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Seit dem 11. September 2001 ist in New York nichts mehr so wie es einmal war. Intensiver denn je suchen Menschen nach Liebe und Sex, Anerkennung und Befriedigung. Da ist zum Beispiel der Homosexuelle Jamie (PAUL DAWSON), der lieber James genannt werden möchte. Er dreht gerade einen Film über seine langjährige Beziehung mit Jamie (PJ DeBOY), der inzwischen ein wenig der Kick fehlt. Oder Domina Severin (LINDSAY BEAMISH), die in ihrer Sado-Maso-Bude ihre Freier züchtigt, während Sextherapeutin Sofia (SOOK-YIN LEE) es sich nach allen Regeln der Kamasutra-Kunst von ihrem potenten Mann Rob (RAPHAEL…mehr

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Produktbeschreibung
Seit dem 11. September 2001 ist in New York nichts mehr so wie es einmal war. Intensiver denn je suchen Menschen nach Liebe und Sex, Anerkennung und Befriedigung. Da ist zum Beispiel der Homosexuelle Jamie (PAUL DAWSON), der lieber James genannt werden möchte. Er dreht gerade einen Film über seine langjährige Beziehung mit Jamie (PJ DeBOY), der inzwischen ein wenig der Kick fehlt. Oder Domina Severin (LINDSAY BEAMISH), die in ihrer Sado-Maso-Bude ihre Freier züchtigt, während Sextherapeutin Sofia (SOOK-YIN LEE) es sich nach allen Regeln der Kamasutra-Kunst von ihrem potenten Mann Rob (RAPHAEL BARKER) besorgen lässt, dabei aber leider keinen Orgasmus bekommt.

Sie alle laufen sich irgendwann im exklusiven Club "Shortbus" über den Weg, wo der Sex in all seinen Spielarten regiert. Ob zu zweit, zu dritt, von vorne oder hinten, oral oder anal, hetero oder homo - hier kommen alle auf ihre Kosten. Und wer gerade mal keinen Sex machen möchte, der redet zumindest darüber... Und am Ende hofft jeder, seinem persönlichen Lebensziel ein Stückchen näher gekommen zu sein. Für den einen ist es ein neuer Job, für den anderen der erste Orgasmus und für den nächsten der Tod...

Bonusmaterial

- Making of - Hinter den Kulissen einer Orgie - Deleted Scenes - Audiokommentar mit Regisseur John Cameron und den Darstellern
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2006

Kein Sex ist auch keine Lösung
John Cameron Mitchells "Shortbus" flirtet mit der Pornographie

Als 1972 der Pornofilm "Deep Throat" in angesehenen New Yorker Kinos lief, der erste seiner Art; als brave Pärchen sich von Hardcore-Szenen faszinieren und inspirieren ließen, da sah es so aus, als ob eine neue Epoche begonnen hätte. Der "Porno Chic" der frühen Siebziger verschmolz den Hedonismus mit der Utopie einer umfassenden sexuellen Freizügigkeit, zu der letztendlich auch die Befreiung der Frau gehören würde.

Die euphorische Stimmung jener Jahre, in denen die Pornographie zwar von der Mafia finanziert wurde, aber zugleich die Hoffnungen einer Generation befeuerte, wird in Filmen wie Paul Thomas Andersons "Boogie Nights" oder der Dokumentation "Inside Deep Throat" von Fenton Bailey und Randy Barbato beschworen: Damals träumten die Pornographen davon, endlich auch als Künstler wahrgenommen zu werden; und ambitionierte Filmemacher freuten sich darauf, endlich ein bißchen mehr vom Sex zeigen zu dürfen als die Zigarette danach. In diesen Phantasien, aus Sex Kunst zu machen und aus Kunst Sex, war möglicherweise viel Schlüpfriges, es lag in ihnen aber auch die Sehnsucht nach einer Harmonisierung von Natur und Kultur, nach dem Wiederfinden einer zerstörten ursprünglichen Einheit.

Diese Utopien haben sich bekanntlich nicht lange gehalten. Der sexuellen Befreiung wurde in den "culture wars" von den Konservativen der Kampf angesagt. Und auch die Pornographie galt bald nicht mehr als Instrument der sexuellen Befreiung, sondern als reaktionär und misogyn; vor allem die Feministinnen bekämpften sie aufs schärfste. In Amerika stehen heute Filmindustrie und Pornogeschäft einander absolut fremd gegenüber, und Hollywood zensiert die Sexualität nach wie vor viel strenger als die Gewalt.

Daß der Wunsch nach einem anderen filmischen Umgang mit Sexualität aber nach wie vor lebendig ist, das zeigt jetzt wieder ein kleiner, feiner Film aus New York. John Cameron Mitchell, bekannt durch sein schrilles Spielfilmdebüt "Hedwig and the Angry Inch", die Biographie einer transsexuellen Rockdiva, hat sich mit seinem zweiten Film "Shortbus" auf ein radikales Experiment eingelassen: einen künstlerisch anspruchsvollen Ensemblefilm, der nicht nur viel, sondern auch unsimulierten Sex zeigt und in Amerika nur in großen Städten und kleinen Kinos läuft. Anders als europäische Filme, die den Sex nicht bloß spielen - man denke an Patrice Chéreaus "Intimacy", Catherine Breillats "Romance" oder auch Michael Winterbottoms "Nine Songs" -, ist Mitchells Vision von der Sexualität weder düster noch klinisch detachiert, sondern lustvoll und ekstatisch. "Shortbus" kennt weder prä- noch postkoitale Depression; der Film hat gute Laune und hält Happy endings grundsätzlich für möglich. Und inszeniert die wohl denkwürdigste Ejakulation der Filmgeschichte - auf ein Jackson-Pollock-Imitat.

Gute Laune

In merklichem Unterschied zu einem Hardcore-Porno zeigt der Film nicht nur wirkliche Sexualakte, sondern handelt auch von Sexualität und Sex in allen möglichen Variationen. Wo im Pornogenre jede alltägliche Situation, gerne mit Handwerkern, in ungezügeltes Kopulieren zu münden droht, entwickelt sich der Sexualakt in "Shortbus" aus realistischen Situationen, findet in den Schlafzimmern und in den Köpfen der Protagonisten statt. Und der "Shortbus", der dem Film seinen Titel gibt, ist ein Sex-, Musik- und Debattierclub, wo sich in diskret gefilmten Orgien die Gliedmaßen von Menschen aller Neigungen vermengen.

Die Handlung wurde von John Cameron Mitchell zusammen mit seinen Darstellern in Improvisationen entwickelt. Die eher unbekannten Schauspieler und Performance-Künstler trafen sich monatelang immer wieder, maßen die gegenseitigen Anziehungskräfte, erprobten körperliche Nähe und entfalteten so ihre Figuren. Der Film erzählt im wesentlichen von der Selbstfindung dieser Figuren, einer Gruppe von New Yorkern, die sich über ihre existentiellen und sexuellen Sehnsüchte und Nöte klarzuwerden suchen und alle irgendwann in besagtem Sexclub zusammenkommen. Da gibt es eine Sexualtherapeutin, die mit ihrem Ehemann wilden, athletischen Sex, aber noch nie einen Orgasmus hatte. Einen Voyeur, der in der Beobachtung eines liebevollen schwulen Pärchens seinen Lebenssinn findet. Das schwule Pärchen, in dem der eine Partner trotz aller Liebe seinen Freitod vorbereitet, weil eine depressive Gefühllosigkeit sein Leben unwirklich macht. Eine professionelle Domina, die noch nie eine richtige Beziehung hatte. Alle Figuren scheinen Probleme mit ihren Gefühlen zu haben, alle scheinen unfähig zu sein, das zu empfinden, was sie empfinden wollen. Von ihrem Suchen und Finden der Empfindung - eines Höhepunkts, eines Lebenssinns, einer menschlichen Beziehung - handelt der Film. New York, im Vorspann von der Freiheitsstatue aus überflogen und regenbogenbunt beleuchtet, steht hier nicht nur für die größtmögliche individuelle Freiheit, sondern in seiner Versehrtheit, mit seinen ebenfalls im Vorspann rot gezeichneten Ground-Zero-Wunden, als Ort des realen Schmerzes und damit der Wirklichkeit, des wirklichen Fühlens.

Viele Gespräche

Aus seiner Emphase für diese flüchtige Realität kann auch die Entscheidung des Regisseurs verstanden werden, den Sex nicht bloß zu simulieren. Interessant ist dabei, daß das alles oft ganz beiläufig gefilmt ist. Die Kamera konzentriert sich meist weit mehr auf die Emotionen der Figuren als auf ihre Geschlechtsorgane. Und im Zentrum des Films steht weniger der gefilmte Sex als der endlos beredete. Mitchell zeigt genausogut wie die Klassiker der literarischen Pornographie den intimen Zusammenhang, der zwischen Sex und dem Reden über Sex besteht. Niemand hat zwar Sade je nur um seiner Philosophie willen gelesen, aber ohne Zweifel wird im Boudoir viel philosophiert. Nicht anders im New York von "Shortbus". Alles Suchen nach dem richtigen Gefühl, dem richtigen Partner, dem richtigen Orgasmus ist in Wahrheit ein Suchen nach dem richtigen Leben, also ein profund philosophisches und ethisches Projekt.

Mitchells Film hat mit dem, was heute als Pornographie gehandelt wird, über den real vollzogenen Sexualakt hinaus kaum etwas gemein. Mit dem "Porno Chic" der siebziger Jahre verbindet ihn aber das Ideal, daß der Maßstab des guten Lebens die gute Sexualität sei; der Glaube an die befreiende Kraft des Sexus für Männer, Frauen und alle weiteren Geschlechter. Das macht ihn unzeitgemäß in einer Epoche, in der die Sex- und Genderdebatten, wo sie überhaupt noch geführt werden, nicht mehr von der sexuellen Befreiung handeln, sondern vom Kindergeld.

Mitchell beschwört die glückliche Verbindung von Sexualität und Kultur, an Sublimation glaubt er nicht. Wie nostalgisch so ein Projekt ist, weiß der Film selbst: "Es ist genau wie in den Sechzigern, nur mit weniger Hoffnung", sagt Justin Bond, der sexuell uneindeutige Betreiber des "Shortbus"-Clubs.

Das Happy ending, die Erlösung aller Figuren und der Welt insgesamt durch Orgasmen, ist in Zeiten der schieren Besitzstandwahrung, von Rekatholisierung, Islamisierung und Allgegenwart puritanischer Televangelists eine altmodische und schöne Phantasie. In diesem Sinne ein überaus erbaulicher Film.

CATHERINE NEWMARK

Ab Donnerstag im Kino

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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