Technische Angaben:
Bildformat: 4:3, 16:9 anamorph (1.85:1)
Sprache / Tonformat: Deutsch, Englisch (Mono)
Untertitel: Deutsch
Ländercode: 2
Extras: Dt. und USA Kinotrailer, Biografien und Filmografien, Interview mit Woddy Allen u. a.
Bildformat: 4:3, 16:9 anamorph (1.85:1)
Sprache / Tonformat: Deutsch, Englisch (Mono)
Untertitel: Deutsch
Ländercode: 2
Extras: Dt. und USA Kinotrailer, Biografien und Filmografien, Interview mit Woddy Allen u. a.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - Fotogalerie - FilmografienFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2000Kekse!
Das amerikanische Volk ist ein Krümelmonster: "Schmalspurganoven" von und mit Woody Allen
Wenigstens eine gute Nachricht für Al Gore. Wäre Ray Winkler der Bankraub geglückt, wäre er mit seiner Frau Frenchy von New York nach Florida ausgewandert. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte er, seiner Tellerwäschervergangenheit eingedenk, auch als Millionär demokratisch wählen wollen, doch mit absoluter Sicherheit hätte er das falsche Loch ausgestanzt. Er hat schließlich auch das Loch für den Tunnel, der ihn aus dem Keller unter Frenchys Keksladen in den Keller der Bank bringen sollte, dort gebohrt, wo die Hauptwasserleitung verläuft. Und er ist schließlich, als der Tunnel um die Wasserleitung herum gegraben worden war, nicht in der Bank ans Tageslicht gekommen, sondern in einer Damenboutique. Müßte der Film als ganzer aber nicht eher George W. Bush erheitern? Oder genauer gesagt die Bush-Anhänger? Denn ihr Chef, oder genauer gesagt: ihr Juniorchef, wäre vielleicht nicht helle genug, um den Witz zu kapieren. Was nicht heißt, daß er nicht Präsident werden darf. Das ist eben gerade der Witz! Verbrechen zahlt sich nicht aus für Woody Allens "Schmalspurganoven" ("Small Time Crooks"), aber was sich auszahlt, was seinen Mann besser nährt als Ölaktien, Baseballmannschaften und Spenden von Politischen Aktionskomitees, ist Dummheit.
Der dilettantischste Einbruch seit Watergate bringt Ray und seine Kumpels nicht ins Gefängnis, denn der Polizist, der sich an ihre Fersen geheftet hat, kriecht nur deshalb durch den Tunnel, weil er mit ihnen Monopoly spielen will. Wieso eine Bank knacken, wenn sich der Keksverkauf, eigentlich nur als ehrbare Fassade gedacht, längst als Lizenz zum Gelddrucken entpuppt hat? Kilometerweit stehen die Hungrigen an, so daß man sich wundert, daß Bürgermeister Giuliani den Laden noch nicht wegen Beeinträchtigung des Straßenverkehrs dichtgemacht hat. Er wolle einsteigen, sagt der Polizist in der Damenboutique, und was er einzubringen habe, sei ein einziges Wort. Die Bandenmitglieder sind sprachlos. Sie sind Verbrecher, sie geben sich nicht mit Worten ab, mögen sie meinen. Dabei ist das Gegenteil richtig: Obwohl alles Volkshochschulwissen von Bewährungshelfern an diese gestrauchelten Brüder verschwendet wäre, machen sie zu viele Worte. Ein guter Gedanke wäre ihnen nicht gut genug, sie baldowern eine günstige Gelegenheit zum Geldverdienen aus, schmieden einen Plan, der viel zu kompliziert ist für diese einfache Welt. Wie laute denn nun dieses einzige Wort? "Franchise."
Das ist ein fabelhaft herausgespielter Moment; der Regisseur hat ein so perfektes Zeitgefühl, daß er gewiß jeden Bankräubertrupp zum Erfolg geführt hätte. Der Vorhang fällt, der erste Akt ist zu Ende, und es beginnt scheinbar ein neuer Film. Die Pause füllt ein Fernsehbericht über die Früchte des Franchise-Plans: Die massenproduzierten handgemachten Kekse fressen alle Konkurrenten auf. Alle Komplizen haben Vorstandssitze bekommen, und Rays früherer Zellennachbar, der den Laden ursprünglich gemietet hatte, weil er ihn niederbrennen wollte, erklärt vor der Kamera, als Sicherheitsbeauftragter habe er sich zuerst um den Brandschutz gekümmert. Wenn man einen Einwand hat gegen diesen wunderbaren kleinen Film, dann ist es das Bedauern über den Eintritt der Nebendarsteller in den Vorruhestand. Am Ende, als noch einmal ein Safe ausgenommen werden soll, hätten sie ihrem Freund durchaus noch einmal ihre linken Hände leihen können.
Aber in der Mitte des Films ist die Gaunerkomödie erst einmal vorbei, und es beginnt ein weiteres Stück aus einem klassischen amerikanischen Genre: eine Neureichenkomödie. Ray, der jede List einsetzt, um sich wieder den simplen Genüssen ergeben zu können, und Frenchy, die ihn erziehen will, erinnern an Jiggs und Maggie aus der Comicserie "Bringing up Father" von George McManus. Frenchy, deren intellektuelle Bedürfnisse bislang vom Home Shopping Channel befriedigt wurden, möchte sich nun auch Kultur kaufen. Aber welches Vermögen hätte sie, das sich kultivieren ließe? Ihr braucht niemand zu sagen, daß Biskuitteig zart wie Zephirgesäusel sein muß. Nicht, weil sie die Vokabel Zephir ihrem Wortschatz nicht einfügen könnte; allerdings würde es bei ihrer Methode, das Wörterbuch von Buchstabe zu Buchstabe zu memorieren, einige Zeit dauern, bis sie bei Z angekommen wäre. Nein, sie weiß gar nicht, wie man Biskuitteig backt. Sie weiß noch nicht einmal, wie man Kekse backt. Sie kann es einfach, rein zufällig, wie sie ebenso zufällig nur Fleischklopse kochen kann. Das Zusammengewürfelte ist ihr Element, das Gegenteil der Kultur. Aber in der Stadt, die ein einziger Schmelztiegel ist, ist die Barbarin nicht die Fremde, sind die Gebildeten, die über sie lächeln, allesamt Kolonialherren wie der englische Kunsthändler (Hugh Grant), der für Frenchy den Henry Higgins gibt. Das amerikanische Volk wird nie ein Volk von Museumsbesuchern werden, denn es ist ein Krümelmonster.
Tracey Ullmans Frenchy ist urkomisch, weil sie urtümlich ist: eine Instinktsperson, die der Kultur nicht bedarf, weil sie unwillkürlich richtig urteilt, das Kind der Wildnis mitten in New York. Aber ist der Mensch nicht das Mängelwesen, das den Verstand hat, weil ihm die Instinkte fehlen? Woody Allens Komödie zeigt uns eine perfekte Welt, in der auch das mangelhafteste Wesen von der unsichtbaren Hand des Schöpfers getragen wird. Es hat etwas Rührendes, diesen reinen Toren zuzusehen, denen jede Dummheit zum Guten ausschlägt. In "Deconstructing Harry" und "Celebrity" ist Woody Allen dem Verdacht nachgegangen, die Person sei nur das Produkt von Reflexionen und Projektionen. Bei diesem Blick in den Vexierspiegel drohte seine Identität als Künstler fast verlorenzugehen. Sein neuestes Werk ist nun eine Apologie der Naivität. Der Träumer mit schlichtem Gemüt, den er spielt, ist der reichste Mann der Welt. Ray muß keine Bank ausrauben, denn er hat gar keine Bedürfnisse. Das zeigt die erste Szene: In einem übervollen Süßwarengeschäft fragt er nach Pralinen, von feinen Unterschieden hat er keinen Schimmer. Das Weltbild eines düsteren Films wie "Verbrechen und andere Kleinigkeiten" wird von diesem funkelnden Kabinettstück nicht dementiert. Dort ist der Augenarzt ein Mörder, hier der Unschuldige blind.
PATRICK BAHNERS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das amerikanische Volk ist ein Krümelmonster: "Schmalspurganoven" von und mit Woody Allen
Wenigstens eine gute Nachricht für Al Gore. Wäre Ray Winkler der Bankraub geglückt, wäre er mit seiner Frau Frenchy von New York nach Florida ausgewandert. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte er, seiner Tellerwäschervergangenheit eingedenk, auch als Millionär demokratisch wählen wollen, doch mit absoluter Sicherheit hätte er das falsche Loch ausgestanzt. Er hat schließlich auch das Loch für den Tunnel, der ihn aus dem Keller unter Frenchys Keksladen in den Keller der Bank bringen sollte, dort gebohrt, wo die Hauptwasserleitung verläuft. Und er ist schließlich, als der Tunnel um die Wasserleitung herum gegraben worden war, nicht in der Bank ans Tageslicht gekommen, sondern in einer Damenboutique. Müßte der Film als ganzer aber nicht eher George W. Bush erheitern? Oder genauer gesagt die Bush-Anhänger? Denn ihr Chef, oder genauer gesagt: ihr Juniorchef, wäre vielleicht nicht helle genug, um den Witz zu kapieren. Was nicht heißt, daß er nicht Präsident werden darf. Das ist eben gerade der Witz! Verbrechen zahlt sich nicht aus für Woody Allens "Schmalspurganoven" ("Small Time Crooks"), aber was sich auszahlt, was seinen Mann besser nährt als Ölaktien, Baseballmannschaften und Spenden von Politischen Aktionskomitees, ist Dummheit.
Der dilettantischste Einbruch seit Watergate bringt Ray und seine Kumpels nicht ins Gefängnis, denn der Polizist, der sich an ihre Fersen geheftet hat, kriecht nur deshalb durch den Tunnel, weil er mit ihnen Monopoly spielen will. Wieso eine Bank knacken, wenn sich der Keksverkauf, eigentlich nur als ehrbare Fassade gedacht, längst als Lizenz zum Gelddrucken entpuppt hat? Kilometerweit stehen die Hungrigen an, so daß man sich wundert, daß Bürgermeister Giuliani den Laden noch nicht wegen Beeinträchtigung des Straßenverkehrs dichtgemacht hat. Er wolle einsteigen, sagt der Polizist in der Damenboutique, und was er einzubringen habe, sei ein einziges Wort. Die Bandenmitglieder sind sprachlos. Sie sind Verbrecher, sie geben sich nicht mit Worten ab, mögen sie meinen. Dabei ist das Gegenteil richtig: Obwohl alles Volkshochschulwissen von Bewährungshelfern an diese gestrauchelten Brüder verschwendet wäre, machen sie zu viele Worte. Ein guter Gedanke wäre ihnen nicht gut genug, sie baldowern eine günstige Gelegenheit zum Geldverdienen aus, schmieden einen Plan, der viel zu kompliziert ist für diese einfache Welt. Wie laute denn nun dieses einzige Wort? "Franchise."
Das ist ein fabelhaft herausgespielter Moment; der Regisseur hat ein so perfektes Zeitgefühl, daß er gewiß jeden Bankräubertrupp zum Erfolg geführt hätte. Der Vorhang fällt, der erste Akt ist zu Ende, und es beginnt scheinbar ein neuer Film. Die Pause füllt ein Fernsehbericht über die Früchte des Franchise-Plans: Die massenproduzierten handgemachten Kekse fressen alle Konkurrenten auf. Alle Komplizen haben Vorstandssitze bekommen, und Rays früherer Zellennachbar, der den Laden ursprünglich gemietet hatte, weil er ihn niederbrennen wollte, erklärt vor der Kamera, als Sicherheitsbeauftragter habe er sich zuerst um den Brandschutz gekümmert. Wenn man einen Einwand hat gegen diesen wunderbaren kleinen Film, dann ist es das Bedauern über den Eintritt der Nebendarsteller in den Vorruhestand. Am Ende, als noch einmal ein Safe ausgenommen werden soll, hätten sie ihrem Freund durchaus noch einmal ihre linken Hände leihen können.
Aber in der Mitte des Films ist die Gaunerkomödie erst einmal vorbei, und es beginnt ein weiteres Stück aus einem klassischen amerikanischen Genre: eine Neureichenkomödie. Ray, der jede List einsetzt, um sich wieder den simplen Genüssen ergeben zu können, und Frenchy, die ihn erziehen will, erinnern an Jiggs und Maggie aus der Comicserie "Bringing up Father" von George McManus. Frenchy, deren intellektuelle Bedürfnisse bislang vom Home Shopping Channel befriedigt wurden, möchte sich nun auch Kultur kaufen. Aber welches Vermögen hätte sie, das sich kultivieren ließe? Ihr braucht niemand zu sagen, daß Biskuitteig zart wie Zephirgesäusel sein muß. Nicht, weil sie die Vokabel Zephir ihrem Wortschatz nicht einfügen könnte; allerdings würde es bei ihrer Methode, das Wörterbuch von Buchstabe zu Buchstabe zu memorieren, einige Zeit dauern, bis sie bei Z angekommen wäre. Nein, sie weiß gar nicht, wie man Biskuitteig backt. Sie weiß noch nicht einmal, wie man Kekse backt. Sie kann es einfach, rein zufällig, wie sie ebenso zufällig nur Fleischklopse kochen kann. Das Zusammengewürfelte ist ihr Element, das Gegenteil der Kultur. Aber in der Stadt, die ein einziger Schmelztiegel ist, ist die Barbarin nicht die Fremde, sind die Gebildeten, die über sie lächeln, allesamt Kolonialherren wie der englische Kunsthändler (Hugh Grant), der für Frenchy den Henry Higgins gibt. Das amerikanische Volk wird nie ein Volk von Museumsbesuchern werden, denn es ist ein Krümelmonster.
Tracey Ullmans Frenchy ist urkomisch, weil sie urtümlich ist: eine Instinktsperson, die der Kultur nicht bedarf, weil sie unwillkürlich richtig urteilt, das Kind der Wildnis mitten in New York. Aber ist der Mensch nicht das Mängelwesen, das den Verstand hat, weil ihm die Instinkte fehlen? Woody Allens Komödie zeigt uns eine perfekte Welt, in der auch das mangelhafteste Wesen von der unsichtbaren Hand des Schöpfers getragen wird. Es hat etwas Rührendes, diesen reinen Toren zuzusehen, denen jede Dummheit zum Guten ausschlägt. In "Deconstructing Harry" und "Celebrity" ist Woody Allen dem Verdacht nachgegangen, die Person sei nur das Produkt von Reflexionen und Projektionen. Bei diesem Blick in den Vexierspiegel drohte seine Identität als Künstler fast verlorenzugehen. Sein neuestes Werk ist nun eine Apologie der Naivität. Der Träumer mit schlichtem Gemüt, den er spielt, ist der reichste Mann der Welt. Ray muß keine Bank ausrauben, denn er hat gar keine Bedürfnisse. Das zeigt die erste Szene: In einem übervollen Süßwarengeschäft fragt er nach Pralinen, von feinen Unterschieden hat er keinen Schimmer. Das Weltbild eines düsteren Films wie "Verbrechen und andere Kleinigkeiten" wird von diesem funkelnden Kabinettstück nicht dementiert. Dort ist der Augenarzt ein Mörder, hier der Unschuldige blind.
PATRICK BAHNERS
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