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Eine Gesellschaft in der nahen Zukunft, in der ein Leben zu zweit das oberste Gebot ist. Singles werden verhaftet und in eine Anstalt namens "The Hotel" gebracht. Dort haben sie genau 45 Tage Zeit, um einen passenden Partner zu finden. Scheitern sie, werden sie in ein Tier ihrer Wahl verwandelt und im Wald ausgesetzt. David gelingt die Flucht aus dem Hotel in den Wald, wo allerdings "The Loners" das Sagen haben. Das Dogma ihres restriktiven Regimes ist das Alleinsein. Partnerschaften sind streng untersagt. Doch David verliebt sich in eine Frau - und verstößt damit gegen die…mehr

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Produktbeschreibung
Eine Gesellschaft in der nahen Zukunft, in der ein Leben zu zweit das oberste Gebot ist. Singles werden verhaftet und in eine Anstalt namens "The Hotel" gebracht. Dort haben sie genau 45 Tage Zeit, um einen passenden Partner zu finden. Scheitern sie, werden sie in ein Tier ihrer Wahl verwandelt und im Wald ausgesetzt. David gelingt die Flucht aus dem Hotel in den Wald, wo allerdings "The Loners" das Sagen haben. Das Dogma ihres restriktiven Regimes ist das Alleinsein. Partnerschaften sind streng untersagt. Doch David verliebt sich in eine Frau - und verstößt damit gegen die Regeln.

Bonusmaterial

Hinter den Kulissen: Die Besetzung und das Drehteam von The Lobster sprechen über die Themen und Emotionen dieser einzigartigen Liebesgeschichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.06.2016

Die Einsamkeit des Hummers

"The Lobster" von Giorgos Lanthimos ist ein großer Film aus dem Geist des europäischen Surrealismus: eine Parabel von Liebe und Betrug in den Zeiten der verordneten Partnerwahl.

Über die Realität im Kino gibt es zwei Meinungen. Die einen finden sie am realsten, wenn sie das Auge überwältigt, wenn Raumschiffe über die Leinwand rasen und Monster aus Kavernen steigen. Die anderen suchen sie in der totalen Askese, im Verzicht auf alle visuellen Tricks, in der Arbeit mit Handkameras, Naturlicht und Laien oder gleich im Dokumentarfilm. Der Streit, obwohl mehr als hundert Jahre alt, ist nicht beigelegt; in letzter Zeit hat er sich sogar eher verschärft.

In diesem Duell der Extreme rangiert "The Lobster" von Giorgos Lanthimos scheinbar im mittleren Bereich. Seine Bilder wirken konventionell, seine Schauplätze - ein Hotel an der irischen Atlantikküste, die umliegenden Wälder und eine Shoppingmall in Dublin - weder außer- noch unterirdisch. Aber schon in den ersten Szenen merkt man, dass etwas mit diesem Film nicht stimmt. Eine Frau hält mit ihrem Wagen an einer Landstraße, steigt aus und erschießt einen Esel, der am Wegrand grast. Dann sieht man einen Mann, der eine Abschiedsnachricht seiner Exehefrau abhört. Kurz darauf steigt er mit seinem Hund in einen Kleinbus und fährt in ein Küstenhotel. Dort muss er seine Kleidung und Wertsachen abgeben und bekommt ein Zimmer zugeteilt. Anschließend eröffnet man ihm, dass er fünfundvierzig Tage Zeit habe, um eine neue Partnerin zu finden. Andernfalls werde er in ein Tier seiner Wahl verwandelt.

Nichts deutet darauf hin, dass "The Lobster" in der Zukunft spielt. Seine Kulissen und technischen Spielzeuge sind ganz und gar von heute, auch wenn der gezeigte Umgang mit Telefonen und Lautsprecherdurchsagen stellenweise altmodisch wirkt. Und auch der Ort der Handlung, das Hotel im Grünen, hat nichts Futuristisches. Nur das, was dort geschieht, liegt jenseits aller Wahrscheinlichkeit. Der Film muss, mit anderen Worten, seinen Realitätsgehalt aus sich selbst heraus erzeugen, aus der Wirklichkeit des Wahnsystems, das er beschreibt. Und das tut er auf so überzeugende Weise, dass es einem noch beim Nacherzählen manchmal Schauder über den Rücken jagt.

Das Sittengesetz, das in dem namenlosen Hotel am Meer angewandt wird, ist simpel: Wer allein ist, hat sein Existenzrecht verwirkt. Am ersten Morgen seiner Fünfundvierzig-Tage-Frist sitzt David (Colin Farrell) mit Dutzenden Schicksalsgenossen in langer Reihe im Speisesaal, mit Blick auf die wenigen Paare unter den Gästen. Anschließend führt das Personal die Vorteile der Zweisamkeit als Slapstick vor. Im Tanzsaal, wo die Hoteldirektorin und ihr Manager mit steinerweichendem Pathos Popschnulzen singen, haben die Singles dann Gelegenheit, einander kennenzulernen. Dabei geht es vor allem darum, für die eigenen Gebrechen ein Gegenüber zu finden, notfalls mit List. So wirbt der hinkende Mann (Ben Whishaw) - außer Farrell trägt niemand in der Geschichte einen Namen - um die Frau mit dem Nasenbluten, indem er vor jedem Stelldichein eigens den Kopf gegen die Wand schlägt, damit die Tropfen reichlich fließen.

Auch das Sexleben im Hotel ist streng geregelt. Alle zwei Tage setzt sich das Zimmermädchen (Ariane Labed) auf Davids Schoß, um seine Säfte im Fluss zu halten. Wer sich dagegen selbst befriedigt, wie Davids lispelnder Tischnachbar (John C. Reilly), muss seine Hand beim Frühstück in einen Toaster stecken. Selbst Paare, die sich gefunden haben, bleiben unter Aufsicht. Zur Probe müssen sie einige Wochen gemeinsam auf einer Yacht im Bootshafen leben. Falls es Schwierigkeiten gebe, erklärt die Direktorin, werde man ihnen ein Kind zuteilen, das helfe fast immer.

Der Höhepunkt des Hotellebens findet am Nachmittag statt. Dann gehen die durch Schießübungen gestählten Gäste im Wald auf die Jagd nach "Lonern", Einzelgängern, die vor der Zwangsverwandlung geflohen sind. Die Menschenhatz zeigt Lanthimos in Zeitlupe, zu einem Liebeslied, das einst Sophia Loren in ihrer ersten Hollywoodrolle als griechische Schwammtaucherin gesungen hat. Bevor sie in den Operationsraum wandern, dessen Prozeduren der Film gnädig verschweigt, werden die mit Betäubungspfeilen erlegten Opfer als Beute präsentiert. Dann werden die Prämien verteilt: ein Tag Fristverlängerung für jeden erlegten Single. Eine Frau, von der es heißt, sie sei vollkommen empfindungslos, hat schon mehr als hundertvierzig Bonustage angehäuft.

Gerade auf sie, die Gleichgültige, richtet David seinen Blick. Sie wird von Angeliki Papoulia gespielt, die in Lanthimos' Filmen zum Ensemble zählt: In "Dogtooth" war sie die ältere Schwester, in "Alpen" gehörte sie zu der Laientruppe, die sich auf die Verkörperung von Toten spezialisiert hatte. In "The Lobster" ist ihre Figur das heimliche Zentrum: eine atmende Maschine. Ihre Herzenskälte ist die Kälte des Films. Als es David gelingt, mit ihr in ein Doppelzimmer zu ziehen, tötet sie seinen Hund, der in Wahrheit sein verwandelter Bruder ist. Umsonst versucht er seine Tränen zu verbergen, während sie schon auf dem Weg zur Hoteldirektion ist, um ihn zu denunzieren. Da, endlich, greift er zum Betäubungsgewehr.

Man kann das alles überspannt finden, gekünstelt, preziös. Aber im Binnenraum der Geschichte, unter der Glasglocke des Absurden, ist jede Gefühlsregung der Figuren glaubhaft. Das gilt auch für den Titel des Films. Warum er ein Hummer werden wolle, wird David gefragt. Weil Hummer hundert Jahre alt werden, antwortet er, weil sie blaues Blut haben und monogam leben. "Eine exzellente Wahl", sagt die Direktorin. Exzellent und präzise, denn der Hummer war eine Ikone des Surrealismus, der bei dem Griechen Lanthimos eine unverhoffte Wiederauferstehung erlebt. Dalí pflanzte das Scherentier auf einen Telefonhörer, Max Ernst benutzte es in seinen Collagen, aber erst Lanthimos gibt ihm einen Ort in den Bildphantasien des Kinos.

Seit dem späten Buñuel hat es keinen Film mehr gegeben, der die Grenze zwischen Wirklichkeit und Traum so mühelos überschreitet. Nur dass der diskrete Charme der Bourgeoisie in "The Lobster" nicht mehr diskret ist: Er hat sich in ein Terrorregime der verordneten Liebeswahl verwandelt, in dem das obskure Objekt der Begierde zum Sammelsurium von Personality-Merkmalen degeneriert. Giorgos Lanthimos, könnte man sagen, bringt ein lange vernachlässigtes Genre auf den Stand der neuen digitalen Partnersuche mittels Tinder und Parship. Aber damit wäre noch nichts über die Bilder dieses Films gesagt, über seine schräge, verstörende, manchmal herzbeklemmende Schönheit.

Im zweiten Teil wird "The Lobster" zur Liebesgeschichte. Jetzt bekommt die Frau, deren Stimme uns bis dahin durch die Handlung geführt hat, endlich ein Gesicht (Rachel Weisz), und die Welt der Loner entpuppt sich als perverses Gegenstück zur Ideologie des Paarungshotels. Aber auch hier darf man dem, was man sieht, so wenig trauen wie den Erklärungen, die dazu gegeben werden. Deshalb sind es, wie bei Luis Buñuel, am Ende die Augen, die für die verbotenen Blicke ihrer Besitzer büßen müssen. Das Reale, zeigt "The Lobster", ist im Kino der Punkt, an dem wir verletzlich sind. Dieser Film trifft uns da, wo es weh tut.

ANDREAS KILB

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