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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.07.2024

Gott am Spieltisch

Jeder Croupier kennt das Geräusch, wenn der kleine Kunststoffball aus seiner Hand in die Hartholzbahn flitzt und dabei ein scharfes Siuuu-siuuu-siuuu wie schnelle Wellen von sich gibt. Gut zwanzig Umdrehung braucht es, bis er allmählich langsamer wird, bis das Wellenbrechen in ein metallisches Klackern übergeht und verstummt. Es ist das Geräusch der Roulettekugel, die durch den Kessel rast und in ein Zahlenfach hineinfällt. Croupiers hören dieses Geräusch viele Dutzend Mal am Abend, Zigtausende Male in ihrem Berufsleben. Der Croupier weiß bald sehr genau, wann die Kugel ihre letzte Runde dreht, bevor sie ihre Umlaufbahn verlässt und Richtung Zahlenrad stürzt. Es ist der Moment, in dem er seine offene Hand in Richtung Spieltuch durch die Luft führt und verkündet: Nichts geht mehr. Dann ist jeder weitere Einsatz zu spät, jede weitere Chance vertan. Am Spieltisch gibt es nur einen, der über Glück und Unglück, Gewinn oder Verlust entscheidet. Das tut nicht das Geld, die Zahlen oder die Kugel, sondern der Croupier.

Im gleichnamigen Film des Regisseurs Mike Hodges von 1998 gibt Clive Owen den Croupier Jack Manfred. Auch er hat das Zischen der Kugel im Kessel schon zigmal gehört; zu oft, wenn es nach ihm geht. Er will den Job an den Nagel hängen, als er von Südafrika nach London kommt, um als Schriftsteller durchzustarten. Doch es mangelt ihm an Ideen, und der Verleger will irgendeinen Schund über Fußball, Drogen und Sex lesen, am besten alles auf einmal. Jack entschließt sich, vorerst hinter den Spieltisch zurückzukehren. Dort muss er sich zwar die Nächte um die Ohren schlagen, verdient aber ausgezeichnet. Wie in jedem Casino gibt es aber ein paar Regeln, an die er sich zu halten hat: kein privater Kontakt zu Gästen, keine Verhältnisse mit Kolleginnen - und selbst spielen ist verboten. Als Zuschauer wissen wir freilich sofort, dass Verbote erst den Reiz ausmachen und Jack von keinem dieser Dinge die Finger lassen wird. Jedenfalls findet er schnell raus, dass die anderen Croupiers es mit den Hausregeln nicht allzu genau nehmen.

Aber Jack ist nicht wie die anderen. Das jedenfalls denkt er von sich. Schließlich schlummert in ihm ein verkannter Literat. Dass es auf dem Platz hinter dem Spieltisch in Wirklichkeit von Croupiers wimmelt, die von sich selbst meinen, eine ganz andere Berufung zu haben und nur mal für ein paar Jahre Geld im Casino zu machen (die sich dann zu einer Ewigkeit ausdehnen), unterscheidet ihn dabei eigentlich am wenigsten von den Kollegen.

Die Geschichte, die Hodges seinen Zuschauern rund um dieses Setting auftischt, ist erwartbar, seine Frauencharaktere obendrein blass wie Blumenkohl, doch schafft er es auf anderer Ebene zu glänzen. "Croupier" gewährt Einblick in eine Welt, die den meisten Menschen verschlossen bleibt: hinter die Kulissen des Casinos, ins Getriebe der Glücksspielmaschinerie. Und das nicht bloß aus der Perspektive derjenigen, die das Glück herausfordern, sondern aus dem Blickwinkel eines Mannes, der die Illusion vom großen Glück verkauft. Denn nichts anderes tun Croupiers: Sie bieten Träume feil, schaffen Illusionen, entführen die Besucher in ihre schillernde Zwischenwelt: eine Welt, welche die Hoffnungsfrohen mit tiefem Portemonnaie nicht so bald wieder verlassen sollen; darum gibt es keine Uhren in Casinos, genauso wenig wie Fenster. Im Spielsaal ist es immer hell. Zeit vergeht nicht, während man spielt. Es zählen keine Minuten, kein Tag, keine Nacht, nur das nächste Siuuu und die Zahl, die der Croupier ausspricht. Hodges' Neo-Noir-Casino kommt obendrein vollständig verspiegelt daher. Ein gelungenes Stilmittel für seine Welt hinter den Spiegeln, in der tatsächlich alle Regeln der echten Welt außer Kraft gesetzt sind.

Die Atmosphäre des Spielsaals realitätsnäher als viele andere Hollywoodstreifen über Casinos ("Ocean's Eleven", "21") zu entfalten ist die große Stärke von Hodges' Werk. Auch dass er es schafft, dem Glückspiel, trotz feinem Zwirn und vornehmen Gesten, seinen Schein von Glamour zu entreißen, ist verdienstvoll, erfüllen mittelgroße Spielbanken, wie die, in der Jack arbeitet, doch in der Realität nie das Klischee vom glanzvollen Beisammensein mit stinkreichen Spielern, die nicht wissen, wo sie ihr Geld sonst loswerden sollen. Nein, vor den Tischen tummeln sich Spielsüchtige, Einsame und Geldwäscher - und ganz vereinzelt auch mal ein wohlhabender Glücksritter. "Croupier" entwickelt filmisch einen Sog, den das Glücksspiel tatsächlich auf die Menschen ausübt. Und zwar nicht nur auf diejenigen vor dem Tisch. Es gibt kaum einen Croupier, der nicht selbst spielt, im Ausland etwa oder in "privaten" (sprich: illegalen) Runden mit Kollegen. Schon bald verliert Jack die Lust an seinem alten Tagleben, gibt sich seinen Allmachtsphantasien am Spieltisch hin und verschwindet mehr und mehr in den zum Schneiden dicken Rauchschwaden der Nacht, bis er selbst das Siuuu nicht mehr hört. Als Zuschauer folgen wir ihm nur zu gern hinter die Spiegel. KIRA KRAMER

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