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Technische Angaben: Bildformat: 1.85:1 anamorph Sprachen / Tonformate: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1) Ländercode: 2 Extras: Interviews, Return to Siula Grande, What Happened Next, Trailer
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Interviews - Hintergrundinformationen - Return to Siula Grande - What happened next

  • Anzahl: 1 DVD
Produktbeschreibung
Technische Angaben:
Bildformat: 1.85:1 anamorph
Sprachen / Tonformate: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Ländercode: 2
Extras: Interviews, Return to Siula Grande, What Happened Next, Trailer

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DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Interviews - Hintergrundinformationen - Return to Siula Grande - What happened next
Autorenporträt
Joe Simpson, geboren 1960, wußte schon mit vierzehn Jahren, was einmal sein Leben bestimmen würde: Bergsteigen und Schreiben. Er studierte Englisch und Philosophie, bevor er sich hauptberuflich dem Alpinismus widmete. Simpson lebt heute in der Nähe von Sheffield, England.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2004

Wie eine Ameise im weißen Nichts
Als das Seil zerschnitten wurde: Kevin Macdonalds Dokumentarspielfilm "Sturz ins Leere" zeigt Bergsteiger zwischen Leben und Tod

Es ist ein Stoff wie für eine antike Tragödie: Zwei Männer sind mit einem Seil verbunden, der eine oben, mit seinen Steigeisen in einen vereisten Abhang verkeilt, das Seil über eine Seilbremse mit dem Klettergurt vertäut, das Gewicht des anderen mit seinen Händen haltend; dieser andere unten, zu weit entfernt, als daß sie im tosenden Sturm einander zurufen könnten, tief unten also, zwischen einer Felskante und dem Abgrund einer Gletscherspalte.

Die Fingerkuppen sind ihm angefroren beim Versuch, einen Prusik-Knoten zu schnüren, um sich am Seil nach oben zu hangeln, vergebens. Und nun ist er der Ohnmacht nahe. Es ist eine ausweglose Situation. Denn es stellt sich erst gar nicht die Frage, ob die beiden überleben können, sondern bestenfalls, ob der eine sein Leben verlängert, indem er das des anderen opfert - verlängert, weil wenig dafür spricht, daß er es allein hinunter ins Tal schaffen wird. So vergehen Stunden, die Nacht bricht herein, und die Temperatur fällt mit jeder Minute tiefer in den Bereich arktischer, unmenschlicher Kälte. Einer Kälte, in der beide über kurz oder lang zu Skulpturen erstarren werden. Das war 1985.

"Touching the Void" heißt das Buch, das der englische Bergsteiger Joe Simpson drei Jahre später schrieb: die Leere berühren. Damit mag auch die Leere im Nichts zwischen Klippe und Abgrund gemeint sein, also zwischen Himmel und Erde. Aber vor allem geht es um die Leere im Kopf, wenn die Gedanken zu kreisen aufhören und die Welt auf einmal ganz weit entfernt ist. "Sturz in die Tiefe" heißt die deutsche Übersetzung, und so heißt nun auch der Film, in dem der Regisseur Kevin Macdonald 106 Minuten lang das Gebirgsdrama nacherzählt. Der Titel verrät es: Der Bergsteiger oben am Seil zieht irgendwann ein Messer. Dann geht alles sehr schnell. "Es brauchte keinen Druck. Das straffe Seil explodierte, sobald die Klinge es berührte, und ich flog rückwärts in den Sitz hinein, als die Zugspannung nachließ. Ich zitterte", liest man im Buch.

Im Film sieht man einen Körper über die Leinwand fegen. Binnen Sekunden wechselt mehrmals die Perspektive. Der Körper zuckt. Stürzt von der Kamera weg. Stürzt auf die Kamera zu. Eis kracht. Schnee stäubt. Splitter jagen durchs Bild wie Schrapnell. Auch dem Zuschauer wird der Boden unter den Füßen fortgerissen. Das sei nicht Teil des Spielplans gewesen, wie sie ihn entworfen hatten, sagt Joe Simpson im Film. Er sagt es trocken; nein: lakonisch. Lakonie ist die vorherrschende Stimmung des gesamten Films.

Man wundert sich nicht, daß Tom Cruise Interesse daran gezeigt hat, "Sturz ins Leere" zu verfilmen. Aber es überrascht auch nicht, daß er die Idee wieder verworfen hat. Dies ist nicht der Stoff für Draufgängertum. Es brauchte einen Dokumentarfilmer, um der Situation gerecht zu werden und den richtigen Ton zu treffen. Kevin Macdonald interpretiert die Geschichte nicht. Er stellt sie nach.

Losgezogen waren Joe Simpson und Simon Yates, damals fünfundzwanzig und einundzwanzig Jahre alt, um sich durch die Erstdurchsteigung der Westwand des 6344 Meter hohen Siula Grande in Bergsteigerkreisen einen Namen zu machen. Von alpinistischer Besonnenheit war ihr Abenteuer kaum geprägt. Zweifelhaften Ruhm ernteten sie für das Martyrium, das sie beim Abstieg durchlitten, vor allem Simpson, der sich mit zersplittertem Knie aus der Gletscherspalte befreien konnte und sich ohne Wasser oder Lebensmittel im Laufe von drei Tagen mal auf dem Bauch, mal auf dem Rücken erst durch das Labyrinth des Gletschers und dann über die Felsen der Moräne zu den Zelten robbte. "Sturz ins Leere" ist vor allem die Geschichte einer grenzenlosen Qual.

Simpson spielt in seinem Buch mit einer doppelten Perspektive. Der eigenen Wahrnehmung stellt er die Darstellung seines Seilpartners gegenüber. Dabei wählt er für beide Positionen die Ich-Form. Ähnlich macht es Kevin Macdonald. Jeweils zwei Tage lang ließ er die beiden vor der Kamera detailliert erzählen, was damals geschah. Diese Schilderungen sind das Gerüst des Films. Erst auf Grund dieses Materials schrieb Macdonald das Drehbuch.

Wie er nun atemraubend schöne Landschaftsaufnahmen des Originalschauplatzes in den peruanischen Anden, nachgestellte Spielfilmszenen mit jungen Kletterern und vor allem immer wieder die Interviews mit den beiden Bergsteigern verzahnt, das hat es in solcher Redlichkeit im Bergfilm bisher nicht gegeben. Hier wird die ans Sublime grenzende Außenwelt nicht zur Projektion von Seelenzuständen oder inneren Abgründen, finden sich im splitternden Eis keine Hinweise auf die Zerrissenheit der Charaktere. Die Kräfte der Natur, der Sturm, der Schnee, die Kälte, sind weder schauerlich noch erhaben, sondern von desinteressierter Monumentalität. Ungerührt, wie ein Forscher durch sein Mikroskop Einzeller beim Zappeln in der Tinktur beobachten mag, hält Kevin Macdonald starr und in engem Ausschnitt die Kamera auf die Gesichter von Simpson und Yates, stellt nicht einmal Fragen, so scheint es. Sie erzählen von allein. Erzählen, als ginge es noch immer darum, das Drama endlich zu verarbeiten.

Am Set in Peru, so ist zu hören, habe Simpson unter Albträumen gelitten. Yates, der ihn damals vom Seil geschnitten hat, soll in Streit und Rage abgereist sein und jeglichen Kontakt seither abgebrochen haben. Was nutzt es da, daß Simpson das Buch nur geschrieben haben will, um Yates vom Vorwurf vieler Bergsteiger zu entlasten, den Tod des Kameraden in Kauf genommen zu haben. Yates wurde so sehr verhöhnt, daß er sich im Klappentext eines eigenen Buchs später kurzerhand als "the one who cut the rope" bezeichnete.

Doch dafür interessiert sich Kevin Macdonald nicht. Die Welt kennt Schlimmeres, weiß er, der vor drei Jahren dem Massaker während der Olympischen Spiele in München den aufwühlenden Film "Ein Tag im September" gewidmet hat. Er hat kein Mitleid mit den Bergsteigern. Er bewundert sie auch nicht. Er ist nur neugierig. Und am Ende vielleicht ein wenig enttäuscht darüber, daß er dem Geheimnis der Bergsteigerei nicht nähergekommen ist. Aber vielleicht ist ja genau dies das Geheimnis: daß sich Sätze wie "Du fühlst dich lebendiger, wenn du in Gefahr bist, weil dein gesamter Körper sich auf Kämpfen und Fliehen einstellt" gut schreiben, aber eben nicht belegen lassen.

Daß beim Bergsteigen alle Momente des Mythos zueinanderfinden: der Ruf, der Aufbruch, die Tat und das Erlebnis, einen verstohlenen Blick über die Grenze des Todes zu werfen, daß hier der alte Kampf zwischen Mensch und Natur in selten erlebter Reinheit geführt und es elementarer nicht zugehen kann - davon will Macdonald nicht erzählen. Gleichwohl hat er die überzeugendsten Bilder für den nahenden Tod gefunden. In der Distanz zunächst, wenn Simpson wie eine Ameise wirkt in der endlos sich ausbreitenden weißen Wildnis. In fast physisch spürbarer Nähe später, wenn Simpson zu halluzinieren beginnt und ihm ein grauenhaft schlechter Schlager von Boney M. nicht aus dem Kopf geht, wenn das Lied bis zum Wahnsinn verzerrt auch bald das Bild der Landschaft in einen Strudel reißt, der sich schneller und schneller dreht. Nach dem kathartischen Moment solcher Erlebnisse traut sich da niemand mehr zu fragen.

FREDDY LANGER

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