Nur Lot (Stewart Granger) und seine Sippe entkommen Gottes Zorn In den Städten Sodom und Gomorrha regieren Laster und Frevel. Auch die Hebräer unter Führung von Lot (Stewart Granger) fühlen sich im Sündenpfuhl heimisch. Da warnt sie Gott, dass er die Orte zerstören will. Lot und sein Volk brechen sofort auf... In der Original-Kinolänge (Black Hill Länge) gibt es noch 38 Minuten mehr an extravaganter Ausstattung, frivolen Kostümen und blutrünstigen Abenteuern zu bestaunen.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Biographien Crew - Kapitel- / Szenenanwahl - FotogalerieFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2009Südlich von Rom sind wir im Krieg
Die Spezialedition zu "Gomorrha" führt vor, wie man aus einem exzellenten Buch einen ebenso guten Film macht
Matteo Garrone: "Gomorrha".
Prokino. 131 Minuten. 2 DVDs. Extras: das zugrundeliegende Buch von Roberto Saviano, Drehberichte, Trailer, Interviews.
"Gomorrha" war die große Überraschung des europäischen Filmjahrs 2008, er wurde vielfach ausgezeichnet und ein Publikumserfolg. Dabei konnte Matteo Garrones Film nicht mit Stars aufwarten, und auch das Thema darf nicht gerade als ein gefälliges gelten: die Machenschaften der neapolitanischen Camorra, also eines organisierten Verbrechersyndikats, das von der Müllbeseitigung bis zum Mord aus allem Profit zu schlagen versteht.
Das Bemerkenswerteste indes ist, dass der Film überhaupt gedreht werden konnte. Denn zur Vorlage hat er das gleichnamige Buch von Roberto Saviano, der seit drei Jahren im Verborgenen leben muss, weil sein Leben von der Camorra bedroht wird. Das spricht natürlich für die Qualität dieses Buches, das sich als Tatsachenroman maskiert hat, um seinem Verfasser die größte Gefahr zu ersparen. Genützt hat diese Vorsichtsmaßnahme nichts; zu präzise waren die Recherchen Savianos, zu genau die fiktionalisierte Umsetzung in einen Text, den man getrost als Thriller bezeichnen darf.
Nur dass man kein gutes Ende erwarten darf. Und eigentlich auch keinen guten Film, denn Savianos Einsichten ins Gefüge der Camorra waren derart detailliert, dass jeder Versuch einer Adaption aussichtslos schien, denn dann musste man ja genau das machen, was das Buch vermieden hat: komplette Fiktionalisierung. Andererseits war Savianos Name durch seinen Mut in ganz Europa bekannt geworden, und so war ein Film nach "Gomorrha" ein kassenträchtiges Unterfangen. Nur: Wie ihn drehen, ohne die zugrundeliegende Recherche zu verraten?
Darüber gibt eine nun erschienene Spezialausgabe von "Gomorrha" Auskunft, die neben dem Film auch eine Bonus-DVD mit umfangreichen Gesprächen und Berichten von den Dreharbeiten enthält. Vor allem aber ist dem Film das Buch beigegeben, getreu dem Anspruch Matteo Garrones, den er im Interview äußert: Sein Film soll das Buch ergänzen. Das ist indes ein gewaltiger Anspruch, denn Savianos Buch ließ keine Fragen offen. Das machte es ja für die Camorra so verhasst.
Sechs Drehbuchautoren erforderte diese Aufgabe, doch unter ihnen war auch Saviano selbst, und er hat dafür gesorgt, dass der Film den kühlen Beobachterstandpunkt eines Insiders nicht verlässt - und auch nicht das reale Neapel, das dem geborenen Neapolitaner Saviano so am Herzen und auf der Seele liegt. Doch es gibt kein erzählendes Ich mehr im Film "Gomorrha". Saviano, Garrone und ihre vier Mitstreiter haben als Autoren aus dem Stoff des Buchs die Vorlagen für fünf typische Schicksale herauspräpariert, die dann ineinander verschachtelt erzählt werden. Durch die unterschiedlichen Protagonisten bekommt man verschiedene Verbrecherkarrieren geboten, bei denen aber immer auch die Opferrolle nicht fern liegt.
Totò, der halbwüchsige Junge, der am Ende den schäbigsten Mord ermöglichen wird, ist einer dieser Verdammten, über die Saviano geschrieben hat: "In Secondigliano wissen kleine Jungs, ja schon Kinder ganz genau, wie man stirbt oder wie man lieber sterben sollte." Dieses Wissen buchstabiert der Film aus, der mit einer der eindrucksvollsten Szenen des jüngeren Kinos beginnt: einem vierfachen Mord in einem Solarium, der von der Farbgebung bis zur Tonspur alle Stärken eines Films auszuspielen versteht.
Doch der eigentliche Geniestreich, der "Gomorrha" als Film tatsächlich zu einer nicht geringeren Provokation der Camorra gemacht hat als das Buch selbst, lag in seinen Dreharbeiten. Garrone wählte als Schauplatz des Geschehens nicht Secondigliano, sondern einen leerstehenden Gebäudetrakt in Neapel und ging damit dennoch mitten ins Herz des Verbrechens. Denn selbstverständlich ist jede neue Nutzung eines früher gescheiterten Bauvorhabens ein gutes Geschäft. Und damit hatte es keineswegs sein Bewenden: Saviano erinnert sich in einem mehr als halbstündigen Gespräch - für sich bereits eine Sensation - auf der Bonus-DVD, wie Garrone auf die Suche nach echten Camorristi als Akteuren ging. So ist ein Film entstanden, der in seiner bedrohlichen Ruhe, die von keiner Filmmusik unterbrochen wird, einen geradezu dokumentarischen Habitus aufweist - wie das Buch.
In den kurzen Gesprächen mit Schauspielern werden denn auch Lebensläufe sichtbar, bei denen man nur wünschen kann, dass die Dreharbeiten einen Einschnitt bedeuten. Hoffen aber darf man es nicht, denn wie Garrone markant ausführt: "Im Süden von Rom herrscht Krieg", und sein Filmprojekt war nicht mehr als ein erkennbar mühsam eingehaltener Waffenstillstand, der natürlich nur deshalb Bestand hatte, weil auch davon die Camorra profitierte. Illusionen äußert keiner der Beteiligten an "Gomorrha".
Neapel will Garrone als Metapher für den Süden der Welt verstanden sehen. Das ist wiederum eine Metapher: für den verfemten Teil der Gesellschaft. Er wird derzeit größer, und was daraus entsteht, das beschreibt das Buch und zeigt der Film. Gemeinsam ist das ein Duo Infernal der Aufklärung.
ANDREAS PLATTHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Spezialedition zu "Gomorrha" führt vor, wie man aus einem exzellenten Buch einen ebenso guten Film macht
Matteo Garrone: "Gomorrha".
Prokino. 131 Minuten. 2 DVDs. Extras: das zugrundeliegende Buch von Roberto Saviano, Drehberichte, Trailer, Interviews.
"Gomorrha" war die große Überraschung des europäischen Filmjahrs 2008, er wurde vielfach ausgezeichnet und ein Publikumserfolg. Dabei konnte Matteo Garrones Film nicht mit Stars aufwarten, und auch das Thema darf nicht gerade als ein gefälliges gelten: die Machenschaften der neapolitanischen Camorra, also eines organisierten Verbrechersyndikats, das von der Müllbeseitigung bis zum Mord aus allem Profit zu schlagen versteht.
Das Bemerkenswerteste indes ist, dass der Film überhaupt gedreht werden konnte. Denn zur Vorlage hat er das gleichnamige Buch von Roberto Saviano, der seit drei Jahren im Verborgenen leben muss, weil sein Leben von der Camorra bedroht wird. Das spricht natürlich für die Qualität dieses Buches, das sich als Tatsachenroman maskiert hat, um seinem Verfasser die größte Gefahr zu ersparen. Genützt hat diese Vorsichtsmaßnahme nichts; zu präzise waren die Recherchen Savianos, zu genau die fiktionalisierte Umsetzung in einen Text, den man getrost als Thriller bezeichnen darf.
Nur dass man kein gutes Ende erwarten darf. Und eigentlich auch keinen guten Film, denn Savianos Einsichten ins Gefüge der Camorra waren derart detailliert, dass jeder Versuch einer Adaption aussichtslos schien, denn dann musste man ja genau das machen, was das Buch vermieden hat: komplette Fiktionalisierung. Andererseits war Savianos Name durch seinen Mut in ganz Europa bekannt geworden, und so war ein Film nach "Gomorrha" ein kassenträchtiges Unterfangen. Nur: Wie ihn drehen, ohne die zugrundeliegende Recherche zu verraten?
Darüber gibt eine nun erschienene Spezialausgabe von "Gomorrha" Auskunft, die neben dem Film auch eine Bonus-DVD mit umfangreichen Gesprächen und Berichten von den Dreharbeiten enthält. Vor allem aber ist dem Film das Buch beigegeben, getreu dem Anspruch Matteo Garrones, den er im Interview äußert: Sein Film soll das Buch ergänzen. Das ist indes ein gewaltiger Anspruch, denn Savianos Buch ließ keine Fragen offen. Das machte es ja für die Camorra so verhasst.
Sechs Drehbuchautoren erforderte diese Aufgabe, doch unter ihnen war auch Saviano selbst, und er hat dafür gesorgt, dass der Film den kühlen Beobachterstandpunkt eines Insiders nicht verlässt - und auch nicht das reale Neapel, das dem geborenen Neapolitaner Saviano so am Herzen und auf der Seele liegt. Doch es gibt kein erzählendes Ich mehr im Film "Gomorrha". Saviano, Garrone und ihre vier Mitstreiter haben als Autoren aus dem Stoff des Buchs die Vorlagen für fünf typische Schicksale herauspräpariert, die dann ineinander verschachtelt erzählt werden. Durch die unterschiedlichen Protagonisten bekommt man verschiedene Verbrecherkarrieren geboten, bei denen aber immer auch die Opferrolle nicht fern liegt.
Totò, der halbwüchsige Junge, der am Ende den schäbigsten Mord ermöglichen wird, ist einer dieser Verdammten, über die Saviano geschrieben hat: "In Secondigliano wissen kleine Jungs, ja schon Kinder ganz genau, wie man stirbt oder wie man lieber sterben sollte." Dieses Wissen buchstabiert der Film aus, der mit einer der eindrucksvollsten Szenen des jüngeren Kinos beginnt: einem vierfachen Mord in einem Solarium, der von der Farbgebung bis zur Tonspur alle Stärken eines Films auszuspielen versteht.
Doch der eigentliche Geniestreich, der "Gomorrha" als Film tatsächlich zu einer nicht geringeren Provokation der Camorra gemacht hat als das Buch selbst, lag in seinen Dreharbeiten. Garrone wählte als Schauplatz des Geschehens nicht Secondigliano, sondern einen leerstehenden Gebäudetrakt in Neapel und ging damit dennoch mitten ins Herz des Verbrechens. Denn selbstverständlich ist jede neue Nutzung eines früher gescheiterten Bauvorhabens ein gutes Geschäft. Und damit hatte es keineswegs sein Bewenden: Saviano erinnert sich in einem mehr als halbstündigen Gespräch - für sich bereits eine Sensation - auf der Bonus-DVD, wie Garrone auf die Suche nach echten Camorristi als Akteuren ging. So ist ein Film entstanden, der in seiner bedrohlichen Ruhe, die von keiner Filmmusik unterbrochen wird, einen geradezu dokumentarischen Habitus aufweist - wie das Buch.
In den kurzen Gesprächen mit Schauspielern werden denn auch Lebensläufe sichtbar, bei denen man nur wünschen kann, dass die Dreharbeiten einen Einschnitt bedeuten. Hoffen aber darf man es nicht, denn wie Garrone markant ausführt: "Im Süden von Rom herrscht Krieg", und sein Filmprojekt war nicht mehr als ein erkennbar mühsam eingehaltener Waffenstillstand, der natürlich nur deshalb Bestand hatte, weil auch davon die Camorra profitierte. Illusionen äußert keiner der Beteiligten an "Gomorrha".
Neapel will Garrone als Metapher für den Süden der Welt verstanden sehen. Das ist wiederum eine Metapher: für den verfemten Teil der Gesellschaft. Er wird derzeit größer, und was daraus entsteht, das beschreibt das Buch und zeigt der Film. Gemeinsam ist das ein Duo Infernal der Aufklärung.
ANDREAS PLATTHAUS
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