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Der Theaterregisseur Caden Cotard (Philip Seymour Hoffman) lebt in der Kleinstadt Schenectady im Bundesstaat New York. Als er eines Tages ein seltsames Augenleiden feststellt, ist dies der Auftakt zu einer Serie von mysteriösen Nervenkrankheiten, die seine Körperfunktionen außer Kraft zu setzen scheinen. Dann verlässt ihn auch noch Ehefrau Adele (Catherine Keener) mitsamt der gemeinsamen Tochter Olive in Richtung Berlin, wo sie eine hippe Künstlerexistenz beginnt. Seine neue Beziehung mit der sexy Kassiererin Hazel (Samantha Morton) ist zu Ende, ehe sie richtig begonnen hat. Cadens Leben ist…mehr

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Produktbeschreibung
Der Theaterregisseur Caden Cotard (Philip Seymour Hoffman) lebt in der Kleinstadt Schenectady im Bundesstaat New York. Als er eines Tages ein seltsames Augenleiden feststellt, ist dies der Auftakt zu einer Serie von mysteriösen Nervenkrankheiten, die seine Körperfunktionen außer Kraft zu setzen scheinen. Dann verlässt ihn auch noch Ehefrau Adele (Catherine Keener) mitsamt der gemeinsamen Tochter Olive in Richtung Berlin, wo sie eine hippe Künstlerexistenz beginnt. Seine neue Beziehung mit der sexy Kassiererin Hazel (Samantha Morton) ist zu Ende, ehe sie richtig begonnen hat. Cadens Leben ist offenbar völlig aus den Fugen. Irgendetwas muss geschehen! Also mietet er sich für das neue Stück seiner Theatergruppe ein riesiges leerstehendes ehemaliges Kaufhaus mitten in New York. Nach und nach bastelt er darin eine Nachbildung der realen Welt mit Schauspielern, die darin ein fiktionales Leben leben. Er engagiert weitere Schauspieler, die ihn selbst und sein gesamtes Umfeld verkörpern sollen. Die Jahre ziehen ins Land, die Stadt in der Stadt wächst und wächst und mittendrin verliert sich Caden in einem Dschungel aus Realität und Fiktion...

Bonusmaterial

Laufzeit Bonusmaterial: ca. 60 Minuten - Interviews - Making of
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2010

Die Fiktion frisst ihre Kinder
Der Drehbuchautor Charlie Kaufman geht bei seiner ersten Regiearbeit "Synecdoche, New York" aufs Ganze

Charlie Kaufman: "Synecdoche, New York".

HHM, 117 Minuten. Englisch, Deutsch, Untertitel. Interview mit Kaufman, Drehberichte.

Charlie Kaufman hat aus Geschichten eine Karriere gemacht, in denen Fiktion und Wirklichkeit sich immer wieder in den Schwanz beißen. In "Being John Malkovich" verschafft sich Malkovich irgendwann selbst Zugang zu seinem Hirn und findet sich in einer Welt wieder, in der alle aussehen wie er selbst. In "Eternal Sunshine on the Spotless Mind" können Erinnerungen aus dem Gehirn gelöscht werden, bis das Leben zu einer einzigen Zeitschleife wird. Und "Adaptation" handelt davon, wie Charlie Kaufman an der Adaption eines Buches scheitert. Der liebste Gegenstand von Charlie Kaufmans Büchern ist also eigentlich Charlie Kaufman selbst, der mit der Realität Pingpong spielt.

Wenn also seine erste Regiearbeit "Synecdoche, New York" heißt, dann kann man den Bezug auf die rhetorische Figur der Synekdoche, bei der ein Wort durch einen Begriff engerer oder weiterer Bedeutung ersetzt wird, getrost auch auf den Film ausdehnen, in dem Charlie Kaufman durch eine Figur ersetzt wird, die mehr oder weniger mit ihm zu tun hat. Und weil diese Art von Selbstbezüglichkeit bei ihm Methode hat, handelt der Film von einem Mann, der sein eigenes Leben als Stück inszeniert, das so ausufert, das am Ende das Inszenieren des Stückes selbst in dem Stück vorkommt, bis sich am Ende wieder mal alles in den Schwanz beißt.

Philip Seymour Hoffman spielt diesen Mann Caden Cotard, der mit einer Malerin (Catherine Keener) unglücklich verheiratet ist und sich hauptsächlich mit seinen mehr oder minder eingebildeten Krankheiten befasst, wenn er nicht gerade "Tod eines Handlungsreisenden" inszeniert. Das Stück wird zwar ein Erfolg und bringt seinem Regisseur ein Stipendium mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten, aber seine Frau zieht mit der kleinen Tochter nach Berlin, und die Gebrechen nehmen immer realere Formen an.

Ehe man sich bei Kaufman in Nacherzählungen verliert, muss man dazusagen, dass das Geschehen kaum dem Schema von Ursache und Wirkung folgt. Es ist geradezu so, dass vieles in dieser Welt ohne Wirkung bleibt, als sei alles nur ein böser Traum, in dem sich keiner über irgendetwas zu wundern scheint. So leidet Cotard immer wieder an seltsamen Hautausschlägen, die in der nächsten Szene wieder verschwunden sind; und aus dem Berlin-Trip, der eigentlich nur für einen Monat geplant war, sind auf einmal Jahre geworden, in denen der Vater die gesamte Kindheit seiner Tochter verpasst hat, ohne dass er es überhaupt gemerkt hätte. Als Cotard sie später besucht, arbeitet sie als ganzkörpertätowierte Stripperin, was Kaufman zu einer bizarren Parodie von "Paris, Texas" verleitet.

Und als sei das der Absurditäten noch nicht genug, sieht man Samantha Morton immer wieder in ihrer Wohnung, in der es überall glimmt und glüht, ohne dass irgendjemand je das Feuer zur Kenntnis nehmen würde.

In dieser immer surrealeren Charlie-Kaufman-Welt macht sich der Regisseur also an die Inszenierung seines Stückes, das nicht nur die ganz großen Themen behandeln soll, sondern auch in einem Hangar inszeniert wird, in dem problemlos Zeppeline herumfliegen können. Überhaupt scheint das Stück bald die Grenzen zur Wirklichkeit zu sprengen, indem der Regisseur sein Leben in immer größeren Kreisen in ein Stück verwandelt, bis man kaum mehr auseinanderhalten kann, wer "reale" Figur und wer Schauspieler sein soll, weil das Stück im Stück auch schon wieder davon handelt, wie ein Mann sein Leben in ein Stück verwandelt.

Wen das an Jorge Luis Borges' Geschichte von den Landvermessern erinnert, die in "Von der Strenge der Wissenschaft" eine Karte schaffen, die genau die Größe des Reiches hatte und sich mit ihm an jedem Punkte deckte, der hat verstanden, wie Kaufmans Film tickt. Das ist natürlich nicht ohne Witz in Szene gesetzt, aber doch auch relativ schnell ermüdend. Denn hier frisst nicht nur die Fiktion die Wirklichkeit, sondern der ganze Film frisst sich selbst.

Das Problem bei Kaufman ist, dass er so hingebungsvoll an der Konstruktion seiner Bücher arbeitet, dass er ihnen das Leben austreibt. Aber auch das hat er natürlich bereits mitgedacht: Der Name seines Helden bezieht sich auf das Cotard-Syndrom, einen nihilistischen Wahn, bei dem der Kranke überzeugt davon ist, dass er tot ist, nicht existiert oder innerlich verwest. So gesehen ist "Synecdoche" der reinste Zombiefilm.

MICHAEL ALTHEN

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