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Bei einer Expedition tief in der amerikanischen Wildnis wird der legendäre Jäger und Abenteurer Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) von einem Bären attackiert und von seinen Jagdbegleitern, die überzeugt sind, dass er dem Tod geweiht ist, zurückgelassen. In seinem Überlebenskampf erleidet Glass nicht nur unerträgliche Qualen, er muss auch erleben, dass sein vermeintlicher Beschützer John Fitzgerald (Tom Hardy) ihn verrät, beraubt und im Stich lässt. Angetrieben von der Liebe zu seiner Familie und einem schier übermenschlichen Willen zu überleben, um diesen Verrat zu rächen, kämpft Glass sich durch…mehr

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Produktbeschreibung
Bei einer Expedition tief in der amerikanischen Wildnis wird der legendäre Jäger und Abenteurer Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) von einem Bären attackiert und von seinen Jagdbegleitern, die überzeugt sind, dass er dem Tod geweiht ist, zurückgelassen. In seinem Überlebenskampf erleidet Glass nicht nur unerträgliche Qualen, er muss auch erleben, dass sein vermeintlicher Beschützer John Fitzgerald (Tom Hardy) ihn verrät, beraubt und im Stich lässt. Angetrieben von der Liebe zu seiner Familie und einem schier übermenschlichen Willen zu überleben, um diesen Verrat zu rächen, kämpft Glass sich durch einen unerbittlichen Winter und eine feindliche Wildnis zurück ins Leben.

Bonusmaterial

Aufbruch in eine unbekannte Welt (Die Hintergründe zum Film) Bildergalerie
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.01.2016

Kammerspiele in der Endlosigkeit des Raums

Was ist so schön am Alleinsein in einer unwirtlichen Natur? Und weshalb nehmen immer mehr Menschen immer weniger Material mit, wenn sie unterwegs das Abenteuer suchen? Ist es an der Zeit, dass wir uns auf das Ende der Zivilisation vorbereiten? Ein paar Kinobesuche, einige Begegnungen und ein Magazin, dessen Thema das Überleben ist.

Von Freddy Langer

Zum Abschied drückte mir Lon einen kleinen Bügel aus Eisen in die Hand, halb Schlagring, halb Griff einer Truhe im Stil des Gelsenkirchener Barocks, dazu ein zersplittertes Stück Fels mit scharfen Kanten und ein Tütchen voll mit verkokelten Stofffetzen. Dabei grinste er über das ganze Gesicht und nickte ein wenig zu heftig, so dass ihm die Krempe seines Filzhuts in die Stirn rutschte. "It might safe your life some day", sagte er. Dann musste er lachen.

Lon ist Fotograf. In der Nähe von San Diego führt er ein Atelier für Werbung und Still Lifes. Die Liste seiner Kunden ist beeindruckend und reicht von Modemagazinen bis zu den Laboratorien der medizinischen Forschung. Außerdem gehört er dem Laguna Mountain Rifle Club an, einer Gruppe von etwa sechzig Männern, die sich in ihrer Freizeit als Trapper verkleiden. Zehn von ihnen hatten in den Bergen bei Santa Ysabel im Süden Kaliforniens um eine große Feuerstelle ein kleines Lager errichtet, mit einem halben Dutzend Zelten, einem Schießstand und sogar einer eigenen Schmiede. Ja, hatte Don, ohne zu zögern, gesagt, als ich meinen Blick offenbar allzu skeptisch über das Camp am Waldrand schweifen ließ, über die gusseisernen Töpfe und Pfannen neben dem Feuer, die Vorderlader, die in Reihe an einem Balken lehnten, die Äxte, die in Zielscheiben steckten, und vor allem über all die Männer in ihren Fransenjacken und den Hirschlederhosen, mit Messern am Gürtel, bunten Tüchern um den Hals und Biberfellmützen auf dem Kopf, ja, hatte er gesagt und blieb dabei vollkommen ernst: Ja, das ist ein Spielplatz für alte Herren.

Vermutlich fünftausend Mountain Men streiften von den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts an durch den Westen Nordamerikas. Hinter dem Mississippi begann damals eine "terra incognita". Erst endlos weite Prärien, dann endlos hohe Berge. Es war eine wilde, weglose Natur voller Tücken wie den Schluchten und Wüsten der Badlands, aber auch voller Wunder wie den heißen Quellen und Geysiren des Yellowstone. Hier und da standen an Flussgabelungen schäbige Forts, eine Mischung aus Handelsstation, Bar und drittklassiger Pension, viel häufiger gab es Lagerplätze von Indianern, die den weißen Eindringlingen nicht unbedingt freundlich begegneten. Die Natur war harsch, das Leben eine Qual. Die Wildnis jedoch barg einen Schatz: Fell. Erst mit Bibern, später mit Büffeln machte mancher Trapper ein Vermögen.

Während der Durchschnittsverdienst an der Ostküste bei zehn Dollar im Monat lag, konnte man im Westen an nur einem Tag Tiere im Wert von fünfundzwanzig Dollar erlegen. Es war eine Art Goldrausch für Jäger. Lange allerdings währte er nicht. Biber gerieten bald wieder außer Mode, und auch für Büffelfelle gab es irgendwann nicht mehr einen einzigen Cent. Um 1840 war die Zeit der Trapper vorüber. Die besten unter ihnen erkundeten nun Routen nach Kalifornien oder Oregon und führten Siedlertrecks über die Berge. Jim Bridger und Kit Carson, Joseph Walker, Davy Crocket und Daniel Boone gelten in Amerika bis heute als Helden und werden als Wegbereiter der Nation verehrt.

"Als ich ein Kind war, liefen ihre Geschichten als Serien im Fernsehen", sagt David, einer der Hobbytrapper im Lager bei Santa Ysabel. Sie seien seine Vorbilder gewesen. Weil er auf einer Ranch aufwuchs, hatte er es nicht weit in die ungezähmte Natur. Sie lag vor seiner Haustür. Reiten, Schießen, Lagerfeuer - das sei ein Teil seiner Kindheit gewesen. Und ja, er könne dort draußen problemlos überleben. Eine Decke, ein Gewehr und ein wenig Werkzeug auf dem Rücken eines Maultiers, mehr brauche er nicht, um es sich auf lange Zeit gutgehen zu lassen. Einmal ist er mit Freunden von San Diego bis Fort Bridger in Wyoming geritten. Wochenlang waren sie unterwegs. Dabei unterwarfen sie sich so weit wie irgend möglich den Alltagsbedingungen der Zeit vor knapp zweihundert Jahren. Alles sollte authentisch sein, das meiste ihrer Ausrüstung hatten sie deshalb selbst hergestellt, sogar ihre Waffen im Stil der Pennsylvania Rifle, Gewehre mit einem auffallend langen Lauf.

"Hier, das ist sie", sagt David und legt mir seinen Nachbau des historischen Modells so vorsichtig in die Hand wie einen wertvollen Schatz. Dann fordert er mich auf, das Holz zu streicheln, zu fühlen, wie glatt es sei, wie gut es sich anfasse, und mir schießen all die freudianischen Interpretationen der Westernfilme durch den Kopf. So ist das also in einer Männerwelt, denke ich. Und ich bin kurz davor, David den einzigen Trapperwitz zu erzählen, den ich kenne. Den von dem New Yorker Banker, der sich eine Hütte in der Wildnis kauft, um sich dort von seinem Burnout zu kurieren. Nach zwei Wochen klopft es an seiner Tür, und ein Mann in Lederklamotten lädt ihn zu einer Party in seine Hütte ein, drei Kilometer tiefer im Wald. Es würde allerdings viel getrunken, warnt ihn der Fremde, und später wild geschossen, und immer endeten diese Feste in einer ausschweifenden Orgie. Das mache ihm nichts aus, sagt der Banker, er komme sehr gern, höflich bedankt er sich und fragt noch rasch, wie er sich kleiden solle. "Völlig egal", antwortet der Trapper, "es sind ja nur wir beide."

Es schießt sich gut mit einer Pennsylvania Rifle. Aber es ist umständlich. Nacheinander werden erst Schießpulver, dann Stoff, dann die Kugel in den Lauf gestopft, dann wird der Hahn gespannt. Drückt man ab, passiert zunächst nichts, wenigstens für den Bruchteil einer Sekunde. "Wish - boom" nennen das die Trapper. Dann erst tut es den Schlag, Stein prallt auf Metall, Flammen sprühen aus dem Zündloch, und die silberne Kugel vom Kaliber 59 nimmt ihren Weg. "Kling", scheppert sie vom Feuerlöscher zurück, zehn, fünfzehn Meter entfernt. Mein erster Schuss und gleich ein Treffer! Ich ziehe die Schutzbrille ab und den Stöpsel aus meinem Ohr, um Davids Kompliment besser zu verstehen. Aber der lobt nicht mich, sondern seine Waffe. "Das sind Präzisionsgeräte", sagt er mit ernster Miene. Und dann mischt sich Don ein, der sich aus dem Kopf eines Polarfuchses eine Mütze geschneidert hat, den aber alle den "Bear Killer" nennen, seit er vor zehn Jahren im Norden Kaliforniens bei einem Jagdausflug einen Baribal erlegt hat, einen Schwarzbären. Das war mit einem ganz ähnlichen Gewehr, sagt er, einer Kit Carson Hawken Rifle. Dann tippt er mit der Handfläche auf die zwanzig scharfen Krallen an der Kette um seinen Hals.

Don ist neunundsiebzig. Mal hat er als Zimmermann gearbeitet, mal als Maurer, oft auch einfach nur als Hilfsarbeiter auf Baustellen. "Whatever it took, to keep the familiy running." Hobbytrapper sei er seit mehr als sechzig Jahren, sagt er, aber statt dabei ernst zu schauen, bricht ein Gelächter aus ihm heraus. "Das waren Zeiten! Du machst dir keine Vorstellung davon, wie es bei unseren Treffen zuging, den Rendezvous mit Hunderten anderer Männer irgendwo an einem Fluss. Mit all den Schießereien und mit all dem Whiskey. Ein Heidenspaß war das." Dann atmet er tief aus, und es macht den Eindruck, als ziele sein Blick nicht in die Ferne, sondern weit zurück in die Vergangenheit. Die Männer drum herum nicken bestätigend, und ich muss schon wieder an den einzigen Trapperwitz denken, den ich kenne, da sagt Don: "Heute! Heute dürfen ja sogar Frauen zu den Treffen kommen."

Es war keine wilde Horde, die sich an diesem strahlend hellen Winternachmittag um das Lagerfeuer in den Bergen bei Santa Ysabel versammelt hatte. Das waren Rentner, die zu Banjo-Musik mit ihren Erzählungen von früher und ihren Schießwettbewerben mit einfachsten Gewehren einen Mythos pflegen. Männer freilich mit sehr genauen Kenntnissen über eine lange vergangene Welt. Selbst mit dem Vorderlader können sie dreimal in der Minute schießen, und selten verfehlen sie ihr Ziel. Auch auf mehr als fünfzig Meter erlegen sie einen Rehbock oder eben einen Bären. Sie wissen, wie man den Tieren das Fell abzieht, wie man das Leder gerbt und wie man mit einem Stein ein Feuer entfacht, um darüber aus den besten Stücken der Beute eine Mahlzeit zuzubereiten. Und danach verkriechen sie sich in ein Nachtlager aus Laub und Zweigen, in dem man selbst eisige Nächte einigermaßen komfortabel verbringen kann. Nur eines fehlt ihnen: Nachwuchs, dem sie dieses Wissen weitergeben können. "Die Jugend heute", sagen sie, "spielt lieber am Computer als im Wald."

Etwa sechshundert Mitglieder zählen alle amerikanischen Mountain-Men-Vereine zusammen. Der letzte spürbare Anstieg liegt mehr als vierzig Jahre zurück. Damals war der Sydney-Pollack-Film "Jeremiah Johnson" in die Kinos gekommen. Ein Western, der mit wunderbarer Ruhe, fast schon elegisch, das Leben eines Trappers nacherzählt und dem es gelingt, auch selbstquälerische Szenen und ungeheuerlichste Schicksalsschläge als einen Moment von Freiheit darzustellen. "Der Weg, den du gehst, ist der Weg, den du wählst", heißt es dort im Refrain eines wiederkehrenden Lieds und weiter: "Jeder Tag, den du zögerst, ist für immer verloren." Dann folgt die Kamera Robert Redford über Jahre und Jahreszeiten hinweg durch die schönsten Landschaften des amerikanischen Westens, die Wüsten Utahs und die Berge Colorados, bis er mit seiner Art, zu leben und zu denken, ganz mit der Natur verschmilzt. Das hat etwas Spirituelles.

Eine ähnlich werbende Wirkung erhoffen sich die Mountain-Men-Vereine nun von dem Film "The Revenant - Der Wiederkehrer", in dem Leonardo DiCaprio den historisch verbürgten Fährtenleser und Fallensteller Hugh Glass spielt - eine legendäre Figur, denn aller Unbill zum Trotz und zunächst ohne ein einziges Hilfsmittel schleppte er sich hundert Tage lang durch die Rocky Mountains, bis er wieder auf die Gruppe traf, die ihn, von einem Bären schwer verwundet und mit einem gebrochenen Bein, im Nirgendwo zum Sterben hatte liegenlassen. Es sind etliche Bücher über das Leben von Hugh Glass erschienen, erst dieser Tage der Roman "Der Totgeglaubte" von Michael Punke, und mit Robert Harris in der Hauptrolle wurde der Stoff schon einmal verfilmt. Es ist eine Geschichte von mythischer Dimension: ein Mensch allein, ausgesetzt am Ende der Welt, in einer gnadenlosen, nein, schlimmer noch: in einer völlig gleichgültigen Wildnis, ohne jede Chance zu überleben und doch mit einem letzten Lebensfunken, getrieben von der Hoffnung, einen Weg zurück zu finden in die Zivilisation. In der neuen Verfilmung stellt Alejandro González Iñárritu diese Tortur besonders drastisch dar. Über lange Zeit ist es ein einziges Stöhnen, Würgen, Röcheln und Schreien vor Schmerz, das Leonardo DiCaprio über die Lippen kommt, und neben dem Prankenhieb der Bärin ist ihm vor allem der Hass ins Gesicht geschrieben. Er wird ihm zum lebenserhaltenden Antrieb. Mit Stöckchen zunächst und Stöcken später beginnt er sich Hilfsmittel zu schaffen, und als es ihm gelingt, sein erstes Feuer anzuzünden, sprengt er sich die Entzündungen am aufgerissenen Körper mit seiner letzten Prise Schießpulver buchstäblich vom Hals. Auch eine Art, Wunden zu verlöten. Man muss sich nur zu helfen wissen.

Dass es während der Dreharbeiten möglichst authentisch zuging, dafür sorgte Clay. Auch er saß am Feuer des Trapperlagers in den Bergen von Santa Ysabel. Er ist Ökonom von Beruf, Historiker aus Leidenschaft, Berater zweier Museen zum Leben im Wilden Westen und ebenfalls Freizeittrapper. Die Lager, die Kleidung, das Werkzeug - um alles habe er sich an den Drehorten gekümmert. Und den Schauspielern habe er beigebracht, die Waffen zu benutzen oder zumindest so zu halten, dass es überzeugend aussieht. "Ich habe Leo die Sache mit der Munition im Mund erzählt", sagt er, "so konnte man schneller nachladen." Er hat geholfen, die rohe Büffelleber zu besorgen, die sich DiCaprio mit einem Indianer teilt - und augenblicklich wieder herauswürgt. Und die Szene, in der der Held einem verunglückten Pferd sämtliche Innereien aus dem Leib zerrt, um sich splitterfasernackt in dessen Körper aufzuwärmen, erschien ihm zumindest plausibel. Auf die Frage, wieso er dem Film großes Interesse voraussage, antwortet Clay prompt: "Es ist unsere Geschichte." Und damit meinte er keineswegs die kleine Gruppe von Freizeittrappern, sondern die Vereinigten Staaten von Amerika.

Doch es muss noch einen anderen Grund für einen solchen Film geben. Denn die Geschichte kommt nun schon zum vierten Mal binnen eines Jahres in die Kinos. Immer ist es die gleiche Handlung, manchmal sind die Drehbücher fast deckungsgleich: Irgendwo weit draußen, ganz weit draußen, in der Unermesslichkeit des Indischen Ozeans zum Beispiel oder in einer Umlaufbahn sechshundert Kilometer über der Erde, in der Eiseskälte des Planeten Mars, vier Jahre von der

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Erde entfernt, oder, wie eben jetzt, in der Einsamkeit der tief verschneiten Rocky Mountains, irgendwo also in diesen menschenfeindlichen Regionen geht etwas schief. Gehörig schief. Eine Jolle wird von einem herrenlos im Meer treibenden Container zerfetzt, eine Raumstation von überraschend aufkreuzenden Trümmerteilen eines Satelliten und nun ein Trapper von einem monströsen Grizzlybären, der seine Jungen verteidigt. Das geht manchmal ganz langsam, und der Held wird sich erst allmählich der heranschleichenden Gefahr bewusst, oder es geht Schlag auf Schlag, dass es dem Zuschauer graut und ihm die Frage bereits durch den Kopf schießt, bevor der Held auch nur zu stöhnen oder zu fluchen begonnen hat: Wie kommt der bloß wieder heim?

Die Filme heißen "All is Lost" und "Gravitity", "Der Marsianer" und "The Revenant". Sie sind besetzt mit Stars wie Robert Redford und Sandra Bullock, Matt Damon und Leonardo DiCaprio, und fast möchte man sie als Ein-Personen-Stücke bezeichnen, als Kammerspiele in der Endlosigkeit des Raums, so sehr konzentrieren sie sich auf ihre eine Figur und deren übermenschlichen Einsatz im Kampf ums Überleben. Dabei bringt diese Menschen fast nichts aus der Ruhe, und nie vergehen sie in Selbstmitleid. Sie sind Pragmatiker, packen einfach an. Manche Szenen gleichen Lehrstunden, so geduldig und präzis wird geschildert, wie man mit Fiberglas ein Leck dichtet, den verlorengegangenen Hebel der Handpumpe durch einen selbstgeschnitzten ersetzt oder mit Pasten aus Kräutern und Erde Wunden heilt. Ganz unmetaphysisch ist dies alles, fast dokumentarisch. "Der Marsianer" kommt streckenweise sogar wie eine Lehrstunde in Astrophysik daher. "I'll science the shit out of this", redet sich der alleingelassene Astronaut auf dem Mars angesichts der aussichtslosen Lage Zuversicht ein. Dabei beginnt das Unglück ausgerechnet mit einem tosenden Sandsturm über der roten Wüste, der in der dünnen Atmosphäre des Planeten nicht vorkommen kann. Aber das habe er in Kauf genommen, erklärte dieser Tage der Autor Andy Weir, der ansonsten penibelst auf die wissenschaftliche Akkuratesse seiner Einfälle geachtet hat. "Ich wollte, dass die Natur den ersten Schuss abgibt." Und genau darum geht es in diesen Filmen: um ein Duell mit der Wildnis, in dessen Verlauf die Helden weder die Welt noch die Gesellschaft retten, sondern bloß die eigene Haut. Es sind Parabeln des Widerstands, die zu Stellvertreterabenteuern werden für ein Publikum, das lieber am Computer spielt als im Wald. "Ich glaube", sagt Rüdiger Nehberg, Deutschlands berühmtester Überlebenskünstler, "die Sehnsucht vieler Menschen nach solchen Survival-Filmen ist ihr unterbewusstes Gefühl, dass sie durch den Luxus der Zivilisation längst total degeneriert sind."

Es ist die reine Freude, mit Rüdiger Nehberg zu sprechen. Die Stimme ist etwas höher, als man sie aus dem Fernsehen kennt. Und hin und wieder setzt sich ein leichtes Krächzen durch. Ansonsten ist nichts davon zu spüren, dass er demnächst zweiundachtzig Jahre alt wird. Seine Gedanken formuliert er so vorsichtig, so präzis, so achtsam, wie er früher vermutlich seine Füße Schritt für Schritt durch den südamerikanischen Urwald gesetzt hat. Da gibt es kein Vertun. Kein Flachsen. Keinen überflüssigen Satz. Und nie einen Moment von Selbstüberschätzung oder gar Selbsterhöhung.

Ja, antwortet er knapp auf eine Frage, ja, es habe tatsächlich Pläne gegeben, seine Abenteuer zu verfilmen. Insgesamt drei Anfragen habe er in den vergangenen Jahren erhalten. Aber keine der Ideen sei verwirklicht worden. Und jetzt sei er wohl zu alt dafür. Man müsste auf historisches Filmmaterial zurückgreifen, und für manche Szenen wäre es vernünftig, einen Schauspieler zu engagieren, sagt er. "Andererseits", und nun stockt er zum ersten Mal für einen Moment, "einen Marsch durch den Urwald würde ich mir noch eimal zutrauen. Und meine Reise über den Atlantik sowieso. Da gibt es diese Strömung zwischen Afrika und Zentralamerika, wenn man die ausnutzt, fährt das Floß ganz von allein." Es könnte ein großartiger Film werden. Über einen der größten Abenteurer unserer Zeit. Wunderbar würde er sich einreihen in die aktuellen Produktionen aus Hollywood.

Als sich Rüdiger Nehberg vor vierzehn Jahren von einem Hubschrauber aus über dem brasilianischen Regenwald absetzen ließ, hat er wenig mehr dabei gehabt als die Kleider an seinem Leib: Badehose, T-Shirt und Sandalen. Keine Landkarte, keine Medikamente, keine Waffen, keine Werkzeuge, kein Zelt. Nur eine Kamera und auf den ausdrücklichen Wunsch seiner Frau ein Satellitentelefon, das allerdings bald den Geist aufgab. "Zum Glück", wie er sagt. Denn erst dadurch sei die Situation so gewesen, wie er sie sich gewünscht hatte: "Ich wollte mir ganz persönlich beweisen, dass ich im Urwald existieren kann wie jedes freilebende Tier. Reduziert auf meine Urinstinkte." Und dann erzählt er, wie man mit einem Stein eine Axt herstellt, mit einem Stock Löcher gräbt, um darin zu schlafen, und wie man mit den Händen Tiere fängt: "Das ist ganz einfach. Man taucht mit einem Schilfrohr im Mund in einem Teich unter und wartet, bis ein Maul im Wasser zu schlabbern beginnt. Dann packt man zu, zieht das Tier zu sich herunter und ertränkt es." Ganz einfach? Einen Elefanten, fügt er an, könne man ja wieder loslassen. Er sagt es so trocken, als spreche er aus Erfahrung.

Es ist lange her, dass Rüdiger Nehberg der Ehrentitel "Sir Vival" verliehen wurde. Überleben war damals keine Bewegung, sondern die selbstgestellte Aufgabe einiger weniger Wildniskünstler, mit möglichst wenig Ausrüstung möglichst lange jenseits von Lebensmittelläden und Mietskasernen durchzukommen. Sie selbst nannten sich Grenzgänger. Andere bezeichneten sie als verrückt.

Nun ist, ob von Hollywood begleitet oder nicht, doch so etwas wie eine Bewegung daraus geworden. Vielleicht um einer Welt zu entkommen, die kaum noch jemand durchschaut. Einem Alltag, in dem schon jetzt der Thermomix ein ganzes Essen zaubert, und in dem vermutlich bald die Autos das Fahren übernehmen.

Es gibt die brave Variante, sich selbst im Unterwegssein zu spüren, an die eigenen Grenzen zu gehen. "Ich bin dann mal weg" kann man das überschreiben, und dazu passen die Verfilmungen der autobiographischen Abenteuerbücher von Robyn Davidson und Bill Bryson. In "Wild - Der große Trip" marschiert Reese Witherspoon den mehr als viertausend Kilometer langen Pacific Crest Trail durch den Westen Amerikas, von der mexikanischen Grenze über die Sierra Nevada und die Kaskadenkette bis zur Grenze Kanadas. In "Picknick mit Bären" machen sich Robert Redford und Nick Nolte auf den mehr als dreieinhalbausend Kilometer langen Appalachian Trail im Osten der Vereinigten Staaten, vom Springer Mountain in Georgia bis zum Mount Katahdin in Maine. Die Frau ist unterwegs, um zurück ins Leben zu finden, nachdem sie der Tod der Mutter und allerhand Fehlleitungen im eigenen Alltag einmal quer durch die Hölle bis an die Grenze der Selbstzerstörung geführt hatten. Genaugenommen muss sie ihr Leben überhaupt erst zurückzugewinnen, wodurch die Wanderung über holprige Pfade zu einer Art Bußgang wird - samt anschließender Läuterung. Die beiden Herren hingegen sind unterwegs auf einer Sentimental Journey durch die Urtümlichkeit, mit der sie versuchen, sich gegen das immer schneller voranschreitende Alter zu stemmen. Was sich dahinter verbirgt, ist in beiden Fällen jenes Drängen, das gern als Sinnsuche bezeichnet wird, die Hoffnung, bei einer Wanderung über den Umweg der Ferne gleichsam in die verborgenen Winkel der eigenen Seele vorzudringen: Ich bin dann mal bei mir angekommen. Begriffen die Romantiker die Natur noch als die wahre Kirche Gottes, wird sie nun zum Behandlungszimmer eines Therapeuten. "My life is sacred" ist Reese Witherspoons letzter Satz in dem Film "Wild - Der große Trip".

Aber wenn sich jetzt ein Magazin, das jahrelang "Gear" hieß, also Ausrüstung, den neuen Titel "Survival" gibt, dann geht es darin nicht mehr darum, das Leben spüren zu wollen, sondern es zu retten. Da erfüllen sich keine Hippie-Träume, vielmehr tun sich Albträume auf. Und was sich zuvor auf dem Feld der Spiritualität bewegte, erhält mit einem Mal eine politische Dimension.

Mit der Titelgeschichte der jüngsten Ausgabe, "Ausrüstung zum Spartarif", beginnt das noch einigermaßen harmlos. Es ist eine Handreichung, wie man mit nur fünfzig Euro ein komplettes Bushcraft-Equipment zusammenstellen kann. Wie wenig Geld das ist, weiß jeder, der einmal in einem Outdoor-Laden gewesen ist. Dafür bekommt man dort kaum mehr als eine Handvoll Energieriegel. Das Magazin "Survival" schickt den Leser deshalb in den Baumarkt und zum Discounter, um Plane, Decke und Säge zu kaufen. Den "Billy-Tin-Grill", eine vielseitig einsetzbare Koch-Grill-Kombination, klaubt man sogar "kostenlos vom Wegesrand" auf. Bushcraft bedeutet, mit einem Fuß im Neandertal zu stehen: Steine zu Äxten, Stöcke zu Schaufeln. Selbst den Rucksack, genauer gesagt: den Roycroft-Frame, bastelt man sich selbst: aus drei Ästen und neun Meter Nylonfaden, der in der detaillierten Anleitung in fünfzehn Schritten der Einfachheit halber mit einem Feuerzeug verschmolzen wird - während der Purist unter den Wildnisbastlern sein Flämmchen ganz sicher anderswoher bekommt.

Und wozu dies Rüstzeug? Das erzählt im selben Heft Peter Wörner, ein ehemaliger Fallschirmjägeroffizier, der heute am Rande eines kleinen Dorfs zwischen der Rhön und dem Thüringer Wald eine Überlebensschule leitet und Anleitungen zum Überstehen von Krisen gibt. "Aktuell", sagt er, "erlebe ich die Situation so angespannt wie nie." Was er meint, ist die Entwicklung in Deutschland und Europa. Unser System mit Krankenhäusern, Rentenversicherung und Arbeitslosengeld, mit Lebensmitteln aus dem Supermarkt und Benzin rund um die Uhr an der Tankstelle gebe uns ein Gefühl der Geborgenheit, als lägen wir bequem in einer Hängematte. Er aber sieht dieses System in Gefahr. Binnen weniger Tage könne es zusammenstürzen. Und dazu brauche es nicht einmal einen Krieg. Schon ein dreitägiger Stromausfall genüge, damit eine Großstadt im Chaos versinkt: keine elektronischen Bezahlsysteme mehr, keine Aufzüge, keine Heizungen, bald auch keine Transportlogistik. Die Kriminalitätsrate wird raketenhaft in die Höhe schießen. Er persönlich, sagt Peter Wörner, möchte sich in solch einem Fall nicht auf die Behörden verlassen. "Nur was man selbst in die Hand nimmt", sagt er, "klappt zuverlässig." Am Ende des Beitrags folgt eine Packliste für Fluchtgepäck. Er selbst, sagt Peter Wörner, habe seines stets fertig geschnürt im Kofferraum seines Autos liegen.

Die Szenarien, die er entwirft, erinnern an jene apokalyptischen Albträume, mit denen das Kino, die Literatur, selbst die amerikanische Popmusik seit dem Terrorangriff vom 11. September und unterstützt durch Immobilienkrise und einen näher rückenden Staatsbankrott ein altes Genre neu aufpoliert haben: das Endzeitabenteuer - die Vision einer Welt, in der es kaum noch Menschen gibt und alles, was einst das Land zusammenhielt, zerbröselt, verschwindet oder zerstört worden ist. "The Road" gehört dazu, der Roman von Cormac McCarthy, in dem ein Vater und sein Sohn dem Weltenbrand entkommen sind und in Decken gehüllt durch eine Gegend ziehen, in der nichts mehr wächst, in der kaum etwas lebt - und in der sich die Frage stellt, wie man in einer entmenschlichten Welt Mensch bleiben kann. In dem Science-Fiction-Film "I Am Legend" spielt Will Smith den vermeintlich einzigen Überlebenden einer Virusepidemie. Und Bruce Springsteen, dessen Liedertexte schon immer eher von Schmerz als von Herz erzählten, fragt auf der CD "Magic" mit besonderem Ingrimm: "Is there anybody alive out there?" In einem anderen Lied des Albums ist die Straße von Toten gesäumt.

Da werden Reisegeschichten zu Illustrationen einer Gesellschaft, die sich aufgegeben hat. Die geschürte Angst vor Massenvernichtungswaffen mag sich darin widerspiegeln und die Unsicherheit angesichts der Auswirkungen der Klimakatastrophe. Und dann fragt man sich natürlich, wo die aktuellen Nachrichten mit den Bildern der Flüchtlingsströme zwischen all diesen düsteren Visionen ihren Platz haben - und wie weit die Füße am Ende tragen.

Dem Unterwegssein, das ist neu, wird das Moment der Ungebundenheit und Lebensfreude geraubt. Selbst die Natur wirkt in all diesen Geschichten viel weniger erhaben denn grimmig - nur der "Marsianer", ausgerechnet, setzt sich bisweilen an den Rand einer Klippe und betrachtet in romantischer Verzückung die Bergkette gegenüber seiner Raumstation. Überall sonst herrscht noch mehr Kälte als auf dem Mars. Peter Wörner wäre vorbereitet. "Direkt an der Person", sagt er im Interview und meint damit sich, "ist eigentlich immer ein Messer und etwas zum Feuermachen."

Etwas zum Feuermachen habe ich auch: das Päckchen, das mir Lon, der Hobbytrapper aus dem Zeltlager in den Bergen von Santa Ysabel, zum Abschied geschenkt hat. Er musste mir nur ein einziges Mal vorführen, wie es funktioniert: Mit dem Metallbügel über den Feuerstein schrammen, und die Funken mit dem verkokelten Stofflappen auffangen. Das ist alles. Denn der hört dann nicht mehr auf zu glimmen und gibt einem reichlich Zeit, erst Flechten und Gras, dann Ästchen und Stöcke zu entzünden. Und wenn die ersten Hölzer brennen, tauen nicht nur die klammen Finger auf. Dann beginnt auch das Lebensflämmchen wieder aufzulodern.

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