24 Stunden: Ein Tag. Eine Nacht... - 24 Stunden sind es, die Mike noch bleiben, bis er die Stadt verlassen wird. 24 Stunden, in denen ihm seine Freundin Valerie Sex mit dem Kleindealer Phil verschweigen will. 24 Stunden, in denen Phil 2.000 Dollar auftreiben muss, um den Deal seines Lebens zu machen. 24 Stunden, in denen Terry bereit ist, alles, wirklich alles, für einen Job zu tun. 24 Stunden, in denen Steve sich eine Waffe besorgt, um mit seinem gewalttätigen Vater abzurechnen. Auf Mikes Abschiedsparty prallt alles aufeinander: Die Sehnsüchte, die Ängste, die Verzweiflung, der Sex, der Rausch und die Realität. Eine Gruppe von Teenagern in einer trostlosen amerikanischen Vorstadt. Jeden Tag kämpfen sie um Ihre Zukunft in einer Welt, die Menschen wie ihnen kaum eine Chance bietet. 24 Stunden, wie sie überall auf der Welt geschehen. Irgendwo. Jeden Tag.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Videoclips - Portaits - FotogalerieFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.2006Dürfen es ein paar Gramm Drogen mehr sein?
Gedacht für starke Mägen: Holger Ernst dreht in Amerika sein Spielfilmdebüt "The House Is Burning"
Am Anfang ist der Mund, ein Mund in einem pickligen Jungengesicht. Dieser Mund erzählt vom Tod des Vaters, und einige schnelle Rückblenden versetzen uns in die Lage, diesen angekündigten Tod zu verstehen. Wie Paul Garson seinen Sohn Steve behandelt, beschimpft, erniedrigt, das muß den jungen Mann zur Weißglut bringen. Die Mutter steht dabei und sagt kein einziges Wort. Sie ist tiefgläubig, das Haus hängt voller Kruzifixe, doch die Gerechtigkeit ist eine Sache Gottes - wozu sollte Mrs. Garson sich einmischen? Also kauft Steve in seiner Verzweiflung eine Pistole.
Er kauft sie bei Phil, einem nur wenig älteren Dealer, der die Jugend im Viertel mit allem versorgt, was illegal ist. Phil glaubt sich auf dem richtigen Weg, ein großer Handel ist vorbereitet, für den er allerdings an einem Tag fünftausend Dollar auftreiben muß. Immerhin bleibt ihm noch Zeit, um Valerie, die Freundin seines besten Freundes Mike, zu einem Seitensprung zu animieren. Mike wiederum wird am nächsten Tag freiwillig zur amerikanischen Armee gehen; ihm droht ein Einsatz im Irak. Aber wenigstens hat er damit einen Job - ganz im Gegensatz zu Terry, der besten Freundin von Valerie, die einen potentiellen Arbeitgeber nicht einmal mit einem offenen Sexangebot von ihren persönlichen Fähigkeiten überzeugen kann.
Das ist das zentrale Jugendlichen-Quintett in Holger Ernsts Film "The House Is Burning": Steve, Phil, Valerie, Mike und Terry. Um diesen Kern herum gruppiert sich eine Corona weiterer mehr oder minder angeschlagener Existenzen, die die Kindheit gerade erst hinter sich gelassen haben und mit dem Erwachsenwerden nicht zurechtkommen. Nach dem Schockmoment des Auftakts in Steves Familie kommt eine lange Montagesequenz, mit der Ernst die übrigen Hauptfiguren einführt; Stück für Stück setzt sich ein Mosaik zusammen, werden die Beziehungen klar - ein Reigen, der einen Schicksalsfaden mit dem anderen verbindet, bis am Ende alles derart untrennbar verwickelt ist, daß nur noch ein radikaler Schnitt einen Ausweg zu bieten scheint.
Holger Ernst ist ein junger deutscher Regisseur, der für sein Spielfilmdebüt direkt in die Vereinigten Staaten gegangen ist. Aber was heißt direkt? Das Drehbuch lag vier Jahre lang herum, ehe die Produktionsgesellschaft von Wim Wenders sich entschloß, das Wagnis einzugehen und diese amerikanische Geschichte eines Deutschen zu finanzieren. Einen ähnlich desillusionierenden Blick auf die weiße Jugend in den Vereinigten Staaten haben schon die Filme von Larry Clark geworfen, doch was den Gastarbeiter Ernst von einheimischen Regisseuren unterscheidet, ist ein zärtlicherer Blick auf den amerikanischen Traum und eine spürbare Furcht, dieses Ideal nicht nur zu verletzen, sondern ihm den Todesstoß zu versetzen. "The House Is Burning" hat im Gegensatz zu Clarks Werken durchaus ein Herz für seine Kinder.
Wenn Ernst sich dann wünscht, daß man seinen Film als "Tritt in die Magengrube" empfinden möge, ist das neben wohlfeiler Werberhetorik vor allem vergebliche Hoffnung. Ja, es ist unerquicklich, was hier gezeigt wird, aber nach anderthalb Stunden konsequenter Steigerung der wechselseitigen Verzweiflung schließt alles mit drei Momenten der Hoffnung: einer Umarmung, einem Rettungsversuch und einem Augenaufschlag. Die Frage zu beantworten, ob dadurch neue Lebensrichtungen eingeschlagen werden, auch das möchte Ernst dem Publikum überlassen. Diese Unentschiedenheit ist das wahre Foul am Zuschauer.
Dabei ist der Film hervorragend besetzt. Nicole Vicius als Valerie und Julienne Michelle als Terry sind fast schon Veteraninnen in Jugendrollen und spielen dementsprechend virtuos exaltiert. Die männlichen Hauptdarsteller dagegen, Harley Adams als Steve, Joe Petrilla als Mike und vor allem Robin Taylor als Phil, sind jeweils Novizen - aber kein bißchen schlechter. Es als Freude zu bezeichnen, ihnen zuzusehen, würde angesichts des Stoffes an Zynismus grenzen, aber was sie leisten, ist mehr als nur beachtlich.
Genau diese handwerkliche Komponente aber fehlt dem restlichen Film. Die Verunsicherung ist sein Prinzip von Anfang an, und das überträgt sich auf Kamera und Schnitt. "Alles ist anders als erzählt", heißt es zu Beginn. Aber wie anders, merkt man erst am Ende. Der Schluß ist in der Tat überraschend, weil einige Figuren im Verlauf der Handlung sympathischer geworden sind, andere dagegen widerwärtig. Aber das ist leider weniger die Leistung des Drehbuchautors und Regisseurs Ernst als die eines verblüffenden Ensembles.
ANDREAS PLATTHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gedacht für starke Mägen: Holger Ernst dreht in Amerika sein Spielfilmdebüt "The House Is Burning"
Am Anfang ist der Mund, ein Mund in einem pickligen Jungengesicht. Dieser Mund erzählt vom Tod des Vaters, und einige schnelle Rückblenden versetzen uns in die Lage, diesen angekündigten Tod zu verstehen. Wie Paul Garson seinen Sohn Steve behandelt, beschimpft, erniedrigt, das muß den jungen Mann zur Weißglut bringen. Die Mutter steht dabei und sagt kein einziges Wort. Sie ist tiefgläubig, das Haus hängt voller Kruzifixe, doch die Gerechtigkeit ist eine Sache Gottes - wozu sollte Mrs. Garson sich einmischen? Also kauft Steve in seiner Verzweiflung eine Pistole.
Er kauft sie bei Phil, einem nur wenig älteren Dealer, der die Jugend im Viertel mit allem versorgt, was illegal ist. Phil glaubt sich auf dem richtigen Weg, ein großer Handel ist vorbereitet, für den er allerdings an einem Tag fünftausend Dollar auftreiben muß. Immerhin bleibt ihm noch Zeit, um Valerie, die Freundin seines besten Freundes Mike, zu einem Seitensprung zu animieren. Mike wiederum wird am nächsten Tag freiwillig zur amerikanischen Armee gehen; ihm droht ein Einsatz im Irak. Aber wenigstens hat er damit einen Job - ganz im Gegensatz zu Terry, der besten Freundin von Valerie, die einen potentiellen Arbeitgeber nicht einmal mit einem offenen Sexangebot von ihren persönlichen Fähigkeiten überzeugen kann.
Das ist das zentrale Jugendlichen-Quintett in Holger Ernsts Film "The House Is Burning": Steve, Phil, Valerie, Mike und Terry. Um diesen Kern herum gruppiert sich eine Corona weiterer mehr oder minder angeschlagener Existenzen, die die Kindheit gerade erst hinter sich gelassen haben und mit dem Erwachsenwerden nicht zurechtkommen. Nach dem Schockmoment des Auftakts in Steves Familie kommt eine lange Montagesequenz, mit der Ernst die übrigen Hauptfiguren einführt; Stück für Stück setzt sich ein Mosaik zusammen, werden die Beziehungen klar - ein Reigen, der einen Schicksalsfaden mit dem anderen verbindet, bis am Ende alles derart untrennbar verwickelt ist, daß nur noch ein radikaler Schnitt einen Ausweg zu bieten scheint.
Holger Ernst ist ein junger deutscher Regisseur, der für sein Spielfilmdebüt direkt in die Vereinigten Staaten gegangen ist. Aber was heißt direkt? Das Drehbuch lag vier Jahre lang herum, ehe die Produktionsgesellschaft von Wim Wenders sich entschloß, das Wagnis einzugehen und diese amerikanische Geschichte eines Deutschen zu finanzieren. Einen ähnlich desillusionierenden Blick auf die weiße Jugend in den Vereinigten Staaten haben schon die Filme von Larry Clark geworfen, doch was den Gastarbeiter Ernst von einheimischen Regisseuren unterscheidet, ist ein zärtlicherer Blick auf den amerikanischen Traum und eine spürbare Furcht, dieses Ideal nicht nur zu verletzen, sondern ihm den Todesstoß zu versetzen. "The House Is Burning" hat im Gegensatz zu Clarks Werken durchaus ein Herz für seine Kinder.
Wenn Ernst sich dann wünscht, daß man seinen Film als "Tritt in die Magengrube" empfinden möge, ist das neben wohlfeiler Werberhetorik vor allem vergebliche Hoffnung. Ja, es ist unerquicklich, was hier gezeigt wird, aber nach anderthalb Stunden konsequenter Steigerung der wechselseitigen Verzweiflung schließt alles mit drei Momenten der Hoffnung: einer Umarmung, einem Rettungsversuch und einem Augenaufschlag. Die Frage zu beantworten, ob dadurch neue Lebensrichtungen eingeschlagen werden, auch das möchte Ernst dem Publikum überlassen. Diese Unentschiedenheit ist das wahre Foul am Zuschauer.
Dabei ist der Film hervorragend besetzt. Nicole Vicius als Valerie und Julienne Michelle als Terry sind fast schon Veteraninnen in Jugendrollen und spielen dementsprechend virtuos exaltiert. Die männlichen Hauptdarsteller dagegen, Harley Adams als Steve, Joe Petrilla als Mike und vor allem Robin Taylor als Phil, sind jeweils Novizen - aber kein bißchen schlechter. Es als Freude zu bezeichnen, ihnen zuzusehen, würde angesichts des Stoffes an Zynismus grenzen, aber was sie leisten, ist mehr als nur beachtlich.
Genau diese handwerkliche Komponente aber fehlt dem restlichen Film. Die Verunsicherung ist sein Prinzip von Anfang an, und das überträgt sich auf Kamera und Schnitt. "Alles ist anders als erzählt", heißt es zu Beginn. Aber wie anders, merkt man erst am Ende. Der Schluß ist in der Tat überraschend, weil einige Figuren im Verlauf der Handlung sympathischer geworden sind, andere dagegen widerwärtig. Aber das ist leider weniger die Leistung des Drehbuchautors und Regisseurs Ernst als die eines verblüffenden Ensembles.
ANDREAS PLATTHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main