Wäre das Leben nur die Summe seiner Bestandteile, dann würde sich die Lebensgeschichte von Ray Charles aus vielen Hochs und Tiefs in einer langen, preisgekrönten Musiker-Karriere zusammensetzen. Doch bei einem Mann, der wie kein zweiter seine Existenzkämpfe, seinen Schmerz und seine Blindheit miteinander verschmolzen hat und dem es gelang, unendlich viele Musikstile - darunter Jazz, Rhythm & Blues, Rock 'n' Roll, Gospel, Country & Western - in seiner Musik zusammenfließen zu lassen, wäre das viel zu wenig. Ray Charles' Leben war die spirituelle Reise eines einmaligen Genies, Visionärs und Künstlers, der - ganz en passant - der Welt eine neue Art zu Hören schenkte. "Ray" ist das erste musikalische Biopic-Epos, das die faszinierende Geschichte der amerikanischen Soul-Legende Ray Charles erzählt. Wir sehen wie der junge, farbige und blinde Ray seinen ganzen Mut zusammen nimmt und als Teenager - völlig auf sich allein gestellt - in Florida einen Bus besteigt, der ihn quer durch die USA nach Seattle bringt, wo es ihm bald - dank seines überragenden Talents - gelingt, in der damals angesagtesten Jazz-Szene Amerikas Fuß zu fassen. Wir erleben ihn, wie er sich abmüht seinen eigenen Musik-Stil zu finden, soziale Widerstände überwindet und schließlich bei Atlantic Records einen Schallplattenvertrag bekommt. Wir begleiten ihn bei seinem triumphalen Aufstieg zum gefeierten Weltstar. Doch es war nicht nur eine Zeit des Erfolgs und Ruhmes - auch zahllose Liebesaffären und Drogen spielten damals eine große Rolle. Der Film entstand mit der vollen Unterstützung von Ray Charles, der ihn noch zu Lebzeiten in seiner vollen Länge sah. Hauptdarsteller Jamie Foxx zeigt darin eine schauspielerische Meisterleistung, die ihresgleichen sucht. Bewegend, emotional, sensationell.
Ray Charles sah die Welt,
wie sie sich niemand vorstellen konnte ...
Dieser Geheimtipp ist ein atemberaubender Höhepunkt der neuen Saison: "Ray" ist großes Erzählkino, von Regisseur Taylor Hackford brillant inszeniert. Einer der faszinierendsten Filme des Jahres, der nicht nur Musikliebhaber, sondern das ganze Publikum begeistern wird. Voll beeindruckender Bilder aus der Zeit pulsierender Musikclubs, in denen Rays (Jamie Foxx) Karriere begann ... Niemand hätte geglaubt, dass aus dem Jungen, der bereits mit sechs Jahren erblindete und der aus einer der ärmsten Gegenden Floridas kam, einmal eine Musiklegende werden würde. Rays dramatische Lebensgeschichte ist die Mannes, der härter kämpfte und mehr riskierte, als es irgendjemand für möglich gehalten hätte. "Brother Ray" ist Gottes Musik und Teufels Werk und er kreierte seinen Soul, der unverwechselbar ist!
Der Film entstand mit der vollen Unterstützung von Ray Charles, der ihn noch zu Lebzeiten in seiner vollen Länge sah. Hauptdarsteller Jamie Foxx zeigt darin eine schauspielerische Meisterleistung, die ihresgleichen sucht.
Bewegend, emotional, sensationell.
Ray Charles sah die Welt,
wie sie sich niemand vorstellen konnte ...
Dieser Geheimtipp ist ein atemberaubender Höhepunkt der neuen Saison: "Ray" ist großes Erzählkino, von Regisseur Taylor Hackford brillant inszeniert. Einer der faszinierendsten Filme des Jahres, der nicht nur Musikliebhaber, sondern das ganze Publikum begeistern wird. Voll beeindruckender Bilder aus der Zeit pulsierender Musikclubs, in denen Rays (Jamie Foxx) Karriere begann ... Niemand hätte geglaubt, dass aus dem Jungen, der bereits mit sechs Jahren erblindete und der aus einer der ärmsten Gegenden Floridas kam, einmal eine Musiklegende werden würde. Rays dramatische Lebensgeschichte ist die Mannes, der härter kämpfte und mehr riskierte, als es irgendjemand für möglich gehalten hätte. "Brother Ray" ist Gottes Musik und Teufels Werk und er kreierte seinen Soul, der unverwechselbar ist!
Der Film entstand mit der vollen Unterstützung von Ray Charles, der ihn noch zu Lebzeiten in seiner vollen Länge sah. Hauptdarsteller Jamie Foxx zeigt darin eine schauspielerische Meisterleistung, die ihresgleichen sucht.
Bewegend, emotional, sensationell.
Bonusmaterial
- Enthält sowohl die Kinofassung als auch eine erweiterte Fassung mit über 25 Minuten noch nie gezeigter Szene - Audiokommentar von Regisseur Taylor HackfordFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.01.2005Stimme aus der Finsternis
Taylor Hackford erweckt einen großen toten Sänger kunstvoll zum Leben: Der Film "Ray"
Ein Witz über den amerikanischen Soulmusiker Stevie Wonder geht so: "Mister Wonder, macht es Ihnen eigentlich etwas aus, blind zu sein?" Antwort: "Nein. Hauptsache, ich bin kein Schwarzer." Stevie Wonder kam praktisch blind auf die Welt und hatte ein Vorbild: Uncle Ray. Dieser wußte, was ihm abhanden kam, als seine Augen durch den grünen Star immer schlechter wurden und eines Tages gar nichts mehr sahen. Das geschah, als er sechs oder sieben Jahre alt war und kurz nachdem er mit angesehen hatte, wie sein jüngerer Bruder in einem Waschbottich ertrank. Man ist geneigt, die Erblindung in einen mythischen Zusammenhang mit dem Ereignis zu setzen, das Ray Charles zum Einzelkind machte, bevor er Vollwaise wurde.
Das ist reichlich Stoff für ein Leben, und man sollte meinen, daß ein Film, der die Geschichte des vor anderthalb Jahren gestorbenen Musikers (F.A.Z. vom 12. Juni 2003) erzählen will, nichts anderes sein kann als eine Leidensgeschichte: The Passion of the Genius. Taylor Hackfords Film "Ray", tatsächlich der erste über das Genie, wie Charles genannt wurde, ist dies nicht geworden. Für einen Filmregisseur ist die Biographie einer bedeutenden Persönlichkeit eine reizvolle Sache; aber wenn die Biographie aus lauter Musik besteht, kann sie schnell heikel werden. Oliver Stones "Doors"-Film geriet trotz aller Virtuosität zu einem Dokument der Selbstgerechtigkeit, was vor allem am Infantilismus der sechziger Jahre lag, von dem Stone sich nicht distanzierte.
Hackford hat eine dankbarere Aufgabe. Ray Charles, Jahrgang 1930, begann seine Karriere in einer Zeit, die für Kindereien nichts übrig hatte. Wer etwas werden sollte, von dem waren Professionalität und Härte, Stilwillen und Beharrlichkeit gefordert. Für "Ray" hat das die Konsequenz, daß sein Zuschauer von dem, was man ihm an Idealen unterstellen möchte, verschont bleibt - Ray Charles hatte nie welche, und Taylor Hackford weiß das. Seine Hingabe an die Musik, auch eine Folge der Blindheit, übertraf die der meisten anderen Unterhaltungskünstler des zwanzigsten Jahrhunderts.
Um sie in ihrer sublimsten und zugleich zerstörerischsten Form zu erleben, sollte man sich Hackfords Film anschauen. "Ray" singt das bitter-herbe Lied von der Magie und Rücksichtslosigkeit des Genies ohne jede Beschönigung, die Ray Charles, der die Fertigstellung nicht mehr erlebte, sich auch verbeten haben soll. Im Vorspann sehen wir zwei schlanke Hände, die auf dem Elektroklavier den Anfang von "What'd I Say" spielen, Ray Charles' wichtigstem Lied, nicht nur wegen seiner nervös pulsierenden Art, sondern vor allem wegen seiner Funktion als Tabubruch. Der Song eröffnete Ende der fünfziger Jahre neue Dimensionen erotischer Mitteilung. Das Frage-Antwort-Spiel, das der Sänger mit seinem weiblichen Backgroundtrio "The Raeletts" - die so hießen, weil jede von ihnen den Meister erst einmal an sich ranlassen mußte - trieb, steigerte sich bis zur Atemlosigkeit und lud die Musik mit einer Energie auf, die religiösen Hörern als wenig heilig erschien. Der Bluessänger Big Bill Broonzy sagte damals: "Er hat eine gute Stimme, aber es ist eine Kirchenstimme; er sollte in der Kirche singen. Blues und Spirituals zu singen ist verwerflich." Der Film vermittelt die Tatsache, daß der Gescholtene anderer Meinung war, auf einleuchtende Weise: Ray Charles fragt seine nach dem Vorspiel entsetzte zukünftige Frau Della Bea (Kerry Washington), wie denn etwas so Natürliches wie die Liebe Sünde sein könne.
Im Jahr 1948 steht ein junger Mann, der gerade die Blindenschule absolviert hat, an einer Bushaltestelle irgendwo in Florida. Er will nach Seattle. Der Fahrer nimmt ihn erst mit, als der junge Mann ihn mit der Auskunft belügt, er habe sein Augenlicht beim Kriegseinsatz in der Normandie eingebüßt. Seine Blindheit mag Ray Charles stumpf gemacht haben gegen den Rassismus der Südstaaten. Aber später sehen wir, wie sich sein Fatalismus gegen die Schwarzenhasser kehrt. In Georgia sagt er ein Konzert ab, nachdem ihm Aktivisten ins Gewissen geredet haben, und wird mit lebenslangem Auftrittsverbot bestraft.
Schon in der allerersten Szene spürt man etwas von der Verwandlung eines Jungen mit extremer seelischer Belastung in einen Mann, der mehr will als das Leben und weiß, daß man dabei manche Rücksicht fahrenlassen muß. Diese Reifung geht schrittweise, aber unumkehrbar vor sich. Hackford fängt die Dialektik zwischen Leiden und Musik in zwingenden Momenten ein, in denen eine Vergangenheit durchscheint, die fast alles erklärt. Mehrmals sehen wir mit den blinden Augen des Musikers Wasser, ganz viel Wasser, aus dem die Gliedmaßen eines Kindes herausschauen: der Bruder im Wäschebottich, ein absurder Unfall, an dem die Umwelt dem einzigen Zeugen, der stumm daneben stand, die Schuld zu geben versucht. Aber Mutter Aretha (Sharon Warren) hält eisern zu Ray, dem sie beibringt, mit der Blindheit fertig zu werden. Als sie stirbt, ist Ray gestählt fürs Leben.
Die ersten Stationen absolviert er naiv, aber das Lehrgeld, das er an Leute zahlt, die sein Talent ausnutzen wollen, ist nicht umsonst. Irgendwann merkt er selbst, wie gut er ist, am Klavier und mit seiner Stimme, und dann steht auch schon Ahmet Ertegun (Curtis Armstrong) vor der Tür, der große Atlantic-Präsident, der ihn unter Vertrag nimmt und ihm einbleut: "Wenn Sie in Pennies denken, Mister Charles, werden Sie in Pennies bezahlt; wenn Sie aber in Dollars denken, werden Sie auch in Dollars bezahlt." Mit Liedern wie "Mess Around", "I Got A Woman" und "Hallelujah, I Love Her So" erfindet Ray Charles im Tonstudio den Soul und legt "das Bluesschema als Symbol des Eros bloß", wie ein Jazzkritiker damals schrieb. Dann, 1959, geht er zu ABC-Paramount, wo man ihm mehr zahlt und die Rechte an allen Masterbändern läßt - ein Privileg, das nicht einmal Sinatra genoß. Ray Charles wird mit Countryliedern, die vor Orchestersoße triefen, noch reicher, hat aber seiner Familie außer Geld wenig zu bieten. Der Mann, der am Klavier herumzappelt, kratzt sich unentwegt: Ray Charles hängt an der Nadel. Das Heroin, "King Heroin", wie James Brown es einmal nannte, hat ihn in seiner Gewalt.
Und hier, ein einziges Mal, dürfen wir durch einen Spalt hindurch einen Blick in die Dunkelheit tun, die den Musiker umgibt: "Weißt du, was es heißt, blind zu werden?" fragt er seine Frau, die ihn von der Droge abbringen will. In den Szenen des Entzugs wird Hackfords mit zweieinhalb Stunden keineswegs zu langer Film unversehens doch zur Passionsgeschichte. Danach ist Ray Charles nicht geläutert, aber er findet halbwegs seinen Frieden. Wie der aussieht, erfahren wir nicht mehr. "Ray" endet in den sechziger Jahren und springt einmal noch ins Jahr 1979: Am 7. März bittet das Parlament von Georgia Ray Charles um Verzeihung und erklärt seinen Hit "Georgia On My Mind" zur offiziellen Landeshymne. Und seine Frau erkennt, daß es richtig war, bei diesem Mann zu bleiben.
Jamie Foxx, der die Skepsis des Meisters erst allmählich überwand, spielt in "Ray"die Rolle seines Lebens, und wenn es bei der Oscarvergabe mit rechten Dingen zugeht, müßte man wenigstens ihm einen Preis geben. Foxx überläßt bei den mehr als drei Dutzend Songs, die einen atemberaubenden Soundtrack ergeben, das Singen klugerweise dem Original. Aber er hat sich, nach einer generalstabsmäßigen Vorbereitung, für die sonst nur Robert De Niro und Dustin Hoffman bekannt sind, Bewegung und Gestik des Musikers bis in die letzten Manieriertheiten hinein angeeignet.
Im amerikanischen Film gab es zwischen 1934 und 1967 den Hays Code, der die Handhabung von Gewalt und vor allem von Sexualität auf der Leinwand regelte. Es spricht viel für die These, daß der Code dem Kino ästhetisch eher genützt als geschadet hat. In der populären Musik gab es einen solchen Code nur als ungeschriebenes Gesetz - bis Ray Charles kam. Taylor Hackford ist es gelungen, Ray Charles auf sehr diskrete, aber ganz und gar unverlogene Weise einem Hays Code zu unterziehen. Er hat, mit einem Ernst, der selten geworden ist, dem großen, hemmungslosen Künstler ein Denkmal gesetzt, das selbst ein großes Kunstwerk ist.
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Taylor Hackford erweckt einen großen toten Sänger kunstvoll zum Leben: Der Film "Ray"
Ein Witz über den amerikanischen Soulmusiker Stevie Wonder geht so: "Mister Wonder, macht es Ihnen eigentlich etwas aus, blind zu sein?" Antwort: "Nein. Hauptsache, ich bin kein Schwarzer." Stevie Wonder kam praktisch blind auf die Welt und hatte ein Vorbild: Uncle Ray. Dieser wußte, was ihm abhanden kam, als seine Augen durch den grünen Star immer schlechter wurden und eines Tages gar nichts mehr sahen. Das geschah, als er sechs oder sieben Jahre alt war und kurz nachdem er mit angesehen hatte, wie sein jüngerer Bruder in einem Waschbottich ertrank. Man ist geneigt, die Erblindung in einen mythischen Zusammenhang mit dem Ereignis zu setzen, das Ray Charles zum Einzelkind machte, bevor er Vollwaise wurde.
Das ist reichlich Stoff für ein Leben, und man sollte meinen, daß ein Film, der die Geschichte des vor anderthalb Jahren gestorbenen Musikers (F.A.Z. vom 12. Juni 2003) erzählen will, nichts anderes sein kann als eine Leidensgeschichte: The Passion of the Genius. Taylor Hackfords Film "Ray", tatsächlich der erste über das Genie, wie Charles genannt wurde, ist dies nicht geworden. Für einen Filmregisseur ist die Biographie einer bedeutenden Persönlichkeit eine reizvolle Sache; aber wenn die Biographie aus lauter Musik besteht, kann sie schnell heikel werden. Oliver Stones "Doors"-Film geriet trotz aller Virtuosität zu einem Dokument der Selbstgerechtigkeit, was vor allem am Infantilismus der sechziger Jahre lag, von dem Stone sich nicht distanzierte.
Hackford hat eine dankbarere Aufgabe. Ray Charles, Jahrgang 1930, begann seine Karriere in einer Zeit, die für Kindereien nichts übrig hatte. Wer etwas werden sollte, von dem waren Professionalität und Härte, Stilwillen und Beharrlichkeit gefordert. Für "Ray" hat das die Konsequenz, daß sein Zuschauer von dem, was man ihm an Idealen unterstellen möchte, verschont bleibt - Ray Charles hatte nie welche, und Taylor Hackford weiß das. Seine Hingabe an die Musik, auch eine Folge der Blindheit, übertraf die der meisten anderen Unterhaltungskünstler des zwanzigsten Jahrhunderts.
Um sie in ihrer sublimsten und zugleich zerstörerischsten Form zu erleben, sollte man sich Hackfords Film anschauen. "Ray" singt das bitter-herbe Lied von der Magie und Rücksichtslosigkeit des Genies ohne jede Beschönigung, die Ray Charles, der die Fertigstellung nicht mehr erlebte, sich auch verbeten haben soll. Im Vorspann sehen wir zwei schlanke Hände, die auf dem Elektroklavier den Anfang von "What'd I Say" spielen, Ray Charles' wichtigstem Lied, nicht nur wegen seiner nervös pulsierenden Art, sondern vor allem wegen seiner Funktion als Tabubruch. Der Song eröffnete Ende der fünfziger Jahre neue Dimensionen erotischer Mitteilung. Das Frage-Antwort-Spiel, das der Sänger mit seinem weiblichen Backgroundtrio "The Raeletts" - die so hießen, weil jede von ihnen den Meister erst einmal an sich ranlassen mußte - trieb, steigerte sich bis zur Atemlosigkeit und lud die Musik mit einer Energie auf, die religiösen Hörern als wenig heilig erschien. Der Bluessänger Big Bill Broonzy sagte damals: "Er hat eine gute Stimme, aber es ist eine Kirchenstimme; er sollte in der Kirche singen. Blues und Spirituals zu singen ist verwerflich." Der Film vermittelt die Tatsache, daß der Gescholtene anderer Meinung war, auf einleuchtende Weise: Ray Charles fragt seine nach dem Vorspiel entsetzte zukünftige Frau Della Bea (Kerry Washington), wie denn etwas so Natürliches wie die Liebe Sünde sein könne.
Im Jahr 1948 steht ein junger Mann, der gerade die Blindenschule absolviert hat, an einer Bushaltestelle irgendwo in Florida. Er will nach Seattle. Der Fahrer nimmt ihn erst mit, als der junge Mann ihn mit der Auskunft belügt, er habe sein Augenlicht beim Kriegseinsatz in der Normandie eingebüßt. Seine Blindheit mag Ray Charles stumpf gemacht haben gegen den Rassismus der Südstaaten. Aber später sehen wir, wie sich sein Fatalismus gegen die Schwarzenhasser kehrt. In Georgia sagt er ein Konzert ab, nachdem ihm Aktivisten ins Gewissen geredet haben, und wird mit lebenslangem Auftrittsverbot bestraft.
Schon in der allerersten Szene spürt man etwas von der Verwandlung eines Jungen mit extremer seelischer Belastung in einen Mann, der mehr will als das Leben und weiß, daß man dabei manche Rücksicht fahrenlassen muß. Diese Reifung geht schrittweise, aber unumkehrbar vor sich. Hackford fängt die Dialektik zwischen Leiden und Musik in zwingenden Momenten ein, in denen eine Vergangenheit durchscheint, die fast alles erklärt. Mehrmals sehen wir mit den blinden Augen des Musikers Wasser, ganz viel Wasser, aus dem die Gliedmaßen eines Kindes herausschauen: der Bruder im Wäschebottich, ein absurder Unfall, an dem die Umwelt dem einzigen Zeugen, der stumm daneben stand, die Schuld zu geben versucht. Aber Mutter Aretha (Sharon Warren) hält eisern zu Ray, dem sie beibringt, mit der Blindheit fertig zu werden. Als sie stirbt, ist Ray gestählt fürs Leben.
Die ersten Stationen absolviert er naiv, aber das Lehrgeld, das er an Leute zahlt, die sein Talent ausnutzen wollen, ist nicht umsonst. Irgendwann merkt er selbst, wie gut er ist, am Klavier und mit seiner Stimme, und dann steht auch schon Ahmet Ertegun (Curtis Armstrong) vor der Tür, der große Atlantic-Präsident, der ihn unter Vertrag nimmt und ihm einbleut: "Wenn Sie in Pennies denken, Mister Charles, werden Sie in Pennies bezahlt; wenn Sie aber in Dollars denken, werden Sie auch in Dollars bezahlt." Mit Liedern wie "Mess Around", "I Got A Woman" und "Hallelujah, I Love Her So" erfindet Ray Charles im Tonstudio den Soul und legt "das Bluesschema als Symbol des Eros bloß", wie ein Jazzkritiker damals schrieb. Dann, 1959, geht er zu ABC-Paramount, wo man ihm mehr zahlt und die Rechte an allen Masterbändern läßt - ein Privileg, das nicht einmal Sinatra genoß. Ray Charles wird mit Countryliedern, die vor Orchestersoße triefen, noch reicher, hat aber seiner Familie außer Geld wenig zu bieten. Der Mann, der am Klavier herumzappelt, kratzt sich unentwegt: Ray Charles hängt an der Nadel. Das Heroin, "King Heroin", wie James Brown es einmal nannte, hat ihn in seiner Gewalt.
Und hier, ein einziges Mal, dürfen wir durch einen Spalt hindurch einen Blick in die Dunkelheit tun, die den Musiker umgibt: "Weißt du, was es heißt, blind zu werden?" fragt er seine Frau, die ihn von der Droge abbringen will. In den Szenen des Entzugs wird Hackfords mit zweieinhalb Stunden keineswegs zu langer Film unversehens doch zur Passionsgeschichte. Danach ist Ray Charles nicht geläutert, aber er findet halbwegs seinen Frieden. Wie der aussieht, erfahren wir nicht mehr. "Ray" endet in den sechziger Jahren und springt einmal noch ins Jahr 1979: Am 7. März bittet das Parlament von Georgia Ray Charles um Verzeihung und erklärt seinen Hit "Georgia On My Mind" zur offiziellen Landeshymne. Und seine Frau erkennt, daß es richtig war, bei diesem Mann zu bleiben.
Jamie Foxx, der die Skepsis des Meisters erst allmählich überwand, spielt in "Ray"die Rolle seines Lebens, und wenn es bei der Oscarvergabe mit rechten Dingen zugeht, müßte man wenigstens ihm einen Preis geben. Foxx überläßt bei den mehr als drei Dutzend Songs, die einen atemberaubenden Soundtrack ergeben, das Singen klugerweise dem Original. Aber er hat sich, nach einer generalstabsmäßigen Vorbereitung, für die sonst nur Robert De Niro und Dustin Hoffman bekannt sind, Bewegung und Gestik des Musikers bis in die letzten Manieriertheiten hinein angeeignet.
Im amerikanischen Film gab es zwischen 1934 und 1967 den Hays Code, der die Handhabung von Gewalt und vor allem von Sexualität auf der Leinwand regelte. Es spricht viel für die These, daß der Code dem Kino ästhetisch eher genützt als geschadet hat. In der populären Musik gab es einen solchen Code nur als ungeschriebenes Gesetz - bis Ray Charles kam. Taylor Hackford ist es gelungen, Ray Charles auf sehr diskrete, aber ganz und gar unverlogene Weise einem Hays Code zu unterziehen. Er hat, mit einem Ernst, der selten geworden ist, dem großen, hemmungslosen Künstler ein Denkmal gesetzt, das selbst ein großes Kunstwerk ist.
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