Kinostart DDR: 18.01.1980
Sunny ist eine Berliner Schlagersängerin, die mit ihrer Band durch Dörfer und Kleinstädte tourt. Sie sehnt sich nach Anerkennung und der großen Liebe. Diese glaubt sie in Ralph, einem Philosophen, gefunden zu haben. Aber Ralph erwidert ihre tiefen Gefühle nicht. Der Taxifahrer Harry, der Sunny anhimmelt, ist finanziell sehr gut gestellt und könnte ihr ein bequemes Leben bieten, aber für sie ist er nicht der Richtige. Während einer Tournee muss sie sich ständig den Nachstellungen des Musikers Norbert erwehren. Nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit ihm fliegt sie aus der Band ...
Sunny ist eine Berliner Schlagersängerin, die mit ihrer Band durch Dörfer und Kleinstädte tourt. Sie sehnt sich nach Anerkennung und der großen Liebe. Diese glaubt sie in Ralph, einem Philosophen, gefunden zu haben. Aber Ralph erwidert ihre tiefen Gefühle nicht. Der Taxifahrer Harry, der Sunny anhimmelt, ist finanziell sehr gut gestellt und könnte ihr ein bequemes Leben bieten, aber für sie ist er nicht der Richtige. Während einer Tournee muss sie sich ständig den Nachstellungen des Musikers Norbert erwehren. Nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit ihm fliegt sie aus der Band ...
Bonusmaterial
Beil.: BookletOhne seinen Erfolg bei der Berlinale wäre Konrad Wolffs Film 1982 vermutlich ganz schnell wieder aus den Kinos der DDR verschwunden
Was war da nur in Konrad Wolff gefahren? Zwei Jahre vor seinem frühen Tod am 7. März 1982 wurde der prominenteste und auch im Politbüro bestgelittene Filmregisseur der DDR mit einem Mal scheinbar subversiv. Auf der Berlinale, wo sein Film "Solo Sunny" im Februar 1980, einen Monat nach dem ostdeutschen Kinostart, am Wettbewerb teilnahm, rieb man sich die Augen und vergab den Silbernen Bären für die beste Darstellerin an die unglaubliche Renate Krößner in der Titelrolle. So konnte das bereits vernehmbar grummelnde Kulturministerium in Ost-Berlin nichts mehr machen: "Solo Sunny" blieb als Erfolgnachweis sozialistischer Kinopolitik auf den Leinwänden der DDR und wurde zu einem Kultfilm, wie es seit Heiner Carows "Legende von Paul und Paula" (1973) keinen mehr gegeben hatte - und bis 1989 auch keinen mehr geben sollte.
War es die Co-Regie von Wolfgang Kohlhaase, die erste Regiearbeit des bekannten Drehbuchautors, die Konrad Wolff so befreit hatte von der Linientreue und dem Pathos früherer Filme wie "Sterne", "Der geteilte Himmel" oder dem gigantomanischen 70-Millimeter-Werk "Goya", mit dem er die siebziger Jahre eröffnet hatte, die er dann mit "Solo Sunny" so ganz anders beschloss? Nein, entscheidend war eher eine Mitte der siebziger Jahre vom neuen stellvertretenden Kulturminister Klaus Höpcke erteilte Weisung an die Filmschaffenden, in ihren Werken mehr den Alltag der Bürger zu berücksichtigen - auch in seinen schwierigen Aspekten. Das wiederum war die Folge von Walter Ulbrichts Ablösung an der SED-Parteispitze durch Erich Honecker - man versprach sich damals in der DDR einen politischen Frühling, und Höpcke ließ sofort ein erstes laues Lüftchen durch die Studios wehen.
Konrad Wolff war parteitreu genug, um die Sache ernst zu nehmen, und er suchte nach einem passenden Drehbuch. Dazu wandte er sich an Kohlhaase, der ihm 1968 schon "Ich war neunzehn" geschrieben hatte. Und Kohlhaase tat, was er am besten kann: auf die Ränder der Gesellschaft blicken. Und zu den Rändern in der DDR gehörte das Künstlermilieu, sofern es sich nicht auf dem politisierten Niveau eines Wolff abspielte. Dort spürte Kohlhaase mit Hilfe der Journalistin Jutta Voigt die Nachtclubsängerin Sanije Torka auf, deren Leben zum Vorbild für Ingrid Sommer werden sollte - jene Frau, die im Film dann als versteckte Hommage an Sanije Torka den Künstlernamen "Sunny" trägt.
Sie träumt den ewigen Künstlertraum vom Erfolg, hat es aber zu Beginn der Films nur zum Mitglied eines stehenden Programms namens "Kunterbunt und immer rund" gebracht, das von einem schmierigen Conférencier in den Kulturhäusern der DDR-Provinz präsentiert wird. In der Truppe gibt es Reibereien und Frustration; der Standardsatz hinter den Kulissen lautet: "Man müsste ganz andere Musik machen." Dabei wird immerhin Englisch gesungen, und die Begleitband "Die Tornados" spielt eine Art Jazzrock, an dem man schon die Auflösung der Kulturnormen in der DDR erkennen kann. Doch noch immer bleibt die Organisation von Kunst Staatsaufgabe.
Sunny aber ist wild, eine Frau, die sich nicht um Normen schert und dadurch aneckt: im Hinterhofhaus in Prenzlauer Berg, wo sie wohnt, oder in der Künstlertruppe. Die Avancen des Saxophonisten weist sie zurück, gegen die herablassenden Ansagen des Conférenciers protestiert sie. Sie ist nicht als junge Frau aus der Produktion ausgestiegen, um nun als Sängerin genau dieselbe Gängelung zu erleben, aber mit einer solchen Einstellung macht sie sich keine Freunde.
Bis eines Tages der Saxophonist kurzfristig ersetzt werden muss und ein Diplom-Philosoph für ihn einspringt, der seine Dissertation über den Tod mit Nebenjobs als Musiker finanziert. Er ist, mit seinem wenig lebensbejahenden Thema, genauso Außenseiter im auf die Zukunft ausgerichteten DDR-System wie die auf den Augenblick fixierte Sunny. So kommen beide zusammen, und wie Renate Krößner und Alexander Lang diese Liebe vorführen, das ist unvergesslich. Es sind ihre Lebensrollen, in jeder Hinsicht: Beide Schauspieler verließen wenige Jahre später die DDR.
"Solo Sunny" ist grandios besetzt. Den bösartigen der beiden Saxophonisten spielt Klaus Brasch, der Bruder des Schriftstellers Thomas Brasch und Sohn des ehemaligen stellvertretenden DDR-Kulturministers Horst Brasch. Als Mitglied einer Nomenklatura-Familie hatte sich Klaus Brasch wie sein Bruder zum Rebellen entwickelt, und etwas von seinem Zorn spürt man der Vehemenz an, mit der er seine Figur zu einem Ekelpaket macht. "Solo Sunny" sollte sein letzter Film sein; Brasch starb, noch vor der Berlinale, am 3. Februar durch Medikamentenmissbrauch; vermutlich aus eigenem Willen. So ist "Solo Sunny" auch zu einem Requiem auf eine Schauspielergeneration in der DDR geworden, die an der sozialistischen Wirklichkeit verzweifelte. Und genau das ist das Thema von Kohlhaases Buch. Wobei er sogar die Chuzpe hatte, am Schluss das Individuum triumphieren zu lassen. Nach einem Selbstmordversuch durch Medikamentenmissbrauch findet Sunny eine neue Band, in der sie sich nicht verbiegen muss. Und die Kamera fährt in der letzten Einstellung des Films hoch aus dem engen Hof in Prenzlauer Berg und nimmt die Weite der Stadt in den Blick - jene Grenzenlosigkeit, die zuvor nur durch zahlreiche Zwischenschnitte auf niedrig über Berlin schwebende Flugzeuge angedeutet wurde. Das waren jene Westmaschinen, die damals vor der Landung in Berlin-Tegel noch einmal als kleine Provokation eine große Schleife über der Osthälfte drehten.
"Solo Sunny" ist also auch das Porträt der geteilten Stadt und somit eine Fortsetzung des Spielfilms "Berlin - Ecke Schönhauser", für den Kohlhaase 1957 das Drehbuch geschrieben hatte. Anders als in diesem ersten großen Kohlhaase-Erfolg, welcher der SED-Kulturbürokratie suspekt blieb, ist nun aber ein Witz in die Dialoge eingezogen, der es den Ideologiewächtern leichter machte, die subtile Kritik zu dulden. "Solo Sunny" ist eben auch sehr komisch, und das Gelächter in den Kinos kaschierte die Ironie.
Aber wenn man etwa Sunny dabei sieht, wie sie den Abriss eines Altbaublocks beobachtet und dann später eine ehemalige Fabrikkollegin besucht, die in einem unfertigen Plattenbauviertel wohnt, dann ist es kaum begreiflich, dass dieser Film tatsächlich ins Kino kam. Er ist ein Solitär im DDR-Kino, und das erinnert an jenes Solo, das Sunny sich so sehr wünscht. Als sie es bekommt, muss sie erfahren, dass solo auch "allein" bedeutet.
Dieses Schicksal teilt sie mit dem Film, der in der DDR keine Nachfolger haben durfte. Die Kulturpolitik verhärtete sich wieder, und es wäre interessant gewesen zu sehen, ob Konrad Wolff nach seinem Wagnis noch einmal fürs Kino hätte tätig werden dürfen. Sein letztes Werk, ein Teil des Episodenfilms "Busch singt" über den Schauspieler Ernst Busch, der die Hauptrolle in Wolfs "Goya" gespielt hatte, entstand 1982 fürs Fernsehen der DDR. Wolff erlag während der Produktion seiner schweren Krankheit. So ist "Solo Sunny" sein Vermächtnis geworden. Ein schöneres kann man sich aus heutiger Sicht nicht wünschen.
ANDREAS PLATTHAUS
Die F.A.Z.-Filmedition "Momente des deutschen Films", einzeln oder im Schuber (mit Michael Althens und Hans Helmut Prinzlers "Auge in Auge"), ist jetzt im Handel.
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