Produktdetails
- Hersteller: Salzgeber Services
- FSK: ohne Alterseinschränkung gemäß §14 JuSchG
- Sprachen: Deutsch
- EAN: 4040592000961
- Artikelnr.: 10523810
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.06.2001Jahreszeitsprünge: Sébastien Lifshitz' Film "Sommer wie Winter"
Eine Entwicklungsgeschichte im Jahreskreis: Auf den Sommer folgt der Winter, auf die Liebe die Erkaltung der Gefühle. Auch der französische Regisseur Sébastien Lifshitz greift in seinem Film "Sommer wie Winter" auf dieses Muster zurück, doch er folgt der Chronologie nicht, er zerbricht sie und fügt Winter- und Sommersplitter kreuz und quer und wild versetzt wieder zusammen.
Im Sommer fahren die Franzosen ans Meer - eine Gewohnheit, auf die im französischen Film gern zurückgegriffen wird: Am Strand, vor der grenzenlosen Weite des Meeres, werden Ereignisse plausibel, die in der Stadt nicht denkbar wären. So ist auch in diesem Film der Strand der Ort der Initiation. Der achtzehnjährige Mathieu, der mit seiner Familie die Ferien in der Bretagne verbringt, erfährt an der Küste etwas über sich, was ihm daheim in Paris verborgen geblieben war: Er erkennt, daß er nicht Frauen, sondern Männer liebt.
Befördert wird diese Erkenntnis durch die Bekanntschaft mit Cédric, dessen matrosenhaftem Charme er nach kurzem Widerstand verfällt. Ungehemmt erlebt Mathieu seine erste Liebe, sein "erstes Mal", versteckt in den Dünen. Die recht verhaltene Begeisterung der Familie über dieses Coming-out läßt schon den Herbst anklingen.
In der ersten Szene des Films sind diese glücklichen, sonnenhellen Tage jedoch schon Vergangenheit: Das Porträt des jungen Mannes beginnt mit seinem Wintergesicht - dem Gesicht der enttäuschten Liebe und der Einsamkeit. Mit dem Zug fährt Mathieu ans Meer, bricht das Ferienhaus seiner Eltern auf und richtet sich dort ein, so gut man sich im Winter in einem Sommerhaus einrichten kann. Die Farbe ist aus den Dingen gewichen, die einstige Lebenslust Mathieus nur noch Erinnerung. Gegen diese kalten Bilder setzt Lifshitz in harten Montagen die heißen. Nicht immer ist es einfach, diesen Zeitsprüngen zu folgen, doch unbefriedigender sind die unvermittelten Brüche zwischen Mathieus Sommer- und Wintergesicht: Im Sommer sengt er die Federn eines toten Vogels mit seiner Zigarette an, im Winter nimmt er eine Katze bei sich auf und teilt mit ihr liebevoll seine Mahlzeiten - überdeutliche Indizien dafür, daß dieser Mensch nicht mehr der alte ist. Nach einem Jahr mit Cédric hat er versucht, sich das Leben zu nehmen. Doch die Psychiaterin bemüht sich vergebens, ihm ein Wort über seine Depression zu entlocken. "Ich will nicht denken", sagt er zu ihr. "Ich will heute nicht über mich reden", zu einem Freund.
Die Spuren, die der Film auslegt, sind zu dürftig, als daß man diesen Bruch in Mathieus Persönlichkeit nachvollziehen könnte. "Seelenlandschaften" will Lifshitz in seinem Film zeigen und setzt dabei häufig auf die Großaufnahme seines Hauptdarstellers Jérémie Elkaïm. Dessen Gesicht gibt Stimmungen wieder, aber es erzählt nichts von der Ursache seiner Verwandlung: Im Grunde sieht man zwei unterschiedliche Figuren, die nur durch dieselbe Physiognomie zusammengehalten werden.
Lifshitz hat Wirkungen dokumentiert, die Ursachen interessieren ihn nicht, und auch dem Zuschauer läßt er keine Möglichkeit, sie zu rekonstruieren: Zu unverbunden bleiben diese Bilder. So beschränkt sich der Film darauf, die Aggregatzustände einer Entwicklungsgeschichte vorzuführen - als folge auch die menschliche Existenz den unmerklich waltenden Gesetzmäßigkeiten der Jahreszeiten. Doch die Erkenntnis allein, daß auf jeden Sommer ein Winter folgt, ist so fesselnd nicht.
CHRISTINE MEFFERT
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Entwicklungsgeschichte im Jahreskreis: Auf den Sommer folgt der Winter, auf die Liebe die Erkaltung der Gefühle. Auch der französische Regisseur Sébastien Lifshitz greift in seinem Film "Sommer wie Winter" auf dieses Muster zurück, doch er folgt der Chronologie nicht, er zerbricht sie und fügt Winter- und Sommersplitter kreuz und quer und wild versetzt wieder zusammen.
Im Sommer fahren die Franzosen ans Meer - eine Gewohnheit, auf die im französischen Film gern zurückgegriffen wird: Am Strand, vor der grenzenlosen Weite des Meeres, werden Ereignisse plausibel, die in der Stadt nicht denkbar wären. So ist auch in diesem Film der Strand der Ort der Initiation. Der achtzehnjährige Mathieu, der mit seiner Familie die Ferien in der Bretagne verbringt, erfährt an der Küste etwas über sich, was ihm daheim in Paris verborgen geblieben war: Er erkennt, daß er nicht Frauen, sondern Männer liebt.
Befördert wird diese Erkenntnis durch die Bekanntschaft mit Cédric, dessen matrosenhaftem Charme er nach kurzem Widerstand verfällt. Ungehemmt erlebt Mathieu seine erste Liebe, sein "erstes Mal", versteckt in den Dünen. Die recht verhaltene Begeisterung der Familie über dieses Coming-out läßt schon den Herbst anklingen.
In der ersten Szene des Films sind diese glücklichen, sonnenhellen Tage jedoch schon Vergangenheit: Das Porträt des jungen Mannes beginnt mit seinem Wintergesicht - dem Gesicht der enttäuschten Liebe und der Einsamkeit. Mit dem Zug fährt Mathieu ans Meer, bricht das Ferienhaus seiner Eltern auf und richtet sich dort ein, so gut man sich im Winter in einem Sommerhaus einrichten kann. Die Farbe ist aus den Dingen gewichen, die einstige Lebenslust Mathieus nur noch Erinnerung. Gegen diese kalten Bilder setzt Lifshitz in harten Montagen die heißen. Nicht immer ist es einfach, diesen Zeitsprüngen zu folgen, doch unbefriedigender sind die unvermittelten Brüche zwischen Mathieus Sommer- und Wintergesicht: Im Sommer sengt er die Federn eines toten Vogels mit seiner Zigarette an, im Winter nimmt er eine Katze bei sich auf und teilt mit ihr liebevoll seine Mahlzeiten - überdeutliche Indizien dafür, daß dieser Mensch nicht mehr der alte ist. Nach einem Jahr mit Cédric hat er versucht, sich das Leben zu nehmen. Doch die Psychiaterin bemüht sich vergebens, ihm ein Wort über seine Depression zu entlocken. "Ich will nicht denken", sagt er zu ihr. "Ich will heute nicht über mich reden", zu einem Freund.
Die Spuren, die der Film auslegt, sind zu dürftig, als daß man diesen Bruch in Mathieus Persönlichkeit nachvollziehen könnte. "Seelenlandschaften" will Lifshitz in seinem Film zeigen und setzt dabei häufig auf die Großaufnahme seines Hauptdarstellers Jérémie Elkaïm. Dessen Gesicht gibt Stimmungen wieder, aber es erzählt nichts von der Ursache seiner Verwandlung: Im Grunde sieht man zwei unterschiedliche Figuren, die nur durch dieselbe Physiognomie zusammengehalten werden.
Lifshitz hat Wirkungen dokumentiert, die Ursachen interessieren ihn nicht, und auch dem Zuschauer läßt er keine Möglichkeit, sie zu rekonstruieren: Zu unverbunden bleiben diese Bilder. So beschränkt sich der Film darauf, die Aggregatzustände einer Entwicklungsgeschichte vorzuführen - als folge auch die menschliche Existenz den unmerklich waltenden Gesetzmäßigkeiten der Jahreszeiten. Doch die Erkenntnis allein, daß auf jeden Sommer ein Winter folgt, ist so fesselnd nicht.
CHRISTINE MEFFERT
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main