Auf dem Mulholland Drive, der sich hoch oben über Los Angeles durch die Hollywood Hills schlängelt und bei Tag eine atemberaubende Aussicht bietet, gleitet eine dunkle Limousine lautlos durch die Stille der Nacht. Plötzlich stoppt der Wagen, der Chauffeur richtet eine Waffe auf die namenlose Schönheit im Fond des Fahrzeugs. Doch noch bevor er abdrücken kann, kollidiert ein entgegenkommendes Auto mit der Limousine und die Unbekannte kann entkommen. Äußerlich ist sie nahezu unverletzt, doch hat sie bei dem Unfall ihr Gedächtnis verloren. Ziellos irrt sie durch die Straßen und findet schließlich in einer leerstehenden Wohnung Unterschlupf. Nur wenig später taucht eine weitere junge Frau auf: Betty Elms (Naomie Watts), die von Kanada nach L.A. gereist ist, um in der Traumfabrik Hollywoods als Filmschauspielerin zu beginnen. Während die nichts ahnende Betty und die geheimnisvolle Fremde, die sich kurzerhand Rita nennt, das Haus teilen, gehen auch an anderen Schauplätzen der Stadt unerklärliche Dinge vor sich. Da ist ein Auftragskiller, dem die Situation unter grotesken Umständen entgleitet und ein weiterer Zeitgenosse, der von finsteren Vorahnungen geplagt wird auf dem Parkplatz eines Restaurants dem Bösen ins Auge sieht. Und schließlich ist da auch noch der Erfolgsregisseur Adam Kesher (Justin Theroux), dessen Leben sich durch die Drohungen bizarrer Finanziers gravierend ändert und der zum ersten Mal mit seiner eigenen Machtlosigkeit konfrontiert wird. Zur gleichen Zeit versuchen Rita und die gutherzige, stets hilfsbereite Betty, die mit einer schauspielerischen Glanzleistung den Eintritt in die Welt des Films geschafft hat, das Geheimnis um die verlorene Identität Ritas zu lüften, stoßen bei ihren Nachforschungen aber auf mehr Fragen als Antworten. Die unterschiedlichen Handlungsstränge beginnen sich miteinander zu verweben, Identitäten werden austauschbar und ein geheimnisvoller blauer Schlüssel kündet von verborgenen Wahrheiten...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.01.2012Wortkarg
Achtziger Jahre, Version 2.0: "Drive" im Kino
Als Stuntman fährt er Autos zu Schrott. Als Fluchtfahrer bringt er Gangster in Sicherheit. Er hat keinen Namen, aber ein Gesicht: Ryan Gosling ist der "Driver" in diesem Neo-Noir-Film von Nicolas Winding Refn, der gleichzeitig eine Hommage ans Genrekino der achtziger Jahre ist. Zur Hommage gehören nicht nur die rosafarbene Titelsequenz, Albert Brooks in der Rolle eines freundlich scheinenden, aber dann sehr entschlossenen brutalen Mafioso und Ron Perlman, dem das Mafiose immer schon ins Gesicht geschrieben stand.
Zur Hommage gehört auch, dass wir von der Figur des Fahrers so gut wie nichts erfahren jenseits dessen, was wir sehen: seine extreme Kunstfertigkeit am Steuer, seine verschlossene Miene, seine silbrig glitzernde Jacke mit dem Riesenskorpion auf dem Rücken, die er auch dann nicht wechselt, als sie voller Blut ist. Wer dieser Mann ist, das interessiert den Regisseur nicht, umso mehr aber seine Posen - die Art, wie er hoch aufgerichtet zu schleichen scheint, wie er mit bewegungslosem Gesicht seine Bedingungen stellt, wie er gelassen die wüstesten Manöver fährt und niemals außer Atem gerät. Einmal lacht er, als er mit seiner Nachbarin Irene (Carey Mulligan) und ihrem kleinen Sohn durch ein trockenes Flussbett fährt - da erschrickt man fast, so lebendig wirkt er da.
"Drive" lebt vom Atmosphärischen, von den Neonlichtern, die Los Angeles bei Nacht punktuell beleuchten, von den unbestimmten Orten, die wir aus anderen Filmen wiederzuerkennen meinen, von der ganzen mutterseelenverlassenen Ödnis dieser Stadt, wie das Kino sie so oft gezeichnet hat. Dass Refn mit seinem imitatorischen Geschick, das aus Liebe sich speist, etwas zu sehr angibt, mag ihm jeder verzeihen, der mit den Filmen der Achtziger aufgewachsen ist. Für die, bei denen es eher die Siebziger waren, ist das alles ein bisschen dick aufgetragen und nicht ganz so lässig, wie Refn vielleicht gern wäre.
VERENA LUEKEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Achtziger Jahre, Version 2.0: "Drive" im Kino
Als Stuntman fährt er Autos zu Schrott. Als Fluchtfahrer bringt er Gangster in Sicherheit. Er hat keinen Namen, aber ein Gesicht: Ryan Gosling ist der "Driver" in diesem Neo-Noir-Film von Nicolas Winding Refn, der gleichzeitig eine Hommage ans Genrekino der achtziger Jahre ist. Zur Hommage gehören nicht nur die rosafarbene Titelsequenz, Albert Brooks in der Rolle eines freundlich scheinenden, aber dann sehr entschlossenen brutalen Mafioso und Ron Perlman, dem das Mafiose immer schon ins Gesicht geschrieben stand.
Zur Hommage gehört auch, dass wir von der Figur des Fahrers so gut wie nichts erfahren jenseits dessen, was wir sehen: seine extreme Kunstfertigkeit am Steuer, seine verschlossene Miene, seine silbrig glitzernde Jacke mit dem Riesenskorpion auf dem Rücken, die er auch dann nicht wechselt, als sie voller Blut ist. Wer dieser Mann ist, das interessiert den Regisseur nicht, umso mehr aber seine Posen - die Art, wie er hoch aufgerichtet zu schleichen scheint, wie er mit bewegungslosem Gesicht seine Bedingungen stellt, wie er gelassen die wüstesten Manöver fährt und niemals außer Atem gerät. Einmal lacht er, als er mit seiner Nachbarin Irene (Carey Mulligan) und ihrem kleinen Sohn durch ein trockenes Flussbett fährt - da erschrickt man fast, so lebendig wirkt er da.
"Drive" lebt vom Atmosphärischen, von den Neonlichtern, die Los Angeles bei Nacht punktuell beleuchten, von den unbestimmten Orten, die wir aus anderen Filmen wiederzuerkennen meinen, von der ganzen mutterseelenverlassenen Ödnis dieser Stadt, wie das Kino sie so oft gezeichnet hat. Dass Refn mit seinem imitatorischen Geschick, das aus Liebe sich speist, etwas zu sehr angibt, mag ihm jeder verzeihen, der mit den Filmen der Achtziger aufgewachsen ist. Für die, bei denen es eher die Siebziger waren, ist das alles ein bisschen dick aufgetragen und nicht ganz so lässig, wie Refn vielleicht gern wäre.
VERENA LUEKEN
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