Ein frisierter 55er Chevy ist der Hauptdarsteller in Monte Hellmans Kult-Klassiker aller Autorennfilme. Mit ihm sind der Fahrer und sein Mechaniker (James Taylor und Dennis Wilson) unterwegs von einem Dragsterrennen zum nächsten. Gehalten wird nur zum Tanken, Essen oder für notwendige Reparaturen. Nach einem dieser Aufenthalte gesellt sich das Mädchen (Laurie Bird) zu ihnen. Von nun an sind sie zu dritt. Als sie immer wieder mit dem Fahrer eines Pontiac GTO zusammentreffen beschließen sie ihn zu einem neuen Rennen herauszufordern: ein Überlandrennen quer durch die USA - der Preis für den Gewinner: die Fahrzeugpapiere des Unterlegenen!
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit SoundeffektenFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2008Weiterfahren, bis das Bild schmilzt
"Two-Lane Blacktop" - Ein Asphaltrennen von Monte Hellman
Monte Hellman: "Two-Lane Blacktop".
Pierrot le Fou. 102 Minuten. Englisch, Deutsch, Untertitel. Audiokommentar von Hellman, Doku.
Der Fahrer. Der Mechaniker. Das Mädchen. G.T.O. Das sind die Personen. Dazu kommen, als Darsteller gleichermaßen wichtig, ein frisierter grauer 55er Chevy und ein gelber Pontiac. Es beginnt mit einem nächtlichen illegalen Straßenrennen, und da sind die Bilder dunkler, als es "Berlin Alexanderplatz" je war. Eine halbe Stunde später fängt der Film erneut an, diesmal mit einer Wette zwischen den Fahrern des Chevys und des Pontiacs, bei der derjenige, der zuerst in Washington D.C. ankommt, die Fahrzeugpapiere des anderen gewinnen soll. Das Mädchen, irgendwann irgendwo zum Fahrer und dem Mechaniker zugestiegen, wechselt zu G.T.O. und schließlich auf ein Motorrad, und am Ende schmilzt der Film in der Kamera, jedenfalls sieht es in dem unfassbar melancholischen Schlussbild so aus.
Wobei der ganze Film, in dem die Figuren den amerikanischen Kontinent in der gegenläufigen Pionierrichtung von Ost nach West durchfahren, Reifen wechseln, Zwischenspurts einlegen und die Motoren heulen lassen, sowieso unendlich traurig ist. Im Vergleich ist "Easy Rider" ein Lustspiel. Einsamer als diese vier ist selten das gesamte Personal eines Films gewesen, schweigsamer auch nicht. Nur G.T.O., den Warren Oates als einziger Profischauspieler hier in immer neuen farbigen Kaschmirpullovern über weißen Hemden spielt, redet, was das Zeug hält, und erfindet sich immer neue Lebensläufe. Man nimmt die Atmosphäre ziellosen Driftens und unerfüllter Begegnungen vielleicht noch ernster, weil man weiß, dass Oates nur dreiundfünfzig Jahre alt wurde, dass Laurie Bird, die das Mädchen spielt, sich mit fünfundzwanzig das Leben nahm und der Beach Boy Dennis Wilson, der den Mechaniker gibt, mit neununddreißig drogenumnebelt ertrank. Nur James Taylor, der den Fahrer spielt, hübsch und stoisch, hat die Jahrzehnte überlebt. Und Monte Hellman natürlich, der Regisseur.
Hellman sagt nicht ohne Stolz, sein "Two-Lane Blacktop" von 1971 sei der einzige wahrhaft existentialistische Film, den je ein Studio, in diesem Fall Universal, produziert habe. Allerdings endet der Film auch mit dem kürzesten Abspann: Es gab eine Crew von achtzehn Leuten, wobei der Kamermann, Gregory Sander, noch nicht einmal genannt wurde. Laut Abspann stand Jack Deerson hinter der Kamera, den hatte die Gewerkschaft durchgesetzt, aber er verbrachte die Zeit der Dreharbeiten, so erzählt Hellman im Audiokommentar, im Hotel. Gedreht wurde ausschließlich on location, das Wetter war, wie es eben war, und das Ganze kostete dann 850 000 Dollar. Die der Film, zunächst wenigstens, nicht wieder einspielte, denn Lew Wasserman, dem mächtigen Mann bei Universal, gefiel er nicht. Wasserman setzte den Starttermin auf das Wochenende des 4. Juli fest und startete den Film nur in einigen Kinos in New York - das am Wochenende des Nationalfeiertags traditionell ausgestorben ist. Der Film floppte, wurde ein Untergrundhit und dann, wie das so geht, der Kultfilm, der er bis heute geblieben ist: das Roadmovie zum Anfang und Ende aller Roadmovies.
Im Gegensatz zu Antonionis "Zabriskie Point", der ein Jahr früher entstand, zeigt Hellman das amerikanische Lebensgefühl jener Jahre, abgelöst von offensichtlichen Bezügen zur Protestbewegung oder zum politischen Aufruhr. Vielmehr irren seine Figuren in einer umfassenden Orientierungslosigkeit umher, die sich auch dadurch nicht auflöst, auf der Route 66 so schnell wie möglich durchs Land zu kommen. Gleichzeitig zeigt uns Hellman auf diesem Weg, an dieser Straße die heruntergekommene, ihrerseits verlassene Seite Amerikas - durch den Bau der Highways sind kleine Siedlungen, Tankstellen, Diner vom Kontakt mit dem Rest des Landes abgehängt worden -, in der überall Gewalt lungert, auch wenn sie, anders als beim Europäer Antonioni, nicht ausbricht. Woher, wohin, warum sind Fragen, die hier wirklich keine Antwort finden.
In der allerzärtlichsten Szene des Films sehen wir James Taylor, wie er versucht, Laurie Bird das Autofahren beizubringen, wozu sie kein Talent hat. Wenn die beiden sich dann küssen, ist das ein Abschied. Der Fahrer hat dem Mädchen alles gegeben, was er kann. Das Mädchen hat keine Verwendung dafür. Beide ziehen weiter umher, und vielleicht muss wirklich der Film brennen, damit das einmal ein Ende hat.
VERENA LUEKEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Two-Lane Blacktop" - Ein Asphaltrennen von Monte Hellman
Monte Hellman: "Two-Lane Blacktop".
Pierrot le Fou. 102 Minuten. Englisch, Deutsch, Untertitel. Audiokommentar von Hellman, Doku.
Der Fahrer. Der Mechaniker. Das Mädchen. G.T.O. Das sind die Personen. Dazu kommen, als Darsteller gleichermaßen wichtig, ein frisierter grauer 55er Chevy und ein gelber Pontiac. Es beginnt mit einem nächtlichen illegalen Straßenrennen, und da sind die Bilder dunkler, als es "Berlin Alexanderplatz" je war. Eine halbe Stunde später fängt der Film erneut an, diesmal mit einer Wette zwischen den Fahrern des Chevys und des Pontiacs, bei der derjenige, der zuerst in Washington D.C. ankommt, die Fahrzeugpapiere des anderen gewinnen soll. Das Mädchen, irgendwann irgendwo zum Fahrer und dem Mechaniker zugestiegen, wechselt zu G.T.O. und schließlich auf ein Motorrad, und am Ende schmilzt der Film in der Kamera, jedenfalls sieht es in dem unfassbar melancholischen Schlussbild so aus.
Wobei der ganze Film, in dem die Figuren den amerikanischen Kontinent in der gegenläufigen Pionierrichtung von Ost nach West durchfahren, Reifen wechseln, Zwischenspurts einlegen und die Motoren heulen lassen, sowieso unendlich traurig ist. Im Vergleich ist "Easy Rider" ein Lustspiel. Einsamer als diese vier ist selten das gesamte Personal eines Films gewesen, schweigsamer auch nicht. Nur G.T.O., den Warren Oates als einziger Profischauspieler hier in immer neuen farbigen Kaschmirpullovern über weißen Hemden spielt, redet, was das Zeug hält, und erfindet sich immer neue Lebensläufe. Man nimmt die Atmosphäre ziellosen Driftens und unerfüllter Begegnungen vielleicht noch ernster, weil man weiß, dass Oates nur dreiundfünfzig Jahre alt wurde, dass Laurie Bird, die das Mädchen spielt, sich mit fünfundzwanzig das Leben nahm und der Beach Boy Dennis Wilson, der den Mechaniker gibt, mit neununddreißig drogenumnebelt ertrank. Nur James Taylor, der den Fahrer spielt, hübsch und stoisch, hat die Jahrzehnte überlebt. Und Monte Hellman natürlich, der Regisseur.
Hellman sagt nicht ohne Stolz, sein "Two-Lane Blacktop" von 1971 sei der einzige wahrhaft existentialistische Film, den je ein Studio, in diesem Fall Universal, produziert habe. Allerdings endet der Film auch mit dem kürzesten Abspann: Es gab eine Crew von achtzehn Leuten, wobei der Kamermann, Gregory Sander, noch nicht einmal genannt wurde. Laut Abspann stand Jack Deerson hinter der Kamera, den hatte die Gewerkschaft durchgesetzt, aber er verbrachte die Zeit der Dreharbeiten, so erzählt Hellman im Audiokommentar, im Hotel. Gedreht wurde ausschließlich on location, das Wetter war, wie es eben war, und das Ganze kostete dann 850 000 Dollar. Die der Film, zunächst wenigstens, nicht wieder einspielte, denn Lew Wasserman, dem mächtigen Mann bei Universal, gefiel er nicht. Wasserman setzte den Starttermin auf das Wochenende des 4. Juli fest und startete den Film nur in einigen Kinos in New York - das am Wochenende des Nationalfeiertags traditionell ausgestorben ist. Der Film floppte, wurde ein Untergrundhit und dann, wie das so geht, der Kultfilm, der er bis heute geblieben ist: das Roadmovie zum Anfang und Ende aller Roadmovies.
Im Gegensatz zu Antonionis "Zabriskie Point", der ein Jahr früher entstand, zeigt Hellman das amerikanische Lebensgefühl jener Jahre, abgelöst von offensichtlichen Bezügen zur Protestbewegung oder zum politischen Aufruhr. Vielmehr irren seine Figuren in einer umfassenden Orientierungslosigkeit umher, die sich auch dadurch nicht auflöst, auf der Route 66 so schnell wie möglich durchs Land zu kommen. Gleichzeitig zeigt uns Hellman auf diesem Weg, an dieser Straße die heruntergekommene, ihrerseits verlassene Seite Amerikas - durch den Bau der Highways sind kleine Siedlungen, Tankstellen, Diner vom Kontakt mit dem Rest des Landes abgehängt worden -, in der überall Gewalt lungert, auch wenn sie, anders als beim Europäer Antonioni, nicht ausbricht. Woher, wohin, warum sind Fragen, die hier wirklich keine Antwort finden.
In der allerzärtlichsten Szene des Films sehen wir James Taylor, wie er versucht, Laurie Bird das Autofahren beizubringen, wozu sie kein Talent hat. Wenn die beiden sich dann küssen, ist das ein Abschied. Der Fahrer hat dem Mädchen alles gegeben, was er kann. Das Mädchen hat keine Verwendung dafür. Beide ziehen weiter umher, und vielleicht muss wirklich der Film brennen, damit das einmal ein Ende hat.
VERENA LUEKEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main