Technische Angaben:
Bildformat: 16:9 Widescreen ((1.85:1)
Sprachen / Tonformate: Deutsch, Englisch, Französisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch, Türkisch, Arabisch
Ländercode: 2
Extras: Regiekommentar, entfallene Szenen, The Making of, Filmografien: Schauspieler, Regisseur, Charlie Rose im Interview mit Ed Harris, verschiedene Trailer
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Extras: Regiekommentar, entfallene Szenen, The Making of, Filmografien: Schauspieler, Regisseur, Charlie Rose im Interview mit Ed Harris, verschiedene Trailer
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Trailer von anderen Filmen - Kapitel- / Szenenanwahl - Making Of - Regiekommentar - Entfallene Szenen - Filmografien: Schauspieler und Regisseur - Charlie Rose im Interview mit Ed HarrisFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.06.2002Blick in einen dunklen Spiegel
Regiedebüt eines Schauspielers: Ed Harris erweist dem Maler Jackson Pollock im Kino die Ehre
Die Beziehung zwischen dem Kino und der Malerei war zwar vielleicht nicht immer so glücklich, wie sich die Regisseure das gewünscht hätten, aber aufregend war sie allemal. Fast könnte man sagen, daß die Kunst eine etwas widerspenstige Geliebte ist, die es dem Kino nicht leichtmacht. Andererseits gibt es für diese manchmal unerwiderte Liebe durchaus gute Gründe: Filmregisseure, die von einem riesigen Apparat umgeben und auf Teamwork angewiesen sind, spiegeln sich gern in den einsamen Geniefiguren vor ihren Staffeleien, weil ihnen jene persönliche Beziehung zum Material vergönnt ist, um die sie so verzweifelt ringen müssen. Oder wie Orson Welles das ausdrückte: Ein Maler braucht einen Pinsel - ein Filmemacher eine Armee.
Wenn sich das Kino der Malerei zuwendet, dann also auch deswegen, weil darin zwei Seiten des schöpferischen Prozesses zum Vorschein kommen, die in der Filmarbeit immer unterbelichtet erscheinen: das Handwerk einerseits und der Geistesblitz andererseits. Der Film kennt nicht den Widerstand des Materials, alles ist scheinbar immer im Fluß. Und dafür genügen die Zauberworte "Kamera läuft!" und "Action!" Schon deshalb kommt ihm der Maler Jackson Pollock sehr entgegen, dessen sogenanntes Action Painting von der Flüssigkeit der Farben lebte.
Der Schauspieler Ed Harris hat zehn Jahre gebraucht, um dieses Projekt auf die Beine zu stellen. "Pollock" ist ein echtes labour of love, was man schon daran sieht, daß Harris dafür nicht nur zum ersten Mal selbst Regie geführt, sondern auch seine Zigarettenmarke gewechselt hat, um dem Maler so nahe wie möglich zu sein. Und tatsächlich ist die Ähnlichkeit verblüffend, der runde Schädel, die starken Wangenknochen, der stechende Blick. Hinzu kommt, daß Jackson Pollocks Wirkung mehr als die anderer Maler seiner Zeit von Pose und Image bestimmt war, so daß eine Verfilmung seines Lebens quasi eine Fortsetzung seiner Karriere mit anderen Mitteln ist.
Harris hatte dafür reiches Anschauungsmaterial, in dem er genau das studieren konnte, worüber andere Malerfilme nur mutmaßen können: den Schaffensprozeß selbst. Es gibt nicht nur zahllose Fotos von Arnold Newman und Hans Namuth für "Life Magazine", sondern auch Filmaufnahmen von Namuth aus dem Jahr 1952, die Pollock bei jener Arbeit zeigen, die ihm den Spitznamen Jack the Dripper eingebracht hatte. So konnte Harris auch die Art, wie sein Vorbild die Farben auf die Leinwand tropft, nachspielen, konnte jenen Tanz aufführen, den der Maler um seine Bilder veranstaltete, und die Gemälde gleichzeitig noch einmal nachmalen - eine ganz besondere Art des Malens nach Zahlen, bei dem nicht die Farben an der vorgezeichneten Stelle angebracht, sondern die Bewegungen des Künstlers nachgeahmt werden.
Genau diesen Moment erkennt Harris aber als Anfang vom Ende, als den Verlust der kreativen Unschuld, der den Maler nach Jahren der Abstinenz wieder dem Alkohol in die Arme trieb. Offenbar ist es auch in Wirklichkeit so gewesen, daß Pollock durch seinen Auftritt vor der Kamera in Depressionen gestürzt wurde, wie der kleistsche Jüngling, den das Selbstbewußtsein daran hindert, seine unbewußte Geste zu wiederholen. Als Pollock für Namuth vorführen sollte, wie er malt, wurde er zum Selbstdarsteller und mußte sich auf einmal darüber klarwerden, wer er selbst eigentlich ist - eine Frage, an der man auch dann verzweifeln kann, wenn man nicht zu Depressionen neigt.
Es war in jenen Momenten auf Long Island so, als habe das Kino Jackson Pollock einen dunklen Spiegel vorgehalten, und was er darin gesehen hat, ließ alles, was in ihm schöpferische Unbefangenheit war, zu Stein erstarren. Vorher hatte er noch auf die Frage, woher er wisse, wann ein Bild fertig sein, die schöne Gegenfrage stellen können, woher man wohl bei der Liebe wisse, wann man fertig sei. Danach war ihm jene Gewißheit abhanden gekommen - und er fand sie auch auf dem Grund der Whiskyflaschen nicht wieder.
Ed Harris ist klug genug, die Geheimnisse von Pollocks Kunst nicht enthüllen zu wollen. Er sucht auch nicht nach psychologischen Erklärungen für Kraft und Ohnmacht dieses Mannes. Seine Anverwandlung verliert sich nicht in Spekulationen, sondern hält sich an die Fakten. Zwischen den Jahren, als Pollock in Greenwich Village seine Wohnungsnachbarin und spätere Lebensgefährtin Lee Krasner kennenlernte, und dem Autounfall 1956, mit dem er vermutlich willentlich seinen vierundvierzig Lebensjahren ein Ende setzte, spannt Harris sein Porträt des Künstlers als junger Wilder auf.
Er hat dabei vor allem in Marcia Gay Harden, die Lee Krasner spielt und dafür vergangenes Jahr einen Oscar gewann, eine kongeniale Partnerin gefunden, die wie im wirklichen Leben auch Frau und Mutter, Lehrerin und Kritikerin zugleich ist, Resonanzboden und Auffangbecken. Krasner hat ihre eigene Karriere hinter die von Pollock zurückgestellt, und in Marcia Gay Hardens Augen scheint der Widerspruch zwischen Ambition und Opfer, Bewunderung und Verzweiflung aufgehoben. Sie kennt ihren Mann besser als er sich selbst, sie weiß, wann er Hilfe braucht und wann ihm nicht mehr zu helfen ist - auch aus Selbstschutz. Was ihre Beziehung angeht, macht sie sich über deren Grenzen keine Illusionen. Als Pollock sich von ihr Kinder wünscht, weist sie ihn brüsk zurück, weil sie weiß, daß sie beide als Eltern eine völlige Fehlbesetzung wären. Das Resultat ihrer Liebe sind die Bilder, von denen sie glauben muß, daß sie ohne sie so nie entstanden wären. Vielleicht ist das auch nur eine Lebenslüge, mit der sie ihre Haut zu retten versucht, aber immerhin ist es eine schöne Lüge.
Ed Harris' Liebeserklärung an Jackson Pollock erlaubt vielleicht keine tiefen Einsichten. Sie ist aber von einem so großen Ernst getragen, daß man durchaus behaupten kann, die Liebe zwischen Kino und Malerei beruhe hier zur Abwechslung mal auf Gegenseitigkeit.
MICHAEL ALTHEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Regiedebüt eines Schauspielers: Ed Harris erweist dem Maler Jackson Pollock im Kino die Ehre
Die Beziehung zwischen dem Kino und der Malerei war zwar vielleicht nicht immer so glücklich, wie sich die Regisseure das gewünscht hätten, aber aufregend war sie allemal. Fast könnte man sagen, daß die Kunst eine etwas widerspenstige Geliebte ist, die es dem Kino nicht leichtmacht. Andererseits gibt es für diese manchmal unerwiderte Liebe durchaus gute Gründe: Filmregisseure, die von einem riesigen Apparat umgeben und auf Teamwork angewiesen sind, spiegeln sich gern in den einsamen Geniefiguren vor ihren Staffeleien, weil ihnen jene persönliche Beziehung zum Material vergönnt ist, um die sie so verzweifelt ringen müssen. Oder wie Orson Welles das ausdrückte: Ein Maler braucht einen Pinsel - ein Filmemacher eine Armee.
Wenn sich das Kino der Malerei zuwendet, dann also auch deswegen, weil darin zwei Seiten des schöpferischen Prozesses zum Vorschein kommen, die in der Filmarbeit immer unterbelichtet erscheinen: das Handwerk einerseits und der Geistesblitz andererseits. Der Film kennt nicht den Widerstand des Materials, alles ist scheinbar immer im Fluß. Und dafür genügen die Zauberworte "Kamera läuft!" und "Action!" Schon deshalb kommt ihm der Maler Jackson Pollock sehr entgegen, dessen sogenanntes Action Painting von der Flüssigkeit der Farben lebte.
Der Schauspieler Ed Harris hat zehn Jahre gebraucht, um dieses Projekt auf die Beine zu stellen. "Pollock" ist ein echtes labour of love, was man schon daran sieht, daß Harris dafür nicht nur zum ersten Mal selbst Regie geführt, sondern auch seine Zigarettenmarke gewechselt hat, um dem Maler so nahe wie möglich zu sein. Und tatsächlich ist die Ähnlichkeit verblüffend, der runde Schädel, die starken Wangenknochen, der stechende Blick. Hinzu kommt, daß Jackson Pollocks Wirkung mehr als die anderer Maler seiner Zeit von Pose und Image bestimmt war, so daß eine Verfilmung seines Lebens quasi eine Fortsetzung seiner Karriere mit anderen Mitteln ist.
Harris hatte dafür reiches Anschauungsmaterial, in dem er genau das studieren konnte, worüber andere Malerfilme nur mutmaßen können: den Schaffensprozeß selbst. Es gibt nicht nur zahllose Fotos von Arnold Newman und Hans Namuth für "Life Magazine", sondern auch Filmaufnahmen von Namuth aus dem Jahr 1952, die Pollock bei jener Arbeit zeigen, die ihm den Spitznamen Jack the Dripper eingebracht hatte. So konnte Harris auch die Art, wie sein Vorbild die Farben auf die Leinwand tropft, nachspielen, konnte jenen Tanz aufführen, den der Maler um seine Bilder veranstaltete, und die Gemälde gleichzeitig noch einmal nachmalen - eine ganz besondere Art des Malens nach Zahlen, bei dem nicht die Farben an der vorgezeichneten Stelle angebracht, sondern die Bewegungen des Künstlers nachgeahmt werden.
Genau diesen Moment erkennt Harris aber als Anfang vom Ende, als den Verlust der kreativen Unschuld, der den Maler nach Jahren der Abstinenz wieder dem Alkohol in die Arme trieb. Offenbar ist es auch in Wirklichkeit so gewesen, daß Pollock durch seinen Auftritt vor der Kamera in Depressionen gestürzt wurde, wie der kleistsche Jüngling, den das Selbstbewußtsein daran hindert, seine unbewußte Geste zu wiederholen. Als Pollock für Namuth vorführen sollte, wie er malt, wurde er zum Selbstdarsteller und mußte sich auf einmal darüber klarwerden, wer er selbst eigentlich ist - eine Frage, an der man auch dann verzweifeln kann, wenn man nicht zu Depressionen neigt.
Es war in jenen Momenten auf Long Island so, als habe das Kino Jackson Pollock einen dunklen Spiegel vorgehalten, und was er darin gesehen hat, ließ alles, was in ihm schöpferische Unbefangenheit war, zu Stein erstarren. Vorher hatte er noch auf die Frage, woher er wisse, wann ein Bild fertig sein, die schöne Gegenfrage stellen können, woher man wohl bei der Liebe wisse, wann man fertig sei. Danach war ihm jene Gewißheit abhanden gekommen - und er fand sie auch auf dem Grund der Whiskyflaschen nicht wieder.
Ed Harris ist klug genug, die Geheimnisse von Pollocks Kunst nicht enthüllen zu wollen. Er sucht auch nicht nach psychologischen Erklärungen für Kraft und Ohnmacht dieses Mannes. Seine Anverwandlung verliert sich nicht in Spekulationen, sondern hält sich an die Fakten. Zwischen den Jahren, als Pollock in Greenwich Village seine Wohnungsnachbarin und spätere Lebensgefährtin Lee Krasner kennenlernte, und dem Autounfall 1956, mit dem er vermutlich willentlich seinen vierundvierzig Lebensjahren ein Ende setzte, spannt Harris sein Porträt des Künstlers als junger Wilder auf.
Er hat dabei vor allem in Marcia Gay Harden, die Lee Krasner spielt und dafür vergangenes Jahr einen Oscar gewann, eine kongeniale Partnerin gefunden, die wie im wirklichen Leben auch Frau und Mutter, Lehrerin und Kritikerin zugleich ist, Resonanzboden und Auffangbecken. Krasner hat ihre eigene Karriere hinter die von Pollock zurückgestellt, und in Marcia Gay Hardens Augen scheint der Widerspruch zwischen Ambition und Opfer, Bewunderung und Verzweiflung aufgehoben. Sie kennt ihren Mann besser als er sich selbst, sie weiß, wann er Hilfe braucht und wann ihm nicht mehr zu helfen ist - auch aus Selbstschutz. Was ihre Beziehung angeht, macht sie sich über deren Grenzen keine Illusionen. Als Pollock sich von ihr Kinder wünscht, weist sie ihn brüsk zurück, weil sie weiß, daß sie beide als Eltern eine völlige Fehlbesetzung wären. Das Resultat ihrer Liebe sind die Bilder, von denen sie glauben muß, daß sie ohne sie so nie entstanden wären. Vielleicht ist das auch nur eine Lebenslüge, mit der sie ihre Haut zu retten versucht, aber immerhin ist es eine schöne Lüge.
Ed Harris' Liebeserklärung an Jackson Pollock erlaubt vielleicht keine tiefen Einsichten. Sie ist aber von einem so großen Ernst getragen, daß man durchaus behaupten kann, die Liebe zwischen Kino und Malerei beruhe hier zur Abwechslung mal auf Gegenseitigkeit.
MICHAEL ALTHEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main