Ex-Gangster Gal hat seine Mafiakarriere an den Nagel gehängt und genießt mit seiner Frau, einem ehemaligen Pornostar, das süße Leben an der spanischen Costa del Sol. Doch die Schatten der Vergangenheit holen ihn ein: Die Bosse in London planen einen Riesencoup und Gal soll unbedingt dabei sein. Um ihm klar zu machen, daß er keine Wahl hat, schicken sie den übelsten Psychopathen der Londoner Unterwelt nach Spanien: Don Logan, bei dessen Erwähnung auch die härtesten Jungs butterweiche Knie bekommen.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Trailer von anderen Filmen - Kapitel- / Szenenanwahl - Hinter den Kulissen - Interviews - Portraits - nicht verwendete SzeneFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.2002Die Kraft der zwei Herzen
Auch Synthetik kann schön sein: Jonathan Glazers Regiedebüt "Sexy Beast" im Kino
Der erste Blick blendet, und man kann das ruhig wörtlich nehmen. Die weißglühende Sonne scheint von der Leinwand ins Gesicht, und man teilt diesen Blick mit dem Mann, der da auf seinem Liegestuhl liegt; er rührt sich nicht, er schwitzt, er brutzelt so lange vor sich hin, daß man glaubt, gleich werde das Fett aus allen Poren treten und er samt seiner gelben Badehose schrumpfen, obwohl er versucht, seine Hoden mit Eiswürfeln zu kühlen. Eine Aufsicht ist das, in rötlichem Braun auf hartem Weiß, als wäre David Hockney auf die irrwitzige Idee verfallen, Proletarierszenen an der Costa del Sol zu malen. Eine Schachtel Zigaretten liegt daneben, ein Getränk, ein Feuerzeug, und dazu hämmert "Peaches" von den Stranglers .
Gal, dem Ray Winstone eine fleischige Präsenz verleiht, könnte einer jener Briten sein, die aus den Wohnküchen eines Mike-Leigh- oder Ken-Loach-Films aufgebrochen sind, um an spanischen Küsten mit deutschen Touristen bis aufs letzte Handtuch zu kämpfen. Doch Gal ist ein Safeknacker im Vorruhestand, der sich eine kleine Hacienda leisten kann, samt jugendlicher Haushaltshilfe und einem Pool, auf dessen Grund zwei rote Herzen einander überlappen. Die Geschmacksfrage ist damit geklärt, und es überrascht daher auch nicht, daß Gals Frau Deedee sich vor Jahren aus dem Pornofilmgeschäft zurückzog.
Auch die Geschichte sieht zunächst so aus, als habe man sie schon vor ein paar Jahren aus dem Repertoire genommen: Ein Gauner wird für einen letzten Coup mobilisiert, und das muß natürlich schiefgehen. Doch was "Sexy Beast" daraus macht, mag zwar schräg sein, aber schief geht es nicht. Zwei Drittel der Zeit gehen dafür drauf, Gal, seine Frau, beider Freunde und aller Nemesis zu zeigen; der Coup selbst gerät absurd kurz, und man fragt sich, wenn die Einbrechertruppe über ein benachbartes Dampfbad in den High-Tech-Tresorraum eindringt, warum sie dafür tauchen und unter Wasser Schwerstarbeit verrichten müssen, anstatt einfach das Wasser abzulassen. Das Schöne daran ist, daß der Film diese Fragen aufzudrängen scheint und sie nur mit einem Achselzucken beantwortet: Darum geht es hier nicht. Auch warum er "Sexy Beast" heißt, ist eine sehr nachgeordnete Frage. Wer denn nun dieses "Sexy Beast" sein soll, das muß man nicht wissen. "Alle", sagt der Regisseur, und damit darf man auch zufrieden sein.
Jonathan Glazer hat bislang mit großem Erfolg in England Musikvideos und Werbespots gedreht, und Jeremy Thomas, eine der wenigen Produzentenfiguren des europäischen Kinos, hat ihn bei seinem ersten Spielfilm betreut. Glazer kann mit Musik umgehen und mit Stille, er kann die Dinge so zeigen, daß man sie kaufen möchte, und er hat diese beiden Fähigkeiten so eingesetzt, als wolle er jetzt die Zielgruppe seiner Spots zu deren Hauptdarstellern machen. Der Glanz der Models ist verschwunden, die Gesichter haben Falten, Pickel und Hautunebenheiten, sie sind alles andere als glamourös. Und sie haben Sorgen, als ein gewisser Don anruft. Schon der Anruf stört die Siesta-Stimmung, und Dons Auftreten verwandelt sie in eine Hölle, gegen deren Feuer Gals Sonnenbad erfrischend wirkt.
Ben Kingsley ist die unwahrscheinlichste Besetzung für Don Logan, was nicht nur daran liegt, daß er einst als sanftmütiger "Gandhi" einen Oscar gewann. Die Academy in Hollywood läßt sich davon leicht beeindrucken, wenn einer vom Pazifisten zum gemeingefährlichen Psychopathen wird. Deshalb war Kingsley auch in diesem Jahr in der Kategorie "bester Nebendarsteller" nominiert. Gewonnen aber hat er erst jetzt, weil es ein Vergnügen ist, seinem Vergnügen an dieser Rolle zuzusehen. Er bleibt diszipliniert noch dort, wo er beinahe chargiert. Dem Zuschauer zwinkert zwar Gandhis Geist zu, doch die Wirkung dieses Don auf die friedlichen Ruheständler ist verheerend und mühelos spürbar.
Schon bevor er auftaucht, ersterben ihre kleinen Freuden und Gespräche, die Calamari im Lieblingsrestaurant schmecken nicht mehr, und Ray Winstone, der immerhin schon in "The War Zone" und "Nil by Mouth" ein ekelhaft brutaler Familienvater und -tyrann war, duckt sich wie ein Schuljunge, kneift ängstlich die Schweinsäuglein zusammen, weil selbst einem abgebrühten Gangster wie ihm unheimlich wird, wenn Logan ihn für den Job rekrutieren will und sich dabei von keiner Widerrede irritieren läßt. Logans pures Soziopathentum irritiert alle, und wenn er und Gal auf der Terrasse voreinander stehen, jeder eine Bierflasche auf Hüfthöhe, dann sieht das aus wie ein Duell, bei dem klar ist, wer zuerst ziehen wird. Doch auch dieser Eindruck kann einen blenden, weil in diesem Film wenig so läuft, wie man es erwarten würde.
"Sexy Beast" ist ein Genrefilm, der mit dem Genre spielt, der in seinen Grenzen bleibt und sie nicht dekonstruiert, auch wenn dieser Umgang mit Versatzstücken und Formaten kaum möglich wäre ohne die einschlägigen Vorarbeiten eines Quentin Tarantino. "Sexy Beast" ist insofern ein vollsynthetisches Produkt, weil der Film seine Gesten und Standardsituationen ausnahmslos aus dem Kino bezieht, weil er die dramaturgischen Proportionen verschiebt, weil er gewissermaßen in den Kurven beschleunigt und auf der Geraden abbremst. Doch der entscheidende Unterschied zu all den Tarantino-Epigonen und sonstigen kleinen Dekonstrukteuren liegt darin, daß die Figuren nicht zu wandelnden Zitaten werden. Kingsleys Don Logan mag ein Psychopath aus dem Kinobilderbuch sein; die beiden Frührentner-Paare jedoch, vor allem Deedee und Gal, sind so plastisch und in ihrer veredelten Prol-Existenz so glaubwürdig, daß die Kunstfaser aussieht wie reine Schurwolle. Am Ende ist Gals Pool, den anfangs ein Felsbrocken demoliert hat, wieder repariert, die romantisch miteinander verbundenen Herzen ruhen auf dem Grund, ganz nach dem Geschmack der beiden Ruheständler, die vielleicht wenig Geschmack haben mögen, sich aber auf eine Weise lieben, die ganz und gar nicht synthetisch ist. Das nennt man dann wohl die Kraft der zwei Herzen.
PETER KÖRTE
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Auch Synthetik kann schön sein: Jonathan Glazers Regiedebüt "Sexy Beast" im Kino
Der erste Blick blendet, und man kann das ruhig wörtlich nehmen. Die weißglühende Sonne scheint von der Leinwand ins Gesicht, und man teilt diesen Blick mit dem Mann, der da auf seinem Liegestuhl liegt; er rührt sich nicht, er schwitzt, er brutzelt so lange vor sich hin, daß man glaubt, gleich werde das Fett aus allen Poren treten und er samt seiner gelben Badehose schrumpfen, obwohl er versucht, seine Hoden mit Eiswürfeln zu kühlen. Eine Aufsicht ist das, in rötlichem Braun auf hartem Weiß, als wäre David Hockney auf die irrwitzige Idee verfallen, Proletarierszenen an der Costa del Sol zu malen. Eine Schachtel Zigaretten liegt daneben, ein Getränk, ein Feuerzeug, und dazu hämmert "Peaches" von den Stranglers .
Gal, dem Ray Winstone eine fleischige Präsenz verleiht, könnte einer jener Briten sein, die aus den Wohnküchen eines Mike-Leigh- oder Ken-Loach-Films aufgebrochen sind, um an spanischen Küsten mit deutschen Touristen bis aufs letzte Handtuch zu kämpfen. Doch Gal ist ein Safeknacker im Vorruhestand, der sich eine kleine Hacienda leisten kann, samt jugendlicher Haushaltshilfe und einem Pool, auf dessen Grund zwei rote Herzen einander überlappen. Die Geschmacksfrage ist damit geklärt, und es überrascht daher auch nicht, daß Gals Frau Deedee sich vor Jahren aus dem Pornofilmgeschäft zurückzog.
Auch die Geschichte sieht zunächst so aus, als habe man sie schon vor ein paar Jahren aus dem Repertoire genommen: Ein Gauner wird für einen letzten Coup mobilisiert, und das muß natürlich schiefgehen. Doch was "Sexy Beast" daraus macht, mag zwar schräg sein, aber schief geht es nicht. Zwei Drittel der Zeit gehen dafür drauf, Gal, seine Frau, beider Freunde und aller Nemesis zu zeigen; der Coup selbst gerät absurd kurz, und man fragt sich, wenn die Einbrechertruppe über ein benachbartes Dampfbad in den High-Tech-Tresorraum eindringt, warum sie dafür tauchen und unter Wasser Schwerstarbeit verrichten müssen, anstatt einfach das Wasser abzulassen. Das Schöne daran ist, daß der Film diese Fragen aufzudrängen scheint und sie nur mit einem Achselzucken beantwortet: Darum geht es hier nicht. Auch warum er "Sexy Beast" heißt, ist eine sehr nachgeordnete Frage. Wer denn nun dieses "Sexy Beast" sein soll, das muß man nicht wissen. "Alle", sagt der Regisseur, und damit darf man auch zufrieden sein.
Jonathan Glazer hat bislang mit großem Erfolg in England Musikvideos und Werbespots gedreht, und Jeremy Thomas, eine der wenigen Produzentenfiguren des europäischen Kinos, hat ihn bei seinem ersten Spielfilm betreut. Glazer kann mit Musik umgehen und mit Stille, er kann die Dinge so zeigen, daß man sie kaufen möchte, und er hat diese beiden Fähigkeiten so eingesetzt, als wolle er jetzt die Zielgruppe seiner Spots zu deren Hauptdarstellern machen. Der Glanz der Models ist verschwunden, die Gesichter haben Falten, Pickel und Hautunebenheiten, sie sind alles andere als glamourös. Und sie haben Sorgen, als ein gewisser Don anruft. Schon der Anruf stört die Siesta-Stimmung, und Dons Auftreten verwandelt sie in eine Hölle, gegen deren Feuer Gals Sonnenbad erfrischend wirkt.
Ben Kingsley ist die unwahrscheinlichste Besetzung für Don Logan, was nicht nur daran liegt, daß er einst als sanftmütiger "Gandhi" einen Oscar gewann. Die Academy in Hollywood läßt sich davon leicht beeindrucken, wenn einer vom Pazifisten zum gemeingefährlichen Psychopathen wird. Deshalb war Kingsley auch in diesem Jahr in der Kategorie "bester Nebendarsteller" nominiert. Gewonnen aber hat er erst jetzt, weil es ein Vergnügen ist, seinem Vergnügen an dieser Rolle zuzusehen. Er bleibt diszipliniert noch dort, wo er beinahe chargiert. Dem Zuschauer zwinkert zwar Gandhis Geist zu, doch die Wirkung dieses Don auf die friedlichen Ruheständler ist verheerend und mühelos spürbar.
Schon bevor er auftaucht, ersterben ihre kleinen Freuden und Gespräche, die Calamari im Lieblingsrestaurant schmecken nicht mehr, und Ray Winstone, der immerhin schon in "The War Zone" und "Nil by Mouth" ein ekelhaft brutaler Familienvater und -tyrann war, duckt sich wie ein Schuljunge, kneift ängstlich die Schweinsäuglein zusammen, weil selbst einem abgebrühten Gangster wie ihm unheimlich wird, wenn Logan ihn für den Job rekrutieren will und sich dabei von keiner Widerrede irritieren läßt. Logans pures Soziopathentum irritiert alle, und wenn er und Gal auf der Terrasse voreinander stehen, jeder eine Bierflasche auf Hüfthöhe, dann sieht das aus wie ein Duell, bei dem klar ist, wer zuerst ziehen wird. Doch auch dieser Eindruck kann einen blenden, weil in diesem Film wenig so läuft, wie man es erwarten würde.
"Sexy Beast" ist ein Genrefilm, der mit dem Genre spielt, der in seinen Grenzen bleibt und sie nicht dekonstruiert, auch wenn dieser Umgang mit Versatzstücken und Formaten kaum möglich wäre ohne die einschlägigen Vorarbeiten eines Quentin Tarantino. "Sexy Beast" ist insofern ein vollsynthetisches Produkt, weil der Film seine Gesten und Standardsituationen ausnahmslos aus dem Kino bezieht, weil er die dramaturgischen Proportionen verschiebt, weil er gewissermaßen in den Kurven beschleunigt und auf der Geraden abbremst. Doch der entscheidende Unterschied zu all den Tarantino-Epigonen und sonstigen kleinen Dekonstrukteuren liegt darin, daß die Figuren nicht zu wandelnden Zitaten werden. Kingsleys Don Logan mag ein Psychopath aus dem Kinobilderbuch sein; die beiden Frührentner-Paare jedoch, vor allem Deedee und Gal, sind so plastisch und in ihrer veredelten Prol-Existenz so glaubwürdig, daß die Kunstfaser aussieht wie reine Schurwolle. Am Ende ist Gals Pool, den anfangs ein Felsbrocken demoliert hat, wieder repariert, die romantisch miteinander verbundenen Herzen ruhen auf dem Grund, ganz nach dem Geschmack der beiden Ruheständler, die vielleicht wenig Geschmack haben mögen, sich aber auf eine Weise lieben, die ganz und gar nicht synthetisch ist. Das nennt man dann wohl die Kraft der zwei Herzen.
PETER KÖRTE
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