Dr. Norman Spencer (Harrison Ford) und seine hübsche Frau Claire (Michelle Pfeiffer) sind das, was man ein Traumpaar nennen könnte und seit sie ihr neues Haus bezogen haben, scheint die Ehe nahezu perfekt. Doch die Fassade beginnt gefährlich zu bröckeln, als Claire plötzlich unheimliche Stimmen hört und eine mysteriöse Frauen-Erscheinung zu sehen glaubt. Als sie ihrem Mann davon erzählt, stempelt er ihre Ängste als verrückte Wahnvorstellung ab. Verzweifelt sucht sie nach einer Erklärung für die Vorkomnisse, doch je näher sie der grauenvollen Wahrheit kommt, desto deutlicher wird, daß sich dieser Geist nicht so einfach vertreiben lässt...
Bonusmaterial
- Kinotrailer - Biographien Crew - Kapitel- / Szenenanwahl - DVD-Menü mit Soundeffekten - Audio-Kommentar von Robert Zemeckis - Hinter-den-Kulissen-Featurette - ProduktionsnotizenFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.09.2000Die tote Frau im Spiegel
"Schatten der Wahrheit": Michelle Pfeiffer und Harrison Ford im Film von Robert Zemeckis
Eine Frau, die gerade aus der Badewanne gestiegen ist, steht vor dem Spiegel. Er ist beschlagen, so daß sie sich nicht einmal in Umrissen erkennen kann. Sie stellt den Fön an und richtet ihn auf das Glas. Im Nu kommt ihr Ebenbild zum Vorschein. Da gibt es einen Riesenknall. Die Sicherung ist herausgesprungen. Nachdem die Frau den Schreck überwunden hat, drückt sie sie wieder hinein und fönt weiter, bis der Spiegel klar ist und sie sich in ihm betrachten kann.
In der ersten Sequenz jagt der Film "What Lies Beneath", den der deutsche Verleih mit dem Titel "Schatten der Wahrheit" strafte, seiner Heldin und uns nur einen kleinen Schreck in der Morgenstunde ein. Oberflächlich betrachtet. Doch im Rückblick sieht man den Anfang mit ganz anderen Augen und versteht: Er schärft bereits den Blick für das, was knapp unter der Haut der Dinge liegt. Der Hauch, der verschwindet, ist wie ein Vorhang, der sich öffnet. Denn der Spiegel ist der Hauptschauplatz dieses Films, in Reflexionen kommt die Wahrheit zum Vorschein.
Als Claire Spencer (Michelle Pfeiffer) das nächste Mal ins Bad geht und sich über die Wanne beugt, sieht sie für einen kurzen Moment, wie sich neben ihr eine Frau im Wasser abzeichnet. Später, als sich die gleiche Szene in leichter Variation wiederholt und Claire verzweifelt ruft, was die Frau von ihr wolle, wendet sich die Heldin wieder dem Badezimmerspiegel zu und sieht, daß hinter ihrem Rücken jemand zwei Wörter in das beschlagene Glas geschrieben hat: "You know". Noch später, als sie nach einer Séance im Bad ihren Mann Norman (Harrison Ford) im Wohnzimmer verführen will und wie besessen scheint, öffnet sich die Haustür zum wiederholten Mal wie von Geisterhand, und das Bild einer Frau zeichnet sich im Spiegel der Garderobe ab: Claire sieht sich selbst ins Gesicht und erblickt doch eine andere Frau.
Am Anfang fliegt die Sicherung heraus, und der Film drückt sie erst nach zwei Dritteln seiner Laufzeit wieder hinein. Bis dahin läßt er seine Zuschauer im dunkeln tappen. "What Lies Beneath" ist kein Thriller und kein Horrorfilm, er kommt aus dem Zwischenreich der Genres, von dem kaum mehr geblieben ist als ein Schatten früherer Tage. Ein Geisterfilm über ein Haus, das von einer Untoten bewohnt wird und durch sie auf einmal wie belebt wirkt - im vergangenen Jahr hieß dieser Film "Das Geisterschloß". Er war eine entsetzlich eintönige Geisterbahnfahrt mit vielen Effekten, aber ohne Wirkung. In "What Lies Beneath" bewegt sich die Kamera von Don Burgess fast ohne Unterlaß, aber mit einer Langsamkeit und Ruhe, die im amerikanischen Mainstream-Kino äußerst rar geworden sind. Die Spannung hat endlich einmal wieder genug Zeit, sich aufzubauen - und es gibt keine Sicherung, die dafür stark genug wäre.
Die Kamera kriecht über den Boden, sie schleicht sich von hinten an Claire heran, sie kreist sie ein - Burgess und seinem Regisseur Robert Zemeckis gelingt es, uns wie ihre Heldin in einen Zustand ständigen Zwiespalts zu versetzen. Wir haben Angst, und zugleich nähern wir uns Claire, als wären wir selbst die ungreifbare Gefahr, die sie andauernd zu bedrohen scheint. Mehrere Minuten lange Szenen sind in einer Einstellung gefilmt, die Kamera wendet sich vorsichtig nach verschiedenen Seiten, die Schärfe verlagert sich immer wieder in die Tiefe des Raums und schafft so ein Gefühl für die Allgegenwart einer Bedrohung, die in jeder Ecke lauert. Und wenn die Kamera einmal stillsteht, sind wir ganz Ohr für die Tonspuren, die das Jenseits im Diesseits hinterläßt. Seit langer Zeit hat das Rauschen der Blätter im Wind nicht mehr so furchteinflößend geklungen wie in diesem Film.
Zemeckis und seine Autoren streuen Filmzitate in die Handlung ein wie Indizien, die uns auf die falsche Fährte führen sollen. Zunächst glaubt Claire, beobachtet zu haben, wie ihr neuer Nachbar seine Frau ermordet hat. Nachdem das Fenster geschlossen ist, durch das wir einen Rückblick auf "Rear Window" warfen, glauben wir im Widerschein des Wassers in der Badewanne "Die Teuflischen" zu erkennen: einen Mann, der zusammen mit seiner Geliebten die eigene Frau durch nur vorgespielte Geistererscheinungen in den Wahnsinn treiben will. Und nachdem das Wasser schließlich aus der Wanne gelassen wurde, werfen wir noch einmal einen Blick in den Badezimmerspiegel: Darin erschien doch in "Fatal Attraction" Glenn Close als eifersüchtige Geliebte, die einem Ehepaar schwer zusetzte, oder nicht? Diese Anspielungen geben uns auch die rationalen Erklärungsmuster an die Hand, mit denen wir zu verstehen versuchen, was wir in "What Lies Beneath" sehen. Doch nachdem sie nacheinander versagen, müssen wir uns eingestehen: Hier spukt es wirklich. Aber warum? Welcher Geist findet hier keine Ruhe, was ist der Grund seiner Erscheinungen?
Gezielt schüren die Bilder den Verdacht gegen Claires Ehemann. Zu Beginn des Films steht sie am Fenster. Von links greift eine Hand nach ihr ins Bild - es ist Norman, der sie zärtlich berührt. Später, in der Dunkelheit, als sie an der gleichen Stelle steht, glaubt sie, der Mörder von nebenan sei in ihr Haus eingedrungen. Sie dreht sich um und bekommt einen Riesenschreck: Norman steht direkt hinter ihr. Sofort danach fahren die beiden zum Abendessen. Norman ist im Rückspiegel zu sehen, Claire schminkt sich im Spiegel über dem Beifahrersitz - diese kunstvolle Einstellung ist als visuelles Pendant zum Bild der beiden Frauen im Wasser der Badewanne komponiert. Und ganz am Ende, als Claire voller Panik mit dem Wagen flüchtet, taucht in ihrem Rücken hinter der Scheibe plötzlich Norman auf - wie die tote Frau, deren Gesicht Claire für einen kurzen Moment aus der Tiefe eines Sees hervorschimmern sah. Doch ist es wirklich Norman? Oder nur eine Erscheinung?
LARS-OLAV BEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Schatten der Wahrheit": Michelle Pfeiffer und Harrison Ford im Film von Robert Zemeckis
Eine Frau, die gerade aus der Badewanne gestiegen ist, steht vor dem Spiegel. Er ist beschlagen, so daß sie sich nicht einmal in Umrissen erkennen kann. Sie stellt den Fön an und richtet ihn auf das Glas. Im Nu kommt ihr Ebenbild zum Vorschein. Da gibt es einen Riesenknall. Die Sicherung ist herausgesprungen. Nachdem die Frau den Schreck überwunden hat, drückt sie sie wieder hinein und fönt weiter, bis der Spiegel klar ist und sie sich in ihm betrachten kann.
In der ersten Sequenz jagt der Film "What Lies Beneath", den der deutsche Verleih mit dem Titel "Schatten der Wahrheit" strafte, seiner Heldin und uns nur einen kleinen Schreck in der Morgenstunde ein. Oberflächlich betrachtet. Doch im Rückblick sieht man den Anfang mit ganz anderen Augen und versteht: Er schärft bereits den Blick für das, was knapp unter der Haut der Dinge liegt. Der Hauch, der verschwindet, ist wie ein Vorhang, der sich öffnet. Denn der Spiegel ist der Hauptschauplatz dieses Films, in Reflexionen kommt die Wahrheit zum Vorschein.
Als Claire Spencer (Michelle Pfeiffer) das nächste Mal ins Bad geht und sich über die Wanne beugt, sieht sie für einen kurzen Moment, wie sich neben ihr eine Frau im Wasser abzeichnet. Später, als sich die gleiche Szene in leichter Variation wiederholt und Claire verzweifelt ruft, was die Frau von ihr wolle, wendet sich die Heldin wieder dem Badezimmerspiegel zu und sieht, daß hinter ihrem Rücken jemand zwei Wörter in das beschlagene Glas geschrieben hat: "You know". Noch später, als sie nach einer Séance im Bad ihren Mann Norman (Harrison Ford) im Wohnzimmer verführen will und wie besessen scheint, öffnet sich die Haustür zum wiederholten Mal wie von Geisterhand, und das Bild einer Frau zeichnet sich im Spiegel der Garderobe ab: Claire sieht sich selbst ins Gesicht und erblickt doch eine andere Frau.
Am Anfang fliegt die Sicherung heraus, und der Film drückt sie erst nach zwei Dritteln seiner Laufzeit wieder hinein. Bis dahin läßt er seine Zuschauer im dunkeln tappen. "What Lies Beneath" ist kein Thriller und kein Horrorfilm, er kommt aus dem Zwischenreich der Genres, von dem kaum mehr geblieben ist als ein Schatten früherer Tage. Ein Geisterfilm über ein Haus, das von einer Untoten bewohnt wird und durch sie auf einmal wie belebt wirkt - im vergangenen Jahr hieß dieser Film "Das Geisterschloß". Er war eine entsetzlich eintönige Geisterbahnfahrt mit vielen Effekten, aber ohne Wirkung. In "What Lies Beneath" bewegt sich die Kamera von Don Burgess fast ohne Unterlaß, aber mit einer Langsamkeit und Ruhe, die im amerikanischen Mainstream-Kino äußerst rar geworden sind. Die Spannung hat endlich einmal wieder genug Zeit, sich aufzubauen - und es gibt keine Sicherung, die dafür stark genug wäre.
Die Kamera kriecht über den Boden, sie schleicht sich von hinten an Claire heran, sie kreist sie ein - Burgess und seinem Regisseur Robert Zemeckis gelingt es, uns wie ihre Heldin in einen Zustand ständigen Zwiespalts zu versetzen. Wir haben Angst, und zugleich nähern wir uns Claire, als wären wir selbst die ungreifbare Gefahr, die sie andauernd zu bedrohen scheint. Mehrere Minuten lange Szenen sind in einer Einstellung gefilmt, die Kamera wendet sich vorsichtig nach verschiedenen Seiten, die Schärfe verlagert sich immer wieder in die Tiefe des Raums und schafft so ein Gefühl für die Allgegenwart einer Bedrohung, die in jeder Ecke lauert. Und wenn die Kamera einmal stillsteht, sind wir ganz Ohr für die Tonspuren, die das Jenseits im Diesseits hinterläßt. Seit langer Zeit hat das Rauschen der Blätter im Wind nicht mehr so furchteinflößend geklungen wie in diesem Film.
Zemeckis und seine Autoren streuen Filmzitate in die Handlung ein wie Indizien, die uns auf die falsche Fährte führen sollen. Zunächst glaubt Claire, beobachtet zu haben, wie ihr neuer Nachbar seine Frau ermordet hat. Nachdem das Fenster geschlossen ist, durch das wir einen Rückblick auf "Rear Window" warfen, glauben wir im Widerschein des Wassers in der Badewanne "Die Teuflischen" zu erkennen: einen Mann, der zusammen mit seiner Geliebten die eigene Frau durch nur vorgespielte Geistererscheinungen in den Wahnsinn treiben will. Und nachdem das Wasser schließlich aus der Wanne gelassen wurde, werfen wir noch einmal einen Blick in den Badezimmerspiegel: Darin erschien doch in "Fatal Attraction" Glenn Close als eifersüchtige Geliebte, die einem Ehepaar schwer zusetzte, oder nicht? Diese Anspielungen geben uns auch die rationalen Erklärungsmuster an die Hand, mit denen wir zu verstehen versuchen, was wir in "What Lies Beneath" sehen. Doch nachdem sie nacheinander versagen, müssen wir uns eingestehen: Hier spukt es wirklich. Aber warum? Welcher Geist findet hier keine Ruhe, was ist der Grund seiner Erscheinungen?
Gezielt schüren die Bilder den Verdacht gegen Claires Ehemann. Zu Beginn des Films steht sie am Fenster. Von links greift eine Hand nach ihr ins Bild - es ist Norman, der sie zärtlich berührt. Später, in der Dunkelheit, als sie an der gleichen Stelle steht, glaubt sie, der Mörder von nebenan sei in ihr Haus eingedrungen. Sie dreht sich um und bekommt einen Riesenschreck: Norman steht direkt hinter ihr. Sofort danach fahren die beiden zum Abendessen. Norman ist im Rückspiegel zu sehen, Claire schminkt sich im Spiegel über dem Beifahrersitz - diese kunstvolle Einstellung ist als visuelles Pendant zum Bild der beiden Frauen im Wasser der Badewanne komponiert. Und ganz am Ende, als Claire voller Panik mit dem Wagen flüchtet, taucht in ihrem Rücken hinter der Scheibe plötzlich Norman auf - wie die tote Frau, deren Gesicht Claire für einen kurzen Moment aus der Tiefe eines Sees hervorschimmern sah. Doch ist es wirklich Norman? Oder nur eine Erscheinung?
LARS-OLAV BEIER
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