Im Jahr 1812 segelt ein Kriegsschiff von England nach Australien. Die Passagiere an Bord könnten unterschiedlicher nicht sein: Offiziere, Seeleute, Emigranten, Aristokraten - alle hoffen auf der anderen Seite der Welt ein neues Leben beginnen zu können. So auch der junge Adlige Edmund Talbot (Benedict Cumberbatch), den Pflicht aber auch Abenteuer rufen. Die Reise ist hart, doch härter noch ist das unerbittliche Regime von Captain Anderson (Jared Harris), der alles an Bord eisern im Griff zu haben scheint. Doch gibt es daneben auch Platz für Erleuchtung, Leidenschaft, gar Liebe. Dennoch wird nicht jeder an Bord sein Ziel erreichen.
Bonusmaterial
Trailer BildergalerieFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.07.2022Theater, Rummel, Kriegsgefangenschaft
Kulturbegegnungen als Schüttelmaschine: Der Film "To the Ends of the Earth" von Kiyoshi Kurosawa ist eine Fremdheitserfahrung ganz eigener Art.
Japan ist ein Land, in dessen Essen der Reis eine entscheidende Rolle spielt. Man kann also davon ausgehen, dass eine japanische Reporterin, die auf einem großen Markt in Usbekistan einen Teller Plov vorgesetzt bekommt, einschätzen kann, ob sie es mit einem Leckerbissen zu tun hat. Doch Yoko bringt keinen Bissen hinunter. Ihr kommt es vor, als wäre der Reis gar nicht gekocht worden. Die wie rohen Körner machen ihr zu schaffen, es gibt einen kleinen Eklat, denn Gastfreundschaft kann schnell einmal repressiv werden. Zum Glück hat sie Temur dabei, einen jungen Einheimischen, der Yoko und ihr Kamerateam auf allen Wegen begleitet. In ihrer Heimat ist sie ein Star, ihre Fernsehsendung wird viel gesehen, und nun ist sie eben in Usbekistan, bei Dreharbeiten zu einem Programm, das so heißen könnte wie der Film von Kiyoshi Kurosawa, in dem Yoko die Hauptfigur ist: "To the Ends of the Earth". Die Geographie ist voller Ironien, und so kommt es eben, dass Usbekistan, ein großes Land in Zentralasien, aus einer japanischen (und wohl auch aus einer westeuropäischen) Perspektive am Ende der Welt liegt. Für das Publikum in Deutschland bietet sich mit diesem Film (ab heute in ausgewählten Kinos, ansonsten auf dem Streamingportal Filmingo) eine doppelte Exotik: Japanische Popkultur trifft auf ein wenig bekanntes Land, in dem immer noch die Spuren der Sowjetunion zu erkennen sind, wie auch eine Ahnung von Orient, die es wohl mit sich bringt, dass Yoko überall zuerst nach dem Basar fragt.
Die Popkultur wiederum macht es erforderlich, dass sie sich auf einem kleinen Lunapark in eine Schüttelmaschine setzt, bei der man eigentlich unbedingt Verzicht empfehlen würde. Der Inhaber wendet auch mehrmals ein, dass Minderjährige nicht zugelassen sind - er hält die Reporterin für ein kleines Mädchen, auch das wohl ein Ausdruck kulturellen Missverstehens. Yoko besteht nun umso mehr auf einem Ritt.
Das Gerät stammt ganz offensichtlich aus einer Zeit härterer Mechanik, für die Sendung verspricht es attraktive Bilder von einem Rummel, wie man ihn so nur noch selten findet.
Das japanische TV-Team steht zu diesem Zeitpunkt schon ein bisschen unter Druck, denn allzu viele attraktive Aufnahmen hat man noch nicht gefunden - aus dem beeindruckenden Aydarsee etwa hat Yoko keineswegs den legendären Bramul-Fisch herausgeholt, sondern nur leere Netze. Da hilft auch der unbedingte Enthusiasmus nichts, mit dem sie jede Kleinigkeit präsentiert.
Kiyoshi Kurosawa zeigt aber auch noch eine andere Yoko, eine verträumte Frau, die sich auf einigermaßen wagemutige kleine Expeditionen begibt, die allein im Kleinbus mit der lokalen Bevölkerung unterwegs ist. Ihre Ziele mögen dabei konventionell sein, sie gerät doch auf nächtliche Passagen, erlebt flüchtige Abenteuer und findet von Irrwegen zurück in das jeweils beste Hotel am Platz (nebenbei eine kleine Sammlung ehemals sozialistischer Prachtbauten). Man sieht in diesen Szenen, dass der japanische Filmemacher, einer der produktivsten seines Landes, die Figur Yoko zum Anlass nimmt, selbst ein Land kennenzulernen, das im Kino seit der Sowjetunion weitgehend ein weißer Fleck war.
Inzwischen gibt es auch eine Usbekische Filmkommission, Produktionen und Koproduktionen werden unterstützt. "To the Ends of the World" verdankt sich also der internationalen Filmdiplomatie, wobei offenbleiben muss, ob zuerst die Neugierde von Kiyoshi Kurosawa auf ein fernes Land da war oder der Subventionsanreiz bestand, mit usbekischem Geld etwas zu probieren.
Im Ergebnis macht es keinen Unterschied. Vielmehr ist das Beiläufige, mit dem sich die Geschichte von Yoko und ihrem Verbindungsmann Temur entwickelt, gerade eine der Qualitäten des Films. Konventionellerweise läge hier die Andeutung einer Romanze nahe, allerdings wählt Kurosawa in diesem Fall eine andere, dramatischere erzählerische Möglichkeit, die sich über Fernsehbilder aus Japan vermittelt. Temur hat im Grunde vor allem einen wichtigen Auftritt, ein längeres Gespräch, in dem er erklärt, warum er Japanisch gelernt hat: Er hat von einer Gruppe japanischer Kriegsgefangener gehört, die es nach dem Zweiten Weltkrieg über Sibirien nach Taschkent verschlug und die wesentlich am Bau und der Innenausstattung des Navoi-Theaters beteiligt waren, dem Opern- und Balletthaus in der usbekischen Hauptstadt. Dass einstige Feinde zu einer solchen gestalterischen Höchstleistung beitragen konnten, erscheint Temur als Exempel für die Beziehungen zwischen Menschen und Kulturen.
Das japanische Team hört seinen Ausführungen nur halb zu, während Yoko bemerkt, dass sie in dem Theater schon war. Sie war auf einer ihrer ziellosen Erkundungen hineingeraten, in einer Szene, die Kurosawa ins Märchenhafte oder zumindest in die Wunscherfüllung schillern lässt. Yoko hat im Navoi-Theater einen großen Auftritt als Musical-Star, von dem wohl nur sie etwas weiß.
Die Szene ist bewusst irritierend gefilmt. Die architektonische Sehenswürdigkeit bleibt fremd und wird auch durch Temurs Erzählung nicht vertrauter. "To the Ends of the Earth" steigert sich in dem Maß, in dem dem TV-Team aus Japan die geläufigen Attraktionen ausgehen, in eine sehr schöne Reflexion auf das Fremdsein in einer unbekannten Welt. Und das Reisen (wie auch seine massenmediale Aufbereitung für das Wohnzimmer) wird als eine Form des Utopischen erkennbar: Mit jedem erreichten Ziel verschiebt sich der Horizont, hinter dem ein weiteres warten könnte. So bricht auch Yoko schließlich noch einmal auf, "zu den Bergen dort in der Ferne", denn Usbekistan hat nicht nur Steppe zu bieten, sondern auch hohe Gipfel oder jedenfalls den Ausblick in die Richtung. In der westlichen Kultur gibt es für solche Momente die Chiffre Shangri-La, einen exotischen, idealen Ort am Ende aller Überschreitungen. "To the Ends of the Earth" erreicht auf seine Weise auch einen solchen Moment der Aufhebung aller Widersprüche, und es spricht sehr für den Film, dass es zugleich ein Moment höchster Ironie und genuiner Selbstfindung ist. BERT REBHANDL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kulturbegegnungen als Schüttelmaschine: Der Film "To the Ends of the Earth" von Kiyoshi Kurosawa ist eine Fremdheitserfahrung ganz eigener Art.
Japan ist ein Land, in dessen Essen der Reis eine entscheidende Rolle spielt. Man kann also davon ausgehen, dass eine japanische Reporterin, die auf einem großen Markt in Usbekistan einen Teller Plov vorgesetzt bekommt, einschätzen kann, ob sie es mit einem Leckerbissen zu tun hat. Doch Yoko bringt keinen Bissen hinunter. Ihr kommt es vor, als wäre der Reis gar nicht gekocht worden. Die wie rohen Körner machen ihr zu schaffen, es gibt einen kleinen Eklat, denn Gastfreundschaft kann schnell einmal repressiv werden. Zum Glück hat sie Temur dabei, einen jungen Einheimischen, der Yoko und ihr Kamerateam auf allen Wegen begleitet. In ihrer Heimat ist sie ein Star, ihre Fernsehsendung wird viel gesehen, und nun ist sie eben in Usbekistan, bei Dreharbeiten zu einem Programm, das so heißen könnte wie der Film von Kiyoshi Kurosawa, in dem Yoko die Hauptfigur ist: "To the Ends of the Earth". Die Geographie ist voller Ironien, und so kommt es eben, dass Usbekistan, ein großes Land in Zentralasien, aus einer japanischen (und wohl auch aus einer westeuropäischen) Perspektive am Ende der Welt liegt. Für das Publikum in Deutschland bietet sich mit diesem Film (ab heute in ausgewählten Kinos, ansonsten auf dem Streamingportal Filmingo) eine doppelte Exotik: Japanische Popkultur trifft auf ein wenig bekanntes Land, in dem immer noch die Spuren der Sowjetunion zu erkennen sind, wie auch eine Ahnung von Orient, die es wohl mit sich bringt, dass Yoko überall zuerst nach dem Basar fragt.
Die Popkultur wiederum macht es erforderlich, dass sie sich auf einem kleinen Lunapark in eine Schüttelmaschine setzt, bei der man eigentlich unbedingt Verzicht empfehlen würde. Der Inhaber wendet auch mehrmals ein, dass Minderjährige nicht zugelassen sind - er hält die Reporterin für ein kleines Mädchen, auch das wohl ein Ausdruck kulturellen Missverstehens. Yoko besteht nun umso mehr auf einem Ritt.
Das Gerät stammt ganz offensichtlich aus einer Zeit härterer Mechanik, für die Sendung verspricht es attraktive Bilder von einem Rummel, wie man ihn so nur noch selten findet.
Das japanische TV-Team steht zu diesem Zeitpunkt schon ein bisschen unter Druck, denn allzu viele attraktive Aufnahmen hat man noch nicht gefunden - aus dem beeindruckenden Aydarsee etwa hat Yoko keineswegs den legendären Bramul-Fisch herausgeholt, sondern nur leere Netze. Da hilft auch der unbedingte Enthusiasmus nichts, mit dem sie jede Kleinigkeit präsentiert.
Kiyoshi Kurosawa zeigt aber auch noch eine andere Yoko, eine verträumte Frau, die sich auf einigermaßen wagemutige kleine Expeditionen begibt, die allein im Kleinbus mit der lokalen Bevölkerung unterwegs ist. Ihre Ziele mögen dabei konventionell sein, sie gerät doch auf nächtliche Passagen, erlebt flüchtige Abenteuer und findet von Irrwegen zurück in das jeweils beste Hotel am Platz (nebenbei eine kleine Sammlung ehemals sozialistischer Prachtbauten). Man sieht in diesen Szenen, dass der japanische Filmemacher, einer der produktivsten seines Landes, die Figur Yoko zum Anlass nimmt, selbst ein Land kennenzulernen, das im Kino seit der Sowjetunion weitgehend ein weißer Fleck war.
Inzwischen gibt es auch eine Usbekische Filmkommission, Produktionen und Koproduktionen werden unterstützt. "To the Ends of the World" verdankt sich also der internationalen Filmdiplomatie, wobei offenbleiben muss, ob zuerst die Neugierde von Kiyoshi Kurosawa auf ein fernes Land da war oder der Subventionsanreiz bestand, mit usbekischem Geld etwas zu probieren.
Im Ergebnis macht es keinen Unterschied. Vielmehr ist das Beiläufige, mit dem sich die Geschichte von Yoko und ihrem Verbindungsmann Temur entwickelt, gerade eine der Qualitäten des Films. Konventionellerweise läge hier die Andeutung einer Romanze nahe, allerdings wählt Kurosawa in diesem Fall eine andere, dramatischere erzählerische Möglichkeit, die sich über Fernsehbilder aus Japan vermittelt. Temur hat im Grunde vor allem einen wichtigen Auftritt, ein längeres Gespräch, in dem er erklärt, warum er Japanisch gelernt hat: Er hat von einer Gruppe japanischer Kriegsgefangener gehört, die es nach dem Zweiten Weltkrieg über Sibirien nach Taschkent verschlug und die wesentlich am Bau und der Innenausstattung des Navoi-Theaters beteiligt waren, dem Opern- und Balletthaus in der usbekischen Hauptstadt. Dass einstige Feinde zu einer solchen gestalterischen Höchstleistung beitragen konnten, erscheint Temur als Exempel für die Beziehungen zwischen Menschen und Kulturen.
Das japanische Team hört seinen Ausführungen nur halb zu, während Yoko bemerkt, dass sie in dem Theater schon war. Sie war auf einer ihrer ziellosen Erkundungen hineingeraten, in einer Szene, die Kurosawa ins Märchenhafte oder zumindest in die Wunscherfüllung schillern lässt. Yoko hat im Navoi-Theater einen großen Auftritt als Musical-Star, von dem wohl nur sie etwas weiß.
Die Szene ist bewusst irritierend gefilmt. Die architektonische Sehenswürdigkeit bleibt fremd und wird auch durch Temurs Erzählung nicht vertrauter. "To the Ends of the Earth" steigert sich in dem Maß, in dem dem TV-Team aus Japan die geläufigen Attraktionen ausgehen, in eine sehr schöne Reflexion auf das Fremdsein in einer unbekannten Welt. Und das Reisen (wie auch seine massenmediale Aufbereitung für das Wohnzimmer) wird als eine Form des Utopischen erkennbar: Mit jedem erreichten Ziel verschiebt sich der Horizont, hinter dem ein weiteres warten könnte. So bricht auch Yoko schließlich noch einmal auf, "zu den Bergen dort in der Ferne", denn Usbekistan hat nicht nur Steppe zu bieten, sondern auch hohe Gipfel oder jedenfalls den Ausblick in die Richtung. In der westlichen Kultur gibt es für solche Momente die Chiffre Shangri-La, einen exotischen, idealen Ort am Ende aller Überschreitungen. "To the Ends of the Earth" erreicht auf seine Weise auch einen solchen Moment der Aufhebung aller Widersprüche, und es spricht sehr für den Film, dass es zugleich ein Moment höchster Ironie und genuiner Selbstfindung ist. BERT REBHANDL
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