"Three drops of this colorless, odorless, tasteless liquid would put you out of your mind for hours! - If you haven't heard of LSD, you will" Mitten in den Wirren des Zweiten Weltkriegs entdeckt der Schweizer Chemiker Albert Hofmann zufällig eine bislang unbekannte Substanz: LSD. Ein riskanter Selbstversuch lässt ihn das ungeheure Potenzial dieses neuen Wirkstoffs erkennen, der die Welt verändern wird. Hippies, Geheimdienste und das Militär erliegen seinem Rätsel. Selbst Mediziner streiten um die Verwendbarkeit von LSD als Heilmittel. THE SUBSTANCE ist ein filmischer Trip durch sechs Jahrzehnte und erzählt die Geschichte einer Droge, die bis heute nichts von ihrer Mysteriösität verloren hat.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.05.2024Leichentücher und Lebensbücher
Nicht jeder Horrorfilm handelt von Donald Trump, und nicht jeder Film über Donald Trump ist automatisch ein Horrorfilm: drei neue Werke von David Cronenberg, Coralie Fargeat und Ali Abbasi.
Von Maria Wiesner, Cannes
Wenn man als Künstler lange genug ein Genre geprägt hat, kann man sich gelassen anschauen, was die nächste Generation mit dem Erbe anfängt. Im Wettbewerb von Cannes läuft zum einen der neue Film des Horrorregisseurs David Cronenberg, berühmt für die unappetitlichen Dinge, die er Körpern antut, und zum andern der zweite Film der Französin Coralie Fargeat, die Cronenbergs Werk bis ins Detail studiert hat und sich fragt, was man mit seinen Mitteln noch erzählen könnte. Wie er das wohl findet?
In Cronenbergs "The Shrouds" klingen die bekannten Motive an (Technologie verändert Biologie, Verstümmelung ist sexy), aber nur leise. Vincent Cassel trauert um seine verstorbene Frau (Diane Kruger). Er führt ein Bestattungsunternehmen, das neuartige Leichentücher einsetzt. Den Leichnam der Geliebten hat er in einem solchen begraben lassen, um per App den Verwesungsprozess zu beobachten. Es helfe ihm, mit seiner Trauer umzugehen, so erzählt er es der Schwester der Verstorbenen (auch Diane Kruger). Als eines Nachts Unbekannte den Friedhof verwüsten und die elektronisch verbundenen Gräber sabotieren, schlittert der Unternehmer in eine Spirale von Verschwörungstheorien. Stecken radikale Ökoterroristen dahinter? Haben Russen die App gehackt? Oder will jemand medizinische Experimente an den Leichen vertuschen?
Das sind nur einige Ansätze, in die sich die Handlung verstrickt - wer Cronenbergs Roman "Consumed" gelesen hat, kann sich vorstellen, welche absurden Kurven der Plot noch nimmt. Dabei erzählt der Regisseur das alles, als käme es auf die Lösung nicht an. Vielmehr lässt er Cassel in Albträumen seine verstorbene Frau mit Amputationen sehen - und gönnt dem Trauernden, zur Rückbesinnung aufs Leben, gleich mehrere Affären mit schönen Frauen.
"The Substance" von Coralie Fargeat umarmt das Genre. Demi Moore tanzt als Elizabeth Sparkle im hautengen Body für eine Fitnesssendung; früher war sie ein Star, aber ihr Ruhm verblasst so schnell, wie ihr Stern auf dem Walk of Fame Risse bekommt. Der Manager setzt sie vor die Tür; zu alt sei sie. Elizabeth willigt auf der Suche nach bleibender Jugend in eine neuartige Behandlung ein. Sie erhält die "Substanz" über ein dubioses Postfach, dessen heruntergekommene Adresse Warnung genug für jeden wäre, der nicht absolut verzweifelt ist. Die alternde Schauspielerin spritzt sich die Flüssigkeit und gebiert aus ihrem Rückgrat heraus eine neue Version ihrer selbst - jünger, schöner, perfekter. Nachteil der Verdopplung: Beide teilen sich ein Leben; was die eine tut, hinterlässt Spuren bei der anderen. Fargeat garniert diese moderne Dorian-Gray-Paraphrase mit Körperhorror, der vor nichts zurückschreckt. Matschende Geräusche unterstreichen das Grauen, wenn das neue Geschöpf Sue (Margaret Qualley) Elizabeths Rückgrat nach ihrer "Geburt" mit dicker Nadel zunäht. Spritzen punktieren Körperstellen, an denen man sie nicht einmal einen Arzt gern ansetzen sieht. Am effektivsten arbeitet die Regisseurin Ekel heraus, wenn sie in die Makroansicht zoomt wie in ihrem Debüt, dem Vergewaltigungsrachethriller "Revenge" (2017). Während er sie feuert, mampft Elizabeths Manager Shrimps. Sein Mund und das Schlingen, Beißen, Schlucken nehmen die ganze Leinwand ein. Fargeats Film folgt ihren Protagonistinnen geradlinig ins Verderben und erzählt mehr über die unrealistischen Schönheitsideale, mit denen Frauen in der Filmindustrie zu kämpfen haben, als jeder kritische Dokumentarfilm. Wer perfekten Schein als Lebensinhalt verlangt, treibt Menschen in den Selbsthass und erschafft Monster. Die Metapher ist nicht subtil, aber eingängig. Ein Monster steht also irgendwann auf der Bühne und richtet ein Blutbad an, das den Abschlussball in "Carrie" wie eine Schnittwunde wirken lässt. Fargeat verbeugt sich vor Cronenberg wie vor Brian De Palma und beweist, dass sie eine ganz eigene Sprache für ihre Themen gefunden hat.
An einen anderen Altmeister des amerikanischen Kinos knüpft der dänisch-iranische Regisseur Ali Abbasi mit "The Apprentice" an. Das Biopic über die Anfangsjahre Donald Trumps erinnert in seinen besten Stellen an Coppolas "Der Pate". Sebastian Stan (bisher bekannt als Marvels Superheld Winter Soldier) legt seinen Trump als ehrgeizigen Sohn aus gutem Hause an, der sich vom berüchtigten Anwalt Roy Cohn (Jeremy Strong) unter die Fittiche nehmen lässt. Unter McCarthy für die Kommunistenverfolgung verantwortlich, führte Cohn im New York der späten Siebzigerjahre eine gut gehende Kanzlei, die Milliardäre wie Aristoteles Onassis ebenso zu ihren Klienten zählte wie die Mafiabosse John Gotti oder Tony Salerno. Die Beziehung der beiden Männer ist der Kern des Films. Vom Lehrer-Schüler-Verhältnis geht sie unweigerlich zu einem Machtkampf über, wenn Trump Cohns skrupellose Methoden ("Angreifen, angreifen, angreifen. Immer alles leugnen. Keine Niederlage zugeben und sich zum Sieger erklären.") perfektioniert hat. Stan markiert die Verwandlung des jungen Mannes zu jener Person, die nun weltweit bekannt ist, über Charakteristisches - das Schnuteziehen, die seitlichen Handbewegungen, der laute Tonfall. Noch vor der Premiere machte der Film Schlagzeilen. Der amerikanische Milliardär Dan Snyder, einer der Investoren des Filmprojekts, hatte angenommen, sich an einem Werk zu beteiligen, das Donald Trump in positivem Licht zeige, so berichtete das Branchenblatt "Variety". Snyder versuchte erfolglos, Einfluss auf die Endfassung zu nehmen.
Nach der Premiere ließ Trumps Wahlkampfteam mitteilen, man werde Klage einreichen, um "den falschen Behauptungen dieser Pseudofilmemacher entgegenzuwirken". In dem Zusammenhang wurde immer wieder auf eine Vergewaltigungsszene zwischen Trump und seiner früheren Frau Ivana angespielt - ein Vorfall, den Ivana während des Scheidungsprozesses unter Eid zu Protokoll gegeben hatte, Jahre später jedoch zurücknahm. Die Pointe ist, dass Abbasis Film es den Details zum Trotz nicht darauf anlegt, als verfilmtes Trump-Sachbuch verstanden zu werden, sondern Systemisches in den Blick zieht, das Menschen wie Cohn und Trump bis an die Spitze hat klettern lassen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nicht jeder Horrorfilm handelt von Donald Trump, und nicht jeder Film über Donald Trump ist automatisch ein Horrorfilm: drei neue Werke von David Cronenberg, Coralie Fargeat und Ali Abbasi.
Von Maria Wiesner, Cannes
Wenn man als Künstler lange genug ein Genre geprägt hat, kann man sich gelassen anschauen, was die nächste Generation mit dem Erbe anfängt. Im Wettbewerb von Cannes läuft zum einen der neue Film des Horrorregisseurs David Cronenberg, berühmt für die unappetitlichen Dinge, die er Körpern antut, und zum andern der zweite Film der Französin Coralie Fargeat, die Cronenbergs Werk bis ins Detail studiert hat und sich fragt, was man mit seinen Mitteln noch erzählen könnte. Wie er das wohl findet?
In Cronenbergs "The Shrouds" klingen die bekannten Motive an (Technologie verändert Biologie, Verstümmelung ist sexy), aber nur leise. Vincent Cassel trauert um seine verstorbene Frau (Diane Kruger). Er führt ein Bestattungsunternehmen, das neuartige Leichentücher einsetzt. Den Leichnam der Geliebten hat er in einem solchen begraben lassen, um per App den Verwesungsprozess zu beobachten. Es helfe ihm, mit seiner Trauer umzugehen, so erzählt er es der Schwester der Verstorbenen (auch Diane Kruger). Als eines Nachts Unbekannte den Friedhof verwüsten und die elektronisch verbundenen Gräber sabotieren, schlittert der Unternehmer in eine Spirale von Verschwörungstheorien. Stecken radikale Ökoterroristen dahinter? Haben Russen die App gehackt? Oder will jemand medizinische Experimente an den Leichen vertuschen?
Das sind nur einige Ansätze, in die sich die Handlung verstrickt - wer Cronenbergs Roman "Consumed" gelesen hat, kann sich vorstellen, welche absurden Kurven der Plot noch nimmt. Dabei erzählt der Regisseur das alles, als käme es auf die Lösung nicht an. Vielmehr lässt er Cassel in Albträumen seine verstorbene Frau mit Amputationen sehen - und gönnt dem Trauernden, zur Rückbesinnung aufs Leben, gleich mehrere Affären mit schönen Frauen.
"The Substance" von Coralie Fargeat umarmt das Genre. Demi Moore tanzt als Elizabeth Sparkle im hautengen Body für eine Fitnesssendung; früher war sie ein Star, aber ihr Ruhm verblasst so schnell, wie ihr Stern auf dem Walk of Fame Risse bekommt. Der Manager setzt sie vor die Tür; zu alt sei sie. Elizabeth willigt auf der Suche nach bleibender Jugend in eine neuartige Behandlung ein. Sie erhält die "Substanz" über ein dubioses Postfach, dessen heruntergekommene Adresse Warnung genug für jeden wäre, der nicht absolut verzweifelt ist. Die alternde Schauspielerin spritzt sich die Flüssigkeit und gebiert aus ihrem Rückgrat heraus eine neue Version ihrer selbst - jünger, schöner, perfekter. Nachteil der Verdopplung: Beide teilen sich ein Leben; was die eine tut, hinterlässt Spuren bei der anderen. Fargeat garniert diese moderne Dorian-Gray-Paraphrase mit Körperhorror, der vor nichts zurückschreckt. Matschende Geräusche unterstreichen das Grauen, wenn das neue Geschöpf Sue (Margaret Qualley) Elizabeths Rückgrat nach ihrer "Geburt" mit dicker Nadel zunäht. Spritzen punktieren Körperstellen, an denen man sie nicht einmal einen Arzt gern ansetzen sieht. Am effektivsten arbeitet die Regisseurin Ekel heraus, wenn sie in die Makroansicht zoomt wie in ihrem Debüt, dem Vergewaltigungsrachethriller "Revenge" (2017). Während er sie feuert, mampft Elizabeths Manager Shrimps. Sein Mund und das Schlingen, Beißen, Schlucken nehmen die ganze Leinwand ein. Fargeats Film folgt ihren Protagonistinnen geradlinig ins Verderben und erzählt mehr über die unrealistischen Schönheitsideale, mit denen Frauen in der Filmindustrie zu kämpfen haben, als jeder kritische Dokumentarfilm. Wer perfekten Schein als Lebensinhalt verlangt, treibt Menschen in den Selbsthass und erschafft Monster. Die Metapher ist nicht subtil, aber eingängig. Ein Monster steht also irgendwann auf der Bühne und richtet ein Blutbad an, das den Abschlussball in "Carrie" wie eine Schnittwunde wirken lässt. Fargeat verbeugt sich vor Cronenberg wie vor Brian De Palma und beweist, dass sie eine ganz eigene Sprache für ihre Themen gefunden hat.
An einen anderen Altmeister des amerikanischen Kinos knüpft der dänisch-iranische Regisseur Ali Abbasi mit "The Apprentice" an. Das Biopic über die Anfangsjahre Donald Trumps erinnert in seinen besten Stellen an Coppolas "Der Pate". Sebastian Stan (bisher bekannt als Marvels Superheld Winter Soldier) legt seinen Trump als ehrgeizigen Sohn aus gutem Hause an, der sich vom berüchtigten Anwalt Roy Cohn (Jeremy Strong) unter die Fittiche nehmen lässt. Unter McCarthy für die Kommunistenverfolgung verantwortlich, führte Cohn im New York der späten Siebzigerjahre eine gut gehende Kanzlei, die Milliardäre wie Aristoteles Onassis ebenso zu ihren Klienten zählte wie die Mafiabosse John Gotti oder Tony Salerno. Die Beziehung der beiden Männer ist der Kern des Films. Vom Lehrer-Schüler-Verhältnis geht sie unweigerlich zu einem Machtkampf über, wenn Trump Cohns skrupellose Methoden ("Angreifen, angreifen, angreifen. Immer alles leugnen. Keine Niederlage zugeben und sich zum Sieger erklären.") perfektioniert hat. Stan markiert die Verwandlung des jungen Mannes zu jener Person, die nun weltweit bekannt ist, über Charakteristisches - das Schnuteziehen, die seitlichen Handbewegungen, der laute Tonfall. Noch vor der Premiere machte der Film Schlagzeilen. Der amerikanische Milliardär Dan Snyder, einer der Investoren des Filmprojekts, hatte angenommen, sich an einem Werk zu beteiligen, das Donald Trump in positivem Licht zeige, so berichtete das Branchenblatt "Variety". Snyder versuchte erfolglos, Einfluss auf die Endfassung zu nehmen.
Nach der Premiere ließ Trumps Wahlkampfteam mitteilen, man werde Klage einreichen, um "den falschen Behauptungen dieser Pseudofilmemacher entgegenzuwirken". In dem Zusammenhang wurde immer wieder auf eine Vergewaltigungsszene zwischen Trump und seiner früheren Frau Ivana angespielt - ein Vorfall, den Ivana während des Scheidungsprozesses unter Eid zu Protokoll gegeben hatte, Jahre später jedoch zurücknahm. Die Pointe ist, dass Abbasis Film es den Details zum Trotz nicht darauf anlegt, als verfilmtes Trump-Sachbuch verstanden zu werden, sondern Systemisches in den Blick zieht, das Menschen wie Cohn und Trump bis an die Spitze hat klettern lassen.
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