Marlo ist zu Besuch in Berlin. Etwas verloren streift er durch die große Stadt. An einer Straßenkreuzung läuft ihm Kirill über den Weg, den er wenig später an der Warschauer Brücke wiedertrifft. Zwischen den beiden entsteht sofort eine große Intimität, aber keiner von ihnen traut sich, den ersten Schritt zu machen. Sie treffen sich wieder, laufen durch die Stadt, reden aneinander vorbei und schaffen es schließlich in Kirills Studentenwohnheim, ihre Schutzpanzer voreinander anzulegen. SILENT YOUTH ist ein leiser und poetischer Film über die Liebe - die sich in kleinen Gesten und vorsichtigen Annäherungen langsam aufbaut. Eine Coming-Out-Film ohne große Dramen. Ein Berlinporträt ohne Szenebilder. Eine Jungsgeschichte, von zwei wunderbaren Schauspielern (Martin Bruchmann, Josef Mattes) getragen. Ein Film für Träumer und Verliebte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.01.2014Nicht mal Waffen helfen weiter
Ein Filmbericht von der Front der Hoffnungslosen: "Youth" im Kino
Die Brüder Yaki und Shaul sehen sich dermaßen gespenstisch ähnlich, dass ihr Verhalten gar nicht mehr so absonderlich wirkt, wie es ist. Wenn sie wütend sind, nicht aufeinander, sondern auf das Leben, das sie nicht in die Freiheit entlässt, fallen sie übereinander her und verkeilen ihre Glieder. Oder stehen morgens friedlich nebeneinander an der Kloschüssel. Und sie planen gemeinsam, ohne zu sprechen, als seien sie ein und dieselbe Person, ein großes Ding. Denn Yaki ist gerade zum Militärdienst eingezogen worden und hat deshalb eine Waffe, von der er sich kaum jemals trennt.
Yaki und Shaul leben in der Tel Aviver Vorstadt Petach Tikva, von dort kommt auch der Regisseur des Films "Youth", Tom Shoval. Es ist ein ärmliches Gebiet, wo die Jugendlichen auf Spielplätzen herumstehen und kiffen, weil es sonst nichts zu tun gibt. Der Vater der Brüder hat keine Arbeit mehr, die Mutter steckt Werbezettel in Umschläge und arbeitet zu Hause im Akkord. Die Waffe der Armee verleiht den Brüdern, so denken sie, die Macht, die sie brauchen, ihre Familie davor zu bewahren, die Wohnung zu verlieren, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen kann.
Die beiden halten es nun für eine brillante Idee, zur Zukunftssicherung der Familie ein Mädchen mit reichen Eltern aus Shauls Schule zu entführen und im Bombenschutzraum ihres Wohnhauses zu verstecken, bis die Eltern das Lösegeld gezahlt haben. Shoval führt uns mit seinem Film in ein gesellschaftliches, geographisches und emotionales Gebiet, das wir selten im Kino sehen: in ein Israel, das nicht vom Konflikt mit den Palästinensern bestimmt ist, sondern von der Ärmlichkeit der Verhältnisse am unteren Ende der sozialen Schichtung. Es herrscht eine Hoffnungslosigkeit und Düsternis in diesem Film, und nur die immer wieder ausbrechende Gewalt versetzt die Personen und die Bilder in Bewegung. Allein wie die Entführer mit ihrem Opfer umgehen, ungelenk, erschrocken vor der mädchenhaften Zerbrechlichkeit, und wie alles schiefgeht, weil Schabbattag ist und die Eltern deshalb das Telefon nicht abnehmen, all das zeugt von einer tiefen Entwurzelung auch aus den Traditionen jüdischen Lebens. So treiben die Brüder durch ihren eigenen Plot, und die Waffe hilft ihnen nicht weiter. Ein starker, schrecklicher Film.
VERENA LUEKEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Filmbericht von der Front der Hoffnungslosen: "Youth" im Kino
Die Brüder Yaki und Shaul sehen sich dermaßen gespenstisch ähnlich, dass ihr Verhalten gar nicht mehr so absonderlich wirkt, wie es ist. Wenn sie wütend sind, nicht aufeinander, sondern auf das Leben, das sie nicht in die Freiheit entlässt, fallen sie übereinander her und verkeilen ihre Glieder. Oder stehen morgens friedlich nebeneinander an der Kloschüssel. Und sie planen gemeinsam, ohne zu sprechen, als seien sie ein und dieselbe Person, ein großes Ding. Denn Yaki ist gerade zum Militärdienst eingezogen worden und hat deshalb eine Waffe, von der er sich kaum jemals trennt.
Yaki und Shaul leben in der Tel Aviver Vorstadt Petach Tikva, von dort kommt auch der Regisseur des Films "Youth", Tom Shoval. Es ist ein ärmliches Gebiet, wo die Jugendlichen auf Spielplätzen herumstehen und kiffen, weil es sonst nichts zu tun gibt. Der Vater der Brüder hat keine Arbeit mehr, die Mutter steckt Werbezettel in Umschläge und arbeitet zu Hause im Akkord. Die Waffe der Armee verleiht den Brüdern, so denken sie, die Macht, die sie brauchen, ihre Familie davor zu bewahren, die Wohnung zu verlieren, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen kann.
Die beiden halten es nun für eine brillante Idee, zur Zukunftssicherung der Familie ein Mädchen mit reichen Eltern aus Shauls Schule zu entführen und im Bombenschutzraum ihres Wohnhauses zu verstecken, bis die Eltern das Lösegeld gezahlt haben. Shoval führt uns mit seinem Film in ein gesellschaftliches, geographisches und emotionales Gebiet, das wir selten im Kino sehen: in ein Israel, das nicht vom Konflikt mit den Palästinensern bestimmt ist, sondern von der Ärmlichkeit der Verhältnisse am unteren Ende der sozialen Schichtung. Es herrscht eine Hoffnungslosigkeit und Düsternis in diesem Film, und nur die immer wieder ausbrechende Gewalt versetzt die Personen und die Bilder in Bewegung. Allein wie die Entführer mit ihrem Opfer umgehen, ungelenk, erschrocken vor der mädchenhaften Zerbrechlichkeit, und wie alles schiefgeht, weil Schabbattag ist und die Eltern deshalb das Telefon nicht abnehmen, all das zeugt von einer tiefen Entwurzelung auch aus den Traditionen jüdischen Lebens. So treiben die Brüder durch ihren eigenen Plot, und die Waffe hilft ihnen nicht weiter. Ein starker, schrecklicher Film.
VERENA LUEKEN
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