Die beiden Zehnjährigen Pünktchen und Anton sind dicke Freunde. Am liebsten würden sie den ganzen langen Tag miteinander verbringen. Doch weil Antons alleinerziehende Mutter krank ist und nicht mehr in der Eisdiele arbeiten kann, muß Anton aushelfen. Um Anton zu helfen schmiedet Pünktchen einen Plan...
Die zehnjährige Luise Pogge, genannt Pünktchen, Tochter aus reichem Haus, besucht in München das Gymnasium. Ihr Freund Anton lebt in bescheidenen Verhältnissen bei seiner geschiedenen Mutter.
Da diese seit Wochen krank im Bett liegt, übernimmt Anton zwischenzeitlich deren Job in einer Eisdiele. Die Doppelbelastung führt dazu, daß seine schulische Leistungen nachlassen. Als Pünktchen von der Nebentätigkeit ihres Freundes erfährt, beschließt sie ihm zu helfen, was zu witzigen wie ernsthaften Verwicklungen führt.
Wie schon in ihrem preisgekrönten Spielfilmdebüt "Jenseits der Stille" beweist die Regisseurin und Drehbuchautorin Caroline Link in dieser Erich-Kästner-Verfilmung ungeheueres Gespür für die Probleme Heranwachsender. Mit leichter Hand inszeniert, gekonnt besetzt, von Torsten Breuer ("Bandits") farbenfroh-klar fotografiert und Susann Bieling grundsolide ausgestattet, läßt dieser unterhaltsame Familienfilm leider etwas von der gesellschaftskritischen Tiefe der Vorlage vermissen. Dennoch sollten Kinder jeden Alters sowie junggebliebene Erwachsene gerne zugreifen.
Quelle/Copyright: Entertainment Media Verlag
Die zehnjährige Luise Pogge, genannt Pünktchen, Tochter aus reichem Haus, besucht in München das Gymnasium. Ihr Freund Anton lebt in bescheidenen Verhältnissen bei seiner geschiedenen Mutter.
Da diese seit Wochen krank im Bett liegt, übernimmt Anton zwischenzeitlich deren Job in einer Eisdiele. Die Doppelbelastung führt dazu, daß seine schulische Leistungen nachlassen. Als Pünktchen von der Nebentätigkeit ihres Freundes erfährt, beschließt sie ihm zu helfen, was zu witzigen wie ernsthaften Verwicklungen führt.
Wie schon in ihrem preisgekrönten Spielfilmdebüt "Jenseits der Stille" beweist die Regisseurin und Drehbuchautorin Caroline Link in dieser Erich-Kästner-Verfilmung ungeheueres Gespür für die Probleme Heranwachsender. Mit leichter Hand inszeniert, gekonnt besetzt, von Torsten Breuer ("Bandits") farbenfroh-klar fotografiert und Susann Bieling grundsolide ausgestattet, läßt dieser unterhaltsame Familienfilm leider etwas von der gesellschaftskritischen Tiefe der Vorlage vermissen. Dennoch sollten Kinder jeden Alters sowie junggebliebene Erwachsene gerne zugreifen.
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Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - Interviews - FilmografienFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2010Herr Lehrer, was haben Sie im Krieg gemacht?
Eine Edition von Kästner-Verfilmungen der fünfziger Jahre
Erich-Kästner-Komplett-Box.
Universum. 5 DVDs. Emil und die Detektive, Das doppelte Lottchen, Das fliegende Klassenzimmer, Pünktchen und Anton, Die Konferenz der Tiere.
Wenn wir ehrlich sind, haben wir den monströsen, gespenstischen, halb versunkenen Kontinent des deutschen Films der fünfziger Jahre noch nicht annähernd begriffen. Es ist, als wären die Wege dorthin verriegelt wie die Türen zu Blaubarts Turmzimmern; und wenn irgendwo eine Perspektive sich auftut, ein Blick in die Abgründe der Vorvergangenheit, wird die Aussicht gleich wieder von Begriffen verstellt, mit denen in den sechziger Jahren eine ebenso geschichtsbegierige wie geschichtsvergessene Generation ihre eigene filmische Zukunft freikämpfte.
Aber gerade weil Papas Kino tot und begraben ist, muss man es wiederentdecken. Es ist wie ein ferner Spiegel der neuen Filmwunderkinder, die seit einigen Jahren, mit Förderfonds und Fernsehgeld gepäppelt, den deutschen Marktanteil in den Kinos steigern und den Kulturstaatsministern Grund zum Feiern geben: dasselbe ästhetische Klein-Klein, dieselbe mechanische Professionalität, derselbe provinzielle Abwehrreflex gegen das Weltkino, dessen Ströme an Deutschland vorbeifließen, wenn nicht ein Fremdling wie "Das weiße Band" sie für einen Augenblick in unsere Tiefebenen leitet. Doch in den Fünfzigern, und das ist der Unterschied, verachtete das von Neorealismus und Existentialismus verwöhnte intellektuelle Establishment das einheimische Kino. Heute, in der geistigen Leere des neuen Jahrtausends, liebäugelt es dagegen mit den Sottisen eines Bully Herbig oder Til Schweiger. Papas Kino war schon totgesagt, bevor es starb, die Filmgeschichte - die vor allem eine Erfolgsgeschichte des Fernsehens war - vollstreckte nur das Urteil. Diesen Spruch müssen wir revidieren.
Es ist deshalb zu begrüßen, dass die Ufa eine Edition mit den Kästner-Verfilmungen der Wirtschaftswunderjahre auflegt, auch wenn die Aura des "Originals", mit der diese Kassette beworben wird, bei Kästner in Wahrheit keine Rolle spielt: Gerade dass sich jede Zeit einen neuen Reim auf diese Geschichten machen kann, gehört zu ihrer besonderen Qualität. Daher hat es auch keinen Sinn, die allererste, ebenfalls in der Edition enthaltene Verfilmung von "Emil und die Detektive" von 1931 gegen Robert A. Stemmles spätere Adaption auszuspielen - auch wenn Gerhard Lamprechts "Emil"-Film, zu dem Billy (damals noch Billie) Wilder das Drehbuch schrieb, in seinem schwarzweißen Verismus und seiner atemlosen Montage unserer Vorstellung von einem modernen Großstadtkrimi viel näher kommt als Stemmles leicht behäbige, gut zwanzig Minuten längere Version.
Doch es hilft nichts: Die Kritik hat ihren Auftritt gehabt (etwa in Gestalt von Helene Rahms, die in dieser Zeitung ganz zu Recht die "Polizeifrömmigkeit" des Films und das massenhafte Fahnenschwingen und Marschieren am Schluss aufspießte), und es lohnt sich nicht, ihr hinterherzuschreiben. Stattdessen sollte man sich die Kästner-Verfilmungen wie Ferngläser vor die Augen halten, um mit ihrer Hilfe in die Tiefe der Zeit hinabzuschauen. Was sieht man da?
Bei Stemmle zum Beispiel die Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, in der die Bande um Gustav mit der Hupe und den Professor ihr Hauptquartier hat. Es ist 1954, der Abriss des einsturzgefährdeten Chors und der beiden Seitentürme hat noch nicht begonnen, und so kann man in der Apsis und an einigen stehengebliebenen Seitenmauern noch den alten Mosaikschmuck erkennen - dieses seltsame blaugoldene Glitzern inmitten der Zerstörung, diese Geisterschrift an der Wand, die so gar nichts vom Furor des Wiederaufbaus hat; ein Stück preußisches Pompeji am leergeräumten, mit Barackenläden und Trümmergrundstücken gepflasterten Kurfürstendamm. Man wünschte sich, dass sich Stemmle (dessen "Berliner Ballade" mit Gert Fröbe als Otto Normalverbraucher zu den Höhepunkten des Trümmerkinos gehörte) von diesem Drehort stärker hätte inspirieren lassen, aber natürlich wusste er genau, was er seinen Zuschauern schuldig war, und so konzentriert sich der Film bald auf die Verfolgungsjagd und das Versteckspiel im Hotel, das hier wie ein Relikt aus der Vorkriegszeit erscheint mit seinen Plüschmöbeln und hölzernen Stiegen. Ein Relikt ist auch Kurt Meisel, der Herr mit dem steifen Hut - einst, in Veit Harlans "Goldener Stadt", war er der glatte und grausame Verführer, hier umgibt ihn die Melancholie eines Schwarzmarktganoven, der seine besten Jahre hinter sich hat. Jetzt marschiert der Fortschritt, und in dem Städtchen Neustadt, in dem Emils Mutter ihren Friseursalon betreibt, werden keine Denkmäler mehr - wie bei Kästner - geschändet, sondern im Glaskäfig gehaltene Seehunde von freiheitsliebenden Jungen ans Meerufer zurückgebracht. Dass Emil für solche Taten ins Zuchthaus kommen könnte, ist ein echter Nachkriegswitz. Aber vielleicht hat das polizeifromme Publikum von 1954 ja darüber gelacht.
Begonnen hatte die Kästner-Welle vier Jahre zuvor mit Josef von Bákys Adaption des "Doppelten Lottchens". Der Film gewann gleich den frisch gestifteten Deutschen Filmpreis, und tatsächlich ist in Bákys "Lottchen" alles auf dem neuesten Stand: die Scheidungsgeschichte, in der sich, wenn auch gebrochen und versteckt, das Triebschicksal der Kriegsheimkehrergeneration spiegelt; der Einsatz von Kästner selbst als Erzähler, dessen sächsischer Akzent - "Meetschen" für "Mädchen" - einen komischen Kontrast zum österreichischen Zungenschlag der Darsteller bildet; die Alpen-Idylle mit See und Straußenwirtschaft, in der sich schon die Kleinbürgerferienfilme der späten Fünfziger ankündigen. Das Einzige, was nicht richtig stimmt, ist die Fahrt mit der Straßenbahn, die Lotte (Jutta Günther) in Wien zu ihrer Rivalin Irene Gerlach antritt. Denn vom Viermächtestatus mit Patrouillen und Kontrollen, dem die Donaustadt bis 1955 unterworfen war, ist nichts zu sehen; der Film, in München gedreht, dichtet sich ab gegen seine Gegenwart, deren Misstöne das Kinderglück gestört hätten. Eben davon handelte Kästners schon in der Nazizeit konzipierte Vorlage; Báky, der seine künstlerischen Ambitionen mit dem Emigrantendrama "Der Ruf" von 1949 begraben hatte, zog ihr die Zähne.
Die beiden übrigen Spielfilme der Edition - der 1969 gedrehte Zeichentrickfilm "Die Konferenz der Tiere" dient eher als Sättigungsbeilage - sind Variationen dieses Verdrängungsmusters. In Thomas Engels "Pünktchen und Anton" von 1953 sind die sozialkritischen Motive des Romans (er entstand 1931, kurz vor dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise) durch Humoresken ersetzt: Das Kinderfräulein, das seinen Schützling Pünktchen im Buch zum Betteln anstiftet, ist eine naive alte Jungfer, die Bettelei ein Kinderspiel, der Spazierstockfabrikant Pogge ein Damenstrumpfhersteller und seine Frau eine Modegans mit goldenem Herzen. Kurt Hoffmanns "Fliegendes Klassenzimmer" von 1954 greift dagegen wieder auf den Anchorman Kästner zurück, dessen Auftritt am Schreibtisch auf grüner Weide die Handlung einrahmt. Dazwischen sehen wir den sechzehnjährigen Peter Kraus in seiner ersten Filmrolle und Paul Dahlke und Paul Klinger als Inkarnationen des idealen Nachkriegspädagogen, väterlich streng und zugleich lausbubenhaft verspielt. Was die beiden, von denen einer in einem Eisenbahnwagen und der andere in einer Junggesellenwohnung des Internats haust, im Krieg gemacht haben, berichtet der Film nicht, und Kästners Roman von 1933 kann es noch nicht wissen. Hier hätte die Aktualisierung der Vorlage notgetan. Aber aktuell, jedenfalls in diesem Sinn, wollte man eben nicht sein.
Was lernen wir aus all dem? Vor allem eins: dass es mit wachsendem zeitlichen Abstand immer weniger auf die Story ankommt, die ein Film erzählt, und immer mehr auf das, was er sonst noch zeigt. In vierzig Jahren wird man "Keinohrhasen" nicht mehr wegen der Liebesquerelen zwischen Nora Tschirner und Til Schweiger anschauen, sondern wegen der Kamerablicke auf das zeitgenössische Berlin. Was bleibt, liegt im Bildhintergrund. Der Rest ist Geschichte.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Edition von Kästner-Verfilmungen der fünfziger Jahre
Erich-Kästner-Komplett-Box.
Universum. 5 DVDs. Emil und die Detektive, Das doppelte Lottchen, Das fliegende Klassenzimmer, Pünktchen und Anton, Die Konferenz der Tiere.
Wenn wir ehrlich sind, haben wir den monströsen, gespenstischen, halb versunkenen Kontinent des deutschen Films der fünfziger Jahre noch nicht annähernd begriffen. Es ist, als wären die Wege dorthin verriegelt wie die Türen zu Blaubarts Turmzimmern; und wenn irgendwo eine Perspektive sich auftut, ein Blick in die Abgründe der Vorvergangenheit, wird die Aussicht gleich wieder von Begriffen verstellt, mit denen in den sechziger Jahren eine ebenso geschichtsbegierige wie geschichtsvergessene Generation ihre eigene filmische Zukunft freikämpfte.
Aber gerade weil Papas Kino tot und begraben ist, muss man es wiederentdecken. Es ist wie ein ferner Spiegel der neuen Filmwunderkinder, die seit einigen Jahren, mit Förderfonds und Fernsehgeld gepäppelt, den deutschen Marktanteil in den Kinos steigern und den Kulturstaatsministern Grund zum Feiern geben: dasselbe ästhetische Klein-Klein, dieselbe mechanische Professionalität, derselbe provinzielle Abwehrreflex gegen das Weltkino, dessen Ströme an Deutschland vorbeifließen, wenn nicht ein Fremdling wie "Das weiße Band" sie für einen Augenblick in unsere Tiefebenen leitet. Doch in den Fünfzigern, und das ist der Unterschied, verachtete das von Neorealismus und Existentialismus verwöhnte intellektuelle Establishment das einheimische Kino. Heute, in der geistigen Leere des neuen Jahrtausends, liebäugelt es dagegen mit den Sottisen eines Bully Herbig oder Til Schweiger. Papas Kino war schon totgesagt, bevor es starb, die Filmgeschichte - die vor allem eine Erfolgsgeschichte des Fernsehens war - vollstreckte nur das Urteil. Diesen Spruch müssen wir revidieren.
Es ist deshalb zu begrüßen, dass die Ufa eine Edition mit den Kästner-Verfilmungen der Wirtschaftswunderjahre auflegt, auch wenn die Aura des "Originals", mit der diese Kassette beworben wird, bei Kästner in Wahrheit keine Rolle spielt: Gerade dass sich jede Zeit einen neuen Reim auf diese Geschichten machen kann, gehört zu ihrer besonderen Qualität. Daher hat es auch keinen Sinn, die allererste, ebenfalls in der Edition enthaltene Verfilmung von "Emil und die Detektive" von 1931 gegen Robert A. Stemmles spätere Adaption auszuspielen - auch wenn Gerhard Lamprechts "Emil"-Film, zu dem Billy (damals noch Billie) Wilder das Drehbuch schrieb, in seinem schwarzweißen Verismus und seiner atemlosen Montage unserer Vorstellung von einem modernen Großstadtkrimi viel näher kommt als Stemmles leicht behäbige, gut zwanzig Minuten längere Version.
Doch es hilft nichts: Die Kritik hat ihren Auftritt gehabt (etwa in Gestalt von Helene Rahms, die in dieser Zeitung ganz zu Recht die "Polizeifrömmigkeit" des Films und das massenhafte Fahnenschwingen und Marschieren am Schluss aufspießte), und es lohnt sich nicht, ihr hinterherzuschreiben. Stattdessen sollte man sich die Kästner-Verfilmungen wie Ferngläser vor die Augen halten, um mit ihrer Hilfe in die Tiefe der Zeit hinabzuschauen. Was sieht man da?
Bei Stemmle zum Beispiel die Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, in der die Bande um Gustav mit der Hupe und den Professor ihr Hauptquartier hat. Es ist 1954, der Abriss des einsturzgefährdeten Chors und der beiden Seitentürme hat noch nicht begonnen, und so kann man in der Apsis und an einigen stehengebliebenen Seitenmauern noch den alten Mosaikschmuck erkennen - dieses seltsame blaugoldene Glitzern inmitten der Zerstörung, diese Geisterschrift an der Wand, die so gar nichts vom Furor des Wiederaufbaus hat; ein Stück preußisches Pompeji am leergeräumten, mit Barackenläden und Trümmergrundstücken gepflasterten Kurfürstendamm. Man wünschte sich, dass sich Stemmle (dessen "Berliner Ballade" mit Gert Fröbe als Otto Normalverbraucher zu den Höhepunkten des Trümmerkinos gehörte) von diesem Drehort stärker hätte inspirieren lassen, aber natürlich wusste er genau, was er seinen Zuschauern schuldig war, und so konzentriert sich der Film bald auf die Verfolgungsjagd und das Versteckspiel im Hotel, das hier wie ein Relikt aus der Vorkriegszeit erscheint mit seinen Plüschmöbeln und hölzernen Stiegen. Ein Relikt ist auch Kurt Meisel, der Herr mit dem steifen Hut - einst, in Veit Harlans "Goldener Stadt", war er der glatte und grausame Verführer, hier umgibt ihn die Melancholie eines Schwarzmarktganoven, der seine besten Jahre hinter sich hat. Jetzt marschiert der Fortschritt, und in dem Städtchen Neustadt, in dem Emils Mutter ihren Friseursalon betreibt, werden keine Denkmäler mehr - wie bei Kästner - geschändet, sondern im Glaskäfig gehaltene Seehunde von freiheitsliebenden Jungen ans Meerufer zurückgebracht. Dass Emil für solche Taten ins Zuchthaus kommen könnte, ist ein echter Nachkriegswitz. Aber vielleicht hat das polizeifromme Publikum von 1954 ja darüber gelacht.
Begonnen hatte die Kästner-Welle vier Jahre zuvor mit Josef von Bákys Adaption des "Doppelten Lottchens". Der Film gewann gleich den frisch gestifteten Deutschen Filmpreis, und tatsächlich ist in Bákys "Lottchen" alles auf dem neuesten Stand: die Scheidungsgeschichte, in der sich, wenn auch gebrochen und versteckt, das Triebschicksal der Kriegsheimkehrergeneration spiegelt; der Einsatz von Kästner selbst als Erzähler, dessen sächsischer Akzent - "Meetschen" für "Mädchen" - einen komischen Kontrast zum österreichischen Zungenschlag der Darsteller bildet; die Alpen-Idylle mit See und Straußenwirtschaft, in der sich schon die Kleinbürgerferienfilme der späten Fünfziger ankündigen. Das Einzige, was nicht richtig stimmt, ist die Fahrt mit der Straßenbahn, die Lotte (Jutta Günther) in Wien zu ihrer Rivalin Irene Gerlach antritt. Denn vom Viermächtestatus mit Patrouillen und Kontrollen, dem die Donaustadt bis 1955 unterworfen war, ist nichts zu sehen; der Film, in München gedreht, dichtet sich ab gegen seine Gegenwart, deren Misstöne das Kinderglück gestört hätten. Eben davon handelte Kästners schon in der Nazizeit konzipierte Vorlage; Báky, der seine künstlerischen Ambitionen mit dem Emigrantendrama "Der Ruf" von 1949 begraben hatte, zog ihr die Zähne.
Die beiden übrigen Spielfilme der Edition - der 1969 gedrehte Zeichentrickfilm "Die Konferenz der Tiere" dient eher als Sättigungsbeilage - sind Variationen dieses Verdrängungsmusters. In Thomas Engels "Pünktchen und Anton" von 1953 sind die sozialkritischen Motive des Romans (er entstand 1931, kurz vor dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise) durch Humoresken ersetzt: Das Kinderfräulein, das seinen Schützling Pünktchen im Buch zum Betteln anstiftet, ist eine naive alte Jungfer, die Bettelei ein Kinderspiel, der Spazierstockfabrikant Pogge ein Damenstrumpfhersteller und seine Frau eine Modegans mit goldenem Herzen. Kurt Hoffmanns "Fliegendes Klassenzimmer" von 1954 greift dagegen wieder auf den Anchorman Kästner zurück, dessen Auftritt am Schreibtisch auf grüner Weide die Handlung einrahmt. Dazwischen sehen wir den sechzehnjährigen Peter Kraus in seiner ersten Filmrolle und Paul Dahlke und Paul Klinger als Inkarnationen des idealen Nachkriegspädagogen, väterlich streng und zugleich lausbubenhaft verspielt. Was die beiden, von denen einer in einem Eisenbahnwagen und der andere in einer Junggesellenwohnung des Internats haust, im Krieg gemacht haben, berichtet der Film nicht, und Kästners Roman von 1933 kann es noch nicht wissen. Hier hätte die Aktualisierung der Vorlage notgetan. Aber aktuell, jedenfalls in diesem Sinn, wollte man eben nicht sein.
Was lernen wir aus all dem? Vor allem eins: dass es mit wachsendem zeitlichen Abstand immer weniger auf die Story ankommt, die ein Film erzählt, und immer mehr auf das, was er sonst noch zeigt. In vierzig Jahren wird man "Keinohrhasen" nicht mehr wegen der Liebesquerelen zwischen Nora Tschirner und Til Schweiger anschauen, sondern wegen der Kamerablicke auf das zeitgenössische Berlin. Was bleibt, liegt im Bildhintergrund. Der Rest ist Geschichte.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main