Frankie Page (Patricia Arquette) ist eine lebenslustige junge Frau, die nicht an Gott glaubt. Doch eines Tages verändert sich ihr Leben vollkommen, als sich an ihren Händen und Füßen gefährliche Wunden bilden - die Stigmata. Der Top-Agent des Vatikans, Pater Kiernan (Gabriel Byrne), und der korrupte Kardinal Houseman (Jonathan Pryce) untersuchen den Fall. Bald wird klar, dass hinter den Wundmalen eine Botschaft steckt, die nicht nur die katholische Kirche sondern auch das Schicksal der Menschheit für immer ändern kann....
Bonusmaterial
Bewegtmenüs - Audio-Kommentar des Regisseurs - geschnittene Szenen - alternatives Ende - göttliche Riten - die Geschichte von Stigmata - Musikvideo von Natalie Imbruglia - alle Zusatzfeatures bieten die Möglichkeit der Einblendung von Untertiteln DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Musikvideo(s) - geschnittene Szenen - Alternatives Ende - Audiokommentar - 8-seitiges Booklet mit HintergrundinformationenFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.01.2000Denn sie wissen nicht, was sie leiden
Im Film "Stigmata" geht die göttliche Liebe durch die Haut: Ein wunder Rücken kann aber auch verzücken
Wer nicht an Gott glaubt, begegnet auch der Unterbrechung des Alltags im Wunder eher lustlos. Schlimmer noch ist die Lebensruhestörung, wenn dem eigenen Körper das Wunder widerfährt. Am schlimmsten aber trifft der wunderreiche Schmerz, der einen als Auszeichnung überfällt und in seiner Grundlosigkeit um den sorgsam gehüteten Verstand bringt. Er ist die unerwünschte Gnade und der unerträgliche Liebesbeweis, ein Privileg, das man fern von sich und dem Nachbarn an den Hals wünscht. In einer risikowattierten Gesellschaft beschreiben Wunder nur noch den Schadensfall. Wem sie zustoßen, der sollte zumindest krankenversichert sein.
Frankie Paige (Patricia Arquette) ist Friseuse in Pittsburgh und Inhaberin eines begehrten Körpers. Liebe findet sie mit schöner Regelmäßigkeit zwischen den Bettlaken, ihre Wohnung ist mit dem schrillen Lifestyle-Kitsch der Neunziger ausgestattet, alle Rechnungen sind bezahlt. In ihrem Leben gibt es keine Leere, über die nicht eine durchtanzte Nacht hinweghelfen würde. "Ich gefalle mir so, wie ich bin." Diese gottlose Selbstzufriedenheit wird unterbrochen, als das leibhaftige Wort Gottes durch Zufall gerade in ihre makellose Haut eindringt. Denn Frankie erleidet unverstanden die Gnade der Stigmatisierung. In der Badewanne treiben ihr unsichtbare Schergenhände die Nägel durch die Gelenke, im Club krönen Dornen sie zur blutüberströmten Ballkönigin. Druckverbände können die unfrohe Botschaft dieses Schmerzes nicht lindern. Plötzlich ist das Leben eine metaphysische Krankheit, gegen die keine Verhütung hilft.
Der Film hat starke Momente, wenn er solche Wundmale mit ästhetischem Sadismus an dem bislang unbefleckten Körper anbringen darf. So überfällt Frankie die Geißelung bei einer nächtlichen U-Bahn-Fahrt. Entsetzt hängt sie mit weit gespannten Armen in den Halteschlaufen, als eine Peitsche ihr den Rücken aufreißt. Die ikonographische Strenge dieser Geste und der unzugehörige Raum überraschen den Blick. Mit schnellen Schnitten fährt der Schlag auch durch das Betrachterauge.
Doch diese geglückten Bildeinfälle, die sich von der Handlung freimachen, widerfahren "Stigmata" zu selten. Die eigentliche Enttäuschung dieses Horrors ist, in welchem Ausmaß er - bei aller optischen Ambitioniertheit, die bis zum Einsatz einer besonderen Aufnahmetechnik reicht - den Glibberekel der siebziger Jahre imitiert. So erstehen die inzwischen ausgeröchelten Effekte von William Friedkins "Exorzist" wieder auf, Linda Blairs teuflisch bunte Pupillen und die sabbernde Fratze, der auch der Schönheitschirurg nur mit Enthauptung weiterhelfen kann. Das zeugt nicht von guter Tradition, sondern Langeweile, es ist eine Zumutung ans Bildgedächtnis, das die Vorlage zu schnell benennen kann. Erinnerter Horror ist eine unerwünschte Bildungsveranstaltung. Wenn das Auge nicht mehr überrascht wird, ermüdet auch der Kopf.
Die Handlung von "Stigmata" kann diese aufwendige Bildleere nicht stopfen. Der sichtlich unterforderte Gabriel Byrne mimt einen Priester, den der Vatikan zur Untersuchung des Wunderfalls nach Pittsburgh geschickt hat. Anders als im "Exorzist" ist er nicht aktiver Austreibungsbefürworter, sondern nur zölibatsgefährdeter Freund. Als Augenzeuge und kirchenkundiger Kommentator muss er untätig Frankies Opferszenen umkreisen. Wo das Kräftemessen aber fehlt, dieses Armdrücken mit dem Teufel um den Preis einer Seele, bleibt nur das stillstehende Staunen. Wie eine Stimme aus dem Off agiert dieses priesterliche Kirchenlexikon, es klärt über Legenden auf, fotografiert fürs Vatikanarchiv und muss sich alt-aramäische Botschaften anhören. So verdoppelt sich der Betrachter im Film selbst. Das angestaunte Staunen aber ist nur ein mäßiges Seherlebnis.
"Stigmata" leidet unter einem schwerwiegenden Fehler. Denn seine inhaltliche Botschaft ist eine protestantische: "Jesus sagt, das Reich Gottes ist in dir." Die schmerzende Macht, die von Frankie Besitz ergriffen hat, predigt sanfte Innerlichkeit. Denn ihr eigentlicher Gegner, so spricht die Gottesstimme aus ihrem Frankie-Medium, ist die Anmaßung der Amtskirche, den Glauben bürokratisieren zu wollen. Das Reich Gottes aber walte allein in der belebten Natur, überm Stock und unterm Stein. So erliegt der Film seinem Widerspruch, die nur spirituelle Erfahrbarkeit Gottes an der leidenden Physis zu behaupten. Wie kann etwas sanftes Wort sein, wenn es nur mit geschundenem Fleisch sprechen kann?
"Der Exorzist" war hier genauer, denn er vertraute auf das Ritual des Katholizismus. Nur der tatsächliche Kampf mit dem Teufel kann den bewegten, offen verletzenden Horror in Szene setzen, der starke Bilder für seine Wirkung braucht. So ist "Stigmata" entgegen seiner Botschaft ein zutiefst gottloser Film. Denn er verrät die Bilder, denen er seine Existenz zu verdanken hat. Wer aber protestantischen Horror ansehen will, muss in amerikanische Familienfilme gehen.
THOMAS WIRTZ
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Im Film "Stigmata" geht die göttliche Liebe durch die Haut: Ein wunder Rücken kann aber auch verzücken
Wer nicht an Gott glaubt, begegnet auch der Unterbrechung des Alltags im Wunder eher lustlos. Schlimmer noch ist die Lebensruhestörung, wenn dem eigenen Körper das Wunder widerfährt. Am schlimmsten aber trifft der wunderreiche Schmerz, der einen als Auszeichnung überfällt und in seiner Grundlosigkeit um den sorgsam gehüteten Verstand bringt. Er ist die unerwünschte Gnade und der unerträgliche Liebesbeweis, ein Privileg, das man fern von sich und dem Nachbarn an den Hals wünscht. In einer risikowattierten Gesellschaft beschreiben Wunder nur noch den Schadensfall. Wem sie zustoßen, der sollte zumindest krankenversichert sein.
Frankie Paige (Patricia Arquette) ist Friseuse in Pittsburgh und Inhaberin eines begehrten Körpers. Liebe findet sie mit schöner Regelmäßigkeit zwischen den Bettlaken, ihre Wohnung ist mit dem schrillen Lifestyle-Kitsch der Neunziger ausgestattet, alle Rechnungen sind bezahlt. In ihrem Leben gibt es keine Leere, über die nicht eine durchtanzte Nacht hinweghelfen würde. "Ich gefalle mir so, wie ich bin." Diese gottlose Selbstzufriedenheit wird unterbrochen, als das leibhaftige Wort Gottes durch Zufall gerade in ihre makellose Haut eindringt. Denn Frankie erleidet unverstanden die Gnade der Stigmatisierung. In der Badewanne treiben ihr unsichtbare Schergenhände die Nägel durch die Gelenke, im Club krönen Dornen sie zur blutüberströmten Ballkönigin. Druckverbände können die unfrohe Botschaft dieses Schmerzes nicht lindern. Plötzlich ist das Leben eine metaphysische Krankheit, gegen die keine Verhütung hilft.
Der Film hat starke Momente, wenn er solche Wundmale mit ästhetischem Sadismus an dem bislang unbefleckten Körper anbringen darf. So überfällt Frankie die Geißelung bei einer nächtlichen U-Bahn-Fahrt. Entsetzt hängt sie mit weit gespannten Armen in den Halteschlaufen, als eine Peitsche ihr den Rücken aufreißt. Die ikonographische Strenge dieser Geste und der unzugehörige Raum überraschen den Blick. Mit schnellen Schnitten fährt der Schlag auch durch das Betrachterauge.
Doch diese geglückten Bildeinfälle, die sich von der Handlung freimachen, widerfahren "Stigmata" zu selten. Die eigentliche Enttäuschung dieses Horrors ist, in welchem Ausmaß er - bei aller optischen Ambitioniertheit, die bis zum Einsatz einer besonderen Aufnahmetechnik reicht - den Glibberekel der siebziger Jahre imitiert. So erstehen die inzwischen ausgeröchelten Effekte von William Friedkins "Exorzist" wieder auf, Linda Blairs teuflisch bunte Pupillen und die sabbernde Fratze, der auch der Schönheitschirurg nur mit Enthauptung weiterhelfen kann. Das zeugt nicht von guter Tradition, sondern Langeweile, es ist eine Zumutung ans Bildgedächtnis, das die Vorlage zu schnell benennen kann. Erinnerter Horror ist eine unerwünschte Bildungsveranstaltung. Wenn das Auge nicht mehr überrascht wird, ermüdet auch der Kopf.
Die Handlung von "Stigmata" kann diese aufwendige Bildleere nicht stopfen. Der sichtlich unterforderte Gabriel Byrne mimt einen Priester, den der Vatikan zur Untersuchung des Wunderfalls nach Pittsburgh geschickt hat. Anders als im "Exorzist" ist er nicht aktiver Austreibungsbefürworter, sondern nur zölibatsgefährdeter Freund. Als Augenzeuge und kirchenkundiger Kommentator muss er untätig Frankies Opferszenen umkreisen. Wo das Kräftemessen aber fehlt, dieses Armdrücken mit dem Teufel um den Preis einer Seele, bleibt nur das stillstehende Staunen. Wie eine Stimme aus dem Off agiert dieses priesterliche Kirchenlexikon, es klärt über Legenden auf, fotografiert fürs Vatikanarchiv und muss sich alt-aramäische Botschaften anhören. So verdoppelt sich der Betrachter im Film selbst. Das angestaunte Staunen aber ist nur ein mäßiges Seherlebnis.
"Stigmata" leidet unter einem schwerwiegenden Fehler. Denn seine inhaltliche Botschaft ist eine protestantische: "Jesus sagt, das Reich Gottes ist in dir." Die schmerzende Macht, die von Frankie Besitz ergriffen hat, predigt sanfte Innerlichkeit. Denn ihr eigentlicher Gegner, so spricht die Gottesstimme aus ihrem Frankie-Medium, ist die Anmaßung der Amtskirche, den Glauben bürokratisieren zu wollen. Das Reich Gottes aber walte allein in der belebten Natur, überm Stock und unterm Stein. So erliegt der Film seinem Widerspruch, die nur spirituelle Erfahrbarkeit Gottes an der leidenden Physis zu behaupten. Wie kann etwas sanftes Wort sein, wenn es nur mit geschundenem Fleisch sprechen kann?
"Der Exorzist" war hier genauer, denn er vertraute auf das Ritual des Katholizismus. Nur der tatsächliche Kampf mit dem Teufel kann den bewegten, offen verletzenden Horror in Szene setzen, der starke Bilder für seine Wirkung braucht. So ist "Stigmata" entgegen seiner Botschaft ein zutiefst gottloser Film. Denn er verrät die Bilder, denen er seine Existenz zu verdanken hat. Wer aber protestantischen Horror ansehen will, muss in amerikanische Familienfilme gehen.
THOMAS WIRTZ
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main