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Produktdetails
  • Hersteller: Rodrigo Garcia
  • FSK: ohne Alterseinschränkung gemäß §14 JuSchG
  • EAN: 4013575544295
  • Artikelnr.: 34544609
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2017

Von fern grüßt ein Stern, den hat sie gern
Jennifer Lawrence öffnet die Leinwand im Film "Passengers" fürs Unendliche

Mit der Erfindung des Infinity Pools hat sich auch der Begriff von Unendlichkeit verändert. Sie ist zu einer optischen Täuschung geworden, ein offener Horizont für Wassertreter. Die Unendlichkeit konnte das natürlich nicht auf sich sitzen lassen, und so darf man den neuen Science-Fiction-Film "Passengers" getrost auch als Rache des Erhabenen an der Ästhetik der Hotelportale nehmen. Hier gibt es auch einen Infinity Pool, allerdings einen, bei dem alles darauf ausgelegt ist, dem Begriff auch wirklich gerecht zu werden. Wer hier seine Längen zieht, tut dies im Angesicht des Kosmos selbst. Am einen Ende springt man ins Wasser, am anderen Ende schlägt man an, dahinter ist dann nur noch Nebel. Sternennebel und Finsternis. Der Weltraum. Unendliche Weiten. Fast sehnt man sich nach einem Logbucheintrag von Captain Kirk, um wieder einen festen Grund zu finden.

Die eigentliche Pointe mit diesem Pool ist aber die: Es gibt für ihn eigentlich keine Verwendung. Denn in dem Raumschiff "Avalon", in dem er Teil der Wellnessanlage ist, befinden sich alle Passagiere und auch die Besatzung in einem künstlichen Tiefschlaf. Sie überbrücken auf diese Weise die beträchtliche Reisedauer von gut hundert Jahren. Bei Ankunft sollen sie so frisch sein wie heutzutage Südfrüchte, die ihre lange Reise in die Regale unter ähnlichen Bedingungen absolvieren. Fünftausend Menschen haben diesen Trip gebucht, eine Rückkehr ist nicht vorgesehen, sie wollen eine neue Welt schaffen. "Homestead" (Heimstätte) heißt die Firma, die diese Reise organisiert. Bisher hat immer alles prima geklappt, mit den Kojen, in denen die Passagiere ruhen, gab es noch nie Schwierigkeiten.

Das ändert sich zu Beginn von "Passengers". Der Schutzschirm, der an der Spitze der Avalon die kosmischen Partikel (nicht selten haben sie die Größe des berühmten Titanic-Eisbergs) in der Regel souverän absorbiert, kommt einmal ein bisschen ins Wanken. Durch das Schiff geht ein Ruck, es rumpelt ganz leicht im Gebälk, keine große Sache, aber es öffnet sich halt ein Fenster. Der Mechaniker Jim Preston wird aufgeweckt. Es ist ein bisschen zu früh. Achtundachtzig Jahre vor der Zeit.

An Wiedereinschlafen ist nicht zu denken, er ist nun wieder im normalen Biorhythmus. Nacht, Tag, Essen, Ruhen, alles ganz normal, nur eben mit einer verdammt langen Perspektive. Das Schiff bietet diesem hypermodernen Robinson alles, was er zum Leben braucht, und sogar die eine oder andere Aufgabe, denn nicht alles scheint mit den Auto-Repair-Programmen wieder ins Lot zu kommen. Wenn er abends Gesellschaft sucht, geht Jim in die Bar. Dort wird er von einem Roboter bedient, was man an dem Detail erkennt, dass dieser Arthur zwar Jacke, aber keine Hose trägt (die Technik verbirgt immer nur das, was für die Illusion unabdingbar ist, ganz ähnlich wie beim Infinity Pool). Arthur wird von einem Menschen gespielt, der so tut, als wäre er eine Maschine. Jim wird von einem Mensch gespielt, der so tut, als wäre er kein Superheld. Das klappt aber nicht so richtig, denn Chris Pratt ist nun einmal als Star-Lord (Peter Quill) aus den Marvel-Filmen bekannt, ein "Guardian of the Galaxy", der hier zum Schiffsmechaniker degradiert wurde.

Seine eigentliche Aufgabe schläft noch. Der Plural im Titel von "Passengers" und die postlapsarische Bestimmung des Menschen, dass er nicht allein bleibe, wird eingelöst in dem Moment, in dem Jim Preston mit einem weiblichen Wesen zu Arthur an die Bar tritt - der in bester Manier seines Metiers gerade so viel Überraschung erkennen lässt, als wären neue Gäste ganz normal, und nur diese Dame dann doch etwas ganz Besonderes. Ist sie ja auch. Die Journalistin Aurora Lane wird von Jennifer Lawrence gespielt, im Moment vielleicht der größte weibliche Star in Hollywood, und auf jeden Fall eine Frau, auf die der etwas verwitterte Begriff Sexsymbol perfekt zutrifft. Auf der nie offiziell erstellten Liste von Wesen, mit denen der Rest der Menschheit eine hundertjährige Reise zu zweit antreten würde, ist Jennifer Lawrence ganz weit oben. "Passengers" ist die Einlösung dieser kollektiven Phantasie, mit der Einschränkung, dass man sich durch Chris Pratt vertreten lassen muss und dass Aurora Lane die meiste Zeit im Infinity Pool verbringt. Dort ist sie mit sich und dem Universum allein, und man hat irgendwie stark den Eindruck, dass das ihre eigentliche Bestimmung ist.

Die Umstände ihres Aufwachens setzen die traute Zweisamkeit von Chris und Aurora unter einen Vorbehalt, den nur wahre Liebe überwinden kann. Darum geht es dann auch im Wesentlichen, neben einigen Ausflügen in den schiffsnahen Weltraum und einigen für das Genre obligaten Actionszenen, in denen die Avalon beinahe das Zeitliche segnet, während Jim Preston gerade das eben rettet - das Zeitliche. Davon abgesehen aber ist "Passengers" (Regie: der Norweger Morten Tyldum, Drehbuch: Jon Spaihts) eine melodramatisch imprägnierte romantische Komödie mit kleinem Ensemble und dem ganz großen Pathos, das nur die Ewigkeit in Beziehungen bringen kann. Wobei Ewigkeit hier aber eben als ein extrem verlängertes Zeitliches gedacht wird. Evolutionäre Ewigkeit, sozusagen. Adam und Eva ohne Baum, aber mit Infosäule. Das Design ist der dritte (oder, für Fans von Arthur, der vierte) Star des Films. Die Welt der "Passengers" sieht stark nach einem Animationsfilm aus, in den sich zwei richtige Menschen verirrt haben. Dass dann doch nirgendwo ein "Wall-e" auftaucht, hat eben damit zu tun, dass die Reise der Avalon dann doch deutlich von einer romantischen Imagination bestimmt ist. Die Funktionsoberflächen und die virtuellen Interaktionen sind nur Platzhalter für einen Paradiesesmythos, der hier gleichsam in einer doppelten Entfremdung seine wahren Bestimmung findet: Für einen Garten ist alles viel zu steril, und das Gelobte Land liegt drei Generationen in der Zukunft. Was tut ein Galaxienwächter in so einer Situation? Er pflanzt einen Baum, der mit seinen Wurzeln irgendwann die Unendlichkeit berühren wird. Oder jedenfalls den entsprechenden Pool.

BERT REBHANDL

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