Der 8-jährige Cole Sear (Haley Joel Osment) trägt ein düsteres Geheimnis mit sich herum: Er sieht tote Menschen. Zu jeder Tageszeit, an jedem Ort wird er von Wesen aus dem Jenseits aufgesucht. Verstorbene, die den Jungen mit ihren vergangenen Leben, Schicksalen, die sie nicht ruhen lassen, quälen. Cole ist zu verängstigt, um irgendjemandem von den Furcht erregenden Begegnungen zu erzählen. Bis er Vertrauen zu dem Kinderpsychologen Dr. Malcolm Crowe fasst. Crowe versucht den übernatürlichen Fähigkeiten seines kleinen Patienten auf den Grund zu gehen. Schritt für Schritt nähert er sich der Realität hinjter den gespenstischen Visionen - und muss geststellen, dass die Wirklichkeite schockierender ist, als es ein Albtraum je sein könnte...
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Trailer von anderen Filmen - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - Interviews - Hitergrundinformationen - Featurettes zu folgenden Themen: Die Schauspieler / Interview mit dem Regisseur / Vom Storyboard zum Film / Musik und Soundeffekte / Regeln und Hinweise / Erfolg im Kino / Deleted Scenes / Erweitertes Ende / Featurette zur Europapremiere / B-Roll / Making of: The-Sixth-Sense-DVD sowie DVD-ROM-Partition und Bruce-Willis-TrailershowFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.12.1999Statt Muskelkraft die Kraft der Vorstellung
"The Sixth Sense" im Kino: Der Schauspieler Bruce Willis findet sich am Rande des Jenseits
Zwei Männer fixieren einander und duellieren sich mit Blicken. Die Kamera fährt nicht auf ihre Gesichter zu, wie man es erwartet, sondern gleitet an ihnen entlang. Jedes Mal wenn sie schon fast zur Hälfte außerhalb des Bildes liegen, folgt der Schnitt auf den Widersacher. So geht das eine Weile hin und her, und mit jedem Einstellungswechsel steigt die Spannung. Gerade indem der Film "The Sixth Sense" die Situation inszenatorisch zunächst nicht zuspitzt, kann er ihr bedrohliches Potenzial ausreizen. Er zeigt zwei Männer on the edge, die sich am Rande des Bildes und des Jenseits befinden. Zugleich schärft er uns in dieser Sequenz ein, die Augen fortan offen zu halten für die Bilder jenseits des Sichtbaren.
Der eine der beiden Männer zieht eine Waffe und drückt ab. Den anderen, der getroffen wird, verkörpert Bruce Willis. Doch "The Sixth Sense" erzählt von inneren Kämpfen, für die man keine Muskel-, sondern Vorstellungskraft braucht. Willis spielt den Kinderpsychologen Malcolm Crowe. In der ersten Sequenz will er mit seiner Frau auf eine Auszeichnung, die er soeben erhalten hat, anstoßen. Sein Gesicht spiegelt sich in der Urkunde - ein Trugbild, das sofort vor unseren Augen zersplittert: Die Handkamera lässt die Einstellung aus dem Gleichgewicht geraten und entdeckt im Badezimmer einen von Crowes Patienten. Von Todesängsten geplagt, lässt sich der Mann nicht beruhigen und hat plötzlich eine Pistole in der Hand. Er schießt auf Crowe und tötet dann sich selbst.
Zwei Jahre später. Crowe, der nach dem tragischen Ereignis nicht mehr derselbe ist, geht ins Badezimmer. Seine Frau steht unter der Dusche. Er betrachtet ihren Körper in der Tür eines Spiegelschranks, und sein Blick verrät Begehren. Dann zieht er die Tür auf und findet dahinter: eine Packung Antidepressiva. Den Oberflächen ist in diesem Film nicht zu trauen. Welten entfernt ist nunmehr das Glück, das die ersten Bilder des Films beschworen. Eine Distanz, die kaum mehr zu überbrücken ist, liegt zwischen Crowe und seiner Frau. Seit er den achtjährigen Cole (Haley Joe Osment) therapiert, der sich von den Geistern Toter verfolgt glaubt, wirkt er im Reich der Lebenden oft völlig abwesend.
"The Sixth Sense" handelt davon, wie Menschen verzweifelt zueinander finden wollen, aber oft dabei scheitern. In einer der stärksten Sequenzen, die in diesem Jahr im Kino zu sehen waren, möchte Crowe das Vertrauen des scheuen Jungen gewinnen - in Form eines Handels: Mit jeder richtigen Vermutung, die der Psychologe über das Innenleben Coles anstelle, müsse der Junge einen Schritt auf ihn zu machen. Irre er sich, dürfe sich der Junge entfernen. Es ist überaus fesselnd mitzuverfolgen, wie sich Cole widerwillig, aber der Wahrheit verpflichtet, immer weiter auf Crowe zubewegt. Dann begeht der Psychologe einen Irrtum nach dem anderen, die Kluft vergrößert sich, und am Ende verlässt der Junge den Raum. Wir wurden Zeugen einer schmerzlichen Niederlage. Nichts ist so schwer zu erringen wie emotionale Nähe.
Mit einem Einspielergebnis von nahezu 300 Millionen Dollar allein in den Vereinigten Staaten rangiert "The Sixth Sense" direkt hinter "Star Wars". Bedenkt man, einen welch ruhigen und unspektakulären Film der Regisseur M. Night Shyamalan gedreht hat, mutet dieser Erfolg fast ebenso phänomenal an wie jener von "Blair Witch Project". Beide Filme treffen den Nerv des Publikums, indem sie eine allgegenwärtige, aber kaum greifbare Atmosphäre des Unheimlichen und Bedrohlichen schaffen. Statt den Schrecken zu bebildern, spannen sie geschickt die Phantasie des Zuschauers für sich ein (und bedienen sich dabei der gleichen einfachen Mittel wie der Handkamera). Das Kino scheint sich auf die Kunst der Andeutung, die vieles offen lässt, zurückzubesinnen.
"The Sixth Sense" verbindet diese Ästhetik mit einer Thematik, die die Menschen momentan besonders stark beschäftigt. Was erwartet uns auf der anderen Seite? Auch Malcolm Crowe steht an einer Grenze: der zwischen Leben und Tod. Wie bereits einige andere Filme in diesem Jahr - zum Beispiel "Fight Club" - wartet "The Sixth Sense" zudem mit einem gänzlich überraschenden Finale auf. So entwickelt man den Drang, den Film gleich noch einmal sehen zu wollen, um zu überprüfen, ob man betrogen worden ist oder welche Hinweise man eventuell übersehen hat. Ein Ende, das den Rückblick zwingend macht - M. Night Shyamalan hatte den sechsten Sinn für den passenden Film zum Jahrtausendwechsel.
LARS-OLAV BEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"The Sixth Sense" im Kino: Der Schauspieler Bruce Willis findet sich am Rande des Jenseits
Zwei Männer fixieren einander und duellieren sich mit Blicken. Die Kamera fährt nicht auf ihre Gesichter zu, wie man es erwartet, sondern gleitet an ihnen entlang. Jedes Mal wenn sie schon fast zur Hälfte außerhalb des Bildes liegen, folgt der Schnitt auf den Widersacher. So geht das eine Weile hin und her, und mit jedem Einstellungswechsel steigt die Spannung. Gerade indem der Film "The Sixth Sense" die Situation inszenatorisch zunächst nicht zuspitzt, kann er ihr bedrohliches Potenzial ausreizen. Er zeigt zwei Männer on the edge, die sich am Rande des Bildes und des Jenseits befinden. Zugleich schärft er uns in dieser Sequenz ein, die Augen fortan offen zu halten für die Bilder jenseits des Sichtbaren.
Der eine der beiden Männer zieht eine Waffe und drückt ab. Den anderen, der getroffen wird, verkörpert Bruce Willis. Doch "The Sixth Sense" erzählt von inneren Kämpfen, für die man keine Muskel-, sondern Vorstellungskraft braucht. Willis spielt den Kinderpsychologen Malcolm Crowe. In der ersten Sequenz will er mit seiner Frau auf eine Auszeichnung, die er soeben erhalten hat, anstoßen. Sein Gesicht spiegelt sich in der Urkunde - ein Trugbild, das sofort vor unseren Augen zersplittert: Die Handkamera lässt die Einstellung aus dem Gleichgewicht geraten und entdeckt im Badezimmer einen von Crowes Patienten. Von Todesängsten geplagt, lässt sich der Mann nicht beruhigen und hat plötzlich eine Pistole in der Hand. Er schießt auf Crowe und tötet dann sich selbst.
Zwei Jahre später. Crowe, der nach dem tragischen Ereignis nicht mehr derselbe ist, geht ins Badezimmer. Seine Frau steht unter der Dusche. Er betrachtet ihren Körper in der Tür eines Spiegelschranks, und sein Blick verrät Begehren. Dann zieht er die Tür auf und findet dahinter: eine Packung Antidepressiva. Den Oberflächen ist in diesem Film nicht zu trauen. Welten entfernt ist nunmehr das Glück, das die ersten Bilder des Films beschworen. Eine Distanz, die kaum mehr zu überbrücken ist, liegt zwischen Crowe und seiner Frau. Seit er den achtjährigen Cole (Haley Joe Osment) therapiert, der sich von den Geistern Toter verfolgt glaubt, wirkt er im Reich der Lebenden oft völlig abwesend.
"The Sixth Sense" handelt davon, wie Menschen verzweifelt zueinander finden wollen, aber oft dabei scheitern. In einer der stärksten Sequenzen, die in diesem Jahr im Kino zu sehen waren, möchte Crowe das Vertrauen des scheuen Jungen gewinnen - in Form eines Handels: Mit jeder richtigen Vermutung, die der Psychologe über das Innenleben Coles anstelle, müsse der Junge einen Schritt auf ihn zu machen. Irre er sich, dürfe sich der Junge entfernen. Es ist überaus fesselnd mitzuverfolgen, wie sich Cole widerwillig, aber der Wahrheit verpflichtet, immer weiter auf Crowe zubewegt. Dann begeht der Psychologe einen Irrtum nach dem anderen, die Kluft vergrößert sich, und am Ende verlässt der Junge den Raum. Wir wurden Zeugen einer schmerzlichen Niederlage. Nichts ist so schwer zu erringen wie emotionale Nähe.
Mit einem Einspielergebnis von nahezu 300 Millionen Dollar allein in den Vereinigten Staaten rangiert "The Sixth Sense" direkt hinter "Star Wars". Bedenkt man, einen welch ruhigen und unspektakulären Film der Regisseur M. Night Shyamalan gedreht hat, mutet dieser Erfolg fast ebenso phänomenal an wie jener von "Blair Witch Project". Beide Filme treffen den Nerv des Publikums, indem sie eine allgegenwärtige, aber kaum greifbare Atmosphäre des Unheimlichen und Bedrohlichen schaffen. Statt den Schrecken zu bebildern, spannen sie geschickt die Phantasie des Zuschauers für sich ein (und bedienen sich dabei der gleichen einfachen Mittel wie der Handkamera). Das Kino scheint sich auf die Kunst der Andeutung, die vieles offen lässt, zurückzubesinnen.
"The Sixth Sense" verbindet diese Ästhetik mit einer Thematik, die die Menschen momentan besonders stark beschäftigt. Was erwartet uns auf der anderen Seite? Auch Malcolm Crowe steht an einer Grenze: der zwischen Leben und Tod. Wie bereits einige andere Filme in diesem Jahr - zum Beispiel "Fight Club" - wartet "The Sixth Sense" zudem mit einem gänzlich überraschenden Finale auf. So entwickelt man den Drang, den Film gleich noch einmal sehen zu wollen, um zu überprüfen, ob man betrogen worden ist oder welche Hinweise man eventuell übersehen hat. Ein Ende, das den Rückblick zwingend macht - M. Night Shyamalan hatte den sechsten Sinn für den passenden Film zum Jahrtausendwechsel.
LARS-OLAV BEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main