Deutschland im Jahr 1942: Gegen den Willen seiner Eltern beschließt der 16-jährige Friedrich, sich an einem Nazi-Elite-Internat anzumelden. Zunächst begeistert von den sich bietenden Lernmöglichkeiten, freundet er sich mit seinem sensiblen Mitschüler Albrecht an. Unter dessen Einfluss keimen langsam auch in Friedrich immer mehr Zweifel am System auf. Beim Filmfestival von Karlsbad wurde 'Napola' von einem jungen, kinobegeisterten Publikum bereits ausgesprochen positiv aufgenommen: Dennis Gansel inszenierte die Geschichte aus einem Nazi-Eliteinternats aus der Sicht eines 16-jährigen Schülers, der sich zunächst vom Regime verführen lässt, dann jedoch langsam am System zu zweifeln beginnt. Die Hauptrollen spielen Max Riemelt und Tom Schilling.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten - Videotagebuch von Regisseur Dennis Gansel - Deleted Scenes - Interviews mit Max Riemelt (Friedrich Weimer), Tom Schilling (Albert Stein), Devid Striesow (Heinrich Vogler), Dennis Gansel (Regie), Viola Jäger (Produzentin) - Storyboard Vergleich - Darsteller-Infos (Textseiten)Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.01.2005Knallzarte Jungs
Leben und lernen für Hitler: Dennis Gansels Film "Napola"
Eigentlich gibt es diesen Film schon. Er heißt "Der Unhold" und ist von Volker Schlöndorff, nach einem Roman von Michel Tournier. Nur daß Schlöndorff damals, 1996, nicht aus der Perspektive der Schüler, sondern aus der des Lehrkörpers erzählte, gespiegelt in dem exzentrischen Blick eines Franzosen (verkörpert von John Malkovich), der von der Nazimythologie fasziniert war. Und daß auch Schlöndorff sich nicht wirklich getraut hat, das braune Märchen von Blut und Boden, Volk und Heimat, Rasse und Reich auf der Leinwand auszubuchstabieren, sein massenbetäubendes Gift zu verspritzen, um es durch das Gegengift der Empathie zu besiegen.
Dennis Gansel - sein Durchbruch kam mit der Teenagerkomödie "Mädchen, Mädchen" - geht aber erst einmal forsch zur Sache, man sieht förmlich, wie er sich selbst Mut macht für den Marsch nach Naziland. Der sechzehnjährige Friedrich (Max Riemelt, auch er bekannt aus "Mädchen, Mädchen"), ein Boxtalent, reißt sich von seinem sozialdemokratischen Elternhaus im Berliner Wedding los, um dem Lockruf des Sportlehrers Vogler (Devid Striesow) an die "nationalpolitische Erziehungsanstalt" im ostpreußischen Allenstein zu folgen. Es ist 1942, die Bombentrichter sind noch frisch, die Gesichter noch heil, fern am Horizont rauchen die Schlote der Krematorien, aber Friedrich ahnt davon nichts. In der Burg, in der die Eliteschule untergebracht ist, wird er uniformiert, mit Rassenwahn und Geschichtslügen vollgestopft und zum Boxchampion aufgemöbelt, alles in einem Aufwasch. Phantasie und freies Denken gibt es nicht, die Körper der Jungen werden durch Qual, ihre Seelen durch Pomp und Pathos gestählt, der ganze Tageslauf zielt auf Leistung, Auslese und Disziplin, ein Akkord, der in den Zeiten der Pisa-Studien schrill in den Ohren klingt.
Der Knoten des Films schürzt sich, als Friedrich sich mit Albrecht (Tom Schilling) anfreundet. Albrecht, schmächtig und sensibel, könnte einem Gedicht von Georg Heym entsprungen sein: "Du bist in einem alten Park geboren, / Des Düfte, schwarz von Ulmen und Zypressen, / In deine Tage frühe Schatten warfen . . ." Albrecht ist aber der Sohn des Gauleiters Stein, eines gemütsblonden Brachialnazis (Justus von Dohnanyi), der viel lieber einen Sprößling wie Friedrich hätte. Als der Proletensohn aus Berlin im Gauleiterhaus zu Gast ist, einem flüchtig arisierten jüdischen Herrensitz, läßt Stein die beiden Jungen gegeneinander boxen, und ihre Freundschaft bekommt das erste blaue Auge. Einige Nächte später kriegen die Napola-Zöglinge Gewehre in die Hand gedrückt, um in den Wäldern um Allenstein Jagd auf russische Kriegsgefangene zu machen, und auch diesmal bewährt sich die Nazi-Erziehung Friedrichs: Als seine Kameraden auf die Russen schießen, drückt er brav mit ab, und am nächsten Morgen im Klassenzimmer hält er den Mund. Albrecht aber schreibt einen Deutschaufsatz, in dem er die Abschlachterei in den Wäldern anprangert, und bezahlt diese Wahrheit mit seinem Leben.
Nach seiner Premiere beim Filmfestival in Hof hat man dem Film vorgeworfen, er sei zu genrelastig, zu sehr auf Effekte bedacht. Das Gegenteil ist richtig. "Napola" fällt hinter den eigenen Anspruch zurück, weil der Film nicht genrehaft genug ist. Natürlich ist das wahrhaft Monströse an der Terrorherrschaft deren Normalität, aber Normalität ist kein Kinothema. Wo die Kamera hinkommt, herrscht immer Ausnahmezustand. Deshalb hätte sich Dennis Gansel nicht weniger, sondern noch mehr bei Kubrick ("Full Metal Jacket"), Louis Malle ("Auf Wiedersehen, Kinder"), Peter Weir ("Club der toten Dichter") und auch bei Pasolinis "Salò" abschauen müssen, um die Welt, die er zeigen will, zum Leben zu erwecken. Statt dessen bemühen sich der Regisseur und seine Koautorin Maggie Peren, "kritisch und intensiv" (Gansel) ins braune Milieu zu schauen und zu jeder Anekdote möglichst gleich die historische Gebrauchsanweisung mitzuliefern.
Aber die besten Szenen in "Napola" - etwa die Demütigung des Bettnässers Gladen (Martin Goeres), der vor versammelter Klasse seine Matratze vollpinkeln muß, oder sein Opfertod bei der Wehrübung mit scharfen Handgranaten - sind dennoch reines Kino, und wenn der Film am Ende ein flaues Gefühl hinterläßt, dann nicht deshalb, weil er sie zu sehr ausgereizt, sondern weil er ihnen nicht genügend vertraut hat. Humanismus ist im Kino eine Frage der Evidenz, nicht des guten Gewissens. Deshalb lernt man in "Club der toten Dichter", das Schulsystem von Neuengland zu hassen, während man die Nazis in "Napola" zum großen Teil bloß komisch findet. Es gibt gute Internatsfilme und gute Filme über das Dritte Reich; schwache Internatsfilme, die gleichzeitig starke Dritte-Reichs-Filme wären, gibt es nicht.
"Napola" endet, wie übrigens auch Schlöndorffs "Unhold", mit einem Tod durch Ertrinken. Danach muß Friedrich noch seinen letzten Boxkampf ausfechten, aus dem er, nach dem Plan seines Regisseurs, als Verlierer und moralischer Sieger zugleich herauskommt. Nach demselben Prinzip ist auch Gansels Film konstruiert. Er versucht, nicht zu gut, nicht zu effektiv, nicht zu präzise zu sein, um nicht in Gefahr zu geraten, für sein Sujet zu werben. Und so verliert er sich darin.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Leben und lernen für Hitler: Dennis Gansels Film "Napola"
Eigentlich gibt es diesen Film schon. Er heißt "Der Unhold" und ist von Volker Schlöndorff, nach einem Roman von Michel Tournier. Nur daß Schlöndorff damals, 1996, nicht aus der Perspektive der Schüler, sondern aus der des Lehrkörpers erzählte, gespiegelt in dem exzentrischen Blick eines Franzosen (verkörpert von John Malkovich), der von der Nazimythologie fasziniert war. Und daß auch Schlöndorff sich nicht wirklich getraut hat, das braune Märchen von Blut und Boden, Volk und Heimat, Rasse und Reich auf der Leinwand auszubuchstabieren, sein massenbetäubendes Gift zu verspritzen, um es durch das Gegengift der Empathie zu besiegen.
Dennis Gansel - sein Durchbruch kam mit der Teenagerkomödie "Mädchen, Mädchen" - geht aber erst einmal forsch zur Sache, man sieht förmlich, wie er sich selbst Mut macht für den Marsch nach Naziland. Der sechzehnjährige Friedrich (Max Riemelt, auch er bekannt aus "Mädchen, Mädchen"), ein Boxtalent, reißt sich von seinem sozialdemokratischen Elternhaus im Berliner Wedding los, um dem Lockruf des Sportlehrers Vogler (Devid Striesow) an die "nationalpolitische Erziehungsanstalt" im ostpreußischen Allenstein zu folgen. Es ist 1942, die Bombentrichter sind noch frisch, die Gesichter noch heil, fern am Horizont rauchen die Schlote der Krematorien, aber Friedrich ahnt davon nichts. In der Burg, in der die Eliteschule untergebracht ist, wird er uniformiert, mit Rassenwahn und Geschichtslügen vollgestopft und zum Boxchampion aufgemöbelt, alles in einem Aufwasch. Phantasie und freies Denken gibt es nicht, die Körper der Jungen werden durch Qual, ihre Seelen durch Pomp und Pathos gestählt, der ganze Tageslauf zielt auf Leistung, Auslese und Disziplin, ein Akkord, der in den Zeiten der Pisa-Studien schrill in den Ohren klingt.
Der Knoten des Films schürzt sich, als Friedrich sich mit Albrecht (Tom Schilling) anfreundet. Albrecht, schmächtig und sensibel, könnte einem Gedicht von Georg Heym entsprungen sein: "Du bist in einem alten Park geboren, / Des Düfte, schwarz von Ulmen und Zypressen, / In deine Tage frühe Schatten warfen . . ." Albrecht ist aber der Sohn des Gauleiters Stein, eines gemütsblonden Brachialnazis (Justus von Dohnanyi), der viel lieber einen Sprößling wie Friedrich hätte. Als der Proletensohn aus Berlin im Gauleiterhaus zu Gast ist, einem flüchtig arisierten jüdischen Herrensitz, läßt Stein die beiden Jungen gegeneinander boxen, und ihre Freundschaft bekommt das erste blaue Auge. Einige Nächte später kriegen die Napola-Zöglinge Gewehre in die Hand gedrückt, um in den Wäldern um Allenstein Jagd auf russische Kriegsgefangene zu machen, und auch diesmal bewährt sich die Nazi-Erziehung Friedrichs: Als seine Kameraden auf die Russen schießen, drückt er brav mit ab, und am nächsten Morgen im Klassenzimmer hält er den Mund. Albrecht aber schreibt einen Deutschaufsatz, in dem er die Abschlachterei in den Wäldern anprangert, und bezahlt diese Wahrheit mit seinem Leben.
Nach seiner Premiere beim Filmfestival in Hof hat man dem Film vorgeworfen, er sei zu genrelastig, zu sehr auf Effekte bedacht. Das Gegenteil ist richtig. "Napola" fällt hinter den eigenen Anspruch zurück, weil der Film nicht genrehaft genug ist. Natürlich ist das wahrhaft Monströse an der Terrorherrschaft deren Normalität, aber Normalität ist kein Kinothema. Wo die Kamera hinkommt, herrscht immer Ausnahmezustand. Deshalb hätte sich Dennis Gansel nicht weniger, sondern noch mehr bei Kubrick ("Full Metal Jacket"), Louis Malle ("Auf Wiedersehen, Kinder"), Peter Weir ("Club der toten Dichter") und auch bei Pasolinis "Salò" abschauen müssen, um die Welt, die er zeigen will, zum Leben zu erwecken. Statt dessen bemühen sich der Regisseur und seine Koautorin Maggie Peren, "kritisch und intensiv" (Gansel) ins braune Milieu zu schauen und zu jeder Anekdote möglichst gleich die historische Gebrauchsanweisung mitzuliefern.
Aber die besten Szenen in "Napola" - etwa die Demütigung des Bettnässers Gladen (Martin Goeres), der vor versammelter Klasse seine Matratze vollpinkeln muß, oder sein Opfertod bei der Wehrübung mit scharfen Handgranaten - sind dennoch reines Kino, und wenn der Film am Ende ein flaues Gefühl hinterläßt, dann nicht deshalb, weil er sie zu sehr ausgereizt, sondern weil er ihnen nicht genügend vertraut hat. Humanismus ist im Kino eine Frage der Evidenz, nicht des guten Gewissens. Deshalb lernt man in "Club der toten Dichter", das Schulsystem von Neuengland zu hassen, während man die Nazis in "Napola" zum großen Teil bloß komisch findet. Es gibt gute Internatsfilme und gute Filme über das Dritte Reich; schwache Internatsfilme, die gleichzeitig starke Dritte-Reichs-Filme wären, gibt es nicht.
"Napola" endet, wie übrigens auch Schlöndorffs "Unhold", mit einem Tod durch Ertrinken. Danach muß Friedrich noch seinen letzten Boxkampf ausfechten, aus dem er, nach dem Plan seines Regisseurs, als Verlierer und moralischer Sieger zugleich herauskommt. Nach demselben Prinzip ist auch Gansels Film konstruiert. Er versucht, nicht zu gut, nicht zu effektiv, nicht zu präzise zu sein, um nicht in Gefahr zu geraten, für sein Sujet zu werben. Und so verliert er sich darin.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main