Die achtjährige Nelly fährt mit ihren Eltern in das Haus der geliebten, gerade verstorbenen Großmutter, um es auszuräumen. Sie stöbert in den alten Spielsachen und Büchern ihrer Mutter Marion, neugierig auf deren Kindheit. Doch Marion will sich der Vergangenheit nicht stellen, sie reist ab und lässt Mann und Tochter allein zurück.
Während ihr Vater am Haus arbeitet, streift Nelly durch die Wälder. Dort trifft sie auf ein Mädchen, das ihr wie ein Ei dem anderen gleicht. Sie heißt Marion. Schnell entwickeln die beiden eine innige Freundschaft und teilen bald ein mystisches Geheimnis, das sie auf wunderbare Weise verbindet.
Während ihr Vater am Haus arbeitet, streift Nelly durch die Wälder. Dort trifft sie auf ein Mädchen, das ihr wie ein Ei dem anderen gleicht. Sie heißt Marion. Schnell entwickeln die beiden eine innige Freundschaft und teilen bald ein mystisches Geheimnis, das sie auf wunderbare Weise verbindet.
Bonusmaterial
Interview mit Regisseurin Céline Sciamma Trailer WendecoverFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2023Wälder der Kindheit
Celine Sciamma erzählt ein Märchen vom Abschiednehmen und dem Zauber der Kindheit.
Zwei Mädchen bauen im Wald eine Hütte. Sie schleppen Stöcke und Äste heran, zurren sie mit Fäden fest, hängen ein rotes Tuch vor den Eingang und dekorieren die igluförmige Astkonstruktion von außen mit Herbstlaub, das in Rot- und Orangetönen leuchtet, wie man sie so strahlend nur in der Erinnerung an glückliche Kindheitstage findet - oder wie sie eben nur unter den Händen und vor den Filtern einer sehr geschickten Kamerafrau entstehen können. Genau solch eine, die Französin Claire Mathon nämlich, hat diese Bilder für den Film "Petite Maman" von Céline Sciamma festgehalten.
Die Regisseurin Sciamma hat mit Mathon bereits 2019 für "Bildnis einer jungen Frau in Flammen" zusammengearbeitet, für den die Kamerafrau die Malerei des achtzehnten Jahrhunderts und die Filme von Ingmar Bergman studierte. Aus Ersterem zog sie Inspiration für den Bildaufbau, bei Letzterem fand sie eine intime Bildsprache, die durch Blicke von Begehren sprachen. Beides nutzte Mathon geschickt, um in sehr eigenen zarten Bildern die Geschichte zweier junger Frauen auf einer Insel zu erzählen: die eine Porträtmalerin, die andere auf dem Weg in eine arrangierte Ehe. Für einen kurzen Moment finden beide zueinander, bevor die Realität ihrer Zeit sie wieder voneinander trennt. Sciamma interessiert sich für ungewöhnliche Frauenschicksale, ihr Fokus liegt auf den Momenten des Erwachsenwerdens, wenn Möglichkeiten noch offen sind und Weggabelungen verlockend auf andere Fährten des Schicksals führen könnten.
"Petite Maman" erzählt Ähnliches, aber weniger formal als der Vorgängerfilm, er ist leichter und so noch intimer. Dieser Film ist diesmal nicht historisch, er spielt in der Gegenwart. Hier geht es um die achtjährige Nelly, die gerade ihre Großmutter verloren hat. Sie hatte keine Zeit, richtig Abschied zu nehmen. Nun findet sie sich im Häuschen im Wald wieder, das die alte Frau früher bewohnte und das nun ausgeräumt werden soll. Die Mutter, die hier aufgewachsen ist, muss abrupt abreisen. Nelly bleibt mit ihrem Vater in dem leeren Haus zurück. Während er Kisten packt, wandert sie durch den Wald, sucht den Ort, an dem ihre Mutter früher, als Kind, Hütten aus Holz baute, und begegnet einem Mädchen, das Jacke und Hose im Stil der Achtzigerjahre trägt und ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Beide freunden sich an, und Nelly stellt schon bald fest, dass die neue Freundin tatsächlich aus der Vergangenheit kommt.
Sciamma siedelt "Petite Maman" irgendwo zwischen Märchen und "Twilight Zone"-Folge an. Ein wenig gruselig wirkt das alte Haus im Wald zwar, doch von solchen Gothic-Nuancen abgesehen, schlägt der Film hellere Töne an, auch wenn die Themen, die er verhandelt, durchaus ernst sind. In gerade einmal 72 Minuten erzählt Sciamma, die das Drehbuch in kurzer Zeit im Pandemiesommer 2020 schrieb, vom Abschiednehmen, vom Verlust und den mitunter schwierigen Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern, aber auch vom Entdecken der Welt, dem Erwachsenwerden und der Tiefe von Freundschaften, wie nur Kinder sie finden können. Durch die strikte Begrenzung der Schauplätze auf Szenen im Wald und im alten Haus mutet "Petite Maman" fast schon kammerspielartig an. Außer den beiden Zwillingsschwestern Joséphine und Gabrielle Sanz, die die beiden Mädchen spielen, sieht man fast keine anderen Personen, was dem Film große Intimität verschafft. Wenn die Kinder durch den Wald jagen, im Regen laufen und ein Paddelboot zu einer Pyramide in einem See steuern, dann entwickeln diese Szenen eine fast schon berauschende Atmosphäre, haben selbst eine kindliche Leichtigkeit, aber ohne in Nostalgie zu verfallen.
All das ist nicht nur auf das Können der Beteiligten, also die exzellente Kameraarbeit Mathons und die Schauspielkünste der beiden Zwillingsschwestern Sanz, zurückzuführen, dazu trägt wohl auch die Entstehungsgeschichte des Films ihren Teil bei. Während des Lockdowns im Herbst des Jahres 2020 gedreht, musste sich Sciammas Arbeit den Pandemiebedingungen anpassen. Unter strikten Gesundheitsauflagen und mit kleinem Team verlegte sie den Dreh zu großen Teilen ins Freie, in den Wald außerhalb von Paris. Diese Begrenzungen taten dem Film gut, man sieht ihm die Konzentration und auch die Hingabe an, mit der unter solchen Auflagen Kunst erschaffen wurde. Doch dann ereilte "Petite Maman" das Schicksal, das so manche Produktion in jener Zeit traf: Die Kinos waren geschlossen, Filmfestivals fanden, wenn überhaupt, nur ohne Saalpublikum statt. Und so gehörte "Petite Maman" zwar zum offiziellen Wettbewerb der Berlinale 2021, doch fand diese virtuell statt, der Film bekam also kaum die Zuschauer, die er verdiente. Umso hübscher ist es deshalb, dass der Arthouse-Streamingdienst Mubi als Partner der diesjährigen Berlinale den Film in sein Programm aufgenommen hat und so noch einmal für dreißig Tage einem größeren Publikum zur Verfügung stellt. MARIA WIESNER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Celine Sciamma erzählt ein Märchen vom Abschiednehmen und dem Zauber der Kindheit.
Zwei Mädchen bauen im Wald eine Hütte. Sie schleppen Stöcke und Äste heran, zurren sie mit Fäden fest, hängen ein rotes Tuch vor den Eingang und dekorieren die igluförmige Astkonstruktion von außen mit Herbstlaub, das in Rot- und Orangetönen leuchtet, wie man sie so strahlend nur in der Erinnerung an glückliche Kindheitstage findet - oder wie sie eben nur unter den Händen und vor den Filtern einer sehr geschickten Kamerafrau entstehen können. Genau solch eine, die Französin Claire Mathon nämlich, hat diese Bilder für den Film "Petite Maman" von Céline Sciamma festgehalten.
Die Regisseurin Sciamma hat mit Mathon bereits 2019 für "Bildnis einer jungen Frau in Flammen" zusammengearbeitet, für den die Kamerafrau die Malerei des achtzehnten Jahrhunderts und die Filme von Ingmar Bergman studierte. Aus Ersterem zog sie Inspiration für den Bildaufbau, bei Letzterem fand sie eine intime Bildsprache, die durch Blicke von Begehren sprachen. Beides nutzte Mathon geschickt, um in sehr eigenen zarten Bildern die Geschichte zweier junger Frauen auf einer Insel zu erzählen: die eine Porträtmalerin, die andere auf dem Weg in eine arrangierte Ehe. Für einen kurzen Moment finden beide zueinander, bevor die Realität ihrer Zeit sie wieder voneinander trennt. Sciamma interessiert sich für ungewöhnliche Frauenschicksale, ihr Fokus liegt auf den Momenten des Erwachsenwerdens, wenn Möglichkeiten noch offen sind und Weggabelungen verlockend auf andere Fährten des Schicksals führen könnten.
"Petite Maman" erzählt Ähnliches, aber weniger formal als der Vorgängerfilm, er ist leichter und so noch intimer. Dieser Film ist diesmal nicht historisch, er spielt in der Gegenwart. Hier geht es um die achtjährige Nelly, die gerade ihre Großmutter verloren hat. Sie hatte keine Zeit, richtig Abschied zu nehmen. Nun findet sie sich im Häuschen im Wald wieder, das die alte Frau früher bewohnte und das nun ausgeräumt werden soll. Die Mutter, die hier aufgewachsen ist, muss abrupt abreisen. Nelly bleibt mit ihrem Vater in dem leeren Haus zurück. Während er Kisten packt, wandert sie durch den Wald, sucht den Ort, an dem ihre Mutter früher, als Kind, Hütten aus Holz baute, und begegnet einem Mädchen, das Jacke und Hose im Stil der Achtzigerjahre trägt und ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Beide freunden sich an, und Nelly stellt schon bald fest, dass die neue Freundin tatsächlich aus der Vergangenheit kommt.
Sciamma siedelt "Petite Maman" irgendwo zwischen Märchen und "Twilight Zone"-Folge an. Ein wenig gruselig wirkt das alte Haus im Wald zwar, doch von solchen Gothic-Nuancen abgesehen, schlägt der Film hellere Töne an, auch wenn die Themen, die er verhandelt, durchaus ernst sind. In gerade einmal 72 Minuten erzählt Sciamma, die das Drehbuch in kurzer Zeit im Pandemiesommer 2020 schrieb, vom Abschiednehmen, vom Verlust und den mitunter schwierigen Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern, aber auch vom Entdecken der Welt, dem Erwachsenwerden und der Tiefe von Freundschaften, wie nur Kinder sie finden können. Durch die strikte Begrenzung der Schauplätze auf Szenen im Wald und im alten Haus mutet "Petite Maman" fast schon kammerspielartig an. Außer den beiden Zwillingsschwestern Joséphine und Gabrielle Sanz, die die beiden Mädchen spielen, sieht man fast keine anderen Personen, was dem Film große Intimität verschafft. Wenn die Kinder durch den Wald jagen, im Regen laufen und ein Paddelboot zu einer Pyramide in einem See steuern, dann entwickeln diese Szenen eine fast schon berauschende Atmosphäre, haben selbst eine kindliche Leichtigkeit, aber ohne in Nostalgie zu verfallen.
All das ist nicht nur auf das Können der Beteiligten, also die exzellente Kameraarbeit Mathons und die Schauspielkünste der beiden Zwillingsschwestern Sanz, zurückzuführen, dazu trägt wohl auch die Entstehungsgeschichte des Films ihren Teil bei. Während des Lockdowns im Herbst des Jahres 2020 gedreht, musste sich Sciammas Arbeit den Pandemiebedingungen anpassen. Unter strikten Gesundheitsauflagen und mit kleinem Team verlegte sie den Dreh zu großen Teilen ins Freie, in den Wald außerhalb von Paris. Diese Begrenzungen taten dem Film gut, man sieht ihm die Konzentration und auch die Hingabe an, mit der unter solchen Auflagen Kunst erschaffen wurde. Doch dann ereilte "Petite Maman" das Schicksal, das so manche Produktion in jener Zeit traf: Die Kinos waren geschlossen, Filmfestivals fanden, wenn überhaupt, nur ohne Saalpublikum statt. Und so gehörte "Petite Maman" zwar zum offiziellen Wettbewerb der Berlinale 2021, doch fand diese virtuell statt, der Film bekam also kaum die Zuschauer, die er verdiente. Umso hübscher ist es deshalb, dass der Arthouse-Streamingdienst Mubi als Partner der diesjährigen Berlinale den Film in sein Programm aufgenommen hat und so noch einmal für dreißig Tage einem größeren Publikum zur Verfügung stellt. MARIA WIESNER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main