Die junge Marion (Janet Leigh) unterschlägt 40.000 Dollar. Auf ihrer Flucht gelangt sie nachts an das abseits der Straße gelegene Bates Motel, das von dem schüchternen Norman Bates (Anthony Perkins) und seiner herrschsüchtigen Mutter geleitet wird. Aber Marions Versteck ist ein Haus der Angst und des Wahnsinns...
Bonusmaterial
Beil.: BookletFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2013Mr. Hitchcock, wie haben wir da gelacht
Eine Komödie über den bedrohlichsten aller Filme: Sacha Gervasi verfilmt die Entstehungsgeschichte von Alfred Hitchcocks "Psycho".
Wir schreiben das Jahr 1959. Alfred Hitchcock ist einer der berühmtesten Filmregisseure der Welt. Gerade ist "Der unsichtbare Dritte" mit Cary Grant erfolgreich in den amerikanischen Kinos angelaufen. Doch Hitchcock liebt seine fertigen Filme nicht, er will sofort mit dem nächsten beginnen. Aber was macht man nach einem Multimillionendollarspektakel mit Superstar und Herumkraxeln auf dem Mount Rushmore? Das Gegenteil: ein preiswertes Kammerspiel mit wenig Schauspielprominenz. Das Resultat heißt "Psycho".
Mag sein, dass Hitchcock heute nicht mehr in aller Munde ist und - schlimmer noch, denn er war einer der virtuosesten Regisseure des Kinos - seine Filme nicht mehr vor unseren Augen stehen. Was "Psycho" ist, aber weiß jeder. Ein Verrückter, ein Nervenkitzel, vor allem jedoch ein Film wie kein zweiter. Das Wort wurde erst durch Hitchcock zu einem der geläufigsten Prädikate der Umgangssprache. Und das weltweit. Der Film selbst wurde übrigens erfolgreicher als "Der unsichtbare Dritte". Er wurde erfolgreicher als alles, was Hitchcock vorher oder nachher gemacht hat. Und dieser Mann war sechzig Jahre lang im Filmgeschäft.
Nun ist er selbst Gegenstand eines Films geworden. Nicht zum ersten Mal, denn zum Mythos Hitchcock gehört die These, in seinen abgründigen Werken stecke mehr von ihm selbst als von irgendetwas sonst. Die katholische Erziehung, die Faszination für blonde Frauen, der britische Sarkasmus des Engländers in Hollywood und nicht zuletzt die Marotte, in jedem Film einen winzigen eigenen Auftritt unterzubekommen - all das macht Hitchcocks Karriere zur Leibspeise jener Kino-Gourmands, für die Leben und Kunst in eins fallen. Und nun ist das endlich wirklich der Fall: in "Hitchcock", einem biographischen Spielfilm über die Produktion von "Psycho".
Gedreht hat ihn Sacha Gervasi, ein anderer Engländer in Hollywood, der allerdings Spätstarter ist. Saß der 1899 geborene Hitchcock schon als Dreiundzwanzigjähriger auf dem Regiestuhl, so war Gervasi dreiundvierzig, als 2009 sein Debütfilm "Anvil" herauskam, ein Dokumentarfilm über eine erfolglose Hardrockband. Der war ein bisschen wie "Psycho": preiswert, kammerspielartig und ohne große Stars. "Hitchcock" ist nun der erste Spielfilm von Gervasi und das Gegenteil: aufwendig, starbesetzt, reichhaltige Kulissen (alle Filme, die in Hollywood-Studios spielen, sehen prächtig aus). Und er ist eine Komödie.
Deshalb sieht man schnell: Gervasi wurde nicht angeheuert, weil er ein guter Dokumentarist ist. "Hitchcock" ist eine Fiktion. Nicht im Kern, denn der Film beruht auf dem Sachbuch "Hitchcock und die Geschichte von Psycho", das Stephen Rebello 1990 in Amerika veröffentlicht hat und das nun zum Filmstart auch ins Deutsche übersetzt wurde (Heyne Verlag). Doch diese sorgfältig recherchierte Studie taugte nicht als Drehbuch, weil sie keine Spannung zu bieten hatte. Die entsteht - wer hätte das besser gelehrt als Hitchcock? - durch das hilflose Warten auf ein sicher eintreffendes Ereignis, das den Helden gefährdet. Bei "Psycho" lief aber alles glatt, wenn man von Nickligkeiten mit dem Paramount-Studio und der amerikanischen Filmzensur absieht.
Deshalb hat John J. McLaughlin, den sein Drehbuch zu "Black Swan" bekannt gemacht hat, die kluge Entscheidung getroffen, eine Hauptfigur in die Handlung einzuführen, die in Rebellos Buch gerade dreimal am Rande erwähnt wird. Auftritt von Alma Reville, verheiratete Hitchcock, ihres Zeichens englische Schnittmeisterin und seit je als wichtige Beraterin ihres Mannes anerkannt, aber dann doch nie ausgiebig gewürdigt. Hier wird sie gespielt von Helen Mirren - und wie! Jede Gesichtsregung ein Urteilsspruch, jedes Wort ein Dolchstoß. Wenn man aus "Hitchcock" herauskommt, weiß man, woher der Titelheld seine Lust an Mord und Totschlag wirklich hat.
Ob das stimmt, spielt keine Rolle. Es stimmt ja so vieles nicht. Etwa die Behauptung, dass Anthony Hopkins in der Titelrolle Alfred Hitchcock ähnlich sähe. Ja, er ist ordentlich ausgepolstert. Aber kaum ein Regisseur war so sehr Selbstdarsteller wie Hitchcock, und deshalb kennt man seine Manierismen und vor allem seine Stimme genau. So genau, dass Hopkins nun eher als Hitchcock-Parodie erscheint. Aber gerade das bereitet immens viel Vergnügen.
Noch ein Beispiel: Eines Tages wurde Hitchcock vom "Psycho"-Set mit einem VW Käfer nach Hause gefahren. Im Film ist es die Hauptdarstellerin, die ihn fährt, Janet Leigh, gespielt von Scarlett Johanssen. Das sieht sehr gut aus: die bildschöne junge Frau neben dem breitwanddicken alten Herrn im Kleinwagen. Bei Rebello kann man indes nachlesen, dass es die Kostümbildnerin Rita Riggs war, die den Regisseur chauffierte. Deren Darstellerin Tara Summers ist aber keine Ikone des zeitgenössischen Kinos wie Johanssen.
Und so ist auch der zentrale Konflikt zwischen dem Ehepaar Hitchcock ein Trick. Ja, der Regisseur hatte "Psycho" selbst finanziert, als Paramount der Sache nicht vertraute, doch er riskierte damit nicht seine Existenz. Und der amourösen Attraktion durch den Schriftsteller Whitfield Cook (den Danny Huston als soignierten Schürzenjäger etwas zu routiniert spielt) hat die von ihrem Mann enttäuschte Alma Hitchcock so nicht gegensteuern müssen. Doch was soll's? "Hitchcock" wird dadurch erst zum guten Film.
Denn Helen Mirren und Hopkins spielen wie die Teufel. Sie chargieren gern, doch am besten sind sie in den Details. Beim Zerdrücken einer Rose durch den Regisseur (was er in Wahrheit nur in einem Werbefilm für "Psycho" tat) im Garten des gemeinsamen Hauses. Bei der Übernahme des Regiments am Set durch seine Frau, als Hitchcock krank darniederliegt. Und zum Finale bei einer Choreographie der Emotionen anlässlich der Filmpremiere von "Psycho", die auch Gervasi als Meister ausweist. Und Hopkins abermals als großen Schauspieler.
"Psycho" war ein Schock. Fürs Publikum und für die Filmindustrie. Von seinem Start an galten andere Gesetze für Kinothriller, und sie gelten bis heute. "Hitchcock" ist ein Spaß. Er wird als Komödie fürs eigene Genre nichts Vergleichbares leisten. Aber derart geistreich unterhalten zu werden ist mehr, als gemeinhin heute auf diesem Feld erwartet werden darf.
ANDREAS PLATTHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Komödie über den bedrohlichsten aller Filme: Sacha Gervasi verfilmt die Entstehungsgeschichte von Alfred Hitchcocks "Psycho".
Wir schreiben das Jahr 1959. Alfred Hitchcock ist einer der berühmtesten Filmregisseure der Welt. Gerade ist "Der unsichtbare Dritte" mit Cary Grant erfolgreich in den amerikanischen Kinos angelaufen. Doch Hitchcock liebt seine fertigen Filme nicht, er will sofort mit dem nächsten beginnen. Aber was macht man nach einem Multimillionendollarspektakel mit Superstar und Herumkraxeln auf dem Mount Rushmore? Das Gegenteil: ein preiswertes Kammerspiel mit wenig Schauspielprominenz. Das Resultat heißt "Psycho".
Mag sein, dass Hitchcock heute nicht mehr in aller Munde ist und - schlimmer noch, denn er war einer der virtuosesten Regisseure des Kinos - seine Filme nicht mehr vor unseren Augen stehen. Was "Psycho" ist, aber weiß jeder. Ein Verrückter, ein Nervenkitzel, vor allem jedoch ein Film wie kein zweiter. Das Wort wurde erst durch Hitchcock zu einem der geläufigsten Prädikate der Umgangssprache. Und das weltweit. Der Film selbst wurde übrigens erfolgreicher als "Der unsichtbare Dritte". Er wurde erfolgreicher als alles, was Hitchcock vorher oder nachher gemacht hat. Und dieser Mann war sechzig Jahre lang im Filmgeschäft.
Nun ist er selbst Gegenstand eines Films geworden. Nicht zum ersten Mal, denn zum Mythos Hitchcock gehört die These, in seinen abgründigen Werken stecke mehr von ihm selbst als von irgendetwas sonst. Die katholische Erziehung, die Faszination für blonde Frauen, der britische Sarkasmus des Engländers in Hollywood und nicht zuletzt die Marotte, in jedem Film einen winzigen eigenen Auftritt unterzubekommen - all das macht Hitchcocks Karriere zur Leibspeise jener Kino-Gourmands, für die Leben und Kunst in eins fallen. Und nun ist das endlich wirklich der Fall: in "Hitchcock", einem biographischen Spielfilm über die Produktion von "Psycho".
Gedreht hat ihn Sacha Gervasi, ein anderer Engländer in Hollywood, der allerdings Spätstarter ist. Saß der 1899 geborene Hitchcock schon als Dreiundzwanzigjähriger auf dem Regiestuhl, so war Gervasi dreiundvierzig, als 2009 sein Debütfilm "Anvil" herauskam, ein Dokumentarfilm über eine erfolglose Hardrockband. Der war ein bisschen wie "Psycho": preiswert, kammerspielartig und ohne große Stars. "Hitchcock" ist nun der erste Spielfilm von Gervasi und das Gegenteil: aufwendig, starbesetzt, reichhaltige Kulissen (alle Filme, die in Hollywood-Studios spielen, sehen prächtig aus). Und er ist eine Komödie.
Deshalb sieht man schnell: Gervasi wurde nicht angeheuert, weil er ein guter Dokumentarist ist. "Hitchcock" ist eine Fiktion. Nicht im Kern, denn der Film beruht auf dem Sachbuch "Hitchcock und die Geschichte von Psycho", das Stephen Rebello 1990 in Amerika veröffentlicht hat und das nun zum Filmstart auch ins Deutsche übersetzt wurde (Heyne Verlag). Doch diese sorgfältig recherchierte Studie taugte nicht als Drehbuch, weil sie keine Spannung zu bieten hatte. Die entsteht - wer hätte das besser gelehrt als Hitchcock? - durch das hilflose Warten auf ein sicher eintreffendes Ereignis, das den Helden gefährdet. Bei "Psycho" lief aber alles glatt, wenn man von Nickligkeiten mit dem Paramount-Studio und der amerikanischen Filmzensur absieht.
Deshalb hat John J. McLaughlin, den sein Drehbuch zu "Black Swan" bekannt gemacht hat, die kluge Entscheidung getroffen, eine Hauptfigur in die Handlung einzuführen, die in Rebellos Buch gerade dreimal am Rande erwähnt wird. Auftritt von Alma Reville, verheiratete Hitchcock, ihres Zeichens englische Schnittmeisterin und seit je als wichtige Beraterin ihres Mannes anerkannt, aber dann doch nie ausgiebig gewürdigt. Hier wird sie gespielt von Helen Mirren - und wie! Jede Gesichtsregung ein Urteilsspruch, jedes Wort ein Dolchstoß. Wenn man aus "Hitchcock" herauskommt, weiß man, woher der Titelheld seine Lust an Mord und Totschlag wirklich hat.
Ob das stimmt, spielt keine Rolle. Es stimmt ja so vieles nicht. Etwa die Behauptung, dass Anthony Hopkins in der Titelrolle Alfred Hitchcock ähnlich sähe. Ja, er ist ordentlich ausgepolstert. Aber kaum ein Regisseur war so sehr Selbstdarsteller wie Hitchcock, und deshalb kennt man seine Manierismen und vor allem seine Stimme genau. So genau, dass Hopkins nun eher als Hitchcock-Parodie erscheint. Aber gerade das bereitet immens viel Vergnügen.
Noch ein Beispiel: Eines Tages wurde Hitchcock vom "Psycho"-Set mit einem VW Käfer nach Hause gefahren. Im Film ist es die Hauptdarstellerin, die ihn fährt, Janet Leigh, gespielt von Scarlett Johanssen. Das sieht sehr gut aus: die bildschöne junge Frau neben dem breitwanddicken alten Herrn im Kleinwagen. Bei Rebello kann man indes nachlesen, dass es die Kostümbildnerin Rita Riggs war, die den Regisseur chauffierte. Deren Darstellerin Tara Summers ist aber keine Ikone des zeitgenössischen Kinos wie Johanssen.
Und so ist auch der zentrale Konflikt zwischen dem Ehepaar Hitchcock ein Trick. Ja, der Regisseur hatte "Psycho" selbst finanziert, als Paramount der Sache nicht vertraute, doch er riskierte damit nicht seine Existenz. Und der amourösen Attraktion durch den Schriftsteller Whitfield Cook (den Danny Huston als soignierten Schürzenjäger etwas zu routiniert spielt) hat die von ihrem Mann enttäuschte Alma Hitchcock so nicht gegensteuern müssen. Doch was soll's? "Hitchcock" wird dadurch erst zum guten Film.
Denn Helen Mirren und Hopkins spielen wie die Teufel. Sie chargieren gern, doch am besten sind sie in den Details. Beim Zerdrücken einer Rose durch den Regisseur (was er in Wahrheit nur in einem Werbefilm für "Psycho" tat) im Garten des gemeinsamen Hauses. Bei der Übernahme des Regiments am Set durch seine Frau, als Hitchcock krank darniederliegt. Und zum Finale bei einer Choreographie der Emotionen anlässlich der Filmpremiere von "Psycho", die auch Gervasi als Meister ausweist. Und Hopkins abermals als großen Schauspieler.
"Psycho" war ein Schock. Fürs Publikum und für die Filmindustrie. Von seinem Start an galten andere Gesetze für Kinothriller, und sie gelten bis heute. "Hitchcock" ist ein Spaß. Er wird als Komödie fürs eigene Genre nichts Vergleichbares leisten. Aber derart geistreich unterhalten zu werden ist mehr, als gemeinhin heute auf diesem Feld erwartet werden darf.
ANDREAS PLATTHAUS
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