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Michel schlägt sich in Paris mit Taschendiebstählen durch. Er glaubt, er könne sich über die geltenden Gesetze hinwegsetzen und lässt sich weder von seiner Freundin Jeanne noch von einem ihn verdächtigenden Kommissar davon abbringen. Nach und nach verfeinert er seine Technik und wird vom Amateurdieb zum Profi. Doch auch die größte Meisterschaft kann ihn nicht vom unvermeidlichen Ende seiner kriminellen Karriere abhalten. Erst ganz am Ende realisiert er, dass die Liebe einer Frau ihn läutern und sein ganzes Leben ändern kann.
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Produktbeschreibung
Michel schlägt sich in Paris mit Taschendiebstählen durch. Er glaubt, er könne sich über die geltenden Gesetze hinwegsetzen und lässt sich weder von seiner Freundin Jeanne noch von einem ihn verdächtigenden Kommissar davon abbringen. Nach und nach verfeinert er seine Technik und wird vom Amateurdieb zum Profi. Doch auch die größte Meisterschaft kann ihn nicht vom unvermeidlichen Ende seiner kriminellen Karriere abhalten. Erst ganz am Ende realisiert er, dass die Liebe einer Frau ihn läutern und sein ganzes Leben ändern kann.

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.07.2024

Er will Dieb sein

Taschendiebe sind Leute, die in der Öffentlichkeit etwas Geheimes ausführen. Als Ambition von Bankräubern, Einbrechern oder Mördern wäre das absurd. Schon deshalb ist "Pickpocket", der 1959 herauskam, kein gewöhnlicher Kriminalfilm. Es ist ein Film über Hände, über die Versuchung und über Einsamkeit. Robert Bresson entwickelt den Hauptcharakter, Michel, ganz aus der Art seiner Delinquenz. Erzählt wird in lakonischen Szenen die Geschichte eines jungen Mannes in Paris, der beschließt, das Stehlen zu seiner Leidenschaft zu machen. Wir erfahren nicht, wie er darauf gekommen ist, wir sehen nur seine trotzige Entschlossenheit dazu. Er übt sich in diesen Diebstählen. Mal hat er Erfolg, mal wird er erwischt. Also versucht er, besser zu werden. Er geht ins Ausland, ist dort erfolgreich, bringt das Geld durch. Er kommt zurück und wird gefasst.

Der Film, der mit Musik Jean-Baptiste Lullys unterlegt ist, vermittelt nicht den Eindruck, der Taschendieb strebe vor allem nach einem Einkommen. Martin LaSalle, ein von Robert Bresson herangezogener Schauspiellaie, der den Helden gibt, hat nichts Verbrecherisches. Er spielt geradezu unmuskulös. Seine Entscheidung dafür, ein Dieb zu sein, ist eine existenzielle, sein Egoismus ist anderer Art, er kämpft um sein Ich. Der Diebstahl erfüllt ihn zuweilen rauschhaft mit dem Gefühl der Handlungsmacht, in dem sich das Bewusstsein konzentriert, jemand anderes als alle anderen inmitten aller anderen zu sein. Gegenüber dem Polizeiinspektor trägt der Taschendieb die angelesene Begründung vor, die Gesellschaft lasse junge begabte, vielleicht sogar geniale Menschen nicht zum Zuge kommen, weswegen diese im Rechtsbruch zu eigenem Ausdruck fänden. Das ist eine fast erotische Rechtfertigung des Verbrechens, die sich philosophisch tarnt. Der Inspektor lässt die pathetische Rechtfertigung nicht gelten. Wer halte sich denn nicht für besonders begabt? Das Genie ist, mit anderen Worten, eine Durchschnittsidee. Abgezweigt aus Dostojewskijs "Schuld und Sühne", ist die Legitimität des Normbruchs aus dem Geist der Rebellion auch nicht geeignet, die Entwendung von Armbanduhren zu rechtfertigen. Taschendiebstahl ist kein revolutionärer Akt. Es sei denn für ein Individuum. Das ist Bressons Pointe. Der junge Mann, der in einer Dachmansarde lebt, deren Tür er nie hinter sich schließt, und der, sozial verarmt, nur eine todkranke Mutter, einen Freund und eine junge Nachbarin hat, hebt sich aus der Menge heraus, indem er stiehlt. Er will sich beweisen, jemand zu sein, der zu einer Passion fähig ist. Deshalb lässt er sich auf etwas ein, wofür er, der Vorrede des Films zufolge, gar nicht gemacht ist. Er will für sich selbst ein Held sein, aber erstens ist die Zeit der Helden vorbei, und zweitens kann man nicht für sich selbst, sondern nur für andere ein Held sein. Selbstbewunderung ist eine Sackgasse, allerdings eine, in der durchaus Gedrängel herrscht.

An einer Stelle des Films sagt der Taschendieb: "Es graute mich davor, in mein Zimmer zurückzukehren." Das erinnert an ein Diktum des Philosophen Blaise Pascal, das ganze Unglück der Menschen rühre daher, dass sie nicht ruhig in ihren Zimmern bleiben können. Darin lag der Vorwurf, das gottferne Individuum bedürfe ständiger Anreize von außen, sei unterhaltungsbedürftig, wolle von seiner Nichtigkeit abgelenkt werden. Der Taschendieb gibt auf die Frage, ob er an Gott glaube, zur Antwort: "Ich habe an ihn geglaubt. Drei Minuten lang."

Bresson deutet an, dass ein paar Minuten länger nicht falsch gewesen wären. Die Nachbarin Jeanne, die ihn fragt, ob er denn an irgendetwas glaube, trifft der Taschendieb nach seinem Aufenthalt im Ausland mit einem außerehelichen Kind an. Den Vater habe sie "nicht genug" geliebt, um ihn zu heiraten. Michel will sich um Mutter und Kind kümmern, auf der Rennbahn von Longchamps aber wird er gefasst. Im Gefängnis erst versteht er, dass er auch schon zuvor in einem saß. Die aufscheinende Liebe Jeannes betrifft sein Ich-Ideal. Denn es liegt kein Segen auf den Verführungen der Einsamkeit. Wer ein Ich zu werden begehrt, kann es nicht ohne die Hingabe an ein Gegenüber erlangen.

Robert Bressons Kunst ist es, das alles nicht zu erzählen. Bei ihm tötet der Film das Theater. Er filmt keine Aktionen ab. Er zeigt vielmehr eine Collage existenzieller Miniszenen. Jede ist rätselhaft, in kaum einer erfahren wir, was im Inneren der Figuren vorgeht. Sie tauschen stets nur wenige Sätze aus und wenden sich dann ab, als ob alles gesagt sei. So entsteht der Eindruck einer gewaltigen Bewegung im Herzen von Personen, die zuvor teils gefühllos, teils beschämt und teils ohnmächtig wirkten. Der Film endet im Gefängnis, aber kein Betrachter wird sich Sorgen um das Paar machen, das sich durch die Gitterstäbe hindurch küsst. JÜRGEN KAUBE

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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