Medien-Mogul William Parrish (Anthony Hopkins) besitzt alles - Erfolg, Geld und Macht. Kurz vor seinem 60. Geburtstag erhält er überraschenden Besuch von einem mysteriösen Fremden. Schon bald stellt sich heraus, dass der gutaussehende junge Mann (Brad Pitt) ein ganz besonderes Anliegen hat: Er ist der Tod in menschlicher Gestalt, gekommen, um Parrish ins Jenseits zu begleiten. Doch offenbar hat es "Joe Black", wie er fortan von seinem Gastgeber genannt wird, nicht besonders eilig - er bietet Parrish an, ihn so lange zu verschonen, wie es diesem gelingt, seinen ungebetenen Gast bei Laune zu halten. Der Todgeweihte willigt ein, in der Hoffnung, so sein Lebenswerk noch beenden zu können. Dass sich jedoch seine Tochter Susan (Claire Forlani) in Joe Black verliebt, macht Parrish die Einhaltung der Abmachung nicht gerade einfach. Zudem Joe Black nicht daran denkt, seine große Liebe auf Erden zurückzulassen ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.01.1999Der Tod macht blau
Sensenmann im Maßanzug: Martin Brest verschafft uns ein "Rendezvous mit Joe Black"
Seinen ersten Blick auf den Tod wirft Bill Parrish durch eine Milchglasscheibe in seiner Bibliothek. Eine solche Begegnung verheißt natürlich für das Fortleben keine wunderbaren Aussichten, deshalb würde der Multimillionär den Anblick der Erscheinung gern noch stundenlang weiter betrachten. Denn solange Mensch und Tod noch getrennt sind, und sei es durch eine opake Scheibe, so lange bleibt Hoffnung. Doch das schemenhafte Gesicht, das in der Verzerrung wie ein Totenschädel erscheint, bleibt nicht im Hintergrund; der Tod will in den Mittelpunkt. Und als er hinter der Scheibe hervortritt, hat er die Gestalt eines jungen Mannes: blond, blauäugig, bestgekleidet und seltsam unbeholfen.
Die Idealbesetzung für eine solche Rolle ist Brad Pitt, der blondeste, blauäugigste, bestgekleidete und seltsam unbeholfenste Schauspieler in Hollywood. In "Rendezvous mit Joe Black" spielt er die Hauptrolle: Joe Black, der Tod höchstpersönlich, der einen hübschen Körper aus der Leichenhalle hat mitgehen lassen, um einmal ein paar Tage blau zu machen. Bevor er Bill Parrish mit sich nehmen wird, engagiert er ihn als Reiseführer durch die fremde Welt der Lebenden. Man kann den Tod verstehen: Der Geschmack seines Opfers ist erlesen, an den Wänden hängen Rothkos und Kandinskys, und wer wollte nicht seinen Urlaub in möglichst luxuriöser Umgebung verbringen? Solange Joe Black seinen Spaß hat, wird der Millionär nicht sterben.
Das Überraschende an "Rendezvous mit Joe Black" ist, daß jetzt zwar ein Spiel um Leben und Tod entfesselt wird, aber nicht um Bill Parrish. Der hat sein Leben gelebt, genossen, was es zu genießen gibt, und ist bereit zu sterben. Doch er spielt um ein anderes Leben: das seiner Tochter Susan. Die verliebt sich in den Tod - und er sich in sie. Als erfolgreicher Unternehmer hat Parrish aber gleich zu Beginn des Besuchs von Joe Black mit diesem einen Handel abgeschlossen: Der Millionär wird seine Identität verschweigen, der Tod wird sich als Gegenleistung mit Vater Parrish allein begnügen. Die Liebe zu Susan bringt Joe Black aber hart an den Rand des Vertragsbruchs, und Bill Parrish muß erkennen, daß es Situationen gibt, in denen geschäftliche Absprachen keine Lösung garantieren.
Der Tod treibt ein Doppelspiel, und daraus erklärt sich seine Attraktivität. Das ist ein faszinierendes Thema, interessanter als all die Filme, die im letzten halben Jahr nach Antworten auf die Frage gesucht haben, was nach dem Tod passiert: "Stadt der Engel", "Hinter dem Horizont" und selbst "Harry außer sich". "Rendezvous mit Joe Black" fragt, was unmittelbar vor dem Tod passiert. Darin gleicht er Assi Dayans letztem Film "Die 92 Minuten des Herrn Baum", der Anfang Januar im Fernsehen gezeigt wurde. Doch wo Dayan eine schwarze Komödie schuf, nimmt Regisseur Martin Brest die Sache tierisch ernst, für ironische Seitenblicke bleibt in drei Stunden keine Zeit. Stur wie die Panzer steuern seine Figuren auf die letzten Fragen zu: Um Ehre und Erbe geht es, um Ehrlichkeit und Endlichkeit, um Ethos und Erkenntnis.
"Death takes a holiday", ein Spielfilm von 1934, hat Brest zu seinem Werk inspiriert. Auch dieses Vorbild besaß noch komödiantische Züge. "Rendezvous mit Joe Black" aber kommt mit so schwerem metaphysischen Ballast daher, daß der Film nie abheben kann, nie die Eleganz erreicht, die seine großartigen Dekors verheißen. Und am allerschwersten lastet das Gewicht auf Brad Pitt, der seinen Tod als reinen Toren anlegen soll, welcher erstmals die Wunder des Lebens erfährt. Wie konnte man das von Pitt erwarten? Mit einer einzigen Miene spielt er sich durch den Film, eine einzige Haltung nimmt er ein, ein einziges Klischee stolziert über die Leinwand. Was ist mit Martin Brest passiert, der vor sieben Jahren mit seinem "Duft der Frauen" bewiesen hat, daß er selbst bei einem schwachen Drehbuch fulminante Leistungen aus seinen Akteuren herausholen kann? Warum gelingt ihm das bei einem besseren Drehbuch nicht? Nicht einmal Anthony Hopkins erreicht gewohntes Niveau. Sein Bill Parrish verfügt zwar über eine Ausdrucksfülle, die sämtliche bisherigen Rollen Brad Pitts gemeinsam nicht erreicht haben, aber auch Hopkins kann nur einzelnen Szenen Glanz verleihen. In zu vielen paßt er sich den jungen Mitspielern an, die allein mit ihren Augen agieren wollen. So bestehen etliche Passagen aus stummen, gegengeschnittenen Großaufnahmen; Brest scheint zu glauben, daß tiefe Blicke auch Tiefgang garantieren. Darunter hat insbesondere Claire Forlani zu leiden, die in ihrer ersten großen Rolle Bill Parrishs Tochter verkörpert - und leider nicht mehr.
Sie leiht der Ärztin Susan ihre Schönheit, aber keine Seele. Die Entgeisterung der jungen Frau, als sie beginnt zu erkennen, auf wen sie sich eingelassen hat, hätte mehr Geist nötig gehabt. Susans Mißtrauen gegenüber diesem unbekannten Joe Black, der plötzlich an der Seite ihres Vaters auftaucht und wie ein intimer Freund an allen Familiendiners und jeder Vorstandssitzung in Parrishs Unternehmen teilnimmt, wächst im Gleichschritt mit der Liebe zu ihm, denn sie hat den jungen Mann gekannt, dessen Körper sich der Tod geborgt hat. Aber leider wächst das schauspielerische Potential von Claire Forlani nicht mit. Und ihre Szenen mit Brad Pitt sind lang, sehr lang. Und die Erotik bleibt kühl, sehr kühl.
Bemerkenswert ist, daß "Rendezvous mit Joe Black" trotz solchen mißglückten Darbietungen und seiner Überlänge fesselt. Zu verdanken ist das der ruhigen Inszenierung, die nur sparsame Musikakzente setzt und deshalb den emotionalen Ausbrüchen ihre Überraschung erhält. Auch die Nebendarsteller lösen einiges von dem ein, was die Hauptfiguren eigentlich versprochen hatten. Marcia Gay Harden als ältere, weniger geliebte Tochter und Jeffrey Tambor als braver Schwiegersohn und personifizierte Harmlosigkeit spielen mit Bravour, gerade weil sie keine Musterbilder abgeben müssen. Und das Finale, das Geburtstagsfest von Bill Parrish, das Joe Black als Zeitpunkt dessen Todes benennt, ist ein Feuerwerk in jeder Beziehung, eine Ballszene, deren Arrangement von großer Finesse ist. Da verdrückt sogar der Tod eine Träne ob all der Schönheit dieses Lebens und ringt sich zu einer großzügigen Geste durch. Das ist pathetisch, bisweilen kitschig, aber auch so muß Kino sein dürfen. Der Film gibt uns, was wir uns vielleicht insgeheim wünschen: Martin Brest läßt den Tod einen guten Mann sein. ANDREAS PLATTHAUS
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Sensenmann im Maßanzug: Martin Brest verschafft uns ein "Rendezvous mit Joe Black"
Seinen ersten Blick auf den Tod wirft Bill Parrish durch eine Milchglasscheibe in seiner Bibliothek. Eine solche Begegnung verheißt natürlich für das Fortleben keine wunderbaren Aussichten, deshalb würde der Multimillionär den Anblick der Erscheinung gern noch stundenlang weiter betrachten. Denn solange Mensch und Tod noch getrennt sind, und sei es durch eine opake Scheibe, so lange bleibt Hoffnung. Doch das schemenhafte Gesicht, das in der Verzerrung wie ein Totenschädel erscheint, bleibt nicht im Hintergrund; der Tod will in den Mittelpunkt. Und als er hinter der Scheibe hervortritt, hat er die Gestalt eines jungen Mannes: blond, blauäugig, bestgekleidet und seltsam unbeholfen.
Die Idealbesetzung für eine solche Rolle ist Brad Pitt, der blondeste, blauäugigste, bestgekleidete und seltsam unbeholfenste Schauspieler in Hollywood. In "Rendezvous mit Joe Black" spielt er die Hauptrolle: Joe Black, der Tod höchstpersönlich, der einen hübschen Körper aus der Leichenhalle hat mitgehen lassen, um einmal ein paar Tage blau zu machen. Bevor er Bill Parrish mit sich nehmen wird, engagiert er ihn als Reiseführer durch die fremde Welt der Lebenden. Man kann den Tod verstehen: Der Geschmack seines Opfers ist erlesen, an den Wänden hängen Rothkos und Kandinskys, und wer wollte nicht seinen Urlaub in möglichst luxuriöser Umgebung verbringen? Solange Joe Black seinen Spaß hat, wird der Millionär nicht sterben.
Das Überraschende an "Rendezvous mit Joe Black" ist, daß jetzt zwar ein Spiel um Leben und Tod entfesselt wird, aber nicht um Bill Parrish. Der hat sein Leben gelebt, genossen, was es zu genießen gibt, und ist bereit zu sterben. Doch er spielt um ein anderes Leben: das seiner Tochter Susan. Die verliebt sich in den Tod - und er sich in sie. Als erfolgreicher Unternehmer hat Parrish aber gleich zu Beginn des Besuchs von Joe Black mit diesem einen Handel abgeschlossen: Der Millionär wird seine Identität verschweigen, der Tod wird sich als Gegenleistung mit Vater Parrish allein begnügen. Die Liebe zu Susan bringt Joe Black aber hart an den Rand des Vertragsbruchs, und Bill Parrish muß erkennen, daß es Situationen gibt, in denen geschäftliche Absprachen keine Lösung garantieren.
Der Tod treibt ein Doppelspiel, und daraus erklärt sich seine Attraktivität. Das ist ein faszinierendes Thema, interessanter als all die Filme, die im letzten halben Jahr nach Antworten auf die Frage gesucht haben, was nach dem Tod passiert: "Stadt der Engel", "Hinter dem Horizont" und selbst "Harry außer sich". "Rendezvous mit Joe Black" fragt, was unmittelbar vor dem Tod passiert. Darin gleicht er Assi Dayans letztem Film "Die 92 Minuten des Herrn Baum", der Anfang Januar im Fernsehen gezeigt wurde. Doch wo Dayan eine schwarze Komödie schuf, nimmt Regisseur Martin Brest die Sache tierisch ernst, für ironische Seitenblicke bleibt in drei Stunden keine Zeit. Stur wie die Panzer steuern seine Figuren auf die letzten Fragen zu: Um Ehre und Erbe geht es, um Ehrlichkeit und Endlichkeit, um Ethos und Erkenntnis.
"Death takes a holiday", ein Spielfilm von 1934, hat Brest zu seinem Werk inspiriert. Auch dieses Vorbild besaß noch komödiantische Züge. "Rendezvous mit Joe Black" aber kommt mit so schwerem metaphysischen Ballast daher, daß der Film nie abheben kann, nie die Eleganz erreicht, die seine großartigen Dekors verheißen. Und am allerschwersten lastet das Gewicht auf Brad Pitt, der seinen Tod als reinen Toren anlegen soll, welcher erstmals die Wunder des Lebens erfährt. Wie konnte man das von Pitt erwarten? Mit einer einzigen Miene spielt er sich durch den Film, eine einzige Haltung nimmt er ein, ein einziges Klischee stolziert über die Leinwand. Was ist mit Martin Brest passiert, der vor sieben Jahren mit seinem "Duft der Frauen" bewiesen hat, daß er selbst bei einem schwachen Drehbuch fulminante Leistungen aus seinen Akteuren herausholen kann? Warum gelingt ihm das bei einem besseren Drehbuch nicht? Nicht einmal Anthony Hopkins erreicht gewohntes Niveau. Sein Bill Parrish verfügt zwar über eine Ausdrucksfülle, die sämtliche bisherigen Rollen Brad Pitts gemeinsam nicht erreicht haben, aber auch Hopkins kann nur einzelnen Szenen Glanz verleihen. In zu vielen paßt er sich den jungen Mitspielern an, die allein mit ihren Augen agieren wollen. So bestehen etliche Passagen aus stummen, gegengeschnittenen Großaufnahmen; Brest scheint zu glauben, daß tiefe Blicke auch Tiefgang garantieren. Darunter hat insbesondere Claire Forlani zu leiden, die in ihrer ersten großen Rolle Bill Parrishs Tochter verkörpert - und leider nicht mehr.
Sie leiht der Ärztin Susan ihre Schönheit, aber keine Seele. Die Entgeisterung der jungen Frau, als sie beginnt zu erkennen, auf wen sie sich eingelassen hat, hätte mehr Geist nötig gehabt. Susans Mißtrauen gegenüber diesem unbekannten Joe Black, der plötzlich an der Seite ihres Vaters auftaucht und wie ein intimer Freund an allen Familiendiners und jeder Vorstandssitzung in Parrishs Unternehmen teilnimmt, wächst im Gleichschritt mit der Liebe zu ihm, denn sie hat den jungen Mann gekannt, dessen Körper sich der Tod geborgt hat. Aber leider wächst das schauspielerische Potential von Claire Forlani nicht mit. Und ihre Szenen mit Brad Pitt sind lang, sehr lang. Und die Erotik bleibt kühl, sehr kühl.
Bemerkenswert ist, daß "Rendezvous mit Joe Black" trotz solchen mißglückten Darbietungen und seiner Überlänge fesselt. Zu verdanken ist das der ruhigen Inszenierung, die nur sparsame Musikakzente setzt und deshalb den emotionalen Ausbrüchen ihre Überraschung erhält. Auch die Nebendarsteller lösen einiges von dem ein, was die Hauptfiguren eigentlich versprochen hatten. Marcia Gay Harden als ältere, weniger geliebte Tochter und Jeffrey Tambor als braver Schwiegersohn und personifizierte Harmlosigkeit spielen mit Bravour, gerade weil sie keine Musterbilder abgeben müssen. Und das Finale, das Geburtstagsfest von Bill Parrish, das Joe Black als Zeitpunkt dessen Todes benennt, ist ein Feuerwerk in jeder Beziehung, eine Ballszene, deren Arrangement von großer Finesse ist. Da verdrückt sogar der Tod eine Träne ob all der Schönheit dieses Lebens und ringt sich zu einer großzügigen Geste durch. Das ist pathetisch, bisweilen kitschig, aber auch so muß Kino sein dürfen. Der Film gibt uns, was wir uns vielleicht insgeheim wünschen: Martin Brest läßt den Tod einen guten Mann sein. ANDREAS PLATTHAUS
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