Die attraktive Literaturdozentin Claire (Juliette Binoche) ist 50, alleinerziehende Mutter und steckt in einer schwierigen Beziehung mit ihrem jüngeren Liebhaber Ludo. Um ihn auszuspionieren, legt sich Claire ein falsches Facebook-Profil an und wird zu Clara, einer hübschen 24-Jährigen. Alex, Ludos bester Freund, findet Clara online und verliebt sich in sie. Auch Claire findet Interesse an dem jungen Fotografen und es entwickelt sich ein intensiver Chat-Flirt. Obwohl sich alles in der virtuellen Welt abspielt, sind die Gefühle real. Während Claire zusehends dem Sog der Parallelwelt erliegt, möchte Alex sie endlich treffen. Claire gerät immer weiter in Bedrängnis und verliert die Kontrolle über das virtuelle Spiel - bis alle gefährlich nah am Abgrund stehen.
Bonusmaterial
Making-of Interview mit Juliette Binoche & Safy Nebbou Trailer WendecoverFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2019Die Masken des Begehrens
Sie springt in Facebook hinein wie in einen Jungbrunnen: Juliette Binoche geht in dem Film von Safy Nebbou "So wie du mich willst" an die Grenzen.
Wer bei Facebook ist, lässt sich überwachen. Das wissen inzwischen viele Menschen, und manche haben daraus auch ihre Schlüsse gezogen. Sie breiten ihr Leben nicht mehr in aller Öffentlichkeit aus. Es gibt eine neue Diskretion auf Facebook, von der Safy Nebbous Film "So wie du mich willst" noch nicht viel weiß. Die Vorlage, der Roman "Celle que vous croyez" von Camille Laurens, ist zwei Jahre alt - in der Welt der digitalen Mores ist das eine kleine Ewigkeit. Und die Professorin Claire Millaud, um die sich hier alles dreht, ist nicht eben bestens vorbereitet auf die Welt der Likes und Chats. Den Begriff Instagram muss sie erst nachsehen. Das Fotonetzwerk ist nichts für sie. Denn Claire geht nicht auf Facebook, weil sie sich präsentieren will. Sie möchte jemanden überwachen.
Die Welt der vorgeblich sozialen Medien ist inzwischen im Alltag so präsent, dass auch Filme nicht mehr umhinkommen, sich damit zu beschäftigen. An Nachrichtenfenster, die in Kinobildern aufpoppen, ist man beinahe schon gewöhnt. "So wie du mich willst" erzählt von einer Frau, die in Facebook hineinspringt wie in einen Jungbrunnen: Claire legt, unter dem Namen Clara Antunès, einen Account an, weil sie wissen will, was ihr Geliebter so macht, wenn er nicht bei ihr ist. Ludo ist halb so alt wie sie, und er legt diese aufreizende Gelassenheit an den Tag, die davon erzählt, dass Zuneigung, Nähe, Sex für ihn selbstverständliche Erfahrungen sind. Für Claire sind sie das nicht. Nicht mehr. Sie erlebt Facebook wie ein Meer, auf dem sie nur Schiffbruch erleiden kann, und als Rettungsfloß bleibt ihr nur die Möglichkeit, sich immer wieder neu einzuloggen.
Formulierungen wie diese lassen erkennen, dass "So wie du mich willst" ein zutiefst bildungsbürgerlicher Versuch ist, sich in einer veränderten Welt zu bewegen. Schon dem Buch von Camille Laurens ist ein Zitat des Klassikers Corneille vorangestellt, und auch das Pseudonym von Claire ist beziehungsreich - später sieht man das Buch "Die Leidenschaften der Seele" von António Lobo Antunes herumliegen. Es enthält einen Schlüssel zu der Form von Safy Nebbous Film: Im Kern handelt es sich um ein (psychoanalytisches) Gespräch zwischen Claire (Juliette Binoche) und Catherine (großartig in ihrer therapeutischen Neutralität, in die sich immer wieder Betroffenheit mischt: Nicole Garcia). Die Ärztin sieht sich als "provisorische Verwahrerin einer Botschaft", sie wird Zeugin eines Falls, der zunehmend Facetten eines Psychothrillers erkennen lässt.
Zuerst einmal aber ist "So wie du mich willst" ein Film über Juliette Binoche. Die, neben Isabelle Huppert, wohl größte französische Schauspielerin ihrer Generation hat zuletzt schon mit "Meine schöne innere Sonne" von Claire Denis erkennen lassen, dass sie ihr Älterwerden mit ihren Rollen reflektieren möchte. Konkret heißt das nicht viel weniger, als sich verletzbar zu machen: denn die Figuren, die Binoche nun spielt, haben es mit Männern zu tun, die zu viel jüngeren Partnerinnen wechseln, oder eben mit jungen Männern, die ganz andere Zeit- und Freiheitshorizonte haben als zum Beispiel Claire Millaud, zweifache Mutter, sitzengelassen von ihrem Mann, der nun eine 24 Jahre alte Freundin hat.
Binoche geht mit "So wie du mich willst" an die Grenzen ihrer Starpersönlichkeit. Eine Frau mit so vielen Gesichtern hätte man von Catherine Deneuve beispielsweise nicht zu sehen bekommen. Es grenzt beinahe schon an Kinomagie, wie wandelbar das Gesicht von Juliette Binoche hier ist: einmal sieht man sie in einer schockierenden, hässlichen Großaufnahme unter Wasser am Rande des Todes, als wollte Claire sich gerade ertränken; dann sieht sie wieder fast mädchenhaft aus, in der U-Bahn oder auf dem Weg zu einem Rendezvous.
Diese Wandelbarkeit ist nicht zuletzt deswegen bedeutsam, weil Claire sich auf Facebook verbirgt: sie hat nicht nur ein Pseudonym gewählt, sondern auch ein (gestohlenes) Bild, mit dem es schließlich noch eine besondere Bewandtnis haben wird. Sie beginnt einen Chat mit Alex, einem Freund des bald nicht mehr wichtigen Ludo, denn dieser Alex ist für Claire viel begehrenswerter, auch deswegen, weil sie von ihm durch diese technische Barriere getrennt ist: Sie ist eine anonyme Facebook-Bekanntschaft, bald werden die Chats auch per Telefon weitergeführt, die Stimme von Claire findet Alex "jung". Was aber, wenn er sieht, wer sie wirklich ist?
Diese Eventualität spielt "So wie du mich willst" dann in verschiedenen Varianten durch, mit überraschenden Wendungen, in denen sich auch unterschiedliche Formen von "Virtualität" andeuten: Die Scheinwelt der Netzwerke trifft auf die illusionären Tendenzen des Seelenlebens, die Geschichte bekommt die Form einer Spirale. Der einzige Anhaltspunkt, nach dem man sich schließlich beinahe immer wieder zu sehnen beginnt, ist die Präsenz der Psychoanalytikerin (auch sie übrigens, bezeichnenderweise, eine "Vertretung", ein "remplacement"): Nicole Garcia ist als Regisseurin nie so richtig aus der zweiten Reihe hervorgetreten, als Schauspielerin hat sie hier aber einen großen Moment, denn erst in der Spiegelung der zwei Frauen gewinnt "So wie du mich willst" so etwas wie einen autonomen, weiblichen Raum, eine Form der Auseinandersetzung, die dann auch begreifen lässt, dass die literarische Imprägnierung mehr als nur motivisches Beiwerk ist.
Sprache und Stimme sind hier den Frauen zugeordnet, während Ludo und Alex (beide Fotografen) auch generationell einem anderen - wie man in Frankreich sagen könnte - Regime angehören, einer anderen medialen Anordnung. Mit subtilen Verweisen wie diesem macht "So wie du mich willst" nicht zuletzt Lust auf die Lektüre der Vorlage, die auf Deutsch (noch) nicht vorliegt. Es handelt sich vielleicht um den jüngsten historischen Roman, den man sich derzeit denken kann: Denn dass Facebook zum Ausgangspunkt einer solchen anonymen Leidenschaft werden könnte, das ist im Grunde schon altmodisch wie ein Briefroman aus dem 18. Jahrhundert. In den Bilderordnungen, die heute zählen, sind Gesicht und Körper die harte Währung, und für Maskenspiele, verzweifelte wie bei Claire, oder vielleicht auch raffinierte, sind die Zeiten dürftig.
BERT REBHANDL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sie springt in Facebook hinein wie in einen Jungbrunnen: Juliette Binoche geht in dem Film von Safy Nebbou "So wie du mich willst" an die Grenzen.
Wer bei Facebook ist, lässt sich überwachen. Das wissen inzwischen viele Menschen, und manche haben daraus auch ihre Schlüsse gezogen. Sie breiten ihr Leben nicht mehr in aller Öffentlichkeit aus. Es gibt eine neue Diskretion auf Facebook, von der Safy Nebbous Film "So wie du mich willst" noch nicht viel weiß. Die Vorlage, der Roman "Celle que vous croyez" von Camille Laurens, ist zwei Jahre alt - in der Welt der digitalen Mores ist das eine kleine Ewigkeit. Und die Professorin Claire Millaud, um die sich hier alles dreht, ist nicht eben bestens vorbereitet auf die Welt der Likes und Chats. Den Begriff Instagram muss sie erst nachsehen. Das Fotonetzwerk ist nichts für sie. Denn Claire geht nicht auf Facebook, weil sie sich präsentieren will. Sie möchte jemanden überwachen.
Die Welt der vorgeblich sozialen Medien ist inzwischen im Alltag so präsent, dass auch Filme nicht mehr umhinkommen, sich damit zu beschäftigen. An Nachrichtenfenster, die in Kinobildern aufpoppen, ist man beinahe schon gewöhnt. "So wie du mich willst" erzählt von einer Frau, die in Facebook hineinspringt wie in einen Jungbrunnen: Claire legt, unter dem Namen Clara Antunès, einen Account an, weil sie wissen will, was ihr Geliebter so macht, wenn er nicht bei ihr ist. Ludo ist halb so alt wie sie, und er legt diese aufreizende Gelassenheit an den Tag, die davon erzählt, dass Zuneigung, Nähe, Sex für ihn selbstverständliche Erfahrungen sind. Für Claire sind sie das nicht. Nicht mehr. Sie erlebt Facebook wie ein Meer, auf dem sie nur Schiffbruch erleiden kann, und als Rettungsfloß bleibt ihr nur die Möglichkeit, sich immer wieder neu einzuloggen.
Formulierungen wie diese lassen erkennen, dass "So wie du mich willst" ein zutiefst bildungsbürgerlicher Versuch ist, sich in einer veränderten Welt zu bewegen. Schon dem Buch von Camille Laurens ist ein Zitat des Klassikers Corneille vorangestellt, und auch das Pseudonym von Claire ist beziehungsreich - später sieht man das Buch "Die Leidenschaften der Seele" von António Lobo Antunes herumliegen. Es enthält einen Schlüssel zu der Form von Safy Nebbous Film: Im Kern handelt es sich um ein (psychoanalytisches) Gespräch zwischen Claire (Juliette Binoche) und Catherine (großartig in ihrer therapeutischen Neutralität, in die sich immer wieder Betroffenheit mischt: Nicole Garcia). Die Ärztin sieht sich als "provisorische Verwahrerin einer Botschaft", sie wird Zeugin eines Falls, der zunehmend Facetten eines Psychothrillers erkennen lässt.
Zuerst einmal aber ist "So wie du mich willst" ein Film über Juliette Binoche. Die, neben Isabelle Huppert, wohl größte französische Schauspielerin ihrer Generation hat zuletzt schon mit "Meine schöne innere Sonne" von Claire Denis erkennen lassen, dass sie ihr Älterwerden mit ihren Rollen reflektieren möchte. Konkret heißt das nicht viel weniger, als sich verletzbar zu machen: denn die Figuren, die Binoche nun spielt, haben es mit Männern zu tun, die zu viel jüngeren Partnerinnen wechseln, oder eben mit jungen Männern, die ganz andere Zeit- und Freiheitshorizonte haben als zum Beispiel Claire Millaud, zweifache Mutter, sitzengelassen von ihrem Mann, der nun eine 24 Jahre alte Freundin hat.
Binoche geht mit "So wie du mich willst" an die Grenzen ihrer Starpersönlichkeit. Eine Frau mit so vielen Gesichtern hätte man von Catherine Deneuve beispielsweise nicht zu sehen bekommen. Es grenzt beinahe schon an Kinomagie, wie wandelbar das Gesicht von Juliette Binoche hier ist: einmal sieht man sie in einer schockierenden, hässlichen Großaufnahme unter Wasser am Rande des Todes, als wollte Claire sich gerade ertränken; dann sieht sie wieder fast mädchenhaft aus, in der U-Bahn oder auf dem Weg zu einem Rendezvous.
Diese Wandelbarkeit ist nicht zuletzt deswegen bedeutsam, weil Claire sich auf Facebook verbirgt: sie hat nicht nur ein Pseudonym gewählt, sondern auch ein (gestohlenes) Bild, mit dem es schließlich noch eine besondere Bewandtnis haben wird. Sie beginnt einen Chat mit Alex, einem Freund des bald nicht mehr wichtigen Ludo, denn dieser Alex ist für Claire viel begehrenswerter, auch deswegen, weil sie von ihm durch diese technische Barriere getrennt ist: Sie ist eine anonyme Facebook-Bekanntschaft, bald werden die Chats auch per Telefon weitergeführt, die Stimme von Claire findet Alex "jung". Was aber, wenn er sieht, wer sie wirklich ist?
Diese Eventualität spielt "So wie du mich willst" dann in verschiedenen Varianten durch, mit überraschenden Wendungen, in denen sich auch unterschiedliche Formen von "Virtualität" andeuten: Die Scheinwelt der Netzwerke trifft auf die illusionären Tendenzen des Seelenlebens, die Geschichte bekommt die Form einer Spirale. Der einzige Anhaltspunkt, nach dem man sich schließlich beinahe immer wieder zu sehnen beginnt, ist die Präsenz der Psychoanalytikerin (auch sie übrigens, bezeichnenderweise, eine "Vertretung", ein "remplacement"): Nicole Garcia ist als Regisseurin nie so richtig aus der zweiten Reihe hervorgetreten, als Schauspielerin hat sie hier aber einen großen Moment, denn erst in der Spiegelung der zwei Frauen gewinnt "So wie du mich willst" so etwas wie einen autonomen, weiblichen Raum, eine Form der Auseinandersetzung, die dann auch begreifen lässt, dass die literarische Imprägnierung mehr als nur motivisches Beiwerk ist.
Sprache und Stimme sind hier den Frauen zugeordnet, während Ludo und Alex (beide Fotografen) auch generationell einem anderen - wie man in Frankreich sagen könnte - Regime angehören, einer anderen medialen Anordnung. Mit subtilen Verweisen wie diesem macht "So wie du mich willst" nicht zuletzt Lust auf die Lektüre der Vorlage, die auf Deutsch (noch) nicht vorliegt. Es handelt sich vielleicht um den jüngsten historischen Roman, den man sich derzeit denken kann: Denn dass Facebook zum Ausgangspunkt einer solchen anonymen Leidenschaft werden könnte, das ist im Grunde schon altmodisch wie ein Briefroman aus dem 18. Jahrhundert. In den Bilderordnungen, die heute zählen, sind Gesicht und Körper die harte Währung, und für Maskenspiele, verzweifelte wie bei Claire, oder vielleicht auch raffinierte, sind die Zeiten dürftig.
BERT REBHANDL
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