Als Rachel erfährt, dass ihr neugeborenes Baby in der Nacht im Krankenhaus gestorben sein soll, bricht für sie die Welt zusammen: Wenige Stunden zuvor hatte sie ihren kleinen Jungen noch in den Armen gehalten! Auf den Schock folgt die Auflehnung. Warum kann Dr. Betts ihr kaum in die Augen sehen? Und warum darf sie ihr Kind nicht einmal mehr ein letztes Mal sehen? Auf der Suche nach der Wahrheit kommt Rachel einem schrecklichen Geheimnis auf die Spur: Ihr Baby wurde entführt, und wie viele andere Kinder, an einen illegalen Adoptivring vermittelt. Aber Rachel gibt nicht auf: Sie wird alles tun, um ihr Kind wiederzufinden.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Making Of - Animiertes DVD-Menü - Hintergrundinformationen - FilmografienFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.02.2012Wie man das Nichts fotografiert
Agnieszka Hollands Schoa-Film "In Darkness" findet eine Bildsprache für die Bruchstellen der Ausweglosigkeit
"Ich habe sieben ausgewählt." Welche Zahl ist "ein guter Schnitt", damit die Helfer auf ihre Kosten kommen? Wie viele Juden soll man retten, damit die Bilanz stimmt, wenn die Gejagten sich mit Geld oder einer Uhr (deren Armband in der Gruftdüsternis provozierend zitronengelb leuchtet) freikaufen müssen?
Die Nichtjuden tun, was antisemitische Propaganda den Juden vorwirft: Sie schachern. Schließlich schlägt einer aus der kleinen Schar, die versteckt werden soll, ebenso verzweifelt wie listig vor: zwölf, die Zahl der Apostel. Der geschäftstüchtige Retter schnaubt: "Ihr Juden wisst wohl nicht, dass der zwölfte Judas, der Verräter, war." Man berichtigt ihn: "Es hat immer zwölf Apostel gegeben. Nach Judas haben sie Matthias gewählt."
Wenn man Menschen zu Insekten und Ratten erklärt und in lichtlose, atemluftarme, herzzerquetschende Verstecke hetzt, dann entwickeln sie sich nicht zu Lichtgestalten. Man beschimpft einander, kämpft um die Fluchtchance mit dem Ellenbogen und spottet über den "Professor, der gern klug daherredet". Darauf aber lässt sich nicht reduzieren, was mit den zur Vernichtung Vorgesehenen geschieht, solange sie nicht gefangen sind. Denn sie versuchen auch, das eigene Menschenantlitz zu schützen - man rasiert sich, man hofft, man beruhigt ein Kind: "Hier wird dir nichts geschehen, aber du musst aufhören zu weinen."
Agnieszka Hollands Film "In Darkness" erzählt eine wahre Geschichte davon, wie ein polnischer Kleinkrimineller - ein Schlemihl, ein Schubiak - einige Juden in Lwów oder Lviv oder Lemberg - das hoffnungslos mehrsprachige babylonische Aneinandervorbeireden nimmt angemessenen Raum ein - in der Kanalisation versteckt; aus Berechnung zunächst, aus anderen Gründen später, niemals aus simpler Barmherzigkeit. Dass die Erzählführung hier das komplementäre Retterprofil zu Hannah Arendts berühmtem Satz entwirft, die Juden müssten nicht sämtlich moralisch einwandfrei gelebt haben, damit man in ihnen, denkt man an Auschwitz, absolut unschuldige Opfer erkennen kann, ist unter den Verdiensten, die dieser Film sich auf schlimmem Gelände erwirbt, nicht das geringste.
Robert Wieckiewicz spielt den Anti-Schindler, den nicht sein Gewissen, sondern ein dumpf empfundenes Motivgebräu aus antideutschem Affekt und Profitgier ins Geschehen zieht, mit abweisender, unwirsch zupackender Männlichkeit; Benno Fürmann flankiert ihn mit einer traditionelleren Heldenfigur; Maria Schrader beeindruckt als vormals wohlhabende Jüdin, die sich aus einer Welt der Annehmlichkeiten ins Nichts gezwungen sieht. Dieses Nichts, der letzte Zufluchtsort, ist der Raum des Films. Das Wasser hier kann man kaum sehen, aber hören (und, suggeriert die Kino-Illusion, fast riechen: Es stinkt unerträglich). Holland hat ein System von Durchgängen erforscht, die nirgendwo hinführen, weder erlebbar noch errechenbar sind (anders als das Labyrinth in Kubricks "Shining" also, das auf Erfahrungsschauer hinauswill, oder die Computerbeklemmungen analytischer Kamerafahrten, die das digitale Bildermachen heute als Architekturmetaphern für banale hierarchiegebundene Sozialbehauptungen einzusetzen pflegt).
Die von diesen erdrückenden Weglosigkeiten ausgehende Desorientierung ist die ästhetische Haupterrungenschaft des Films, seine unsichtbare, nicht herzeigbare Wahrheit, die einem Problem begegnet, das Filme haben, seit sie solche Geschichten erzählen. Die Parole "mehr Licht!" liegt dem Kino aus plattesten Gründen nahe. Das Medium hat sich oft genug für den speckigen Glanz und die falsche Pracht der Lüge hergegeben. Es war wohl an der Zeit, dass jemand wie Agnieszka Holland mit allen im Historiendrama sonst zugunsten von konturschärfenden Aufklärungsgesten vernachlässigten dunklen, engen, schweren Mitteln der Filmkunst Miguel de Unamunos desolatem Bonmot recht gibt, großem Grauen sei nicht allein damit beizukommen, dass man es ins Licht stellt - "denn wir sterben nicht an der Dunkelheit, sondern an der Kälte".
DIETMAR DATH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Agnieszka Hollands Schoa-Film "In Darkness" findet eine Bildsprache für die Bruchstellen der Ausweglosigkeit
"Ich habe sieben ausgewählt." Welche Zahl ist "ein guter Schnitt", damit die Helfer auf ihre Kosten kommen? Wie viele Juden soll man retten, damit die Bilanz stimmt, wenn die Gejagten sich mit Geld oder einer Uhr (deren Armband in der Gruftdüsternis provozierend zitronengelb leuchtet) freikaufen müssen?
Die Nichtjuden tun, was antisemitische Propaganda den Juden vorwirft: Sie schachern. Schließlich schlägt einer aus der kleinen Schar, die versteckt werden soll, ebenso verzweifelt wie listig vor: zwölf, die Zahl der Apostel. Der geschäftstüchtige Retter schnaubt: "Ihr Juden wisst wohl nicht, dass der zwölfte Judas, der Verräter, war." Man berichtigt ihn: "Es hat immer zwölf Apostel gegeben. Nach Judas haben sie Matthias gewählt."
Wenn man Menschen zu Insekten und Ratten erklärt und in lichtlose, atemluftarme, herzzerquetschende Verstecke hetzt, dann entwickeln sie sich nicht zu Lichtgestalten. Man beschimpft einander, kämpft um die Fluchtchance mit dem Ellenbogen und spottet über den "Professor, der gern klug daherredet". Darauf aber lässt sich nicht reduzieren, was mit den zur Vernichtung Vorgesehenen geschieht, solange sie nicht gefangen sind. Denn sie versuchen auch, das eigene Menschenantlitz zu schützen - man rasiert sich, man hofft, man beruhigt ein Kind: "Hier wird dir nichts geschehen, aber du musst aufhören zu weinen."
Agnieszka Hollands Film "In Darkness" erzählt eine wahre Geschichte davon, wie ein polnischer Kleinkrimineller - ein Schlemihl, ein Schubiak - einige Juden in Lwów oder Lviv oder Lemberg - das hoffnungslos mehrsprachige babylonische Aneinandervorbeireden nimmt angemessenen Raum ein - in der Kanalisation versteckt; aus Berechnung zunächst, aus anderen Gründen später, niemals aus simpler Barmherzigkeit. Dass die Erzählführung hier das komplementäre Retterprofil zu Hannah Arendts berühmtem Satz entwirft, die Juden müssten nicht sämtlich moralisch einwandfrei gelebt haben, damit man in ihnen, denkt man an Auschwitz, absolut unschuldige Opfer erkennen kann, ist unter den Verdiensten, die dieser Film sich auf schlimmem Gelände erwirbt, nicht das geringste.
Robert Wieckiewicz spielt den Anti-Schindler, den nicht sein Gewissen, sondern ein dumpf empfundenes Motivgebräu aus antideutschem Affekt und Profitgier ins Geschehen zieht, mit abweisender, unwirsch zupackender Männlichkeit; Benno Fürmann flankiert ihn mit einer traditionelleren Heldenfigur; Maria Schrader beeindruckt als vormals wohlhabende Jüdin, die sich aus einer Welt der Annehmlichkeiten ins Nichts gezwungen sieht. Dieses Nichts, der letzte Zufluchtsort, ist der Raum des Films. Das Wasser hier kann man kaum sehen, aber hören (und, suggeriert die Kino-Illusion, fast riechen: Es stinkt unerträglich). Holland hat ein System von Durchgängen erforscht, die nirgendwo hinführen, weder erlebbar noch errechenbar sind (anders als das Labyrinth in Kubricks "Shining" also, das auf Erfahrungsschauer hinauswill, oder die Computerbeklemmungen analytischer Kamerafahrten, die das digitale Bildermachen heute als Architekturmetaphern für banale hierarchiegebundene Sozialbehauptungen einzusetzen pflegt).
Die von diesen erdrückenden Weglosigkeiten ausgehende Desorientierung ist die ästhetische Haupterrungenschaft des Films, seine unsichtbare, nicht herzeigbare Wahrheit, die einem Problem begegnet, das Filme haben, seit sie solche Geschichten erzählen. Die Parole "mehr Licht!" liegt dem Kino aus plattesten Gründen nahe. Das Medium hat sich oft genug für den speckigen Glanz und die falsche Pracht der Lüge hergegeben. Es war wohl an der Zeit, dass jemand wie Agnieszka Holland mit allen im Historiendrama sonst zugunsten von konturschärfenden Aufklärungsgesten vernachlässigten dunklen, engen, schweren Mitteln der Filmkunst Miguel de Unamunos desolatem Bonmot recht gibt, großem Grauen sei nicht allein damit beizukommen, dass man es ins Licht stellt - "denn wir sterben nicht an der Dunkelheit, sondern an der Kälte".
DIETMAR DATH
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