Die Klage der Kaiserin - ein Film von Pina Bausch, gedreht zwischen Oktober 1987 und April 1988. Auch ein Film über die Jahreszeiten. Ein Film mit dem Ensemble des Tanztheaters Wuppertal und Gästen. Ein Film über Lieder der Völker und Menschen in einer Stadt im Bergischen Land. Ein Film über Menschen, die etwas vergraben, und Menschen, die mit ihren Händen in der Erde graben, als sei dort zu finden, was sie suchen, was fehlt. Ein Film über Spuren eigener und fremder Geschichte. Über die Sehnsucht, die Not. Über den Wunsch, geliebt zu werden. Abgebrochene Geschichten.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2011Eine schöne Bewegung hat ihre eigene Tiefe
Wim Wenders sieht in 3D die wahre Tanzbildsprache - und "Pina" auf DVD zeigt: Der Fernsehraum ist anders
Blockbuster und Animation, das ist das Reich der neuen Generation von 3D-Filmen, deren Höhepunkt James Camerons "Avatar" bis heute geblieben ist. Dass in der digitalen 3D-Technik immense Möglichkeiten jenseits der Fantasy liegen, nämlich am entgegengesetzten Ende filmischen Ausdrucks, also im Dokumentarischen, hat Wim Wenders früh erkannt. Über die Entstehung seines ersten in dieser Technik gedrehten Films , "Pina", wissen wir seit der Premiere bei der Berlinale in diesem Jahr das Wesentliche: dass Wenders seit Jahrzehnten einen Film über Pina Bauschs Tanztheater drehen wollte, dass er nicht wusste, wie er ihre Arbeit mit den herkömmlichen Mitteln auf die Leinwand bringen sollte, dass er in Cannes einen Konzertfilm über U2 in 3D sah und plötzlich ahnte, wie es gehen könnte, dass Pina Bausch dann starb, bevor die Dreharbeiten losgingen, und also der Film, den er schließlich mit ihrer Kompanie drehte - die Stücke, die vorkommen sollten, hatte er in den Jahren zuvor noch mit Pina Bausch gemeinsam ausgewählt -, nun ein Abschied wurde: ein Film von ihm und den Tänzern für die Choreographin und Freundin, deren Bild nur in alten Dokumentaraufnahmen und sehr sparsam zu sehen ist.
Es war ein großartiges Erlebnis, inmitten von Tausenden bebrillten Zuschauern bei der Premiere im Berlinale Palast den Anfang des Bausch-Klassikers "Sacre du printemps" gleichsam über sich ergießen zu lassen, die Tänzerinnen mit ihren kraftvoll pumpenden Armen und stampfenden Schritten auf sich zukommen zu sehen und ins unendliche Dunkel gezogen zu werden, das durch die Raumstaffelung mit einer liegenden Tänzerin vorn und den im Hintergrund nacheinander auftretenden weiteren Tänzerinnen durch die Kinorückwand hinauszureichen schien. Oder dabei zu sein, wie die himmelhohe Rolltreppe von Rem Kohlhaas in der Zeche Zollverein tatsächlich in den Himmel einzufahren schien, während Jan Minarik seine Arme zu immer neuen Monden zusammenführte, wie er es in seinem Solo in "Nur Du" getan hatte. Manchmal war das Bild vor allem in den dunkleren hinteren Bereichen nicht völlig scharf, und die Tänzer, die später auf die Bühne kamen, um ihren Applaus entgegenzunehmen, waren deutlich größer als ihre Abbilder, die wir hatten tanzen sehen. Aber das Ganze war immer noch groß und vor allem bewegt genug, um zu verstehen, was Wenders meint, wenn er sagt, 3D sei eine neue Sprache, die es erlaube, im Film über Tanz zu sprechen. Die Tänzer eroberten sich tatsächlich einen Raum, den wir als tief und breit und bevölkert wahrnahmen, und die dritte Dimension, die Wenders mit den 3D-Kameras durchmaß, schien mehr zu sein als das, was wir uns in der räumlichen Illusion aus der zweiten erschließen würden.
Jetzt ist "Pina" in einer Edition mit zwei oder drei DVDs herausgekommen, jeweils auf Blu-ray in der 2D- und 3D-Version, in der Deluxe-Ausstattung gibt es noch eine dritte DVD mit einem Making-of und weiteren Extras zusätzlich zum Audiokommentar von Wenders, der auch im Zweierpack dabei ist. Die Frage ist: Wie sieht das alles zu Hause aus, auf einem für 3D ausgestatteten Fernsehgerät, mit einem immerhin 55 Zoll großen Bildschirm? Was bleibt von dem Gefühl, der Raum öffne sich und werde von den Tänzern mit jedem Schritt, jeder Geste erschlossen, verändert und in 3D überhaupt erst sichtbar gemacht?
Nicht so viel, leider. Selbst auf dem Fernsehmonitor wirken die Überblendungen von Innen- in Außenräumen, von Dokumentaraufnahmen in 2D in neu gedrehte Szenen in 3D noch als Paradestücke der Technik, die ein Raumvolumen schaffen, das im herkömmlichen 2D-Verfahren nicht zu erzeugen ist. Aber der Verkleinerungseffekt von 3D - in "Avatar" waren die blauen Naturgeschöpfe ja vor allem deswegen so deutlich größer als der Durchschnittsmensch, damit dieser Nebeneffekt nicht so in Gewicht fällt - war schon auf der Leinwand deutlich gewesen, und manchmal hatte man den Eindruck, die Tänzer kämen nicht näher, sondern entrückten unseren Augen. Auf dem Bildschirm nun aber wirken sie, als tanzten sie in einer Puppenstube.
Wenders kennt das Problem selbstverständlich. Und er spielt damit, indem er zum Beispiel die beiden Tänzer Mechthild Großmann und Dominique Mercy, die von Anfang an in Pina Bauschs Kompanie dabei waren, in ein Bühnenmodell von "Café Müller" schauen lässt und aus dem Modell dann auf die Bühne überblendet - von der eingekastelten Miniatur in den offenen Raum. Im Kino funktioniert das als ironischer Hinweis auf gewisse Schwächen des Formats. Im Fernsehen auch. Aber hier warten wir noch auf den nächsten Schnitt: nach der Überblendung vom Modell auf eine Zwergenbühne in eine Dimension, in der wir gemeinhin im Fernsehen Welt wahrnehmen. Wenn die Tänzer also herumtoben und durchs Wasser rutschen wie in "Nelken", diesem herrlichen Spiel um einen Felsen herum, in dem das Wasser aus Eimern gegens Licht geworfen wird, ist die Freude größer in 2D: schärfer, lebendiger, satter.
VERENA LUEKEN
Wim Wenders:
"Pina"
NFP/Warner. 2 oder 3 Blu-ray-Discs. 2D- und 3D-Version. Extras: Audiokommentar, Behind the scenes, Trailer.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wim Wenders sieht in 3D die wahre Tanzbildsprache - und "Pina" auf DVD zeigt: Der Fernsehraum ist anders
Blockbuster und Animation, das ist das Reich der neuen Generation von 3D-Filmen, deren Höhepunkt James Camerons "Avatar" bis heute geblieben ist. Dass in der digitalen 3D-Technik immense Möglichkeiten jenseits der Fantasy liegen, nämlich am entgegengesetzten Ende filmischen Ausdrucks, also im Dokumentarischen, hat Wim Wenders früh erkannt. Über die Entstehung seines ersten in dieser Technik gedrehten Films , "Pina", wissen wir seit der Premiere bei der Berlinale in diesem Jahr das Wesentliche: dass Wenders seit Jahrzehnten einen Film über Pina Bauschs Tanztheater drehen wollte, dass er nicht wusste, wie er ihre Arbeit mit den herkömmlichen Mitteln auf die Leinwand bringen sollte, dass er in Cannes einen Konzertfilm über U2 in 3D sah und plötzlich ahnte, wie es gehen könnte, dass Pina Bausch dann starb, bevor die Dreharbeiten losgingen, und also der Film, den er schließlich mit ihrer Kompanie drehte - die Stücke, die vorkommen sollten, hatte er in den Jahren zuvor noch mit Pina Bausch gemeinsam ausgewählt -, nun ein Abschied wurde: ein Film von ihm und den Tänzern für die Choreographin und Freundin, deren Bild nur in alten Dokumentaraufnahmen und sehr sparsam zu sehen ist.
Es war ein großartiges Erlebnis, inmitten von Tausenden bebrillten Zuschauern bei der Premiere im Berlinale Palast den Anfang des Bausch-Klassikers "Sacre du printemps" gleichsam über sich ergießen zu lassen, die Tänzerinnen mit ihren kraftvoll pumpenden Armen und stampfenden Schritten auf sich zukommen zu sehen und ins unendliche Dunkel gezogen zu werden, das durch die Raumstaffelung mit einer liegenden Tänzerin vorn und den im Hintergrund nacheinander auftretenden weiteren Tänzerinnen durch die Kinorückwand hinauszureichen schien. Oder dabei zu sein, wie die himmelhohe Rolltreppe von Rem Kohlhaas in der Zeche Zollverein tatsächlich in den Himmel einzufahren schien, während Jan Minarik seine Arme zu immer neuen Monden zusammenführte, wie er es in seinem Solo in "Nur Du" getan hatte. Manchmal war das Bild vor allem in den dunkleren hinteren Bereichen nicht völlig scharf, und die Tänzer, die später auf die Bühne kamen, um ihren Applaus entgegenzunehmen, waren deutlich größer als ihre Abbilder, die wir hatten tanzen sehen. Aber das Ganze war immer noch groß und vor allem bewegt genug, um zu verstehen, was Wenders meint, wenn er sagt, 3D sei eine neue Sprache, die es erlaube, im Film über Tanz zu sprechen. Die Tänzer eroberten sich tatsächlich einen Raum, den wir als tief und breit und bevölkert wahrnahmen, und die dritte Dimension, die Wenders mit den 3D-Kameras durchmaß, schien mehr zu sein als das, was wir uns in der räumlichen Illusion aus der zweiten erschließen würden.
Jetzt ist "Pina" in einer Edition mit zwei oder drei DVDs herausgekommen, jeweils auf Blu-ray in der 2D- und 3D-Version, in der Deluxe-Ausstattung gibt es noch eine dritte DVD mit einem Making-of und weiteren Extras zusätzlich zum Audiokommentar von Wenders, der auch im Zweierpack dabei ist. Die Frage ist: Wie sieht das alles zu Hause aus, auf einem für 3D ausgestatteten Fernsehgerät, mit einem immerhin 55 Zoll großen Bildschirm? Was bleibt von dem Gefühl, der Raum öffne sich und werde von den Tänzern mit jedem Schritt, jeder Geste erschlossen, verändert und in 3D überhaupt erst sichtbar gemacht?
Nicht so viel, leider. Selbst auf dem Fernsehmonitor wirken die Überblendungen von Innen- in Außenräumen, von Dokumentaraufnahmen in 2D in neu gedrehte Szenen in 3D noch als Paradestücke der Technik, die ein Raumvolumen schaffen, das im herkömmlichen 2D-Verfahren nicht zu erzeugen ist. Aber der Verkleinerungseffekt von 3D - in "Avatar" waren die blauen Naturgeschöpfe ja vor allem deswegen so deutlich größer als der Durchschnittsmensch, damit dieser Nebeneffekt nicht so in Gewicht fällt - war schon auf der Leinwand deutlich gewesen, und manchmal hatte man den Eindruck, die Tänzer kämen nicht näher, sondern entrückten unseren Augen. Auf dem Bildschirm nun aber wirken sie, als tanzten sie in einer Puppenstube.
Wenders kennt das Problem selbstverständlich. Und er spielt damit, indem er zum Beispiel die beiden Tänzer Mechthild Großmann und Dominique Mercy, die von Anfang an in Pina Bauschs Kompanie dabei waren, in ein Bühnenmodell von "Café Müller" schauen lässt und aus dem Modell dann auf die Bühne überblendet - von der eingekastelten Miniatur in den offenen Raum. Im Kino funktioniert das als ironischer Hinweis auf gewisse Schwächen des Formats. Im Fernsehen auch. Aber hier warten wir noch auf den nächsten Schnitt: nach der Überblendung vom Modell auf eine Zwergenbühne in eine Dimension, in der wir gemeinhin im Fernsehen Welt wahrnehmen. Wenn die Tänzer also herumtoben und durchs Wasser rutschen wie in "Nelken", diesem herrlichen Spiel um einen Felsen herum, in dem das Wasser aus Eimern gegens Licht geworfen wird, ist die Freude größer in 2D: schärfer, lebendiger, satter.
VERENA LUEKEN
Wim Wenders:
"Pina"
NFP/Warner. 2 oder 3 Blu-ray-Discs. 2D- und 3D-Version. Extras: Audiokommentar, Behind the scenes, Trailer.
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