Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.1996Der Tort des Handlungsreisenden
Im Kino: "The Fan" mit Robert De Niro / Von den Grenzen schauspielerischen Wandlungsvermögens
Der Schauspieler Robert De Niro ist vor allem durch seine staunenswerte Wandelbarkeit berühmt geworden. Berichte von monatelangen Vorbereitungen auf einen neuen Film, von spektakulären Gewichtszu- und -abnahmen, von aufwendiger Recherche und fast völligem Aufgehen der eigenen Person in der Rollenfigur halten auch im großen Publikum einen altmodisch anmutenden Begriff vom schauspielerischen Handwerk wach. Cineasten und solche, die es sein wollen, wissen die Zauberworte "Method Acting" und "Lee Strasberg" mit gebührender Andacht auszusprechen. Im Gegensatz zum sonstigen Gebaren der Stars, so hört man, begnüge sich De Niro nicht damit, sein immergleiches Ich zu wechselnden Tagespreisen auf dem Jahrmarkt Hollywood zu verkaufen.
Doch auch die Wandelbarkeit hat ihre Themen. Von "Taxi Driver" bis "Cape Fear" waren es immer wieder von der Gewalt affizierte Figuren, denen De Niros Einfühlungsvermögen galt. Der Gestalt des aus der Fassung und ins Abseits der Gesellschaft geratenen Normalbürgers hat er durch seine Darstellung des New Yorker Taxifahrers Travis Bickle, eines zeitgenössischen Michael Kohlhaas, überhaupt erst zu jener kulturellen Signifikanz verholfen, die sie für unsere Epoche besitzt.
Oberflächlich betrachtet, erzählt der Film "The Fan" eine dem "Taxi Driver" ähnliche Fabel. De Niro spielt hier mit gewohnter Intensität einen Durchschnittsamerikaner, in dessen Beruf sich das Bedrohliche und das Gewöhnliche bereits ahnungsvoll mischen: Als Handelsvertreter für Jagdbedarf führt die Hauptfigur, ein gewisser Gil Regard, einen mit schärfsten Messern gefüllten Koffer bei sich. Als der stets peinlich korrekt gekleidete Mann seinen Beruf verliert, gewinnt das Exzeptionelle die Oberhand über seine Biographie. Die Privatleidenschaft für Baseball findet ihren zugespitzten Ausdruck in der fanatischen Bewunderung eines hochdotierten Spielers (Wesley Snipes), in dessen Sinn der Messermann einen Mord begehen zu müssen meint. Wie alle Fans leidet Gil Regard aus seiner unerbetenen Opferbereitschaft den Anspruch auf Dankbarkeit ab. Und wie so viele Schwärmer bestraft er die enttäuschte Hingabe mit Liebesentzug - der in diesem Fall in offenen Angriff umschlägt.
Zwar weiß das handwerklich solide Drehbuch zu "The Fan" die Verfallsgeschichte einer Titelfigur mit dem Entwicklungsgang des Baseballstars effektvoll zu kontrastieren, doch unternimmt es der Film zu keinem Zeitpunkt, sein Thema der Außergewöhnlichkeit in eine die gewohnten Bahnen verlassende Bildersprache zu übersetzen. Das freilich kann aus zwei Gründen kaum verwundern: Zum einen steht Tony Scott, der hier Regie führte, nicht in dem Verdacht übertriebener künstlerischer Ambitionen. Zum anderen ist der ästhetisch gezähmte Ausnahmefall in den Genregeschichten des amerikanischen Kinos ohnehin die Regel.
"The Fan" macht da keine Ausnahme - warum auch? Dennoch ist es bedauerlich, daß gerade Robert De Niro, der durch seine Darstellung des Travis Bickle in "Taxi Driver" maßgeblich dazu beitrug, die Figur des alle Fassung verlierenden Außenseiters aus dem Umfeld der Rabaukenfilme zu befreien, nun doch einen kunstgewerblichen Abklatsch dieses Motivs liefert. Es genügt eben nicht, ein genialer Schauspieler zu sein. Man muß auch wissen, wann. STEFFEN JACOBS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Im Kino: "The Fan" mit Robert De Niro / Von den Grenzen schauspielerischen Wandlungsvermögens
Der Schauspieler Robert De Niro ist vor allem durch seine staunenswerte Wandelbarkeit berühmt geworden. Berichte von monatelangen Vorbereitungen auf einen neuen Film, von spektakulären Gewichtszu- und -abnahmen, von aufwendiger Recherche und fast völligem Aufgehen der eigenen Person in der Rollenfigur halten auch im großen Publikum einen altmodisch anmutenden Begriff vom schauspielerischen Handwerk wach. Cineasten und solche, die es sein wollen, wissen die Zauberworte "Method Acting" und "Lee Strasberg" mit gebührender Andacht auszusprechen. Im Gegensatz zum sonstigen Gebaren der Stars, so hört man, begnüge sich De Niro nicht damit, sein immergleiches Ich zu wechselnden Tagespreisen auf dem Jahrmarkt Hollywood zu verkaufen.
Doch auch die Wandelbarkeit hat ihre Themen. Von "Taxi Driver" bis "Cape Fear" waren es immer wieder von der Gewalt affizierte Figuren, denen De Niros Einfühlungsvermögen galt. Der Gestalt des aus der Fassung und ins Abseits der Gesellschaft geratenen Normalbürgers hat er durch seine Darstellung des New Yorker Taxifahrers Travis Bickle, eines zeitgenössischen Michael Kohlhaas, überhaupt erst zu jener kulturellen Signifikanz verholfen, die sie für unsere Epoche besitzt.
Oberflächlich betrachtet, erzählt der Film "The Fan" eine dem "Taxi Driver" ähnliche Fabel. De Niro spielt hier mit gewohnter Intensität einen Durchschnittsamerikaner, in dessen Beruf sich das Bedrohliche und das Gewöhnliche bereits ahnungsvoll mischen: Als Handelsvertreter für Jagdbedarf führt die Hauptfigur, ein gewisser Gil Regard, einen mit schärfsten Messern gefüllten Koffer bei sich. Als der stets peinlich korrekt gekleidete Mann seinen Beruf verliert, gewinnt das Exzeptionelle die Oberhand über seine Biographie. Die Privatleidenschaft für Baseball findet ihren zugespitzten Ausdruck in der fanatischen Bewunderung eines hochdotierten Spielers (Wesley Snipes), in dessen Sinn der Messermann einen Mord begehen zu müssen meint. Wie alle Fans leidet Gil Regard aus seiner unerbetenen Opferbereitschaft den Anspruch auf Dankbarkeit ab. Und wie so viele Schwärmer bestraft er die enttäuschte Hingabe mit Liebesentzug - der in diesem Fall in offenen Angriff umschlägt.
Zwar weiß das handwerklich solide Drehbuch zu "The Fan" die Verfallsgeschichte einer Titelfigur mit dem Entwicklungsgang des Baseballstars effektvoll zu kontrastieren, doch unternimmt es der Film zu keinem Zeitpunkt, sein Thema der Außergewöhnlichkeit in eine die gewohnten Bahnen verlassende Bildersprache zu übersetzen. Das freilich kann aus zwei Gründen kaum verwundern: Zum einen steht Tony Scott, der hier Regie führte, nicht in dem Verdacht übertriebener künstlerischer Ambitionen. Zum anderen ist der ästhetisch gezähmte Ausnahmefall in den Genregeschichten des amerikanischen Kinos ohnehin die Regel.
"The Fan" macht da keine Ausnahme - warum auch? Dennoch ist es bedauerlich, daß gerade Robert De Niro, der durch seine Darstellung des Travis Bickle in "Taxi Driver" maßgeblich dazu beitrug, die Figur des alle Fassung verlierenden Außenseiters aus dem Umfeld der Rabaukenfilme zu befreien, nun doch einen kunstgewerblichen Abklatsch dieses Motivs liefert. Es genügt eben nicht, ein genialer Schauspieler zu sein. Man muß auch wissen, wann. STEFFEN JACOBS
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