Die Verfilmung des Romanbeststellers "The Hate U Give" von Angie Thomas erzählt die Geschichte von Starr Carter, die ein Leben in zwei verschiedenen Welten führt. Sie besucht eine Privatschule mit weißen privilegierten Mitschülern, wohnt aber in einen armen Schwarzenviertel. Dieses wackelige Gleichgewicht wird endgültig zerstört, als Starrs Kindheitsfreund vor ihren Augen von einem weißen Polizisten erschossen wird. Starr gerät zwischen die Fronten und muss sich entscheiden für das Richtige einzustehen.
Starr Carters (Amandla Stenberg) Leben spielt sich ständig zwischen zwei Welten ab: da ist zum eine das arme, hauptsächliche schwarze Viertel, in dem sie lebt und zum anderen gibt es die reiche, hauptsächlich weiße Privatschule, die sie besucht. Das empfindliche Gleichgewicht zwischen diesen Welten wird erschüttert, als sie Zeugin wird, wie Khalil, ihr bester Freund aus Kindertagen, von einem Polizisten erschossen wird. Nun ist es an Starr, trotz des Drucks, der von allen Seiten auf sie ausgeübt wird, ihre Stimme zu erheben und für Gerechtigkeit einzustehen.
Starr Carters (Amandla Stenberg) Leben spielt sich ständig zwischen zwei Welten ab: da ist zum eine das arme, hauptsächliche schwarze Viertel, in dem sie lebt und zum anderen gibt es die reiche, hauptsächlich weiße Privatschule, die sie besucht. Das empfindliche Gleichgewicht zwischen diesen Welten wird erschüttert, als sie Zeugin wird, wie Khalil, ihr bester Freund aus Kindertagen, von einem Polizisten erschossen wird. Nun ist es an Starr, trotz des Drucks, der von allen Seiten auf sie ausgeübt wird, ihre Stimme zu erheben und für Gerechtigkeit einzustehen.
Bonusmaterial
Verlängerte Szenen Audiokommentar von George Tillman Jr. und Amandla Stenberg Galerien KinotrailerFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.02.2019Wenn ihr dem System schon nicht vertraut
George Tillmans Film nach dem Jugendbuch-Bestseller "The Hate U Give" im Kino
Die Stretchlimousine, mit der Chris seine Freundin nach dem verunglückten Schulball wieder heimbringt, ist länger als das Haus breit ist. An der Tür will Starrs Vater ihm eine Münze zustecken, und Chris muss aufklären, dass er nicht der mitgemietete Chauffeur ist, sondern der Freund: Es gibt Szenen in George Tillmans Film "The Hate U Give", in denen die Geschichte vom Balanceakt einer schwarzen Sechzehnjährigen zwischen ihrem Zuhause in der Hood von Garden Heights und ihrer hauptsächlich von Weißen besuchten privaten Highschool die schönsten Schleifen schlägt. Dabei ist sie nur ein Nebenstrang des Films, wie sie nur eine Nebensache ist im Jugendbuch-Bestseller von Angie Thomas, der jetzt mit Amandla Stenberg in der Hauptrolle in die Kinos kommt.
Starr muss mit ansehen, wie Khalil, ihr Freund aus Kindertagen, bei einer nächtlichen Fahrzeugkontrolle von einem weißen Polizisten erschossen wird. Und "The Hate U Give" ist die Geschichte ihrer Entscheidung, nicht nur vor Gericht auszusagen, dass der junge Beamte mit der Dienstnummer 115 auf einen Unbewaffneten geschossen hat, sondern auch in einem anonymisierten Fernsehinterview die ganze Wahrheit zu erzählen. Auch weil sich die Öffentlichkeit mehr dafür zu interessieren scheint, ob Khalil gedealt hat, als für die Umstände seines Todes. Auch wenn Starr nicht nur von Khalils drogensüchtiger Mutter berichtet, sondern zusätzlich von deren Problemen mit dem Drogenboss des Viertels, aus denen der Junge ihr nicht anders herauszuhelfen wusste als mit Gefälligkeiten für dessen King Lords. Jetzt hat auch Starr ein Problem mit diesem King. Er hatte sie gewarnt.
Er hatte auch Starrs Vater gewarnt, der sich vor vielen Jahren aus der Bande hatte lösen können, indem er für seinen Boss ins Gefängnis ging. Der Preis: seine Kinder lange Jahre nicht aufwachsen zu sehen. Der Lohn: danach in Ruhe gelassen zu werden mit seinem Lebensmittelladen und mit seiner Entscheidung, zwar im Viertel zu bleiben, dort, wohin er mit seiner Familie gehört, aber doch seine Kinder nicht auf die Highschool von Garden Heights zu schicken, wohin man, wie Starr lakonisch zusammenfasst, nur geht, um schwanger oder fertiggemacht zu werden. Russell Hornsby spielt diesen Big Mav mit der Präsenz, die einem Bandenchef standhält, als der ihn aus dem Diner ruft, um mit ihm etwas zu klären - und mit der nötigen Überfordertheit, als er nicht nur erfahren muss, dass seine Tochter einen Freund hat, noch dazu einen Weißen, sondern dass er selbst der einzige ist, der davon noch nichts weiß.
In der ersten Szene des Films hält Big Mav seinen Kindern den Vortrag, der unter Schwarzen so verbreitet ist wie in allen Familien der mit den Bienen und den Blumen: wie sie sich in einer Polizeikontrolle zu verhalten haben, um sich nicht in Gefahr zu bringen.
Seine Stimme ist ruhig, seine Worte sind klar, und nur an einer Stelle merkt man an einem leichten Zucken, was es ihn kostet, von diesem strukturellen Rassismus zu sprechen, von der Gefahr, der er und die Seinen noch in unserer Zeit allein wegen ihrer Hautfarbe ausgesetzt sind. Um mit ihnen gleich anschließend die zehn Forderungen der Black Panther durchzugehen. Als siebten Punkt forderten die schwarzen Aktivisten im Jahr 1966 ein Ende der willkürlichen Polizeigewalt. Mehr als fünfzig Jahre später muss auch diese Forderung immer noch als unerfüllt gelten.
Khalil (Algee Smith) kann eine solche elterliche Predigt nicht gehalten bekommen haben. Er wird erschossen, als er im Wagen nach einer Haarbürste greift, die der weiße Polizist für eine Waffe hält. Am Abend, als sich Khalil und Starr endlich einmal wiedersehen. Wenige Augenblicke nach einem Kuss. Kurz nachdem er ihr noch gesagt hat, sie hätten Zeit. Nach seinem Tod kommen Polizisten, Leute wie der Mann mit der Dienstnummer 115, um Starr zu verhören.
Man könnte diese Geschichte von Unterstellung und Ohnmacht in schlichtem Schwarz-Weiß erzählen. Dabei sind es ihre Nuancen, die schon die Stärke des Debütromans von Angie Thomas aus dem Jahr 2017 ausmachen: in der Anlage ihrer Figuren und im Verständnis, das sie ihnen entgegenbringt. "Wenn ihr dem System nicht vertraut", sagt Starrs Onkel Carlos, ebenfalls Polizist, der entgeisterten Familie seiner Schwester, "könnt ihr dann wenigstens mir vertrauen?" Doch kann er selbst darauf vertrauen, dass sein Kollege für Khalils Tod zur Verantwortung gezogen wird - so wie er zur Rechenschaft gezogen würde, wenn er bei einer Verkehrskontrolle irrtümlich einen weißen Jugendlichen erschossen hätte?
"Wir werden nicht ruhen, bis Khalil Gerechtigkeit widerfährt": Schon die Beerdigung steht nicht allein im Zeichen der Trauer, sondern des Protests. Die Anwältin April Ofrah von der Bürgerrechtsorganisation "Just Us for Justice" wendet sich an die Trauergemeinde, macht öffentlich, dass Khalil unbewaffnet war, erwähnt, dass der Weg zum Friedhof zufällig an der Polizeistation vorbeiführt, und hat Schilder vorbereitet, die "Gerechtigkeit für Khalil" fordern. Wochen später ist es die Anwältin, die das Interview mit dem landesweit ausgestrahlten Nachrichtensender arrangiert. Als danach herauskommt, dass Nummer 115 nicht angeklagt werden wird, und die Unruhen in Garden Heights beginnen, ist sie es, die Starr das Megafon reicht, in das die Sechzehnjährige im Angesicht einer geschlossenen Front aus eingriffsbereiten Polizisten immer wieder rufen wird, dass Khalil gelebt habe. Aber es ist schließlich Starr selbst, die sich eine der ersten Tränengaskartuschen greift, die in die Menge der Demonstranten geschossen wird, und sie mit einem Schrei der Verzweiflung und der Wut noch vor der Explosion zurückwirft zu den Polizisten.
Wer diese Szene, einen der zentralen Momente des Films, sieht, könnte meinen, "The Hate U Give" erzählte die Geschichte einer Radikalisierung. Doch George Tillman zeigt lediglich, wie naheliegend der Schritt in die Gewalt in dieser Situation wäre: Ihm geht es um eine Geschichte der Ausweglosigkeit. Ein zweiter zentraler Moment seines Films findet sich nicht in der Romanvorlage: In einer Auseinandersetzung zwischen Mav und King lässt der Regisseur Starrs kleinen Bruder Sekani zur Waffe greifen und sie auf den Bandenboss richten.
Wie kommen sie da bloß wieder raus? Das fragt sich der Zuschauer nicht erst, als King Mavs Laden anzündet, in den sich die Jugendlichen aus dem Tränengas gerettet haben. Sie kommen da wieder raus. Dass Starr gerettet werden muss, dass sie bei aller eigenen Stärke der Hilfe, des Vertrauens, der Ermutigung anderer bedarf, macht diese Figur kein bisschen kleiner. Amandla Stenberg spielt ihre Heldin zwischen der selbstverordneten Blassheit als schwarzer Schülerin unter Weißen und einer Kraft an der Spitze des Protests, die wie von außen auf sie einwirkt, mit hinreißender Entschlossenheit. "Wenn du nicht siehst, dass ich schwarz bin", sagt ihre Heldin ihrem Chris einmal, "siehst du mich nicht."
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
George Tillmans Film nach dem Jugendbuch-Bestseller "The Hate U Give" im Kino
Die Stretchlimousine, mit der Chris seine Freundin nach dem verunglückten Schulball wieder heimbringt, ist länger als das Haus breit ist. An der Tür will Starrs Vater ihm eine Münze zustecken, und Chris muss aufklären, dass er nicht der mitgemietete Chauffeur ist, sondern der Freund: Es gibt Szenen in George Tillmans Film "The Hate U Give", in denen die Geschichte vom Balanceakt einer schwarzen Sechzehnjährigen zwischen ihrem Zuhause in der Hood von Garden Heights und ihrer hauptsächlich von Weißen besuchten privaten Highschool die schönsten Schleifen schlägt. Dabei ist sie nur ein Nebenstrang des Films, wie sie nur eine Nebensache ist im Jugendbuch-Bestseller von Angie Thomas, der jetzt mit Amandla Stenberg in der Hauptrolle in die Kinos kommt.
Starr muss mit ansehen, wie Khalil, ihr Freund aus Kindertagen, bei einer nächtlichen Fahrzeugkontrolle von einem weißen Polizisten erschossen wird. Und "The Hate U Give" ist die Geschichte ihrer Entscheidung, nicht nur vor Gericht auszusagen, dass der junge Beamte mit der Dienstnummer 115 auf einen Unbewaffneten geschossen hat, sondern auch in einem anonymisierten Fernsehinterview die ganze Wahrheit zu erzählen. Auch weil sich die Öffentlichkeit mehr dafür zu interessieren scheint, ob Khalil gedealt hat, als für die Umstände seines Todes. Auch wenn Starr nicht nur von Khalils drogensüchtiger Mutter berichtet, sondern zusätzlich von deren Problemen mit dem Drogenboss des Viertels, aus denen der Junge ihr nicht anders herauszuhelfen wusste als mit Gefälligkeiten für dessen King Lords. Jetzt hat auch Starr ein Problem mit diesem King. Er hatte sie gewarnt.
Er hatte auch Starrs Vater gewarnt, der sich vor vielen Jahren aus der Bande hatte lösen können, indem er für seinen Boss ins Gefängnis ging. Der Preis: seine Kinder lange Jahre nicht aufwachsen zu sehen. Der Lohn: danach in Ruhe gelassen zu werden mit seinem Lebensmittelladen und mit seiner Entscheidung, zwar im Viertel zu bleiben, dort, wohin er mit seiner Familie gehört, aber doch seine Kinder nicht auf die Highschool von Garden Heights zu schicken, wohin man, wie Starr lakonisch zusammenfasst, nur geht, um schwanger oder fertiggemacht zu werden. Russell Hornsby spielt diesen Big Mav mit der Präsenz, die einem Bandenchef standhält, als der ihn aus dem Diner ruft, um mit ihm etwas zu klären - und mit der nötigen Überfordertheit, als er nicht nur erfahren muss, dass seine Tochter einen Freund hat, noch dazu einen Weißen, sondern dass er selbst der einzige ist, der davon noch nichts weiß.
In der ersten Szene des Films hält Big Mav seinen Kindern den Vortrag, der unter Schwarzen so verbreitet ist wie in allen Familien der mit den Bienen und den Blumen: wie sie sich in einer Polizeikontrolle zu verhalten haben, um sich nicht in Gefahr zu bringen.
Seine Stimme ist ruhig, seine Worte sind klar, und nur an einer Stelle merkt man an einem leichten Zucken, was es ihn kostet, von diesem strukturellen Rassismus zu sprechen, von der Gefahr, der er und die Seinen noch in unserer Zeit allein wegen ihrer Hautfarbe ausgesetzt sind. Um mit ihnen gleich anschließend die zehn Forderungen der Black Panther durchzugehen. Als siebten Punkt forderten die schwarzen Aktivisten im Jahr 1966 ein Ende der willkürlichen Polizeigewalt. Mehr als fünfzig Jahre später muss auch diese Forderung immer noch als unerfüllt gelten.
Khalil (Algee Smith) kann eine solche elterliche Predigt nicht gehalten bekommen haben. Er wird erschossen, als er im Wagen nach einer Haarbürste greift, die der weiße Polizist für eine Waffe hält. Am Abend, als sich Khalil und Starr endlich einmal wiedersehen. Wenige Augenblicke nach einem Kuss. Kurz nachdem er ihr noch gesagt hat, sie hätten Zeit. Nach seinem Tod kommen Polizisten, Leute wie der Mann mit der Dienstnummer 115, um Starr zu verhören.
Man könnte diese Geschichte von Unterstellung und Ohnmacht in schlichtem Schwarz-Weiß erzählen. Dabei sind es ihre Nuancen, die schon die Stärke des Debütromans von Angie Thomas aus dem Jahr 2017 ausmachen: in der Anlage ihrer Figuren und im Verständnis, das sie ihnen entgegenbringt. "Wenn ihr dem System nicht vertraut", sagt Starrs Onkel Carlos, ebenfalls Polizist, der entgeisterten Familie seiner Schwester, "könnt ihr dann wenigstens mir vertrauen?" Doch kann er selbst darauf vertrauen, dass sein Kollege für Khalils Tod zur Verantwortung gezogen wird - so wie er zur Rechenschaft gezogen würde, wenn er bei einer Verkehrskontrolle irrtümlich einen weißen Jugendlichen erschossen hätte?
"Wir werden nicht ruhen, bis Khalil Gerechtigkeit widerfährt": Schon die Beerdigung steht nicht allein im Zeichen der Trauer, sondern des Protests. Die Anwältin April Ofrah von der Bürgerrechtsorganisation "Just Us for Justice" wendet sich an die Trauergemeinde, macht öffentlich, dass Khalil unbewaffnet war, erwähnt, dass der Weg zum Friedhof zufällig an der Polizeistation vorbeiführt, und hat Schilder vorbereitet, die "Gerechtigkeit für Khalil" fordern. Wochen später ist es die Anwältin, die das Interview mit dem landesweit ausgestrahlten Nachrichtensender arrangiert. Als danach herauskommt, dass Nummer 115 nicht angeklagt werden wird, und die Unruhen in Garden Heights beginnen, ist sie es, die Starr das Megafon reicht, in das die Sechzehnjährige im Angesicht einer geschlossenen Front aus eingriffsbereiten Polizisten immer wieder rufen wird, dass Khalil gelebt habe. Aber es ist schließlich Starr selbst, die sich eine der ersten Tränengaskartuschen greift, die in die Menge der Demonstranten geschossen wird, und sie mit einem Schrei der Verzweiflung und der Wut noch vor der Explosion zurückwirft zu den Polizisten.
Wer diese Szene, einen der zentralen Momente des Films, sieht, könnte meinen, "The Hate U Give" erzählte die Geschichte einer Radikalisierung. Doch George Tillman zeigt lediglich, wie naheliegend der Schritt in die Gewalt in dieser Situation wäre: Ihm geht es um eine Geschichte der Ausweglosigkeit. Ein zweiter zentraler Moment seines Films findet sich nicht in der Romanvorlage: In einer Auseinandersetzung zwischen Mav und King lässt der Regisseur Starrs kleinen Bruder Sekani zur Waffe greifen und sie auf den Bandenboss richten.
Wie kommen sie da bloß wieder raus? Das fragt sich der Zuschauer nicht erst, als King Mavs Laden anzündet, in den sich die Jugendlichen aus dem Tränengas gerettet haben. Sie kommen da wieder raus. Dass Starr gerettet werden muss, dass sie bei aller eigenen Stärke der Hilfe, des Vertrauens, der Ermutigung anderer bedarf, macht diese Figur kein bisschen kleiner. Amandla Stenberg spielt ihre Heldin zwischen der selbstverordneten Blassheit als schwarzer Schülerin unter Weißen und einer Kraft an der Spitze des Protests, die wie von außen auf sie einwirkt, mit hinreißender Entschlossenheit. "Wenn du nicht siehst, dass ich schwarz bin", sagt ihre Heldin ihrem Chris einmal, "siehst du mich nicht."
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main