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Produktdetails
  • Anzahl: 1 DVD
  • Hersteller: Naxos Deutschland GmbH / BIS
  • Erscheinungstermin: 26. Februar 2008
  • FSK: ohne Alterseinschränkung gemäß §14 JuSchG
  • EAN: 7318599916781
  • Artikelnr.: 23500839
  • Herstellerkennzeichnung
  • BIS Records AB
  • Stationsvägen 20
  • 18450 Åkersberga, SE
  • info@bis.se
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.08.2008

Der Posaunist unserer Tage

Es sieht alles so einfach aus und hört sich auch so an: Die Welt des totalen schwedischen Musikers Christian Lindberg.

Seine Posaune ist ein Tausendsassa, sie kann fast alles: "The winter trombone", "The criminal trombone", "The sacred trombone", "The russian Trombone" - so heißen einige Titel der siebenundzwanzig Einzeleinspielungen des schwedischen Posaunisten Christian Lindberg. Das altehrwürdige Instrument, traditionell die machtvolle Stimme des Todes und der Transzendenz, aber auch des Jazz, verwandelt sich unter Lindbergs Atem und Händen in ein vielfältiges Instrument der Moderne. Es ist wohl keine Übertreibung, wenn man behauptet, Lindberg sei schlechthin der Posaunist unserer Tage: Allein mehr als achtzig Posaunenkonzerte wurden ihm schon gewidmet. Seit einigen Jahren hat er sich auch vorgewagt in die dünne Luft des Dirigierens und die noch dünnere des Komponierens. So ist es nur folgerichtig, dass auch diese DVD schon im Titel selbstbewusst nach den Sternen greift.

Das sieht alles so einfach aus: Lindberg, ein jugendlich-sympathischer, zugegeben ungewöhnlich energievoller Typ, sitzt am Seeufer, angelehnt an einen Kiefernstamm unter einem nordischen Sommerhimmel, Laptop auf dem Schoß, und komponiert. Singt vor sich hin, blinzelt über den See, malt mit dem Cursor ein oder zwei Noten ins System, plaudert über die Kunst der Zeiteinteilung oder über die nächste Japan-Tournee. In Japan gehen Menschen gern in Konzerte, da sei das auch gesellschaftlich im Trend, sagt Lindberg. In Schweden weniger, fügt er ehrlicherweise hinzu. Im Tokioter Großstadtgeflimmer prangt ein riesiges Werbeplakat mit Lindbergs dynamischer Figur in engen schwarzen Jeans und stylischem Hemd, demselben Habit, in dem er auch dirigiert. Ohne seine Zugkraft wäre das Nordic Chamber Orchestra wohl niemals nach Japan eingeladen worden, bekennt die Orchestermanagerin. Hier passt das etwas biedere Wort vom "Orchestererzieher" ausnahmsweise einmal gut, denn Lindberg katapultiert sein Stockholmer Ensemble musikalisch um drei Niveaus höher: Seine "totale" Hingabe an die Musik steckt an, wie stillere Kollegen einmütig und immer noch staunend beteuern.

Lindberg pendelt zwischen den Welten. Er hat eine enge Beziehung zum Chicago Symphony Orchestra, für dessen Bassposaunisten Charlie Vernon er das Konzert "Chick'a'bone Checkout" komponiert hat. Der chiffrierte Titel heißt "Mit der Posaune gucken, was in Chicago abgeht".

Regisseur Peter Berggren hat zur Entstehung dieser Auftragskomposition den vielleicht schönsten und phantasievollsten der fünf Lindberg-Filme gedreht: "Across the Pond and Beyond". Behutsam wird der Zuschauer mit der Stadt Chicago bekannt gemacht und erst einmal dorthin geführt, wo sie am sinnlichsten ist: in den Großstadtverkehr. Auf der Tonspur laufen dazu die Anrufbeantworter von Christian und Charlie mit aufgezeichneten Sätzen voller Vorfreude auf das Auftragswerk. Ein paar Einstellungen weiter, in einer Kirche: Lindberg, mit Laptop beim Work in progress", versucht herauszufinden, welche die bequemste Tonlage für Charlie ist, er plant die Kadenz für das Konzert. Anstatt verbal zu antworten, probiert der Posaunist aus, immer wieder. Lindberg entgegnet ebenfalls nicht mit Worten, sondern mit gesungenen oder gebrummten jazzigen Koloraturen.

Die Kompositionsskizzen - er nennt sie "Embryos" - schickt Lindberg per E-Mail. Dazu bedient sich der Regisseur wieder des imaginären Anrufbeantworters - es könnten auch gelesene Briefe sein: "Lieber Charlie, ich möchte noch mehr von Chicago sehen. Und ich will Dich treffen, um all die ,Embryos' weiterzuentwickeln. Bist Du am 15. April in der Stadt?" "Hi Christian. Ich werde hier sein. Take care, my friend." Dazu ein Blick in die urbane Ästhetik, etwa in die Gleisanlagen der Chicagoer Vorstadtbahn im dunstigen Morgenlicht.

In solchen stimmungsvollen Großstadtbildern ähnelt der Film denn auch dem Porträt, das der niederländische Musikfilmer Frank Scheffer über den New Yorker Komponisten Elliott Carter drehte, "A labyrinth of time", eine der poetischsten Filmproduktionen über Musik unserer Zeit. Peter Berggrens Film über Lindberg ist da freilich ironischer, auch komischer: Da Christian Lindberg sich eines Nachts in Chicago in einen "Frosch-Sound" verliebt hat, tauchen hier hin und wieder aus einem Teich die massig-phlegmatischen Züge eines riesigen Amerikanischen Ochsenfroschs auf - einmal in gleitendem Übergang hinter der ähnlich beeindruckenden Physiognomie Charlie Vernons, wie er der Bassposaune Leben einhaucht.

ANJA-ROSA THÖMING

Christian Lindberg. The Total Musician. Fünf Musikfilme von Peter Berggren, David Lindberg und anderen. DVD BIS 1678 (Klassik Center)

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