Gena Rowlands brilliert in der Rolle einer Theaterschauspielerin, die in eine Identitätskrise fällt, als sie erfährt, dass ein Fan auf dem Weg zu ihr bei einem Autounfall ums Leben kam. Sie fühlt sich verantwortlich und verfällt zusehends dem Alkohol, was die Vorbereitungen zur Premiere ihres neuen Stückes gehörig durcheinander bringt.
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DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kein BonusmaterialFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2003Die zwei Gesichter einer Frau
Nach fünfundzwanzig Jahren endlich im deutschen Kino: "Opening Night" von John Cassavetes
Das Publikum im Saal klatscht und pfeift bereits vor Ungeduld, als Myrtle Gordon am Broadway zur Premiere des Stücks erscheint, dessen Star sie ist. Sie schleppt sich die Hintertreppe hinauf zur Theatergarderobe, schwer betrunken, torkelnd, tastend und immer wieder zusammenbrechend auf den Stufen, im Gang, an der Zimmertür. Der Inspizient will ihr aufhelfen, aber Manny Victor, der Regisseur, hält ihn zurück: "Faß sie nicht an." So geht Myrtle ihren Weg alleine, vom Garderobenstuhl, auf dem sie hastig geschminkt wird, zum Korridor hinter der Bühne, wo sie ihr Partner in der ersten Szene des Stücks empfängt und unterhakt. Die Tür öffnet sich. Draußen ist ein Wohnzimmer im hellen Licht. Myrtles Gesicht erstarrt, das Publikum applaudiert. Es ist die Nacht der Entscheidung, die opening night. Und Myrtle wird das Spiel gewinnen, auf das sie ihr Leben und ihre Karriere gesetzt hat; sie hat es schon gewonnen, als sie die Bühne betritt.
John Cassavetes war achtundvierzig Jahre alt, als er diesen Film drehte, er hatte noch elf Jahre zu leben bis zu seinem frühen Tod im Februar 1989, und wie immer stand mit der Produktion auch sein privater Kredit, sein Selbstvertrauen, seine Zukunft als Regisseur auf dem Spiel. Die anderthalb Millionen Dollar für "Opening Night" hatte er sich zusammengeborgt, die erste Schnittfassung war fünf Stunden, die endgültige Version knapp zweieinhalb Stunden lang. Im Februar 1978 lief der Film als Eröffnungsbeitrag auf den Berliner Filmfestspielen. Gena Rowlands gewann für ihren Auftritt als Myrtle Gordon einen Silbernen Bären, "Opening Night" wurde nach Finnland und Italien verkauft, fand aber in Deutschland keinen Verleih. Auch in Amerika wurde der Film von der Branche ignoriert, so daß Cassavetes ihn im Selbstverleih herausbringen mußte, mit einer einzigen Kopie. Die Kritiken waren reserviert, die Einnahmen minimal. Es war die bitterste Niederlage, die Cassavetes im Kino einstecken mußte; sein blindes Wüten gegen das System Hollywood, sein Mißtrauen gegen Kollegen und Kritiker, seine späte Resignation begannen mit "Opening Night".
Jetzt, ein Vierteljahrhundert später, bringt ein kleiner Berliner Verleih den Film in die deutschen Kinos, mit minimaler Kopienzahl, aber doch so, daß man von einem Filmstart reden kann - auch wenn man sich bemühen muß, "Opening Night" heute in Berlin, morgen in Erlangen, Köln, Leipzig oder Karlsruhe zu erwischen. Diese Mühe aber sollte man sich machen. Denn "Opening Night" öffnet nicht nur ein Fenster in eine Epoche, die uns, allen Nostalgieshows im Fernsehen zum Trotz, unendlich ferngerückt ist, er öffnet auch eine Tür in die Welt des John Cassavetes, von der aus man mühelos sein ganzes seltsames, furioses und zauberhaftes Lebenswerk betreten und besichtigen kann. Und nebenbei ist es einer der schönsten Filme, die je gedreht worden sind, über jenes Wechselspiel zwischen Schauspiel und Leben, von dem Kino wie Theater gleichermaßen zehren.
Die Geschichte beginnt, wie sie endet, mit einer Theateraufführung. In New Haven, einer Kleinstadt in der Nähe von New York, wird ein Stück gespielt und geprobt, das später am Broadway herauskommen soll: "The Second Woman", "Die zweite Frau". Diese zweite, zum zweiten Mal verheiratete, alternde Virginia ist Myrtle Gordon alias Gena Rowlands. Auch Myrtle hat die Paßhöhe ihres Lebens schon hinter sich, aber das will sie nicht wahrhaben. Das Stück zwingt sie hinab: zu sich selbst. In die Haut einer Frau, die nicht mehr jeden Mann und jede Rolle um den Finger wickeln kann. Aber da möchte sie nicht hin. So versucht sie verzweifelt, oben zu bleiben, dort, wo sie eigentlich schon nicht mehr ist.
Am Anfang des Films nimmt sie einen Drink, dann noch einen, dann ganz viele Drinks, einen Sturzbach aus Gin und Bourbon, der zu dem weißgoldenen Wasserfall ihrer Haare paßt. Der Alkohol hält sie für kurze Zeit auf dem Grat, aber er beschleunigt auch ihren Absturz. Ein Fan, ein junges Mädchen, das vor ihren Augen überfahren wird, sucht Myrtle in Tagträumen heim, wird zum Gespenst des Teenagers, der sie selbst einmal war. Ihre Weigerung, sich als alternde Frau zu sehen, entlädt sich in einer Probenszene, in der sie sich von ihrem Partner ohrfeigen lassen muß. Sie schreit auf, läßt sich zu Boden fallen, bricht erst in Tränen, dann in Gelächter aus. "Soll ich weiterspielen?" fragt der Partner in den dunklen Zuschauerraum. Es ist Maurice Aarons, Myrtles langjähriger Geliebter. Es ist John Cassavetes, Gena Rowlands' Ehemann.
Eine der erstaunlichsten Entdeckungen seiner biographischen Recherche, schreibt Art Carney im Vorwort zu dem Interviewband "Cassavetes über Cassavetes", der gerade im Frankfurter Verlag der Autoren erschienen ist, sei das Ausmaß der Selbstentblößung gewesen, mit welcher der Autor-Regisseur sein Privatleben auf die Leinwand gebracht habe. Cassavetes sei überall in seinen Filmen, in allen Wendungen und Figuren. Das gilt auch für "Opening Night", wo sogar die Mütter des Regisseurs und seiner schauspielenden Frau in Nebenrollen hinter der Bühne aushelfen müssen - und es gilt doch auch wieder nicht. Denn hier wie in keinem anderen seiner Filme enthüllt Cassavetes, indem er das Medium mit seinen persönlichen Ansichten und Gefühlen belädt, zugleich dessen allgemeine Wahrheit, das Räderwerk, das die Emotionen antreibt, so wie es von ihnen getrieben wird. In der Geschichte einer Theateraufführung erzählt er eine Schlüsselgeschichte des Kinos, seiner Wahrheiten wie seiner Lügen. Rings um das zentrale Schauspielerpaar sind drei weitere Figuren gruppiert, die einen filmgeschichtlichen Horizont aufreißen, der weit über die Handlungszeit der Geschichte hinausweist. Sarah, die Autorin des Stücks, wird von Joan Blondell verkörpert, die in den Musicalfilmen der dreißiger Jahre groß geworden ist und noch 1957 in Frank Tashlins "Sirene in Blond" glänzte. Den Theaterproduzenten David spielt Paul Stewart, einst Mitglied in Orson Welles' Mercury Theatre, später Darsteller des Butlers in "Citizen Kane". Und Manny Victor, der Regisseur, ist Ben Gazzara, Cassavetes' Alter ego aus "Husbands" und "Tod eines chinesischen Buchmachers", dessen Schauspielerkarriere wie die von Cassavetes bis in den späten film noir der fünfziger Jahre zurückreicht.
Daß die meisten dieser Anspielungen ins Leere gehen, daß die Verweise verhallen, die in den Gesichtern bewahrten Erinnerungen ausbleichen, gehört zur Existenzbedingung des Kinos, dessen ewige Verlaufsform das Vergessen ist, das Ausgelöschtwerden der Bilder durch neue Bilder. Aber in Filmen wie "Opening Night" - oder in Godards "Verachtung", Vincente Minnellis "Stadt der Illusionen", Kazans "Letztem Tycoon" - ist dennoch etwas von der Geschichtlichkeit des Geschichtslosen bewahrt. Cassavetes gibt seiner Version der Geschichte einen besonderen Akzent, indem er den Umweg über das Theater nimmt. So kann er auch das Publikum, das in den klassischen Kinoreflexionen unsichtbar bleibt, in sein Spiel einbeziehen. Er habe zweitausend Leute zu den Theaterproben des Films eingeladen, erzählt Cassavetes über "Opening Night", und sie aufgefordert zu tun, wozu sie Lust hätten, lachen, buhen, klatschen. Wenn man die Szenen auf der Leinwand sieht, möchte man glauben, daß Cassavetes' Kino immer so funktioniert hat, als freie Improvisation vor Publikum, als Zauberspiel unter Könnern.
Die Königin unter den Könnern ist Gena Rowlands. Seit Cassavetes' Tod hat sie bei keinem Regisseur mehr eine Rolle gefunden, in der sie ihr Potential nur annähernd hätte zeigen können, und wenn man "Opening Night" sieht, versteht man, warum. Diese Schauspielerin ist für die konventionelle Bildsprache des Kinos verloren, sie braucht Räume, Einstellungsfolgen, in denen sie sich frei bewegen, die sie mit ihrer ungeheuren Präsenz ausfüllen kann. Nur Cassavetes hat ihr diesen Raum gegeben. Was sie ihm dafür zurückgab, zeigt "Opening Night". Einmal sieht man, wie Myrtle zu dem Theaterplakat aufblickt, das ihren Auftritt in "The Second Woman" ankündigt, als wollte sie ihrem Ebenbild da oben den Krieg erklären. Die Göttinnen des Kinos haben den Kampf gegen ihr Image immer verloren. Gena Rowlands aber gewinnt ihn in "Opening Night", und der Film mit ihr. Das war der Triumph des Regisseurs Cassavetes: In seiner Kunst besiegt das Leben die Kunst.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nach fünfundzwanzig Jahren endlich im deutschen Kino: "Opening Night" von John Cassavetes
Das Publikum im Saal klatscht und pfeift bereits vor Ungeduld, als Myrtle Gordon am Broadway zur Premiere des Stücks erscheint, dessen Star sie ist. Sie schleppt sich die Hintertreppe hinauf zur Theatergarderobe, schwer betrunken, torkelnd, tastend und immer wieder zusammenbrechend auf den Stufen, im Gang, an der Zimmertür. Der Inspizient will ihr aufhelfen, aber Manny Victor, der Regisseur, hält ihn zurück: "Faß sie nicht an." So geht Myrtle ihren Weg alleine, vom Garderobenstuhl, auf dem sie hastig geschminkt wird, zum Korridor hinter der Bühne, wo sie ihr Partner in der ersten Szene des Stücks empfängt und unterhakt. Die Tür öffnet sich. Draußen ist ein Wohnzimmer im hellen Licht. Myrtles Gesicht erstarrt, das Publikum applaudiert. Es ist die Nacht der Entscheidung, die opening night. Und Myrtle wird das Spiel gewinnen, auf das sie ihr Leben und ihre Karriere gesetzt hat; sie hat es schon gewonnen, als sie die Bühne betritt.
John Cassavetes war achtundvierzig Jahre alt, als er diesen Film drehte, er hatte noch elf Jahre zu leben bis zu seinem frühen Tod im Februar 1989, und wie immer stand mit der Produktion auch sein privater Kredit, sein Selbstvertrauen, seine Zukunft als Regisseur auf dem Spiel. Die anderthalb Millionen Dollar für "Opening Night" hatte er sich zusammengeborgt, die erste Schnittfassung war fünf Stunden, die endgültige Version knapp zweieinhalb Stunden lang. Im Februar 1978 lief der Film als Eröffnungsbeitrag auf den Berliner Filmfestspielen. Gena Rowlands gewann für ihren Auftritt als Myrtle Gordon einen Silbernen Bären, "Opening Night" wurde nach Finnland und Italien verkauft, fand aber in Deutschland keinen Verleih. Auch in Amerika wurde der Film von der Branche ignoriert, so daß Cassavetes ihn im Selbstverleih herausbringen mußte, mit einer einzigen Kopie. Die Kritiken waren reserviert, die Einnahmen minimal. Es war die bitterste Niederlage, die Cassavetes im Kino einstecken mußte; sein blindes Wüten gegen das System Hollywood, sein Mißtrauen gegen Kollegen und Kritiker, seine späte Resignation begannen mit "Opening Night".
Jetzt, ein Vierteljahrhundert später, bringt ein kleiner Berliner Verleih den Film in die deutschen Kinos, mit minimaler Kopienzahl, aber doch so, daß man von einem Filmstart reden kann - auch wenn man sich bemühen muß, "Opening Night" heute in Berlin, morgen in Erlangen, Köln, Leipzig oder Karlsruhe zu erwischen. Diese Mühe aber sollte man sich machen. Denn "Opening Night" öffnet nicht nur ein Fenster in eine Epoche, die uns, allen Nostalgieshows im Fernsehen zum Trotz, unendlich ferngerückt ist, er öffnet auch eine Tür in die Welt des John Cassavetes, von der aus man mühelos sein ganzes seltsames, furioses und zauberhaftes Lebenswerk betreten und besichtigen kann. Und nebenbei ist es einer der schönsten Filme, die je gedreht worden sind, über jenes Wechselspiel zwischen Schauspiel und Leben, von dem Kino wie Theater gleichermaßen zehren.
Die Geschichte beginnt, wie sie endet, mit einer Theateraufführung. In New Haven, einer Kleinstadt in der Nähe von New York, wird ein Stück gespielt und geprobt, das später am Broadway herauskommen soll: "The Second Woman", "Die zweite Frau". Diese zweite, zum zweiten Mal verheiratete, alternde Virginia ist Myrtle Gordon alias Gena Rowlands. Auch Myrtle hat die Paßhöhe ihres Lebens schon hinter sich, aber das will sie nicht wahrhaben. Das Stück zwingt sie hinab: zu sich selbst. In die Haut einer Frau, die nicht mehr jeden Mann und jede Rolle um den Finger wickeln kann. Aber da möchte sie nicht hin. So versucht sie verzweifelt, oben zu bleiben, dort, wo sie eigentlich schon nicht mehr ist.
Am Anfang des Films nimmt sie einen Drink, dann noch einen, dann ganz viele Drinks, einen Sturzbach aus Gin und Bourbon, der zu dem weißgoldenen Wasserfall ihrer Haare paßt. Der Alkohol hält sie für kurze Zeit auf dem Grat, aber er beschleunigt auch ihren Absturz. Ein Fan, ein junges Mädchen, das vor ihren Augen überfahren wird, sucht Myrtle in Tagträumen heim, wird zum Gespenst des Teenagers, der sie selbst einmal war. Ihre Weigerung, sich als alternde Frau zu sehen, entlädt sich in einer Probenszene, in der sie sich von ihrem Partner ohrfeigen lassen muß. Sie schreit auf, läßt sich zu Boden fallen, bricht erst in Tränen, dann in Gelächter aus. "Soll ich weiterspielen?" fragt der Partner in den dunklen Zuschauerraum. Es ist Maurice Aarons, Myrtles langjähriger Geliebter. Es ist John Cassavetes, Gena Rowlands' Ehemann.
Eine der erstaunlichsten Entdeckungen seiner biographischen Recherche, schreibt Art Carney im Vorwort zu dem Interviewband "Cassavetes über Cassavetes", der gerade im Frankfurter Verlag der Autoren erschienen ist, sei das Ausmaß der Selbstentblößung gewesen, mit welcher der Autor-Regisseur sein Privatleben auf die Leinwand gebracht habe. Cassavetes sei überall in seinen Filmen, in allen Wendungen und Figuren. Das gilt auch für "Opening Night", wo sogar die Mütter des Regisseurs und seiner schauspielenden Frau in Nebenrollen hinter der Bühne aushelfen müssen - und es gilt doch auch wieder nicht. Denn hier wie in keinem anderen seiner Filme enthüllt Cassavetes, indem er das Medium mit seinen persönlichen Ansichten und Gefühlen belädt, zugleich dessen allgemeine Wahrheit, das Räderwerk, das die Emotionen antreibt, so wie es von ihnen getrieben wird. In der Geschichte einer Theateraufführung erzählt er eine Schlüsselgeschichte des Kinos, seiner Wahrheiten wie seiner Lügen. Rings um das zentrale Schauspielerpaar sind drei weitere Figuren gruppiert, die einen filmgeschichtlichen Horizont aufreißen, der weit über die Handlungszeit der Geschichte hinausweist. Sarah, die Autorin des Stücks, wird von Joan Blondell verkörpert, die in den Musicalfilmen der dreißiger Jahre groß geworden ist und noch 1957 in Frank Tashlins "Sirene in Blond" glänzte. Den Theaterproduzenten David spielt Paul Stewart, einst Mitglied in Orson Welles' Mercury Theatre, später Darsteller des Butlers in "Citizen Kane". Und Manny Victor, der Regisseur, ist Ben Gazzara, Cassavetes' Alter ego aus "Husbands" und "Tod eines chinesischen Buchmachers", dessen Schauspielerkarriere wie die von Cassavetes bis in den späten film noir der fünfziger Jahre zurückreicht.
Daß die meisten dieser Anspielungen ins Leere gehen, daß die Verweise verhallen, die in den Gesichtern bewahrten Erinnerungen ausbleichen, gehört zur Existenzbedingung des Kinos, dessen ewige Verlaufsform das Vergessen ist, das Ausgelöschtwerden der Bilder durch neue Bilder. Aber in Filmen wie "Opening Night" - oder in Godards "Verachtung", Vincente Minnellis "Stadt der Illusionen", Kazans "Letztem Tycoon" - ist dennoch etwas von der Geschichtlichkeit des Geschichtslosen bewahrt. Cassavetes gibt seiner Version der Geschichte einen besonderen Akzent, indem er den Umweg über das Theater nimmt. So kann er auch das Publikum, das in den klassischen Kinoreflexionen unsichtbar bleibt, in sein Spiel einbeziehen. Er habe zweitausend Leute zu den Theaterproben des Films eingeladen, erzählt Cassavetes über "Opening Night", und sie aufgefordert zu tun, wozu sie Lust hätten, lachen, buhen, klatschen. Wenn man die Szenen auf der Leinwand sieht, möchte man glauben, daß Cassavetes' Kino immer so funktioniert hat, als freie Improvisation vor Publikum, als Zauberspiel unter Könnern.
Die Königin unter den Könnern ist Gena Rowlands. Seit Cassavetes' Tod hat sie bei keinem Regisseur mehr eine Rolle gefunden, in der sie ihr Potential nur annähernd hätte zeigen können, und wenn man "Opening Night" sieht, versteht man, warum. Diese Schauspielerin ist für die konventionelle Bildsprache des Kinos verloren, sie braucht Räume, Einstellungsfolgen, in denen sie sich frei bewegen, die sie mit ihrer ungeheuren Präsenz ausfüllen kann. Nur Cassavetes hat ihr diesen Raum gegeben. Was sie ihm dafür zurückgab, zeigt "Opening Night". Einmal sieht man, wie Myrtle zu dem Theaterplakat aufblickt, das ihren Auftritt in "The Second Woman" ankündigt, als wollte sie ihrem Ebenbild da oben den Krieg erklären. Die Göttinnen des Kinos haben den Kampf gegen ihr Image immer verloren. Gena Rowlands aber gewinnt ihn in "Opening Night", und der Film mit ihr. Das war der Triumph des Regisseurs Cassavetes: In seiner Kunst besiegt das Leben die Kunst.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main