Wie tief kann ein Geheimagent in die Unterwelt eintauchen, ohne sich dabei im Sumpf von Gewalt und Macht selbst zu verlieren? Detektiv Jeff Cole (Omar Epps) riskiert die Gratwanderung. Sein Auftrag ist lebensgefährlich. Das Ziel: "God" (LL Cool J) hinter Gitter zu bringen. Der gefährlichste Gangster der Stadt kontrolliert 80 Prozent des Crackhandels von Cincinatti, und bislang ist es noch keinem Polizisten gelungen, ihm nahezukommen. Jeff schafft das Unglaubliche: Mit der falschen Identität eines Drogendealers erringt er den Respekt von God und dringt in den inneren Zirkel seines Syndikats vor. Doch schon bald gerät der Cop in Konflikt mit seiner alten und neuen Identität. Er selbst wird zur größten Bedrohung seines Unterfangens. Schritt für Schritt nähert er sich dem Mann, den er verfolgt - und entfernt sich von dem Mann, der er selbst einmal war ...
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DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Trailer von anderen Filmen - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - Musikvideo(s) - InterviewsFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.09.1995Mit dem Sarg quer durchs Land
Dreimal die Absurdität der Gegenwart und eine Komödie Woody Allens bei der Biennale in Venedig
VENEDIG, 3. September
Weil ein staatliches Programm in Kuba es verfügt hat, daß Tote nicht am Sterbeort begraben werden dürfen, sondern nur am Ort ihrer Herkunft, muß der Sarg einer Verstorbenen in bizarrer Prozession quer durchs Land gefahren werden, mit Wagenwechsel und Umladen in jedem größeren Ort: "Guantanamera" von Tomás Gutiérrez Alea und Juan Carlos Tabío, eine spanisch-kubanische Produktion im Wettbewerb der Biennale. Weil den Hooligans bei den allsamstäglichen Fußballschlachten staatlicherseits nur mit Beamten beizukommen ist, die mitsaufen und mitgrölen, propagiert die Polizei Undercover-Einsätze, die sie kaum mehr kontrollieren kann: "i.d.", das Kinodebüt des Briten Philip Davis, in einer Nebenreihe von Venedig. Weil sich die Umstände beim Tod des berühmten italienischen Regisseurs Pier Paolo Pasolini im November 1975 nie ganz haben klären lassen, wuchert auch zwanzig Jahre später noch die Spekulation: "Pasolini: un delitto italiano", ein Wettbewerbsbeitrag Italiens von Marco Tullio Giordana, der zu dem Fall auch ein Buch gleichen Titels veröffentlicht hat.
Dreimal die Absurdität unserer Gegenwart im Kinoreflex des Festivals - und doch kein Vergleich. Marco Tullio Giordana hätte es bei seinem Recherchen-Buch belassen sollen, denn der mit großer Spannung am Lido erwartete Film nach Giordanas Vorlage und nach der Biographie "Vita di Pasolini" von Enzo Siciliano vermag seine Notwendigkeit in keiner einzigen Szene zu begründen. Totschlag oder Mord, die Tat eines einzelnen oder mehrerer, eine homosexuell evozierte Bluttat oder politische Hintergründe, staatliches Interesse an der Aufklärung von Pasolinis Sterben oder das Bemühen, zu vertuschen - in nicht enden wollenden Dialogen wird das Für und Wider durchgewalkt, bis sich der Regisseur zu einer Rückblende versteht, die den Anspruch auf letztgültige Wahrheit suggeriert, aber unter den gegebenen Umständen auch nur Spekulation bleiben kann.
Weit schlüssiger und der Groteske des Alltags in ihrem Land näher sind Gutiérrez Alea und Tabío. Wenn sie ihren seltsamen Leichenkonvoi über Stock und Stein schicken und immer wieder den Weg eines Container-Lastwagens kreuzen lassen, der in derselben Richtung unterwegs ist, dann scheint diese unentwegt aufhaltsame Bewegung ebenfalls ins Reich der Fiktion zu gehören. Doch die kubanischen Regisseure, die hierzulande 1993 mit ihrem Film "Erdbeer und Schokolade" bekannt geworden sind, bestehen darauf, daß sie die absurden Vorkommnisse der Geschichte nicht erfunden haben.
"Guantanamera" war in den fünfziger Jahren der Titel eines Liedes, das nicht zuletzt deshalb so populär wurde, weil es alle Mißstände Kubas aufnahm und im Spott leichter erträglich machte. Gleiches gelingt jetzt dem Film, der seine Kritik in Situationswitz packt, ohne darüber die stille Zuneigung zu den urwüchsig charakterisierten Figuren zu vergessen. Einzig seine auffallende Lässigkeit beim Schnitt und seine Unempfindlichkeit gegen Anschlußschlamperei, wenn die Autos der Erzähllogik gelegentlich frontal entgegenfahren, ist dem Regieduo vorzuhalten, das seinen Nachrichten aus einem fremden Land die leichtestmögliche Form gegeben hat. Der Film stieß in Venedig auf solchen Zuspruch, daß rasch eine zusätzliche Vorstellung arrangiert werden mußte.
Noch fremder will die Welt scheinen, in die Philip Davis den jungen Polizisten John tauchen läßt, der seine Assimilation so weit treibt, daß er nicht wieder zurückfindet. Das Maß an Zugehörigkeit, das die Hooligans dem Schläger an vorderster Front und agent provocateur im Stadion und am Biertresen vermitteln, hat er bei seinen Polizeifreunden nie erfahren. Dafür gibt er im Lauf der Zeit alle sozialen Kontakte, Hausstand und Ehe preis, ein Radikaler am Ende, der mit geschorenem Schädel und gereckter Faust durch die Straßen zieht. Davis hat seinen Film "i.d." ohne jeden versöhnlichen Ansatz belassen, der auch nur Lüge sein könnte. Selbst der Sport, um den es doch eigentlich gehen sollte, kommt nicht ein einziges Mal ins Bild. Die Kamera von Thomas Mauch - in der Produktion steckt auch deutsches Geld - konzentriert sich allein auf die martialischen Rituale der Hooligans und deren weit aufgerissene, im Fanatismus verzerrte Gesichter. Jagen und fliehen, sich stellen und prügeln, obsiegen oder untergehen - in einem solcherart normierten Leben außerhalb der Norm mögen Gliedmaßen zu Bruch gehen, ein gebrochenes Wir-Gefühl duldet es nicht.
Verträgt dieses erschreckende Dokument fehlgeleiteter Begeisterung ein Satyrspiel? Das Festival mit seinem höchst disparaten Programm erzwingt es. Aber bei einem Künstler wie Woody Allen wird solcher Zwang zur intellektuellen und zugleich spielerischen Lust. "Mighty Aphrodite", in Venedig außer Konkurrenz vorgestellt, zeigt Allen wieder als Regisseur, Autor und Hauptdarsteller, verzappelt und umgetrieben von seinen Obsessionen wie eh und je, aber abgeklärter mit den Jahren beim neurotischen Hürdenlauf über Liebesversagen und Ehepein, Elternglück und die liebe Not mit den Kleinen.
Mitten in New York und in Farbe tut sich scheinbar eine Theaterarena auf - die Einstellungen wurden in Sizilien gedreht -, die dem klassischen Chor der Griechen in Wallegewand und Maske Raum gibt, die Szenen einer amerikanischen Upper-Middle-Class-Ehe zu deuten, in der die Adoption eines Kindes zu unglaublich komischen Verwicklungen führt. Weil der adoptierte Max sich zu einem prächtigen Kerlchen entwickelt, ist Lenny von der fixen Idee besessen, seine leibliche Mutter müsse eine ebenso prächtige Frau sein und unbedingt aufgespürt werden. Doch diese Linda - hochgewachsen und mit durchdringender Quetschstimme die schauspielerische Entdeckung des Films: Mira Sorvino - entpuppt sich nach umständlicher Suche als Callgirl, das Lenny auf seinem Pfad der Tugend prompt ins Straucheln bringt. Ohne Woody Allens fahrigen, stets angeknautschten Charme wäre diese romantische Komödie nur hübsch. So aber ist sie hinreißend. Und was der Regisseur seinen Chor zwischen Griechenzucht auf hohem Kothurn und Musicalswing mit synchron fliegenden Beinen aufführen läßt, das nimmt nebenbei noch die Kunst des ganzen Abendlands samt der Neuen Welt auf die Schippe. HANS-DIETER SEIDEL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dreimal die Absurdität der Gegenwart und eine Komödie Woody Allens bei der Biennale in Venedig
VENEDIG, 3. September
Weil ein staatliches Programm in Kuba es verfügt hat, daß Tote nicht am Sterbeort begraben werden dürfen, sondern nur am Ort ihrer Herkunft, muß der Sarg einer Verstorbenen in bizarrer Prozession quer durchs Land gefahren werden, mit Wagenwechsel und Umladen in jedem größeren Ort: "Guantanamera" von Tomás Gutiérrez Alea und Juan Carlos Tabío, eine spanisch-kubanische Produktion im Wettbewerb der Biennale. Weil den Hooligans bei den allsamstäglichen Fußballschlachten staatlicherseits nur mit Beamten beizukommen ist, die mitsaufen und mitgrölen, propagiert die Polizei Undercover-Einsätze, die sie kaum mehr kontrollieren kann: "i.d.", das Kinodebüt des Briten Philip Davis, in einer Nebenreihe von Venedig. Weil sich die Umstände beim Tod des berühmten italienischen Regisseurs Pier Paolo Pasolini im November 1975 nie ganz haben klären lassen, wuchert auch zwanzig Jahre später noch die Spekulation: "Pasolini: un delitto italiano", ein Wettbewerbsbeitrag Italiens von Marco Tullio Giordana, der zu dem Fall auch ein Buch gleichen Titels veröffentlicht hat.
Dreimal die Absurdität unserer Gegenwart im Kinoreflex des Festivals - und doch kein Vergleich. Marco Tullio Giordana hätte es bei seinem Recherchen-Buch belassen sollen, denn der mit großer Spannung am Lido erwartete Film nach Giordanas Vorlage und nach der Biographie "Vita di Pasolini" von Enzo Siciliano vermag seine Notwendigkeit in keiner einzigen Szene zu begründen. Totschlag oder Mord, die Tat eines einzelnen oder mehrerer, eine homosexuell evozierte Bluttat oder politische Hintergründe, staatliches Interesse an der Aufklärung von Pasolinis Sterben oder das Bemühen, zu vertuschen - in nicht enden wollenden Dialogen wird das Für und Wider durchgewalkt, bis sich der Regisseur zu einer Rückblende versteht, die den Anspruch auf letztgültige Wahrheit suggeriert, aber unter den gegebenen Umständen auch nur Spekulation bleiben kann.
Weit schlüssiger und der Groteske des Alltags in ihrem Land näher sind Gutiérrez Alea und Tabío. Wenn sie ihren seltsamen Leichenkonvoi über Stock und Stein schicken und immer wieder den Weg eines Container-Lastwagens kreuzen lassen, der in derselben Richtung unterwegs ist, dann scheint diese unentwegt aufhaltsame Bewegung ebenfalls ins Reich der Fiktion zu gehören. Doch die kubanischen Regisseure, die hierzulande 1993 mit ihrem Film "Erdbeer und Schokolade" bekannt geworden sind, bestehen darauf, daß sie die absurden Vorkommnisse der Geschichte nicht erfunden haben.
"Guantanamera" war in den fünfziger Jahren der Titel eines Liedes, das nicht zuletzt deshalb so populär wurde, weil es alle Mißstände Kubas aufnahm und im Spott leichter erträglich machte. Gleiches gelingt jetzt dem Film, der seine Kritik in Situationswitz packt, ohne darüber die stille Zuneigung zu den urwüchsig charakterisierten Figuren zu vergessen. Einzig seine auffallende Lässigkeit beim Schnitt und seine Unempfindlichkeit gegen Anschlußschlamperei, wenn die Autos der Erzähllogik gelegentlich frontal entgegenfahren, ist dem Regieduo vorzuhalten, das seinen Nachrichten aus einem fremden Land die leichtestmögliche Form gegeben hat. Der Film stieß in Venedig auf solchen Zuspruch, daß rasch eine zusätzliche Vorstellung arrangiert werden mußte.
Noch fremder will die Welt scheinen, in die Philip Davis den jungen Polizisten John tauchen läßt, der seine Assimilation so weit treibt, daß er nicht wieder zurückfindet. Das Maß an Zugehörigkeit, das die Hooligans dem Schläger an vorderster Front und agent provocateur im Stadion und am Biertresen vermitteln, hat er bei seinen Polizeifreunden nie erfahren. Dafür gibt er im Lauf der Zeit alle sozialen Kontakte, Hausstand und Ehe preis, ein Radikaler am Ende, der mit geschorenem Schädel und gereckter Faust durch die Straßen zieht. Davis hat seinen Film "i.d." ohne jeden versöhnlichen Ansatz belassen, der auch nur Lüge sein könnte. Selbst der Sport, um den es doch eigentlich gehen sollte, kommt nicht ein einziges Mal ins Bild. Die Kamera von Thomas Mauch - in der Produktion steckt auch deutsches Geld - konzentriert sich allein auf die martialischen Rituale der Hooligans und deren weit aufgerissene, im Fanatismus verzerrte Gesichter. Jagen und fliehen, sich stellen und prügeln, obsiegen oder untergehen - in einem solcherart normierten Leben außerhalb der Norm mögen Gliedmaßen zu Bruch gehen, ein gebrochenes Wir-Gefühl duldet es nicht.
Verträgt dieses erschreckende Dokument fehlgeleiteter Begeisterung ein Satyrspiel? Das Festival mit seinem höchst disparaten Programm erzwingt es. Aber bei einem Künstler wie Woody Allen wird solcher Zwang zur intellektuellen und zugleich spielerischen Lust. "Mighty Aphrodite", in Venedig außer Konkurrenz vorgestellt, zeigt Allen wieder als Regisseur, Autor und Hauptdarsteller, verzappelt und umgetrieben von seinen Obsessionen wie eh und je, aber abgeklärter mit den Jahren beim neurotischen Hürdenlauf über Liebesversagen und Ehepein, Elternglück und die liebe Not mit den Kleinen.
Mitten in New York und in Farbe tut sich scheinbar eine Theaterarena auf - die Einstellungen wurden in Sizilien gedreht -, die dem klassischen Chor der Griechen in Wallegewand und Maske Raum gibt, die Szenen einer amerikanischen Upper-Middle-Class-Ehe zu deuten, in der die Adoption eines Kindes zu unglaublich komischen Verwicklungen führt. Weil der adoptierte Max sich zu einem prächtigen Kerlchen entwickelt, ist Lenny von der fixen Idee besessen, seine leibliche Mutter müsse eine ebenso prächtige Frau sein und unbedingt aufgespürt werden. Doch diese Linda - hochgewachsen und mit durchdringender Quetschstimme die schauspielerische Entdeckung des Films: Mira Sorvino - entpuppt sich nach umständlicher Suche als Callgirl, das Lenny auf seinem Pfad der Tugend prompt ins Straucheln bringt. Ohne Woody Allens fahrigen, stets angeknautschten Charme wäre diese romantische Komödie nur hübsch. So aber ist sie hinreißend. Und was der Regisseur seinen Chor zwischen Griechenzucht auf hohem Kothurn und Musicalswing mit synchron fliegenden Beinen aufführen läßt, das nimmt nebenbei noch die Kunst des ganzen Abendlands samt der Neuen Welt auf die Schippe. HANS-DIETER SEIDEL
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