Als einer der vielseitigsten und bekanntesten deutschen Komponisten der Gegenwart beeindruckte und schockierte Wolfgang Rihm schon immer mit dem ungeheuren Ausdruckswillen seiner Musik, mit ihrer ungemeinen Ausdruckskraft. Diese musikalische Kraft strahlt bis heute auch das Auftragswerk der Deutschen Oper Berlin von 1987 aus Oedipus.Bei Publikum und Presse wurde Rihms Oper zum großen Erfolg eindrücklich inszeniert vom damaligen Intendanten und Chefregisseur Götz Friedrich und mit Andreas Schmidt (am Beginn seiner internationalen Karriere) in der Titelrolle. Der Bariton ist heute nicht nur im klassischen Repertoire und als Liedinterpret weltweit gefragt, sondern war immer auch bekannt für Interpretationen zeitgenössischer Musik von Hans Werner Henze bis Peter Ruzicka. Die literarische Figur des Oedipus gehört zum Fundus abendländischer Kultur: Unwissentlich hat er seinen Vater getötet und mit seiner Mutter vier Kinder gezeugt und damit den Spruch des Orakels erfüllt. Der Prozess, der zur Erkenntnis seiner Schuld führt, ist quälend. An dessen Ende straft Oedipus sich selbst in großer theatralischer Geste, indem er sich blendet und damit der Sehfähigkeit beraubt. In der Frage nach persönlicher Schuld und Verantwortung übt der Mythos bis heute seine Faszination aus, und ist wie geschaffen für die (große) Opernbühne.