Das Staatsgefängnis Cold Mountain im US-Staat Georgia, Anfang der dreißiger Jahre:
Seit vielen Jahren leitet der umsichtige Oberaufseher Paul Edgecomb den berüchtigten Block E - den Todestrakt. Doch als ihm der hühnenhafte schwarze Häftling John Coffey überstellt wird, beschleichen Egdecomb zum ersten Mal Zweifel an seinem Job: Denn den verängstigten Riesen Coffey umweht eine geheimnisvolle Aura, der sich schon bald im Block E keiner mehr entziehen kann...
Seit vielen Jahren leitet der umsichtige Oberaufseher Paul Edgecomb den berüchtigten Block E - den Todestrakt. Doch als ihm der hühnenhafte schwarze Häftling John Coffey überstellt wird, beschleichen Egdecomb zum ersten Mal Zweifel an seinem Job: Denn den verängstigten Riesen Coffey umweht eine geheimnisvolle Aura, der sich schon bald im Block E keiner mehr entziehen kann...
Bonusmaterial
- Audiokommentar - Dokumentationen - Making Of - Nicht verwendete Szenen - TrailerFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.02.2000Was der Wilde Bill so alles treibt
Pulverqualm und Paukenschlag im Canyon des Todestrakts: Frank Darabonts Film "The Green Mile" nach Stephen King
Mit dem Kino ist es wie mit der Liebe. Bevor wir bereit sind, uns ganz und gar hinzugeben, wollen wir nach allen Regeln der Kunst verführt werden. Manche Filme entfalten einen entwaffnenden Charme, indem sie Schönheit, Sinnlichkeit, Herzenswärme, Humor und Raffinement zu einer unwiderstehlichen Mischung verbinden. Auf der anderen Seite gibt es die plumpe Anmache: Filme, die den kürzesten Weg zu unserem Herzen nehmen wollen, die sich mit dem wenigen, was sie haben, an uns heranschmeißen, die zudringlich werden bei dem Versuch, uns für sich zu gewinnen. In einer idealen Welt würden Rohlinge wie diese stets abblitzen. Doch wir leben in der Wirklichkeit und müssen nicht selten mit ansehen, wie sie triumphierend davonziehen.
"The Green Mile", der auf einem sechsteiligen Fortsetzungsroman von Stephen King basiert, spielt 1935 im Todestrakt des Gefängnisses Cold Mountain in Louisiana. Die grüne Meile, die von den Zellen zum elektrischen Stuhl führt, ist so trostlos, dass der Film so schnell wie möglich die Perspektive wechselt. Die Kamera begibt sich auf Bodenhöhe, um einem der Helden des Films in die Augen zu sehen: einer Maus, die sich an diesen unwirtlichsten aller Orte, wohin es Menschen verschlagen kann, verirrt hat. Die Maus und wie sie die Welt sah: Im Todestrakt lässt sich gut leben, wenn man von Wärtern und Gefangenen um die Wette verwöhnt wird. Der Film nimmt es nicht nur in Kauf, sondern legt es sogar darauf an, dass die Menschen vom Nager zeitweise an die Zellenwand gespielt werden: Die zitternden Tasthaare, die feuchte Schnauze, dieses bezaubernde Trippeln - wären doch nur alle Wesen so niedlich und unschuldig.
Aber leider gibt es Verbrecher wie den Mörder Wild Bill (Sam Rockwell), der so schlechte Zähne hat, dass nicht einmal Gewissensbisse an ihm nagen können. Er spuckt und pinkelt seine Mitmenschen an (für Stephen-King-Verfilmungen könnte man ein Exkrementalfilm-Festival gründen), und man kann die Uhr danach stellen, dass er das Zeitliche segnet, bevor er den elektrischen Stuhl beschmutzen kann. Aber, so ist das nun einmal in der Menschenwelt, auch auf der anderen Seite des Gitters gibt es Schweinehunde. Der Wärter Percy Wetmore (Doug Hutchison), der in seiner Uniform aussieht wie ein strammer Nazi, träumt davon, eines Tages den Befehl für den tödlichen Stromstoß zu erteilen. Als er dazu die Gelegenheit bekommt, legt er voller Absicht keinen nassen, sondern einen trockenen Schwamm auf den Kopf des Delinquenten, so dass dieser einen qualvollen Tod stirbt. Doch was noch viel schlimmer ist: Percy tritt die Maus platt. Dafür wird er büßen müssen.
Gäbe es ein Naturgesetz, nach dem jeder Mensch für den Schmerz, den er einem anderen zufügt, mit eigenem Leid bezahlen müsste, würden wir vielleicht in einer besseren Welt leben. Die Sehnsucht nach einem solchen Gesetz, das weit mehr Schaden als Nutzen brächte, wenn wir es selbst erlassen würden und exekutieren müssten, stillt Stephen King in seinen Romanen. Er verschafft seinen Lesern die Genugtuung und Schadenfreude, dabei sein zu dürfen, wenn Schuld gesühnt wird. Eine übernatürliche Macht nimmt den Menschen in diesem Film das schwierige Geschäft der Gerechtigkeit aus den Händen: Wild Bill endet mit Kugeln im Leib, der Wärter landet in einer Zwangsjacke genau in jenem Irrenhaus, in dem er Karriere machen wollte. Das nennt man wohl Ironie.
Wie die bösen kann man auch die guten Menschen in "The Green Mile" auf den ersten Blick erkennen. Paul Edgecomb, der Leiter der Wachabteilung in Cold Mountain, wird von Tom Hanks verkörpert - der Anständigkeit in Person. Die Todeskandidaten sind in seinen Augen Schutzbefohlene. Er setzt alles daran, ihnen das Sterben so leicht wie möglich zu machen, und steht auch in der schwersten Stunde an ihrer Seite: You never walk alone. Eines Tages wird John Coffey (Michael Clarke Duncan) eingeliefert, der wegen der Vergewaltigung und Ermordung zweier Mädchen verurteilt wurde. So hoch gewachsen, dass die Kamera Schwierigkeiten hat, seinen Kopf ins Bild zu bekommen, verraten seine großen, treuen Augen schon bald seinen wahren Charakter: Dieser Mann ist sanft, herzensgut und ganz bestimmt kein Mörder. Coffey hat Angst vor der Dunkelheit, verfügt aber über magische Fähigkeiten. Er sei ein Wunder Gottes, glaubt Edgecomb am Ende des Films.
"The Green Mile" bedrängt uns über drei Stunden lang so sehr mit seinen Eindeutigkeiten, dass unserer Phantasie kaum noch Raum zur Entfaltung bleibt. Wie ein Angeber, der bei uns Eindruck schinden will, prahlt der Film in einem fort und schafft es dennoch nicht, über die eigene Schlichtheit hinwegzutäuschen. Ein Groschenroman wird deklamiert: süßliche Musik, Gewitterblitze, Funkenflug in Zeitlupe - fast jedes Mittel ist dem Regisseur Frank Darabont recht, um Pathos zu erzeugen. Der Film, der letztlich nie die Niederungen des trash verlässt, tut so, als hätte er eine wichtige Botschaft für uns. Und tatsächlich: Der Tod auf dem Stuhl, so haben wir am Ende gelernt, ist gar nicht so schlimm. Denn für manch einen bedeutet er die Erlösung von einem allzu beschwerlichen Leben.
LARS-OLAV BEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Pulverqualm und Paukenschlag im Canyon des Todestrakts: Frank Darabonts Film "The Green Mile" nach Stephen King
Mit dem Kino ist es wie mit der Liebe. Bevor wir bereit sind, uns ganz und gar hinzugeben, wollen wir nach allen Regeln der Kunst verführt werden. Manche Filme entfalten einen entwaffnenden Charme, indem sie Schönheit, Sinnlichkeit, Herzenswärme, Humor und Raffinement zu einer unwiderstehlichen Mischung verbinden. Auf der anderen Seite gibt es die plumpe Anmache: Filme, die den kürzesten Weg zu unserem Herzen nehmen wollen, die sich mit dem wenigen, was sie haben, an uns heranschmeißen, die zudringlich werden bei dem Versuch, uns für sich zu gewinnen. In einer idealen Welt würden Rohlinge wie diese stets abblitzen. Doch wir leben in der Wirklichkeit und müssen nicht selten mit ansehen, wie sie triumphierend davonziehen.
"The Green Mile", der auf einem sechsteiligen Fortsetzungsroman von Stephen King basiert, spielt 1935 im Todestrakt des Gefängnisses Cold Mountain in Louisiana. Die grüne Meile, die von den Zellen zum elektrischen Stuhl führt, ist so trostlos, dass der Film so schnell wie möglich die Perspektive wechselt. Die Kamera begibt sich auf Bodenhöhe, um einem der Helden des Films in die Augen zu sehen: einer Maus, die sich an diesen unwirtlichsten aller Orte, wohin es Menschen verschlagen kann, verirrt hat. Die Maus und wie sie die Welt sah: Im Todestrakt lässt sich gut leben, wenn man von Wärtern und Gefangenen um die Wette verwöhnt wird. Der Film nimmt es nicht nur in Kauf, sondern legt es sogar darauf an, dass die Menschen vom Nager zeitweise an die Zellenwand gespielt werden: Die zitternden Tasthaare, die feuchte Schnauze, dieses bezaubernde Trippeln - wären doch nur alle Wesen so niedlich und unschuldig.
Aber leider gibt es Verbrecher wie den Mörder Wild Bill (Sam Rockwell), der so schlechte Zähne hat, dass nicht einmal Gewissensbisse an ihm nagen können. Er spuckt und pinkelt seine Mitmenschen an (für Stephen-King-Verfilmungen könnte man ein Exkrementalfilm-Festival gründen), und man kann die Uhr danach stellen, dass er das Zeitliche segnet, bevor er den elektrischen Stuhl beschmutzen kann. Aber, so ist das nun einmal in der Menschenwelt, auch auf der anderen Seite des Gitters gibt es Schweinehunde. Der Wärter Percy Wetmore (Doug Hutchison), der in seiner Uniform aussieht wie ein strammer Nazi, träumt davon, eines Tages den Befehl für den tödlichen Stromstoß zu erteilen. Als er dazu die Gelegenheit bekommt, legt er voller Absicht keinen nassen, sondern einen trockenen Schwamm auf den Kopf des Delinquenten, so dass dieser einen qualvollen Tod stirbt. Doch was noch viel schlimmer ist: Percy tritt die Maus platt. Dafür wird er büßen müssen.
Gäbe es ein Naturgesetz, nach dem jeder Mensch für den Schmerz, den er einem anderen zufügt, mit eigenem Leid bezahlen müsste, würden wir vielleicht in einer besseren Welt leben. Die Sehnsucht nach einem solchen Gesetz, das weit mehr Schaden als Nutzen brächte, wenn wir es selbst erlassen würden und exekutieren müssten, stillt Stephen King in seinen Romanen. Er verschafft seinen Lesern die Genugtuung und Schadenfreude, dabei sein zu dürfen, wenn Schuld gesühnt wird. Eine übernatürliche Macht nimmt den Menschen in diesem Film das schwierige Geschäft der Gerechtigkeit aus den Händen: Wild Bill endet mit Kugeln im Leib, der Wärter landet in einer Zwangsjacke genau in jenem Irrenhaus, in dem er Karriere machen wollte. Das nennt man wohl Ironie.
Wie die bösen kann man auch die guten Menschen in "The Green Mile" auf den ersten Blick erkennen. Paul Edgecomb, der Leiter der Wachabteilung in Cold Mountain, wird von Tom Hanks verkörpert - der Anständigkeit in Person. Die Todeskandidaten sind in seinen Augen Schutzbefohlene. Er setzt alles daran, ihnen das Sterben so leicht wie möglich zu machen, und steht auch in der schwersten Stunde an ihrer Seite: You never walk alone. Eines Tages wird John Coffey (Michael Clarke Duncan) eingeliefert, der wegen der Vergewaltigung und Ermordung zweier Mädchen verurteilt wurde. So hoch gewachsen, dass die Kamera Schwierigkeiten hat, seinen Kopf ins Bild zu bekommen, verraten seine großen, treuen Augen schon bald seinen wahren Charakter: Dieser Mann ist sanft, herzensgut und ganz bestimmt kein Mörder. Coffey hat Angst vor der Dunkelheit, verfügt aber über magische Fähigkeiten. Er sei ein Wunder Gottes, glaubt Edgecomb am Ende des Films.
"The Green Mile" bedrängt uns über drei Stunden lang so sehr mit seinen Eindeutigkeiten, dass unserer Phantasie kaum noch Raum zur Entfaltung bleibt. Wie ein Angeber, der bei uns Eindruck schinden will, prahlt der Film in einem fort und schafft es dennoch nicht, über die eigene Schlichtheit hinwegzutäuschen. Ein Groschenroman wird deklamiert: süßliche Musik, Gewitterblitze, Funkenflug in Zeitlupe - fast jedes Mittel ist dem Regisseur Frank Darabont recht, um Pathos zu erzeugen. Der Film, der letztlich nie die Niederungen des trash verlässt, tut so, als hätte er eine wichtige Botschaft für uns. Und tatsächlich: Der Tod auf dem Stuhl, so haben wir am Ende gelernt, ist gar nicht so schlimm. Denn für manch einen bedeutet er die Erlösung von einem allzu beschwerlichen Leben.
LARS-OLAV BEIER
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