Ein außer Kontrolle geratener Exorzismus fordert das Leben einer jungen Frau. Monate später, mitten in der Nachtschicht, landet der schrecklich entstellte Leichnam auf dem Tisch von Megan Reed (Shay Mitchell) in der Leichenhalle. Gefangen in den Kellerräumen dieser gespenstischen Umgebung wird Megan von entsetzlichen und bizarren Visionen heimgesucht, die darauf hindeuten, dass der leblose Körper noch immer von einer dämonischen Macht besessen ist.
Bonusmaterial
Entfallene Szenen Hannahs Autopsie Megans Tagebücher Die krasse BesetzungFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.02.2024Szenen einer Ehe
Beziehungsdrama oder Horrorfilm? Bis heute fasziniert Andrzej Zulawskis Werk nicht nur Genrefans.
Manche Filme überraschen vor allem, weil ihr Ruf etwas völlig anderes erwarten lässt als das, was dann zu sehen ist. Andrzej Zulawskis "Possession" aus dem Jahr 1980 gehört dazu. Obwohl er im Wettbewerb des Filmfestivals von Cannes Premiere feierte und Isabelle Adjani als beste Darstellerin ausgezeichnet wurde, wollte ihn in Deutschland niemand ins Kino bringen - zu gruselig, zu verstörend! Und das sieben Jahre nachdem in der Bundesrepublik William Friedkins "Der Exorzist" in den Kinos gelaufen war. In Amerika zeigte man das Werk zwar, jedoch nur in einer um 45 Minuten verkürzten Version, aus der man die - fürs dortige Publikum - anstößigsten Szenen getilgt hatte. Erst seit 2009 ist auch in Deutschland eine DVD auf dem Markt, die die ungekürzte Fassung präsentiert. Allerdings hatte der Film bis dahin einen solchen Geheimtipp-Status unter Horror- wie Arthouse-Fans erreicht, dass Exemplare heute nur noch für höhere zweistellige Beträge zu erwerben sind.
Hat man ein solches dann einmal erwischt, überrascht das, was man sieht sehr, denn Zulawski beginnt "Possession" mit einer ruhigen Taxifahrt entlang der Berliner Mauer. Sam Neill sitzt auf dem Rücksitz; er spielt einen Geheimagenten, der zu seiner Familie zurückkehrt. Seine Frau, gespielt von Isabelle Adjani, empfängt ihn auf dem Gehsteig. Schon hier liefert sich das Paar das erste Wortgefecht. Die Ehe liegt in Trümmern, die beiden versuchen, sich darüber noch klar zu werden, doch der Riss zwischen ihnen ist deutlich. Damit es auch visuell dem Letzten begreiflich wird, filmt die Kamera sie beim Beziehungsstreit aus dem Flur, blickt in zwei angrenzende Zimmer, sie links in der Küche, er rechts im Wohnzimmer - eine Wand trennt sie, es könnte aber auch eine ganze Welt zwischen ihnen liegen.
Was folgt, ist das Sezieren eines Beziehungsendes. Sam Neill geht langsam vor die Hunde, schwitzt und leidet im Bett eines Hotelzimmers, durchwühlt in Abwesenheit seiner Ehefrau das gemeinsame Bücherregal und findet zwischen Lukács und der Bibel ein Tantra-Buch, aus dem die Karte eines heimlichen Liebhabers fällt. Isabelle Adjani geht es nicht besser, denn ihre Affäre - so zeigt sich in einer heruntergekommenen Wohnung in Kreuzberg - ist kein menschliches Wesen.
Bis hierhin könnte man noch davon ausgehen, Andrzej Zulawski habe seine Trennung von der Schauspielerin Malgorzata Braunek verarbeitet - das Drehbuch entstand während der schlimmsten Phase jenes Beziehungsendes. Doch wäre das Kunst? Der polnische Regisseur inszeniert die Szenen dieser Ehe bereits als Horrorfilm. Wenn Sam Neill leidet, tut er das in Innenräumen, die ein bläuliches Licht so erhellt, dass sein Gesicht eine Farbe erhält, als wäre er bereits an Herzschmerz gestorben. Die Kamera fängt diese Innenräume zudem mit extrem weiten Winkel ein, was die Perspektive an den Rändern verzerrt und das Ganze mit einer albtraumhaften Atmosphäre belegt. Die krönt die wohl berühmteste Szene des Films, die bis heute die Popkultur prägt: Darin läuft Isabelle Adjani die Berliner U-Bahn-Station Platz der Luftbrücke entlang und wird plötzlich, man möchte sagen, von allen guten Geistern verlassen und dafür von allerlei bösen besessen.
Der Regisseur hatte seiner Hauptdarstellerin damals gesagt, sie solle sich vorstellen, Geschlechtsverkehr mit der Luft zu haben. Die junge französische Schauspielerin konnte mit dieser Anweisung wenig anfangen und ließ sich stattdessen vom brasilianischen Maskenbildner zeigen, wie Frauen bei Macumba-Sitzungen in Trance geraten. Als eine solche muss auch diese Performance betrachtet werden: Adjani schreit, spuckt, fliegt gegen die blanken gelben Kachelwände, verschüttet die Einkäufe aus ihrem Beutel, rollt die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen ist und scheint am Ende Ektoplasma zu gebären.
Die nicht minder begabte Rosamund Pike wird die Szene mehrere Jahrzehnte später für das Musikvideo "Voodoo in My Blood" von Massive Attack feat. Young Fathers unter der Regie von Ringan Ledwidge nachstellen. Sie bekommt hier eine glänzende, schwebende Kugel als Gegenspieler, die noch einmal deutlich macht, wie stark Adjanis Auftritt ist. Denn sie hat kein Gegenüber, holt die Kraft, den Wahnsinn allein aus ihrem Körper.
Nicht nur diese Szene inspiriert bis heute Filmemacher. Als Luca Guadagnino für seine Neuinterpretation des Horrorklassikers "Suspiria" die Handlung nach Berlin verlegt, findet sich die Hexen-Tanzschule in direkter Nähe der Berliner Mauer wieder, an ebenjener Stelle, an der auch Adjanis glibbriger Geliebter (Carlo Rambaldi, der bereits den Alienkopf zusammenbastelte, entwarf die Tentakeln für jene Figur) in der düsteren Wohnung haust. MARIA WIESNER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Beziehungsdrama oder Horrorfilm? Bis heute fasziniert Andrzej Zulawskis Werk nicht nur Genrefans.
Manche Filme überraschen vor allem, weil ihr Ruf etwas völlig anderes erwarten lässt als das, was dann zu sehen ist. Andrzej Zulawskis "Possession" aus dem Jahr 1980 gehört dazu. Obwohl er im Wettbewerb des Filmfestivals von Cannes Premiere feierte und Isabelle Adjani als beste Darstellerin ausgezeichnet wurde, wollte ihn in Deutschland niemand ins Kino bringen - zu gruselig, zu verstörend! Und das sieben Jahre nachdem in der Bundesrepublik William Friedkins "Der Exorzist" in den Kinos gelaufen war. In Amerika zeigte man das Werk zwar, jedoch nur in einer um 45 Minuten verkürzten Version, aus der man die - fürs dortige Publikum - anstößigsten Szenen getilgt hatte. Erst seit 2009 ist auch in Deutschland eine DVD auf dem Markt, die die ungekürzte Fassung präsentiert. Allerdings hatte der Film bis dahin einen solchen Geheimtipp-Status unter Horror- wie Arthouse-Fans erreicht, dass Exemplare heute nur noch für höhere zweistellige Beträge zu erwerben sind.
Hat man ein solches dann einmal erwischt, überrascht das, was man sieht sehr, denn Zulawski beginnt "Possession" mit einer ruhigen Taxifahrt entlang der Berliner Mauer. Sam Neill sitzt auf dem Rücksitz; er spielt einen Geheimagenten, der zu seiner Familie zurückkehrt. Seine Frau, gespielt von Isabelle Adjani, empfängt ihn auf dem Gehsteig. Schon hier liefert sich das Paar das erste Wortgefecht. Die Ehe liegt in Trümmern, die beiden versuchen, sich darüber noch klar zu werden, doch der Riss zwischen ihnen ist deutlich. Damit es auch visuell dem Letzten begreiflich wird, filmt die Kamera sie beim Beziehungsstreit aus dem Flur, blickt in zwei angrenzende Zimmer, sie links in der Küche, er rechts im Wohnzimmer - eine Wand trennt sie, es könnte aber auch eine ganze Welt zwischen ihnen liegen.
Was folgt, ist das Sezieren eines Beziehungsendes. Sam Neill geht langsam vor die Hunde, schwitzt und leidet im Bett eines Hotelzimmers, durchwühlt in Abwesenheit seiner Ehefrau das gemeinsame Bücherregal und findet zwischen Lukács und der Bibel ein Tantra-Buch, aus dem die Karte eines heimlichen Liebhabers fällt. Isabelle Adjani geht es nicht besser, denn ihre Affäre - so zeigt sich in einer heruntergekommenen Wohnung in Kreuzberg - ist kein menschliches Wesen.
Bis hierhin könnte man noch davon ausgehen, Andrzej Zulawski habe seine Trennung von der Schauspielerin Malgorzata Braunek verarbeitet - das Drehbuch entstand während der schlimmsten Phase jenes Beziehungsendes. Doch wäre das Kunst? Der polnische Regisseur inszeniert die Szenen dieser Ehe bereits als Horrorfilm. Wenn Sam Neill leidet, tut er das in Innenräumen, die ein bläuliches Licht so erhellt, dass sein Gesicht eine Farbe erhält, als wäre er bereits an Herzschmerz gestorben. Die Kamera fängt diese Innenräume zudem mit extrem weiten Winkel ein, was die Perspektive an den Rändern verzerrt und das Ganze mit einer albtraumhaften Atmosphäre belegt. Die krönt die wohl berühmteste Szene des Films, die bis heute die Popkultur prägt: Darin läuft Isabelle Adjani die Berliner U-Bahn-Station Platz der Luftbrücke entlang und wird plötzlich, man möchte sagen, von allen guten Geistern verlassen und dafür von allerlei bösen besessen.
Der Regisseur hatte seiner Hauptdarstellerin damals gesagt, sie solle sich vorstellen, Geschlechtsverkehr mit der Luft zu haben. Die junge französische Schauspielerin konnte mit dieser Anweisung wenig anfangen und ließ sich stattdessen vom brasilianischen Maskenbildner zeigen, wie Frauen bei Macumba-Sitzungen in Trance geraten. Als eine solche muss auch diese Performance betrachtet werden: Adjani schreit, spuckt, fliegt gegen die blanken gelben Kachelwände, verschüttet die Einkäufe aus ihrem Beutel, rollt die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen ist und scheint am Ende Ektoplasma zu gebären.
Die nicht minder begabte Rosamund Pike wird die Szene mehrere Jahrzehnte später für das Musikvideo "Voodoo in My Blood" von Massive Attack feat. Young Fathers unter der Regie von Ringan Ledwidge nachstellen. Sie bekommt hier eine glänzende, schwebende Kugel als Gegenspieler, die noch einmal deutlich macht, wie stark Adjanis Auftritt ist. Denn sie hat kein Gegenüber, holt die Kraft, den Wahnsinn allein aus ihrem Körper.
Nicht nur diese Szene inspiriert bis heute Filmemacher. Als Luca Guadagnino für seine Neuinterpretation des Horrorklassikers "Suspiria" die Handlung nach Berlin verlegt, findet sich die Hexen-Tanzschule in direkter Nähe der Berliner Mauer wieder, an ebenjener Stelle, an der auch Adjanis glibbriger Geliebter (Carlo Rambaldi, der bereits den Alienkopf zusammenbastelte, entwarf die Tentakeln für jene Figur) in der düsteren Wohnung haust. MARIA WIESNER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main