Die 14jährige Mattie Ross (Hailee Steinfeld) ist fest entschlossen, den kaltblütigen Mord an ihrem Vater nicht ungesühnt zu lassen. Da die Behörden ihr nicht helfen, will sie den feigen Mörder Tom Chaney (Josh Brolin) mit eigenen Mitteln seiner gerechten Strafe zuführen. Für 100 Dollar engagiert sie den trunksüchtigen und raubeinigen U.S. Marshall Rooster Cogburn (Jeff Bridges), der es mit dem Gesetz selbst alles andere als genau nimmt. Widerwillig lässt er sich von Mattie überreden, sie auf die Jagd nach Chaney mit zu nehmen - quer durch die gesetzlosen Weiten der Prärie. Doch sie sind nicht allein, denn auch Texas Ranger LaBoeuf (Matt Damon) will den Flüchtigen stellen, um eine Kopfprämie zu kassieren, die auf Chaney wegen eines weiteren Mordes ausgesetzt ist. Unfreiwillig ziehen sie zu dritt weiter und schon bald kommt Mattie dem Mörder ihres Vaters gefährlich nah...
Bonusmaterial
- DigitalCopy - Matties TRUE GRIT - die Besetzung - von Reifrock bis Hirschleder die Mode um 1880 - Colts, Winchesters & Remingtons: die Waffen des Westens nach dem Bürgerkrieg - die Neuerschaffung von Fort Smith - Charles Porties der berühmteste Autor von dem Sie nie gehört haben - die Kameraaufnahmen von True Grit - KinotrailerFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.2011Glamour und Verbrechen
Zu feiern gibt es noch nicht allzu viel, zu kämpfen umso mehr auf der Berlinale 2011: Jafar Panahis Botschaft aus dem iranischen Gefängnis und die Bedrohung Cyril Tuschis prägen die ersten Tage des Festivals
Echte Gala, falsche Witze.
Die Berlinale ist für Berlin, was anderswo Fasching oder Karneval heißt - man feiert, weil im Kalender eben Feiertage stehen, man feiert die eigene Feierlaune, und die unwiderlegbare Beliebtheit Dieter Kosslicks, des Berlinale-Chefs, hat nur darin ihren Grund: Der Mann ist grundlos fröhlich, und er spricht so lustig Englisch (seine Programme sind ja kein bisschen besser, als es die seines allseits unbeliebten Vorgängers waren).
Was gäbe es aber zu feiern in einem Moment, da das Echo der Trauerfeier für Bernd Eichinger noch durch so viele Köpfe hallt; was hilft schon die notorisch gute Laune gegen das iranische Regime, welches den Regisseur Jafar Panahi, den die Berlinale in die Jury des Wettbewerbs berufen hat, für sechs Jahre ins Gefängnis sperrt?
Eigentlich nichts, und entsprechend öde war die Eröffnungsgala. Witze hätten deplatziert gewirkt, etwas anderes hatten weder Kosslick noch Anke Engelke, die durch den Abend führte, im Programm. Der Kulturstaatsminister lobte, wie immer, sich selber und den deutschen Film, der Regierende Kultursenator berichtete erfreut von der Rettung eines Filmkunstkinos in Berlin-Charlottenburg, und wie immer verschwendeten die Vertreter der Obrigkeit keinen Gedanken darauf, ob das wirklich die Themen sind, mit denen man das internationale Publikum im Saal, also Jeff Bridges zum Beispiel oder die Brüder Coen, mal so richtig rühren und erschüttern kann.
Erschütternd war dann aber der Brief, den Jafar Panahi aus dem Gefängnis heraus geschrieben hat und den die Juryvorsitzende Isabella Rossellini mit angemessenem Ernst verlas: "In den nächsten sechs Jahren werde ich in der Hoffnung leben, dass meine Träume Realität werden. Ich wünsche mir, dass meine Regiegefährten in jedem Winkel der Welt in dieser Zeit so großartige Filme schaffen, dass ich, wenn ich das Gefängnis verlasse, begeistert sein werde, in jener Welt weiterzuleben, die sie in ihren Werken erträumt haben."
Ja. Klingt bisschen pathetisch, ist aber so absolut richtig und definiert den Daseinszweck des Kinos (und eines großen Festivals) natürlich hundertmal genauer als das immer gleiche halbamtliche Gefasel von Filmkunst und Qualität.
Als Dresscode für den Empfang danach waren "Abendgarderobe und Cowboy Boots" erwünscht - man sah vom einen so wenig wie vom anderen, und wer wirklich den Smoking angezogen hatte, der spürte ständig das Bedürfnis, bei sich selber die nächsten drei Biere zu bestellen.
cls.
Die Coens ziehen in den Westen.
Wer 42 Jahre nach "Der Marshal" unbedingt von einem Remake reden will, soll das ruhig weiter tun, auch wenn der Erkenntnisgewinn gegen Null geht; wenn man so will, ist auch die Berlinale ein jährliches Remake. Joel und Ethan Coen haben einen Western gedreht, nach einem Roman von Charles Portis, und sie waren mit "True Grit" erfolgreich wie noch nie. Und man fragt sich schon, woran das liegt. Sie haben eine tolle Hauptdarstellerin, Hailee Steinfeld, auf deren Gesicht sich all das spiegelt, was man sieht, und auch das, was man nicht sieht. Sie haben eine klare Struktur: Prolog, Epilog, dazwischen die Jagd auf den Mörder ihres Vaters. Und statt eines odd couple, das sich zusammenraufen muss, haben sie ein ungleiches Trio: den Texas-Ranger (Matt Damon), den versoffenen Marshall (Jeff Bridges) und die 14-jährige Mattie. Doch wenn einem etwas auffällt in diesem handwerklich so gekonnten, aber ein wenig leeren Film, dann vor allem, dass die Coens fremdeln in der Western-Landschaft, welche ja eher eine mythologische ist als eine reale. Stark sind sie, wo der Raum eng wird, am Lagerfeuer, in Hütte oder Höhle; da passen die langsam zündenden, wie Kautabak ausgespuckten Pointen in altertümelndem Englisch bestens zum Coen-Humor, in dem den "dopes", den Langsamen im Kopf, eine Schlüsselrolle zukommt. Vielleicht ist "True Grit" ein Coen-Film für Leute, die sonst weniger mit dem Humor der Brüder anfangen können. Was ihn zugleich zu einem der angenehmsten Eröffnungsfilme seit Jahren machte.
pek.
Tuschi und die Zeichendiebe.
Wenn Cyril Tuschi sich etwas wünschen dürfte, dann wäre es das: Dass die Leute, die am Freitag vergangener Woche die Türen seines Büros aufgebrochen, die Einrichtung komplett verwüstet und vier Computer mitgenommen haben, dass diese Leute einfach nur gemeine Kriminelle wären, Diebe, die sich auf teure Produkte der Firma Apple spezialisiert haben.
Wenn Cyril Tuschi irgendetwas nicht genau wissen will, dann ist es das: Wer diese Leute wirklich waren und was sie ihm sagen wollten damit, dass sie alles andere, was von einigem Wert war, stehenließen im Büro; dass sie aber, nachdem sie die Computer ausgestöpselt hatten, genau das Chaos inszenierten, welches in den härteren Filmen immer für die Botschaft steht, dass es, wenn die Leute wiederkämen, bei bloßer Sachbeschädigung nicht bleiben würde.
Cyril Tuschi wohnt jetzt nicht mehr in seiner Wohnung, und alleine geht er auch nicht mehr ins Büro - und dass, trotz des allgemeinen Hangs zur Betroffenheit, bei der Eröffnungsgala kein Vertreter der Berliner Obrigkeit über diesen Berliner Kriminalfall ein einziges Wort riskierte, war ein Akt der Stumpfheit und der Ignoranz.
Cyril Tuschi, 41, deutscher Filmregisseur mit russischen Vorfahren, hat einen Film über Michail Chodorkowskij gedreht, einen Dokumentarfilm, wie er es selber beschreibt, über einen Konflikt von Shakespearescher Wucht: Michail Chodorkowskij gegen Wladimir Putin, zwei starke, skrupellose Männer; einen Film, der dem Kampf beiwohnt, ohne sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen. Und dann hat er eine DVD der Rohfassung einer russischen Journalistin gegeben; die hat darüber einen Artikel geschrieben, welcher auf das Fazit hinauslief, dass dieser Film gefährlich sei: für beide Seiten. Seitdem wird Tuschi, in Artikeln, in Blogs, in Mails, von beiden Seiten angegriffen.
Im Januar war Tuschi auf der Insel Bali, hatte seinen Computer dabei und arbeitete an der Endfassung des Films. Als der Rucksack mit dem Computer drin plötzlich weg war, war Tuschi schockiert, aber nicht verängstigt. Klar, so ein Apple-Computer, dafür lohnt es sich, einen Rucksack zu klauen.
Als Tuschi sein Büro verwüstet fand, hat er wohl ungefähr das gedacht: So sieht es aus, wenn Russen einen Film illegal herunterladen - sie nehmen den ganzen Computer mit. Zum Glück gab es noch eine Kopie; die Premiere, am Montag, wird daran nicht scheitern.
Wenn man sich mit Tuschi in einer Bar am Rand der Berlinale trifft, steht man mit einem Bein in der umfassend harmlosen Welt von Berlin-Mitte, in welcher Tuschi nur einer ist von ein paar hundert Filmhochschulabsolventen, lustig und so exzentrisch, wie man sein muss, damit man den Leuten im Gedächtnis bleibt, ein Mann mit Bart und vielen Plänen. Und mit dem anderen Bein steht man in einer anderen Welt: "Schon mal gecheckt, ob die Leute hier in Ordnung sind?" Und Tuschi schaut nach links, nach rechts: Keiner hier, der gefährlich, russisch, undurchsichtig aussieht.
Am Montag, hofft Tuschi, werden alle sehen, dass das eben ein Film ist: keine Anklageschrift, keine Kriegserklärung.
Aber wann weiß man, dass die Typen nicht wiederkommen? Sie werden bestimmt keine E-Mail schicken.
cls.
Nebenbei in Afrika.
Im Gespräch hat Ulrich Köhler neulich von den erzählerischen Freiheiten geschwärmt, die der Thailänder Apichatpong Weerasethakul sich in seinen Filmen nimmt, und ein wenig davon ist auch in seinem Wettbewerbsbeitrag "Schlafkrankheit" zu spüren: im trägen Rhythmus und in den Ellipsen, im Spiel mit Metamorphosen, in der Gleichgültigkeit der Landschaft gegenüber den Menschen. Letztlich ist es ein Film über zwei Männer, denen hartnäckig entgeht, wer sie sind. Ebbo, der deutsche Arzt (den der Niederländer Pierre Bokma mit bemerkenswertem Stoizismus spielt), und Alex, der französische Mediziner, der sich auf dem Kontinent seiner Vorfahren fremder fühlt als der Deutsche. Köhler führt beider Geschichten so zögerlich zusammen, wie der Deutsche dem Franzosen ausweicht, der sein Projekt in Kamerun evaluieren soll. Der eine will nicht mehr zurück, der andere am liebsten sofort wieder nach Paris. Das alles hat eine angenehme Beiläufigkeit, die Arbeit der Hilfsorganisationen ist nur ein Rahmen und zum Glück kein "Thema" - aber es fehlt dann doch, trotz großer Vorbilder, jenes Flirren, jene magische Unschärfe zwischen Beobachtung und Verwandlung.
pek.
Integration? Zum Lachen!
Wenn man "Almanya" von ganz hoch oben betrachtet, aus der Perspektive der Kinogötter und Kritikerpäpste, dann ist dies nur ein kleiner, teils lustiger, teils trauriger Film, der nach allem riecht, was ihn hervorgebracht hat: dem deutschen Fernsehen, der deutschen Filmförderung, dem guten Willen, diesmal keine Geschichte vom "Kampf der Kulturen" zu erzählen, der Liebe zum klassischen Komödienkino und der Abneigung gegenüber leitkulturellen Zwängen. Aber vielleicht muss man diesen Film gar nicht von ganz oben betrachten. Denn es geht den Samdereli-Schwestern (so nennen sie sich selbst im Vorspann) nicht darum, im Hochgebirge des deutschen Autorenkinos einen neuen Gipfel zu stürmen. Sie wollen etwas anderes: eine Geschichte jener türkischen Gastarbeiter erzählen, die tatsächlich in Deutschland angekommen sind, innerlich wie äußerlich. Die seit Jahrzehnten mit Kindern und Kindeskindern hier leben. Deren Kinder und Enkel in Deutschland für Türken und in der Türkei für Deutsche gehalten werden. Die zu Weihnachten den Baum schmücken und im Ramadan fasten. Dieser Film, in dem sich die anekdotische Erzählung von einer Rückfahrt in die Türkei mit der großen, kollektiven Erzählung der türkischen Migration der sechziger bis achtziger Jahre kreuzt, ist deshalb weniger als Kunstwerk wichtig (wie Fatih Akins "Gegen die Wand", der in einer anderen Liga spielt) denn als Inventar von Bildern, mit denen sich die sogenannte Integrationsdebatte entkrampfen lässt. Bilder, in denen die Deutschen als bullige blonde Riesen und die Türken als Cola saufende, schwer mit ihrem Mannsein ringende Tagträumer erscheinen - aber so, dass man darüber lachen kann. Es gibt ja sonst so wenig zu lachen in Berlin.
kil.
Der Tag des echten Geldes.
Dies ist endlich der Film über die Finanzkrise, den Oliver Stone nicht gedreht hat. "Margin Call", was im Börsenjargon den Moment der Wahrheit bezeichnet: Wenn reales Geld hermuss statt imaginären Kapitals. Der Debütfilm von JC Chandor spielt 2008, am Vorabend der Finanzkrise, er verdichtet den Auftakt zum Untergang in einem Zeitraum von gut 24 Stunden, in den Räumen einer Investmentbank. Man weiß danach zwar auch nicht mehr über Volatilitätslimits und andere Parameter, aber man weiß, was diejenigen, die es wissen, aus ihrem Wissen machen. Es ist ein unaufhaltsamer Strudel aus Panik, Angst und Gier, aus Skrupel, Kälte und Hybris, der sich nicht aus den Zahlenkolonnen auf den Monitoren erschließt, sondern aus dem Spiel eines großartigen Ensembles: Kevin Spacey, Jeremy Irons, Paul Bettany, Stanley Tucci und Demi Moore. Am Ende begräbt Spaceys Charakter mit feuchten Augen seinen Hund, der Crash ist da, und man sieht in einen Abgrund: zwischen Wissen und Handeln.
pek
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zu feiern gibt es noch nicht allzu viel, zu kämpfen umso mehr auf der Berlinale 2011: Jafar Panahis Botschaft aus dem iranischen Gefängnis und die Bedrohung Cyril Tuschis prägen die ersten Tage des Festivals
Echte Gala, falsche Witze.
Die Berlinale ist für Berlin, was anderswo Fasching oder Karneval heißt - man feiert, weil im Kalender eben Feiertage stehen, man feiert die eigene Feierlaune, und die unwiderlegbare Beliebtheit Dieter Kosslicks, des Berlinale-Chefs, hat nur darin ihren Grund: Der Mann ist grundlos fröhlich, und er spricht so lustig Englisch (seine Programme sind ja kein bisschen besser, als es die seines allseits unbeliebten Vorgängers waren).
Was gäbe es aber zu feiern in einem Moment, da das Echo der Trauerfeier für Bernd Eichinger noch durch so viele Köpfe hallt; was hilft schon die notorisch gute Laune gegen das iranische Regime, welches den Regisseur Jafar Panahi, den die Berlinale in die Jury des Wettbewerbs berufen hat, für sechs Jahre ins Gefängnis sperrt?
Eigentlich nichts, und entsprechend öde war die Eröffnungsgala. Witze hätten deplatziert gewirkt, etwas anderes hatten weder Kosslick noch Anke Engelke, die durch den Abend führte, im Programm. Der Kulturstaatsminister lobte, wie immer, sich selber und den deutschen Film, der Regierende Kultursenator berichtete erfreut von der Rettung eines Filmkunstkinos in Berlin-Charlottenburg, und wie immer verschwendeten die Vertreter der Obrigkeit keinen Gedanken darauf, ob das wirklich die Themen sind, mit denen man das internationale Publikum im Saal, also Jeff Bridges zum Beispiel oder die Brüder Coen, mal so richtig rühren und erschüttern kann.
Erschütternd war dann aber der Brief, den Jafar Panahi aus dem Gefängnis heraus geschrieben hat und den die Juryvorsitzende Isabella Rossellini mit angemessenem Ernst verlas: "In den nächsten sechs Jahren werde ich in der Hoffnung leben, dass meine Träume Realität werden. Ich wünsche mir, dass meine Regiegefährten in jedem Winkel der Welt in dieser Zeit so großartige Filme schaffen, dass ich, wenn ich das Gefängnis verlasse, begeistert sein werde, in jener Welt weiterzuleben, die sie in ihren Werken erträumt haben."
Ja. Klingt bisschen pathetisch, ist aber so absolut richtig und definiert den Daseinszweck des Kinos (und eines großen Festivals) natürlich hundertmal genauer als das immer gleiche halbamtliche Gefasel von Filmkunst und Qualität.
Als Dresscode für den Empfang danach waren "Abendgarderobe und Cowboy Boots" erwünscht - man sah vom einen so wenig wie vom anderen, und wer wirklich den Smoking angezogen hatte, der spürte ständig das Bedürfnis, bei sich selber die nächsten drei Biere zu bestellen.
cls.
Die Coens ziehen in den Westen.
Wer 42 Jahre nach "Der Marshal" unbedingt von einem Remake reden will, soll das ruhig weiter tun, auch wenn der Erkenntnisgewinn gegen Null geht; wenn man so will, ist auch die Berlinale ein jährliches Remake. Joel und Ethan Coen haben einen Western gedreht, nach einem Roman von Charles Portis, und sie waren mit "True Grit" erfolgreich wie noch nie. Und man fragt sich schon, woran das liegt. Sie haben eine tolle Hauptdarstellerin, Hailee Steinfeld, auf deren Gesicht sich all das spiegelt, was man sieht, und auch das, was man nicht sieht. Sie haben eine klare Struktur: Prolog, Epilog, dazwischen die Jagd auf den Mörder ihres Vaters. Und statt eines odd couple, das sich zusammenraufen muss, haben sie ein ungleiches Trio: den Texas-Ranger (Matt Damon), den versoffenen Marshall (Jeff Bridges) und die 14-jährige Mattie. Doch wenn einem etwas auffällt in diesem handwerklich so gekonnten, aber ein wenig leeren Film, dann vor allem, dass die Coens fremdeln in der Western-Landschaft, welche ja eher eine mythologische ist als eine reale. Stark sind sie, wo der Raum eng wird, am Lagerfeuer, in Hütte oder Höhle; da passen die langsam zündenden, wie Kautabak ausgespuckten Pointen in altertümelndem Englisch bestens zum Coen-Humor, in dem den "dopes", den Langsamen im Kopf, eine Schlüsselrolle zukommt. Vielleicht ist "True Grit" ein Coen-Film für Leute, die sonst weniger mit dem Humor der Brüder anfangen können. Was ihn zugleich zu einem der angenehmsten Eröffnungsfilme seit Jahren machte.
pek.
Tuschi und die Zeichendiebe.
Wenn Cyril Tuschi sich etwas wünschen dürfte, dann wäre es das: Dass die Leute, die am Freitag vergangener Woche die Türen seines Büros aufgebrochen, die Einrichtung komplett verwüstet und vier Computer mitgenommen haben, dass diese Leute einfach nur gemeine Kriminelle wären, Diebe, die sich auf teure Produkte der Firma Apple spezialisiert haben.
Wenn Cyril Tuschi irgendetwas nicht genau wissen will, dann ist es das: Wer diese Leute wirklich waren und was sie ihm sagen wollten damit, dass sie alles andere, was von einigem Wert war, stehenließen im Büro; dass sie aber, nachdem sie die Computer ausgestöpselt hatten, genau das Chaos inszenierten, welches in den härteren Filmen immer für die Botschaft steht, dass es, wenn die Leute wiederkämen, bei bloßer Sachbeschädigung nicht bleiben würde.
Cyril Tuschi wohnt jetzt nicht mehr in seiner Wohnung, und alleine geht er auch nicht mehr ins Büro - und dass, trotz des allgemeinen Hangs zur Betroffenheit, bei der Eröffnungsgala kein Vertreter der Berliner Obrigkeit über diesen Berliner Kriminalfall ein einziges Wort riskierte, war ein Akt der Stumpfheit und der Ignoranz.
Cyril Tuschi, 41, deutscher Filmregisseur mit russischen Vorfahren, hat einen Film über Michail Chodorkowskij gedreht, einen Dokumentarfilm, wie er es selber beschreibt, über einen Konflikt von Shakespearescher Wucht: Michail Chodorkowskij gegen Wladimir Putin, zwei starke, skrupellose Männer; einen Film, der dem Kampf beiwohnt, ohne sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen. Und dann hat er eine DVD der Rohfassung einer russischen Journalistin gegeben; die hat darüber einen Artikel geschrieben, welcher auf das Fazit hinauslief, dass dieser Film gefährlich sei: für beide Seiten. Seitdem wird Tuschi, in Artikeln, in Blogs, in Mails, von beiden Seiten angegriffen.
Im Januar war Tuschi auf der Insel Bali, hatte seinen Computer dabei und arbeitete an der Endfassung des Films. Als der Rucksack mit dem Computer drin plötzlich weg war, war Tuschi schockiert, aber nicht verängstigt. Klar, so ein Apple-Computer, dafür lohnt es sich, einen Rucksack zu klauen.
Als Tuschi sein Büro verwüstet fand, hat er wohl ungefähr das gedacht: So sieht es aus, wenn Russen einen Film illegal herunterladen - sie nehmen den ganzen Computer mit. Zum Glück gab es noch eine Kopie; die Premiere, am Montag, wird daran nicht scheitern.
Wenn man sich mit Tuschi in einer Bar am Rand der Berlinale trifft, steht man mit einem Bein in der umfassend harmlosen Welt von Berlin-Mitte, in welcher Tuschi nur einer ist von ein paar hundert Filmhochschulabsolventen, lustig und so exzentrisch, wie man sein muss, damit man den Leuten im Gedächtnis bleibt, ein Mann mit Bart und vielen Plänen. Und mit dem anderen Bein steht man in einer anderen Welt: "Schon mal gecheckt, ob die Leute hier in Ordnung sind?" Und Tuschi schaut nach links, nach rechts: Keiner hier, der gefährlich, russisch, undurchsichtig aussieht.
Am Montag, hofft Tuschi, werden alle sehen, dass das eben ein Film ist: keine Anklageschrift, keine Kriegserklärung.
Aber wann weiß man, dass die Typen nicht wiederkommen? Sie werden bestimmt keine E-Mail schicken.
cls.
Nebenbei in Afrika.
Im Gespräch hat Ulrich Köhler neulich von den erzählerischen Freiheiten geschwärmt, die der Thailänder Apichatpong Weerasethakul sich in seinen Filmen nimmt, und ein wenig davon ist auch in seinem Wettbewerbsbeitrag "Schlafkrankheit" zu spüren: im trägen Rhythmus und in den Ellipsen, im Spiel mit Metamorphosen, in der Gleichgültigkeit der Landschaft gegenüber den Menschen. Letztlich ist es ein Film über zwei Männer, denen hartnäckig entgeht, wer sie sind. Ebbo, der deutsche Arzt (den der Niederländer Pierre Bokma mit bemerkenswertem Stoizismus spielt), und Alex, der französische Mediziner, der sich auf dem Kontinent seiner Vorfahren fremder fühlt als der Deutsche. Köhler führt beider Geschichten so zögerlich zusammen, wie der Deutsche dem Franzosen ausweicht, der sein Projekt in Kamerun evaluieren soll. Der eine will nicht mehr zurück, der andere am liebsten sofort wieder nach Paris. Das alles hat eine angenehme Beiläufigkeit, die Arbeit der Hilfsorganisationen ist nur ein Rahmen und zum Glück kein "Thema" - aber es fehlt dann doch, trotz großer Vorbilder, jenes Flirren, jene magische Unschärfe zwischen Beobachtung und Verwandlung.
pek.
Integration? Zum Lachen!
Wenn man "Almanya" von ganz hoch oben betrachtet, aus der Perspektive der Kinogötter und Kritikerpäpste, dann ist dies nur ein kleiner, teils lustiger, teils trauriger Film, der nach allem riecht, was ihn hervorgebracht hat: dem deutschen Fernsehen, der deutschen Filmförderung, dem guten Willen, diesmal keine Geschichte vom "Kampf der Kulturen" zu erzählen, der Liebe zum klassischen Komödienkino und der Abneigung gegenüber leitkulturellen Zwängen. Aber vielleicht muss man diesen Film gar nicht von ganz oben betrachten. Denn es geht den Samdereli-Schwestern (so nennen sie sich selbst im Vorspann) nicht darum, im Hochgebirge des deutschen Autorenkinos einen neuen Gipfel zu stürmen. Sie wollen etwas anderes: eine Geschichte jener türkischen Gastarbeiter erzählen, die tatsächlich in Deutschland angekommen sind, innerlich wie äußerlich. Die seit Jahrzehnten mit Kindern und Kindeskindern hier leben. Deren Kinder und Enkel in Deutschland für Türken und in der Türkei für Deutsche gehalten werden. Die zu Weihnachten den Baum schmücken und im Ramadan fasten. Dieser Film, in dem sich die anekdotische Erzählung von einer Rückfahrt in die Türkei mit der großen, kollektiven Erzählung der türkischen Migration der sechziger bis achtziger Jahre kreuzt, ist deshalb weniger als Kunstwerk wichtig (wie Fatih Akins "Gegen die Wand", der in einer anderen Liga spielt) denn als Inventar von Bildern, mit denen sich die sogenannte Integrationsdebatte entkrampfen lässt. Bilder, in denen die Deutschen als bullige blonde Riesen und die Türken als Cola saufende, schwer mit ihrem Mannsein ringende Tagträumer erscheinen - aber so, dass man darüber lachen kann. Es gibt ja sonst so wenig zu lachen in Berlin.
kil.
Der Tag des echten Geldes.
Dies ist endlich der Film über die Finanzkrise, den Oliver Stone nicht gedreht hat. "Margin Call", was im Börsenjargon den Moment der Wahrheit bezeichnet: Wenn reales Geld hermuss statt imaginären Kapitals. Der Debütfilm von JC Chandor spielt 2008, am Vorabend der Finanzkrise, er verdichtet den Auftakt zum Untergang in einem Zeitraum von gut 24 Stunden, in den Räumen einer Investmentbank. Man weiß danach zwar auch nicht mehr über Volatilitätslimits und andere Parameter, aber man weiß, was diejenigen, die es wissen, aus ihrem Wissen machen. Es ist ein unaufhaltsamer Strudel aus Panik, Angst und Gier, aus Skrupel, Kälte und Hybris, der sich nicht aus den Zahlenkolonnen auf den Monitoren erschließt, sondern aus dem Spiel eines großartigen Ensembles: Kevin Spacey, Jeremy Irons, Paul Bettany, Stanley Tucci und Demi Moore. Am Ende begräbt Spaceys Charakter mit feuchten Augen seinen Hund, der Crash ist da, und man sieht in einen Abgrund: zwischen Wissen und Handeln.
pek
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