeutendes Ereignis nicht eintritt. Julia wäre der Lebensmensch für Carlos, zugleich harmonische Seelenverwandte wie leidenschaftliche Sexualpartnerin. Aber sie verpaßt den richtigen Zeitpunkt, die "unio mystica" fällt aus.

Statt dessen gibt es drei Möglichkeiten der Liebe, drei Entwicklungsromane von Carlos, eine Julia in dreierlei Gestalt, und alle kreisen sie um eine Vorstellung von Identität, in der Fragen des richtigen Lebens keine Rolle mehr spielen, weil einzig die Wahl des richtigen Partners darüber entscheidet. "Amores possíveis" wurde auf dem Sundance Festival 2001 als bester lateinamerikanischer Film ausgezeichnet. Daß er diese Woche auch in Deutschland ins Kino kommt, ist nur ein weiteres Indiz für die neue Stärke des brasilianischen Kinos, das seit den neunziger Jahren einen kontinuierlichen Aufschwung erlebt.

In gewisser Hinsicht ist Sandra Wernecks äußerst kalkulierter Film auch ein Moment der Peripetie, denn die Stadt Rio de Janeiro bleibt darin bloße Kulisse, ein mondäner Hintergrund für eine Geschichte, die überall spielen könnte, wo es Lofts und Laptops gibt und Liebespaare, die einander alles abverlangen. Die Figuren haben weltläufige Berufe, sie sind Architekten oder Künstler oder Anwälte, ihre Tätigkeit bleibt unspezifisch und dient allein dem Ausweis einer gesellschaftlichen Klasse, die den geläufigen Vorstellungen von Brasilien nicht entspricht.

Das gefährliche Rio der Favelas und "gated communities" ist nicht weniger ein Klischee als das sterile Rio von Sandra Werneck, und wenn Fernando Meirelles in "City of God" - der in Deutschland fast dreihundertfünfzigtausend Zuschauer hatte - so etwas wie den Mythos eines gewalttätigen Zeitalters in der neueren brasilianischen Geschichte erzählt hat, so läßt Sandra Werneck einen Epilog aus dem befriedeten Zeitalter folgen, einen späten Yuppie-Film, der taub ist für jegliche Wirklichkeit außerhalb seiner mechanischen Typologie.

Einen differenzierteren Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse erlaubte in den vergangenen zwei Monaten eine Filmschau mit dem Titel "Brasil 40 Grad", die im Hamburger Metropolis und im Berliner Kino Arsenal lief. Dieses Programm zeigte mit der nötigen Heterogenität, welchen Reichtum an Darstellern, Formen, Traditionen des brasilianische Kino aufzuweisen hat. Der Krimi "Bufo & Spallanzini" von Flávio Tambellini beispielsweise nimmt seinen Ausgang ebenfalls in einer dieser Wohnungen, von denen es eine berauschende Aussicht auf die Stadt (und den Strand) gibt. Ein Schriftsteller wohnt hier, der zwei Geschichten erzählt, die eines Scheintoten, der mit einem Krötensekret einen Versicherungsbetrug begeht, und seine eigene, die eines Mannes, der eine Affäre mit der Frau eines Einflußreichen hat. Der Mann begibt sich in Gefahr, sicher ist er nur an seinem Schreibtisch, hoch über der Stadt. Aber das Privileg dieses Blicks wird hier ganz anders in Frage gestellt, die Bewegung gleicht einem Abstieg in den Alltag, aus dem niemand unversehrt zurückkehrt.

"Bufo & Spallanzini" durchquert Rio de Janeiro von seinen glamourösen Sandstränden bis zu einem abgelegenen Hotel in einer ökologisch geschützten Regenwaldzone und zeigt eine Stadt, in deren Zivilisation die Natur immer noch wuchert. Schon im Vorspann sind die Logos der beteiligten Firmen gezeigt, zuvorderst das von Petrobras, was ungefähr so ist, als würde der Konzern Eon in Deutschland eine Fortsetzung von "Anatomie" herausbringen. Film ist in Brasilien ein Investitionsprodukt geworden, weil die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten großzügig genutzt werden, und es sind große Unternehmen, die sich engagieren.

Eine Generation von Regisseuren, die zum Teil ihre Ausbildung in der Werbung erfuhren, zieht nun Nutzen aus dieser Gesetzgebung: Walter Salles, Andrucha Waddington, Fernando Meirelles, Beto Brant. In "Viva São João" reist Waddington mit dem neuen Kulturminister Gilberto Gil in den Sertão im Nordosten des Landes. Von hier kommt der Forro, eine stark im landwirtschaftlichen Alltag der kargen Gegend verwurzelte Volksmusik. Im Cinema Novo der sechziger und frühen siebziger Jahre, vor allem in Glauber Rochas zentralem "Antonio das Mortes", war die (durchaus sehr theoretisch aufgefaßte) Volkskultur die größte Hoffnung im Kampf gegen das Unrechtssystem des brasilianischen Feudalismus. Es gibt Verbindungen von diesem modernistischen Kino zur Filmindustrie der Gegenwart, zum Beispiel in Gestalt von Eduardo Coutinho, der in dem Dokumentarfilm "Edificio Master" ein Wohnhochhaus unweit der Copacabana erforscht.

In "Viva São João" hingegen dominiert der linksliberale Pragmatismus, den auch der neue Präsident "Lula" da Silva ausstrahlt. Der Forro wird zum Rohstoff einer kulturellen Transformation, die sich erst in den großen Konzerten in den Städten des Südens vollendet. Die Musik ist eine Ressource, die der Integration höchst unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen dient. Nicht zufällig werden von Andrucha Waddingtons Spielfilm "Darlene und ihre Männer" zwei Soundtracks verkauft, einer mit der regionalen Musik zu dieser ruralen Komödie um eine Polygamistin im armen Hinterland und einer, in dem diese Musik auf den neuesten internationalen Stand gebracht wurde.

Viele der neuen brasilianischen Filme gehorchen einer ähnlichen Dialektik, sie orientieren sich stark am Weltmarkt und begreifen die eigene Kultur - mit allen ihren Schattenseiten von der Blutrache bis zum Drogenhandel - vor allem als Exportgut. Ein radikal eigenständiges Werk wie "O Invasor" ("Der Eindringling") von Beto Brant hebt dann aber alle diese Widersprüche wieder auf. Das Milieu ist ganz ähnlich wie in "Amores possíveis"; im Zentrum stehen zwei Männer, die gemeinsam eine große Baufirma in São Paulo führen. Sie heuern einen Killer an, um einen lästigen Teilhaber loszuwerden. Dieser Mann erweist sich auf eine völlig unberechenbare Weise als Nemesis, indem er sich mit seinem Honorar nicht zufriedengibt, sondern das Leben seiner Auftraggeber ins Chaos stürzt.

"O Invasor" ist auf eine sehr unbewußte Weise erzählt, schwankend zwischen paranoiden Schüben und ekstatischen Vergnügungen. Die unheimliche Hauptfigur infiziert eine ganze Klasse mit ihrer libidinösen Energie. Die langen Autofahrten durch São Paulo, auch in sehr übel beleumundete Gegenden, haben einen beinahe dokumentarischen Charakter, während die Architekten zunehmend aus ihren künstlichen Paradiesen vertrieben werden. Der Eindringling ist eine archetypische Figur, gegen die sich Sandra Werneck in "Amores possíveis" leider so gründlich abgesichert hat, daß aus ihrem Film alles Leben gewichen ist.

BERT REBHANDL

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