Eine junge Frau wird Prostituierte, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen kann, und findet bei einem Streit unter Zuhältern den Tod. Der durch Zwischentitel in zwölf Kapitel gegliederte Film ist Godards erster Versuch, die übliche Filmerzählung durch einen Film-Essay zu ersetzen.
Bonusmaterial
s/w FilmFrankfurter Allgemeine ZeitungDie Wellenreiterin
Jean-Luc Godards "Die Geschichte der Nana S."
Das Dänische Fotomodell Hanne Karin Blarke Bayer kam 1958 im Alter von achtzehn Jahren nach Paris. Dort bot ihr Jean-Luc Godard die Hauptrolle in seinem Experimentalfilm "Außer Atem" an - sie lehnte ab, zog jedoch innerhalb eines Jahres bei ihm ein, wurde sein Protégé, anschließend seine Ehefrau und unter dem Künstlernamen Anna Karina als Schauspielerin der Nouvelle Vague berühmt.
In Godards düsterem Filmessay "Vivre sa Vie" (Lebe das Leben), dem die deutschen Übersetzer den Titel "Die Geschichte der Nana S." gaben, spielt Anna Karina eine Pariser Prostituierte. Unter der genialen Kameraführung von Raoul Coutard erzählt der Film in zwölf "tableaux" von Nanas Leben, das ihr so Schwarz-Weiß erscheint wie die Kinoleinwand. Jede neue Filmsequenz und Kameraeinstellung wird mit der wehmütigen Musik von Michel Legrand eingeleitet.
Der Film beginnt mit dem Montaigne-Zitat "Man muß sich hingeben, um sich selbst zu bewahren", auf das in der ersten Szene ein nahezu klinisches Porträt von Nanas Gesicht und Profil folgt. Nana arbeitet in einem Schallplattenladen, träumt aber von einer Karriere als Schauspielerin. Ihren Mann und das gemeinsame Kind hat sie verlassen, die Concierge versperrt ihr den Weg in die Wohnung, das Geld für die Miete kann sie nicht aufbringen. Als Prostituierte meint sie ein Stück Freiheit, Unabhängigkeit und Eigenverantwortung zu gewinnen. "Man ist verantwortlich für das, was man ist und tut", sagt sie. Wir folgen ihr ins Kino, sehen sie über Maria Falconettis Schicksal in Carl Theodor Dreyers "La Passion de Jeanne d'Arc" weinen - ein Film, der ihr eigenes Unheil spiegelt. Ungehemmt scheint Nana nur zu sein, als sie ungeniert durch das Billiardzimmer tänzelt. Glücklich sieht man sie erst in den Armen ihres Geliebten, mit dem sie zusammenziehen möchte.
"Film noir"-Komik, rohe Bildbearbeitung, Unstimmigkeit von Ton und Bild sowie das abrupte, unkommentierte Ende - sie alle sind Charakterzüge der Nouvelle Vague. In den fünfziger und sechziger Jahren verhängten junge Pariser Filmemacher wie Godard, dessen Freund François Truffaut, Eric Rohmer und Louis Malle eine neue Stilbewegung über die französische Filmszene. Mit mageren Budgets, kleinen Gruppen von Amateurschauspielern und mit Handkameras "on location" gefilmt, läuteten die Regisseure die kurze Ära dieser Ur-Dogma-Filme ein. Vor allem aber Godard inspiriert noch heute amerikanische Regisseure, beispielsweise Quentin Tarantino, in dessen "Pulp Fiction" Nanas Miene, gekünsteltes Auftreten und Helm aus schwarzem Haar in der Gestalt von Uma Thurman zurückkehrt.
LAURA WIELAND
Heute abend und morgen um 20 Uhr in den Kinos fsk am Oranienplatz und Blow Up. Um 22.30 Uhr im Filmtheater Hackesche Höfe.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jean-Luc Godards "Die Geschichte der Nana S."
Das Dänische Fotomodell Hanne Karin Blarke Bayer kam 1958 im Alter von achtzehn Jahren nach Paris. Dort bot ihr Jean-Luc Godard die Hauptrolle in seinem Experimentalfilm "Außer Atem" an - sie lehnte ab, zog jedoch innerhalb eines Jahres bei ihm ein, wurde sein Protégé, anschließend seine Ehefrau und unter dem Künstlernamen Anna Karina als Schauspielerin der Nouvelle Vague berühmt.
In Godards düsterem Filmessay "Vivre sa Vie" (Lebe das Leben), dem die deutschen Übersetzer den Titel "Die Geschichte der Nana S." gaben, spielt Anna Karina eine Pariser Prostituierte. Unter der genialen Kameraführung von Raoul Coutard erzählt der Film in zwölf "tableaux" von Nanas Leben, das ihr so Schwarz-Weiß erscheint wie die Kinoleinwand. Jede neue Filmsequenz und Kameraeinstellung wird mit der wehmütigen Musik von Michel Legrand eingeleitet.
Der Film beginnt mit dem Montaigne-Zitat "Man muß sich hingeben, um sich selbst zu bewahren", auf das in der ersten Szene ein nahezu klinisches Porträt von Nanas Gesicht und Profil folgt. Nana arbeitet in einem Schallplattenladen, träumt aber von einer Karriere als Schauspielerin. Ihren Mann und das gemeinsame Kind hat sie verlassen, die Concierge versperrt ihr den Weg in die Wohnung, das Geld für die Miete kann sie nicht aufbringen. Als Prostituierte meint sie ein Stück Freiheit, Unabhängigkeit und Eigenverantwortung zu gewinnen. "Man ist verantwortlich für das, was man ist und tut", sagt sie. Wir folgen ihr ins Kino, sehen sie über Maria Falconettis Schicksal in Carl Theodor Dreyers "La Passion de Jeanne d'Arc" weinen - ein Film, der ihr eigenes Unheil spiegelt. Ungehemmt scheint Nana nur zu sein, als sie ungeniert durch das Billiardzimmer tänzelt. Glücklich sieht man sie erst in den Armen ihres Geliebten, mit dem sie zusammenziehen möchte.
"Film noir"-Komik, rohe Bildbearbeitung, Unstimmigkeit von Ton und Bild sowie das abrupte, unkommentierte Ende - sie alle sind Charakterzüge der Nouvelle Vague. In den fünfziger und sechziger Jahren verhängten junge Pariser Filmemacher wie Godard, dessen Freund François Truffaut, Eric Rohmer und Louis Malle eine neue Stilbewegung über die französische Filmszene. Mit mageren Budgets, kleinen Gruppen von Amateurschauspielern und mit Handkameras "on location" gefilmt, läuteten die Regisseure die kurze Ära dieser Ur-Dogma-Filme ein. Vor allem aber Godard inspiriert noch heute amerikanische Regisseure, beispielsweise Quentin Tarantino, in dessen "Pulp Fiction" Nanas Miene, gekünsteltes Auftreten und Helm aus schwarzem Haar in der Gestalt von Uma Thurman zurückkehrt.
LAURA WIELAND
Heute abend und morgen um 20 Uhr in den Kinos fsk am Oranienplatz und Blow Up. Um 22.30 Uhr im Filmtheater Hackesche Höfe.
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